Schwierigkeiten das Amt eines Präsidenten dieses Hauses Jzu allen Zeiten, und zumal in dem gegenwärtigen Augenblicke, zu bewältigen habe, auch fühle er recht gut, daß das Haus sei Jahren an dieser Stelle erprobte Kräfte von hoher Be⸗ gabung wirken Psehen habe, indeß glaube er, daß der Ein⸗ elne, wenn der Ruf des Hauses an ihn ergehe, sich diesem Frufe nicht entziehen könne; er stelle sich deshalb in den Dienst des Hauses und nehme die auf ihn gefallene Wahl mit Dank an. Aber er sei fest davon durchdrungen, daß er auf eine leidliche Ausfüllung dieses Amtes nur dann rechnen könne, wenn er von allen Seiten dieses Hauses freundliche und nachsichtsvolle Unterstützung finde; er richte daher an alle Mitglieder des Hauses die Bitte, ihm diese Unterstützung gewähren zu wollen, möge das Haus überzeugt sein, daß es sein (des Redners) eifrigstes Bestreben sein werde, die Geschäfte dieses Hauses mit allen ihm zu Gebote stehenden Kräften zu fördern, und er von dem redlichen Willen beseelt sei, bei Leitung der Verhandlungen Unparteilichkeit und Ge⸗ rechtigkeit nach allen Seiten hin zu üben. Er übernehme hiermit den Vorsitz und bitte die Mitglieder des Hauses, dem Herrn Alters⸗Präsidenten durch Erheben von ihren Plätzen den Dank des Hauses für seine Bemühungen auszusprechen. (Das Haus erhob sich.) 1
Demnächst wurde 8 Wahl des ersten Vize⸗Präsi⸗ denten geschritten. Es wurden 398 Stimmzettel abgegeben. Von diesen waren 21 unbeschrieben, also 377 gültig. Die absolute Majorität betrug somit 189. Es erhielten: der Abg. von Benda 220 Stimmen, der Abg. Graf Bethusy⸗ Huc 155 Stimmen, der Abg. von Meyer (Arnswalde) 1 Stimme, der Abg. Richter 1 Stimme. Der Abg. von Benda war somit gewählt und nahm die Wahl an. 8
Bei der Wahl des zweiten Vize⸗Präsidenten wurden 387 Stimmzettel abgegeben, von denen 4 ungültig waren; die absolute Majorität der 383 gültigen Stimmen betrug also 192. Von diesen erhielten: der Abg. Freiherr von Heereman 215 Stimmen, der Abg. Graf Bethusy⸗Huc 167 Stimmen, der Abg. Stöcker 1 Stimme. Der Abg. Frei⸗ herr von Heereman war somit gewählt, und nahm die Wahl dankend an.
Demnächst wurden auf den Antrag des Abg. Windthorst durch Akklamation zu Schriftführern gewählt die Abgg. Grütering, Graf Schmising⸗Kerssenbrock, von Quast, von Watzdorff, Delius, Sachse, Schmidt (Sagan) und Quadt. Zu Quästoren ernannte der Präsident die Abgg. von Lieber⸗ mann und Dr. Techow. .
Das Haus war somit konstituirt und vertagte sich um
— In der heutigen (3.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Finanz⸗Minister Bitter und der Regierungskommissar Geh. Ober⸗Finanz⸗Rath Rötger ten, theilte der Präsident mit, daß von dem Minister der öffentlichen Arbeiten eine Uebersicht über die Verwaltung der siskalischen Bergwerke, Hütten und Salinen während des Etatsjahres 1878/79 eingegangen sei.
Der Finanz⸗Minister legte mit Allerhöchster Genehmigung den Etatsentwurf pro 1880/81 vor und gab eine Uebersicht über die Finanahage sowie über die Etatsveränderungen (s. Fuch unter Landtags⸗Angelegenheiten). Bei Schluß des Blattes dauerte die Rede des Finanz⸗Ministers noch fort.
— Nach der im Reichs⸗Eisenbahn⸗Amt aufgestellten, in der Ersten Beilg ae verüeffentlichten⸗N. achweisutzg über die im
Monat Septeme er d. J-auf deutschen Eisenbahnen — excl. Bayerns — vorgekommenen Unfälle waren im Ganzen zu verzeichnen: 19 Entgleisungen und 3 Zusammenstöße fahren⸗ der Züge, und zwar wurden hiervon 8 Züge mit Personen⸗ beförderung — von je 16 906 Zügen dieser Gattung Einer — und 14 Güterzüge resp. leer fahrende Maschinen betroffen; ferner 54 eegseesaen und 22 Zusammenstöße beim Rangiren und 84 sonstige Betriebsereignisse (Ueberfah⸗ ren von Fuhrwerken auf Wegeübergängen, Defekte an Maschi⸗ nen und Wagen ec.). G
In Folge dieser Unfälle wurden 2 Beamte, 1 Arbeiter und 2 fremde Personen getödtet und 2 Passagiere, 23 Be⸗ amte und 3 Arbeiter verletzt, 66 Thiere getödtet und 8 ver⸗ letzt, 57 Fahrzeuge erheblich und 140 unerheblich beschädigt.
Außer den vorstehend aufgeführten Verunglückungen von Personen kamen, größtentheils durch eigene Unvorsichtigkeit be noch vor: 33 Tödtungen (1 Reisender, 15
eamte, 4 Arbeiter und 13 fremde Personen), 88 Ver⸗ letzungen (3 Reisende, 43 Beamte, 31 Arbeiter und 11 fremde Personen), 7 Tödtungen und 1 Verletzung bei beabsichtigtem Selbstmorde. “
Faßt man sämmtliche Verunglückungen — ausschließlich Selbstmörder — zusammen, so entfallen auf:
A. Staatsbahnen und unter Staatsverwaltung stehende Privatbahnen (bei zusammen 16 502 km Be⸗ triebslänge, 22470 km Geleislänge und 374 082 046 geför⸗ derten Achskilometern) 109 Fälle, darunter die größte Anzahl auf die Bergisch⸗Märkische (24), die Oberschlesische (20) und die Ostbahn (14).
Verhältnißmäßig, d. h. unter Berücksichtigung der eförderten Achskilometer und der im Betriebe gewesenen eleislängen sind die meisten Verunglückungen auf der
Oberhessischen, der Bergisch⸗Märkischen und der Oberschlesischen Eisenbahn vorgekommen.
. Größere Privatbahnen — mit je über 150 km Länge — (bei zusammen 10 509 km Betriebslänge, 13 811 km Geleislänge und 230 524 056 geförderten Achskilometern) 44 Fälle, darunter die größte Zahl auf die Köln⸗Minde⸗ ner (10), die Rheinische 88) und auf die Berlin⸗Potsdam⸗ “ und Breslau⸗Schweidnitz⸗Freiburger Eisen⸗ ahn je 5. .
Verhältnißmäßig fanden jedoch die meisten Verun⸗ glückungen auf der Cottbus⸗Großenhainer, Oels⸗Gnesener und Breslau⸗Schweidnitz⸗Freiburger Eisenbahn statt.
C. Kleinere Privatbahnen — mit je unter 150 km Länge — (bei zusammen 1063 km Betriebslänge, 1136 km. Geleislänge und 7 491 266 geförderten Achskilometern) 1 Fall, und zwar auf der Tilsit⸗Insterburger Eisenbahn.
Von den im Ganzen beförderten 17 165 609 Personen wurde 1 Passagier getödtet, und zwar auf der Badischen Staatsbahn; 5 Reisende wurden verletzt, 1 auf der Bergisch⸗ Märkischen, 1 auf der Elsaß⸗Lothringischen, 2 auf der Magde⸗ burg⸗Halberstädter und 1 auf der Württembergischen Eisenbahn.
Von den im Betriebsdienste thätig gewesenen Beamten venee von je 7662 Einer getödtet und von je 1974 Einer verletzt.
„Ein Vergleich mit demselben Monate des Vorjahres er⸗ giebt, unter Berücksichtigung der in beiden Zeitabschnitten
eförd erten Achskilometern und der im Betriebe gewesenen Ge⸗
elslängen, daß im Durchschnitt im Monat September d. Is.
bei 16 Verwaltungen mehr und bei 19 Verwaltungen
weniger und in Summa ca. 3,7 — weniger Verun⸗
Fücangen vorgekommen sind als in demselben Monate des orjahres.
— S. M. gedeckte Korvette „Bismarck“, 16 Geschütze, Kommandant Korv. Kapt. Deinhard, hat am 8. August cr. “ verlassen und ankerte am 24. dess. Mts. im Hafen von
idney.
8. M. Kanonenboot „Comet“, 4 Geschütze, Kommandant Kapt. Lt. Freiherr von Senden⸗Bibran, ist am 30. d. Mts. in Kiel eingetroffen. Z
S. M. Glattdecks⸗Korvette „Freya“, 8 Geschütze, Kom⸗ mandant Korv. Kapt. von Hippel, ist am 28. d. Mts. in Plymouth eingetroffen.
Hannover, 29. Oktober. In der heutigen Sitzung des Provinzial⸗Landtags wurde die Wahl von zwei Abge⸗ ordneten und deren Stellvertretern Mitwirkung und Kon⸗ trole bei den Geschäften der Direktion der Rentenbank für die Provinzen Sachsen und Hannover vorgenommen. Der Regierungs⸗Rath Stegemann erstattete Bericht über die Lage der Bank, deren Rechnungsführung er als außerordentlich wohl geordnet bezeichnete. Auf Einzelheiten wolle er nicht eingehen, sondern nur einen Punkt von allgemeinem Interesse ehaa ben es sei dies das Verhältniß der Betheiligung der
rovinz Sachsen an der Rentenbank zu der Betheiligung der Provinz Hannover. Seit Gründung der Bank sei nämlich Sachsen mit 67 ½ Millionen, Hannover mit nur 2 ½ Millionen an der Bank betheiligt. Es erkläre sich dies zum Theil daraus, daß die Bank in Sachsen schon viel länger existire, doch zeige sich ein ähnliches Verhältniß auch in neuerer Zeit. Referent beantragte zum Schlusse, die bevor⸗ stehende Wahl auf drei Jahre vorzunehmen. Dieser An⸗ trag wurde angenommen, ebenso der des Schatzraths von Rössing, welcher eine eventuelle Wiederwahl ablehnte: die Wahl
durch Akklamation vorzunehmen. Gewählt wurden als Ab⸗
geordnete die Herren Stegemann und Bostelmann, als Stell⸗ vertreter die Herren von Hammerstein⸗Equord und v. d. Brelie.
Der zweite Punkt der Tagesordnung betraf den Antrag des Landschafts⸗Raths von Frise, welcher dahin ging, das Landesdirektorium zu ermächtigen, bei der Staatsregierung der nach öffentlichen Blättern geplanten Aufhebung der sechs Landdrosteien in der Provinz entgegen⸗ und auf deren Erhaltung hinzuwirken. Nach längerer Debatte wurde der Antrag einstimmig angenommen. Die Anträge der Rechnungskommission, welche außerdem noch auf der Tagesordnung standen, enthielten Bemerkungen zu den Rech⸗ nungen pro 1877 und 1878. Verschiedene derselben gaben zu lebhafter Debatte Anlaß, doch hatte ihr Inhalt 1 allge⸗ meines Interesse. Zum Schlusse wurden sämmtliche Anträge der Rechnungskommission angenommen. Die Tagesordnung war damit erledigt, und der Landtag wurde, wie bereits gestern mitgetheilt, geschlossen.
Waldeck. Arolsen, 28. Oktober. Der Landtag der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont ist heute von dem Landes⸗Direktor von Sommerfeld mit folgender Rede
eröffnet worden: Meine Herren!
Nachdem Sie auf Grund Alerdassge Ermächtigung Sr. Majgstät des Königs von Preußen zur diesührigen verfassungsmäßi⸗ gen Landtagssitzung einberufen worden sind, habe ich Sie zunächst im Auftrage Sr. Durchlaucht des Fürsten von dem am 25. d. Mts. erfolgten Ableben Ihrer Durchlaucht der Prinzessin Carl zu Waldeck und Pyrmont in Kenntniß zu setzen — üͤberzeugt, daß Sie an die⸗ sem schmerzlichen Verluste des Fürstenhauses aufrichtigen Antheil nehmen werden.
Die in der diesjährigen außerordentlichen Landtagssitzung be⸗ rathenen Justizgesetze haben in der beschlossenen Fassung sämmtlich die Allerhöchste Genehmigung erhalten. Auch für die Fürstenthümer ist daher das große Werk der neuen deutschen Justizorganisation rechtzeitig zum Abschluß gelangt. Dagegen hat die Staatsregierung Bedenken tragen müssen, den in der letzten Sitzung vorgelegten Justiz⸗ Etat in der von Ihnen beantragten Weise abzuändern. Sie sieht sich daher genöthigt, den Etat nochmals Ihrer Berathung zu unterbreiten.
Als neue Vorlage wird Sie ein Gesetzentwurf beschäftigen, wel⸗ cher die Regelung der Verhältnisse des Stifts Schaaken bezweckt. Ich begleite diese Vorlage mit dem dringenden Wunsche, daß es end⸗ lich gelingen möge, eine Einigung über diese so lange schwebende Angelegenheit zu erzielen und de Verwendung des Stifsvermögens zu wohlthätigen und gemeinnützigen Zwecken zu ermöglichen.
Weitere Gesetzesvorlagen stehen augenblicklich nicht in Aussicht, doch werden Ihnen noch einige, die laufende Verwaltung betreffende Anträge, sowie die Staatskassenrechnung von 1877 zur Wahrnehmung Ihrer verfassungsmäßigen Rechte zugehen. “
Im Namen Sr. Majestät des Königs von Preußen erkläre ich hiermit den diesjährigen Landtag für eröffnet.
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 30. Oktober. (W. T. B.) Das Unterhaus setzte heute die Adreßdebatte fort, wo⸗ bei die Abgg. Czartorisky und Rieger für den Adreßentwurf der Majorität, die Abgg. Plener und Jacques gegen densel⸗ ben das Wort nahmen. Die Weiterberathung wurde auf heute Abend vertagt. — Bei der heute Abend forcgese ten Adreßdebatte erklärte der Minister⸗Präsident Graf Taaffe, das Ministerium habe sich die schwierige Aufgabe gestellt, eine “ und Versöhnung zwischen den Parteien her⸗ beizuführen. Eine Vermittlerrolle sei eine undankbare, aber in diesem Falle eine patriotische. Das Ministerium sei kein Partei⸗ Ministerium. Wäre es ein solches, dann könnte es nicht geeignet sein, über den Parteien zu stehen. Solle eine Versöhnung zu Stande kommen, so müsse ein theoretischer Kampf vermieden werden, denn der Bestand der Verfassung und die Rechtswirksamkeit derselben könne und dürfe nicht mehr in Frage kommen. Da aber der Adreßentwurf der Majorität, abgesehen von einzelnen herben Worten, welche im Laufe der Debatte gefallen seien, gerade in jener politischen Richtung, auf welche die Aktion der Regierung abziele und welche eine Verständigung der ent⸗ gegengesetzten politischen Parteianschauungen auf dem Gebiete
raktischer Fragen und die Vermeidung jeden Haders auf saatstechtlichem Gebiete bezwecke, sich dem Geiste und dem Wortlaute der Thronrede anschließe, so könne die Regierung nur empfehlen, den Adreßentwurf der Majorität als Grund⸗ lage für die Spezialdebatte anzunehmen. (Lebhaster Beifall rechts.) Hiernach wurde der Antrag auf Schluß der Debatte bei namentlicher Abstimmung mit 168 gegen 130 Stimmen angenonmen und sodann der Schluß der heutigen Sitzung
beschlossen.
— Die „Pol. Corr.“ meldet: Aus Bukarest: Die Arab⸗
tabia⸗Kommission hat sich konstituirt und den fran⸗ zösischen Kommissar Lalanne zum Präsidenten, den öster⸗ reichischen Kommissar, Oberst Jäger, zum Schriftführer ge⸗ wählt. Die Kommission beabsichtigte, heute die erste Lokal⸗ escchtigung vorzunehmen. — Aus Cettinje: In Velika ind 600, 500 Montenegriner sind im Vormarsch gegen Pepich, als Reserve lagern 200 Mann zwischen Velika und Orchenitza. Pest, 30. Oktober. Der „Pester Lloyd“ veröffentlicht die Cirkulardepesche, welche der rumänische Minister des Auswärtigen, Boerescu, über die Judenfrage an die Vertreter Rumäniens bei den Berliner Signatar⸗ mächten gerichtet hat. In derselben wird zunächst mit Ge⸗ nugthuung konstatirt, daß die Annahme 1“ Ge⸗ setzes über Revision des Art. 7 der rumänischen Verfassung die Geister beschwichtigt, große gefährliche Agitationen be⸗ ruhigt und große Gefahren schwinden gemacht habe. Gegen den ursprünglichen Regierungsentwurf habe sich sowohl in der Kammer, wie allenthalben im Lande, ein so lebhafter Widerspruch erhoben, daß die Gefahr ernst⸗ licher Unruhen eine unmittelbar bevorstehende geworden sei und daß voraussichtlich die Israeliten die ersten Opfer der Unruhen geworden sein würden. In normalen Zeiten würde unter solchen Umständen das Kabinet demissionirt haben, allein dann wäre die Opposition ans Ruder gekommen, die⸗ selbe würde einen ihren Ansichten entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht und damit ernstliche Einwendungen von Außen hervorgerufen haben. Ein anderer Ausweg würde die Auf⸗ lösung der Kammer gewesen sein, aber die Vornahme von Neuwahlen würde das Signal zu allgemeinen und tiefgehen⸗ den Erschütterungen gegeben haben. Als der vernünftigste Ausweg sei also nichts als ein Kompromiß mit der Opposition übrig geblieben. Die Regierung habe die meist nur for⸗ mellen Modifikationen des ersten Entwurfs angenommen, die wesentlichen Grundlagen des ursprünglichen Entwurfs der Regierung aber seien unberührt geblieben, diese Grundlagen gipfelten darin, daß das Prinzip der bürgerlichen und poli⸗ tischen Gleichheit in die Konstitution aufgenommen und daß praktischen Durchführung desselben sofort begonnen werde. Signatarmächte dieser Lösung, welche den Bestimmungen des Berliner Vertrags vollständig entspreche, zustimmen würden. Wie der „Pester Lloyd“ ferner wissen will, wäre das Demissionsgesu Konstantinopel, Grafen Zichy, angenommen worden.
Großbritannien und Irland. London, 29. Oktober. (Allg. Corr.) Ihre Majestät die Königin wird am Freitag, den 14. November, von Balmoral nach Windsor übersiedeln. Weihnachten wird der Hof wie gewöhnlich in Osborne (Insel Wight) zubringen.
Der Dampfer „Sarmatian“ mit Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Luis e an Bord traf gestern Mittag in der Mersey ein. Der Dampfer hatte eine stürmische Ueberfahrt.
Der Vizekönig telegraphirt an das Amt unterm 27. d. M.: Als General Gough in Sirkai Kotal, zwischen Kushi und dem Shutargardan, ankam, zerstreute sich der Feind. General Roberts meldet aus Kabul vom 20. d., daß kleinere Exrplosionen noch immer stattfinden, zum Schutze des größeren Magazins aber alle Vorsichts maßregeln getroffen seien. Sämmtliche hervorragende Führer aus Kohistan und dem dazwischenliegenden Lande haben dem General ihre Huldigung dargebracht. Transportzüge mit Vorräthen von Ali Khel, die für Kabul bestimmt sind, erreichten Karatiga. Der Shutargardan wird am 29. d. M. geräumt werden. General Gordon rückt von Ali Khel aus, um die benachbar⸗ ten Stämme, die an dem jüngsten Angriffe in dem Shutar⸗ gardan betheiligt sind, zu züchtigen. Rekognoszirungen sind jenseits Gundamuk bis Surkh Pul unternommen worden. Major St. John ist nach Fagdahar zurückgekehrt und meldet, daß in Khelat⸗i⸗Ghilzai Ruhe herrsche und Vorkehrungen für die Winterbedürfnisse getroffen würden. Jenseits Khelat befindet sich das Land in Verwirrung, obgleich Karawanen passiren. Der Gouverneur von Ghuzni soll sich in der Citadelle eingeschlossen haben.
— 30. Oktober. (W. T. B.) Dem „Standard“ wird aus Kabul, vom 29. d. M., gemeldet: Die Bevölkerung
von Kabul verhält sich vollständig ruhig. Dieselbe scheint
indeß nur durch die Furcht niedergehalten zu werden und dürfte sich wieder erheben, sobald sie eine Aussicht auf Er⸗ folg bemerkt. — Aus Kandahar wird vom 29. d. M. ge⸗ meldet: General Hughes hat eine große Truppenabtheilung der Ghilzais unweit Kelatighilzai nach einem lebhaften Kampf auseinandergesprengt. Die Engländer verloren 2 Todte und 78 Verwundete.
— Das Reutersche Bureau meldet aus Simla, vom heutigen Tage Folgendes: General Roberts hat eine Proklamation erlassen, in welcher es heißt, die Nieder⸗ metzelung der englischen Gesandtschaft in Kabul und die Ab⸗ dankung des Emirs von Afghanistan hätten die englische Re⸗ gierung veranlaßt, Kabul und andere Gebietstheile von Afghanistan zu besetzen. Die afghanischen Behörden, die Häuptlinge der Stämme und die Sirdars würden demnach
aufgefordert, die Ordnung und Ruhe in ihren Distrikten
ferner aufrecht zu erhalten und zugleich ersucht, mit General Roberts in Berathung zu treten. Die Bevölkerung der von englischen Truppen besetzten Distrikts würden mit Ge⸗ rechtigkeit und Wohlwollen behandelt, ihre Religion, ihre Ge⸗ wohnheiten würden geachtet, die Loyalität und alle geleisteten guten Dienste würden belohnt, alle “ gegen die englische Verwaltung dagegen unnachsichtlich bestraft werden. Die für die permanente Verwaltung des Landes erforderlichen Anordnungen sollten nach einer Berathung mit den Sirdars und Häuptlingen, sowie mit Vertretern der Hauptprovinzen
getroffen werden.
Frankreich. Paris, 30. Oktober. (W. T. B.) Der Beschluß des Generalraths der Seine, welcher den Wunsch einer vollen Amnestie ausspricht, ist durch Dekret der Regierung für nichtig erklärt worden. — Durch an⸗ dere von der Regierung erlassene Dekrete werden 22 Maires im Departement der Vendée und 4 Maires im Departement Tarn⸗et⸗Garonne wegen Theilnahme an faktiösen Kund⸗ gebungen ihrer Aemter entsetzt.
Türkei. Konstantinopel, 29. Oktober. (W. T. B.) In der heutigen Konferenz über die griechisch⸗türkisch Grenzreguliru ngsfrage wurde von den griechischen Kom⸗ missären eine Erklärung verlesen, in welcher e hr. für eine in der letzten ;. vorgeschlagene, den Andeutungen des Berliner Kongresses entsprechende, Grenzlinie eintreten. Dem
in Orchenitza 100 Montenegriner eingerückt,
Beides sei erreicht; die Regierung hoffe, daß die
des österreichisch⸗ungarischen Botschafters in—
gegenüber verwies der türkische Kommissar Savfet Pascha auf
den zwischen den früheren und den gegenwärtigen Erklärungen
der griechischen Kommissäre bestehenden Widerspru 2 varges den Eintritt in die Diskussion über ee Konguffe wirklich angedeutete Grenzlinie. „Die Berathung wurde nach inem Meinungsaustausch über die bestehenden Differenzpunkte
bis auf Weiteres verschoben.
Rumänien. Bukarest, 30 Oktober. (W. Die Deputirtenkammer hat heute den Gesetzentwur über die Naturalisirung von 883 Israeliten, welche in der Armee gedient haben, mit 64 gegen 5 Stimmen an⸗ genommen. 5 Namen von Isfraeliten sind von der durch die Regierung vorgelegten Liste gestrichen worden. — Von dem Sturdza wurde der Gesetzentwurf wegen ückkaufs der rumänischen Bahnen eingebracht. Der Minister beantragte die Dringlichkeit, welche auch von der Kammer beschlossen wurde.
Südamerika. Chile. Valparaiso, 4. Oktober. (Allg. Corr.) Die beiden Transportschiffe „Aroya“ und „Rimas“, mit 3000 Mann Truppen aus Arica an Bord, sind von dem „Huascar“ nach Jquique eskortirt worden. — Die peruanische Regierung hat die Ein⸗ fuhrzölle auf chilenische Produkte bedeutend erhöht.
eiste ordentliche General⸗Synode.
Berlin, 31. Oktober. Im weiteren Verlauf der gestrigen Sitzung der General⸗Synode befürwortete der Synodale v. Kleist⸗ Retzow die Annahme der von der Kommission entworfenen Taau⸗ formulars. Der Bürgermeister Bötticher (Magdeburg) beantragte, die Worte „Zusammensprechen“ oder „Bestätigen“ abzulehnen. Der Präsident Hermes rersicherte, der Evangelische Ober⸗Kirchenrath werde bemüht sein, den Wünschen der Synode nach Möglichkeit zu begegnen. Ob jedoch die hier gestellten Anträge bei der Königlichen Staatsregierung volle Unterstützung finden würden, erachte er für zweifelbaft. Er ersuche daher die Synode, das Schiff nicht allzusehr zu belasten, um es vor schließlicher Scheiterung zu bewahren.
Nachdem noch der Konsistorial⸗Rath und Professor Dr. Köstlin (Halle) die Kommissionsvorschläge, der Landrath a. D. v. Röder seinen Antrag, in dem Formular sud II. B. anstatt: „so segne ich“, zu sagen: „so bestätige ich“, der Konsistorial⸗Rath und Pro⸗ fessor Dr. Meuß (Breslau) und der Pfarrer Lüdecke (Neustektin) die Kommissionsvorschläge befürwortet hatten, äußerte sich der Pro⸗ fessor Dr. Jacobi (Königsberg) im Sinne des Synodalen Bötticher. Hierauf zog der Synodale v. Röder seinen Antrag zurück, und gelangte das gesammte Formular in der Fassung der Kommission zur Annahme. Dem beschlossenen Trauformular wurde noch hinzugefügt: „Folgt die Trauung der bürgerlichen Ehe⸗ schließung an demselben Tage nach, oder hat, wenngleich die bürger⸗ liche Eheschließung schon an einem früheren Tage stattgefunden hat, er Pfarrer anzunehmen, daß die Eheleute in die eheliche Lebensgemeinschaft noch nicht eingetreten sind, so ist hier in der Regel der Geburtsname, nicht der Familienname des Ehemanns, und, soweit es sonst gebräuchlich gewesen, die Be⸗ zeichnung als Jungfrau zu gebrauchen.“ „Provinzielle, be⸗ ziehungsweise landschaftliche, bisher in Gebrauch gewesene agendarische Formulare können für den Fall, daß die entscheidenden Worte dem einheitlichen Formulare entsprechend gestaltet werden, mit Genehmi⸗ gung des Ober⸗Kirchenraths angewendet werden. Die Ueberleitung zu den Traufragen wie bisher; alles Weitere wie in der Agende.“ Schließlich Fegie auch der gestern mitgetheilte Antrag der Kom⸗ mission zur Annahme. 8
2 Es alsdann die Berathung des ö betreffend die Verletzung kirchlicher Pfl ichten in Bezug auf Taufe, Confirmation und Trauung. Die Kommission schlägt folgende wesentliche Aenderungen vor: Den § 2 folgendermaßen zu fassen: „Wer ungeachtet dieser Einwirkung die Erfüllung der kirchlichen Pflicht beharrlich versagt, ist durch den Gemeinde⸗Kirchenrath (Pres⸗ byterium) zur Nachholung des Versäumten binnen einer angemessenen Frist, unter Hinweisung, schriftlich aufzufordern.“ §. 3: „Bleibt auch die schriftliche Aufforderung ohne Erfolg, so treten für den Schuldigen durch Beschluß der verfassungsmäßig zuständigen Organe die in den nachfolgenden Bestimmungen festgestellten weiteren Maßregeln der Kirchenzucht ein.“ — Den §. 4: „Die nachträgliche Entziehung kirchlicher Rechte ist nicht zulässig, wenn die Erfüllung der genannten kirchlichen Pflichten thatsächlich nicht mehr möglich ist“, beantragte die Kommission zu streichen. Endlich beantragt die Kommission, dem Gesetzentwurf hinzuzufügen: „Die nach dem Staatsgesetze vom 13. Mai 1873 zulässigen, kirchenordnungsmäßig festgestellten, oder in einzelnen Landestheilen observanzmäßig bestehen⸗ den anderweitigen Uebungen der Kirchenzucht, auch in ihrer Anwen⸗ dung auf die in den §§. 4—7 genannten kirchlichen Pflichtversäum⸗ nisse werden durch dies e nicht berührt.“ Der General⸗ Superintendent Dr. Schulze (Elbei bei Magdeburg) befür⸗ wortete als Referent die Annahme der Kommissionsvorschläge, der Missionsdirektor Dr. Wangemann (Berlin) die Enbloe⸗Annahme des vorliegenden “ nach dem Vorschlage der Kommission, ebenso der Professor Dr. Beyschlag (Halle) und der Kommissar des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths, Ober⸗Konsistorial⸗Rath und Pro⸗ fessor Dr. Frhr. v. d. Goltz (Berlin). Die Vorlage wurde nebst den Abänderungsanträgen der Kommission angenommen. 1
Die heutige (18.) Sitzung wurde um 10 x½ Uhr an⸗ läßlich des heutigen Reformationsfestes mit dem Gesange des Liedes „Ein' feste Burg ist unser Gott“ eröffnet. Der Professor, Dr. Christlieb (Bonn) sprach alsdann das Gebet. Es wurde hier⸗ auf in die zweite Berathung des Kirchengesetzes, betreffend die Trauordnung, einschließlich des Trauformulars, eingetreten. Der Kommissar, Ober⸗Konsistorial⸗Rath Braun ersuchte im Namen des Ev. Ober⸗Kirchenraths die Synode, in dem §. 1 Alinea 1 die Worte: „nach dem bürgerlichen Rechte“ zu streichen und den §. 1 der Re⸗ gierungsvorlage: „Die Tranung hat die rechtsgültig geschlossene Ehe zur Voraussetzung“, wieder herzustellen; eventuell würde der Evangelische Ober⸗Kirchenrath sich veranlaßt sehen, die Worte: „bürgerlich’ und „rechtsgültig“ zu identifiziren. Die Synode ge⸗ nehmigte jedoch §. 1 Alinea 1 nach den Beschlüssen der Kommission, bezw. wie dasselbe aus der ersten Lesung hervorgegangen, also lau⸗ tend: „Die Trauung hat die nach dem bürgerlichen Recht erfolgte Eheschließung zur Voraussetzung. — In gleicher Weise wurden Alinea 2 des §. 1, sowie die 8§. 2, 3, 4, 5 und 6, wie in der ersten Berathung beschlossen, genehmigt. — Zu §. 7 Alinea 1: „die Trauung erfolgt in Gemäßheit der Anlage 8.“ bat Professor Dr. Eremer (Grelfswald), das Parallel⸗Formular in der beschlossenen Weise ab⸗ ulehnen. Nach einer Bemerkung des Konsistorial⸗Raths und Pro⸗ Hösons Dr. Meuß (Breslau) gelangte Alinea 1 §. 7 bei Schluß des
attes zur Annahme.
Landtags⸗Angelegenbheiten. 1
Der Vorbericht zu dem dem Hause der Abgeordneten heute vorgelegten Ssich h u hentt .G a⸗ für das Jahr vom 1. April 1880/81 lautet: 1
die Luffzesang des Staatshaushalts⸗Etats für das Jahr vom 1. April 1880/81 mußte bei der gegenwärtigen Finanzlage Preußens erheblichen Schwierigkeiten begegnen. Eine Besserung der wirth⸗ schaftlichen Verhältnisse des Landes wird erst nach einiger Zeit zu erhoffen sein. Der auf diesem Gebiete noch fortdauernde Druck läßt für die sogenannten Betriebsverwaltungen, insbesondere die Forstver⸗
T. B.)
waltung und die Bergverwaltung, wiederum einen geringeren Ueber⸗ schuß in Aussicht nehmen. Der Matrikularbeitrag für das Reich ist für das laufende Verwaltungsjahr unter Anrechnung des von der Etatssumme in Abzug zu bringenden Ueberschusses der Reichsdruckerei um 2 147 144 ℳ erhöht worden. Bei den Einnahmen des vor⸗ maligen Stagtsschatzes muß im Gegensatz zu dem Voranschlage des laufenden Jahres eine beträchtliche Verminderung des Aufk mmens angenommen werden. Die zahlreichen früher beschlossenen Bauten, insbesondere die Fortführung und Beendigung der Eisenbahnbauten bedingen eine Vermehrung der öffentlichen Schuld und demzufolge eine beträchtliche Steigerung der Ausgaben zu deren Verzinsung, während sich von den bezüglschen produktiven Anlagen entsprechende Erträge für das nächste Etatsjahr noch nicht einstellen lassen. Außer⸗ dem sind auf verschiedenen Gebieten der Staatsverwaltung noth⸗ wendige und dringende Mehrausgaben vorzusehen, welche namentlich bei der Justizverwaltung durch die Gebühren der Gerichtsvollzieher und bei der Verwaltung der indirekten Steuern in Folge der Ueber⸗ nahme der Gerichtskostenerhebung, sowie der durch die Aenderungen des Zolltarifs und die anderweite Besteuerung des Tabaks bedingken Vermehrung des Beamtenpersonals sich als unvermeidlich ergeben. „In dem laufenden Etat standen für die Deckung der ordentlichen Ausgaben noch außerordentliche Einnahmen in dem Erlöse der Staatsdruckerei mit 3 573 000 ℳ und in dem nach Deckung des höheren Betrages des Matrikularbeitrages von 5 119 345 ℳ ver⸗ bleibenden Ueberschusse der Verwaltung des Jahres vom 1. April 1877/78 mit 287 305 ℳ zur Verfügung. Für das Ausgabeordinarium des nächsten Etats fehlt es an ähnlichen außerordentlichen Einnahmen gänzlich. Die Rechnung des Vorjahres hat nicht nur keinen Ueber⸗ schuß, sondern ein Defizit von 8 744 514 ℳ 47 ₰ ergeben. Wegen Bewilligung der zur Deckung desselben und der Erhöhung des Matrikularbeitrages für das laufende Jahr erforderlichen Mittel werden besondere Vorlagen gemacht.
Unter solchen Verhältnissen würde der Voranschlag der ordent⸗ lichen Einnahmen gegen das Ausgabeordinarium betraͤchtlich zurück⸗ bleiben, wenn nicht in Folge der reichsgesetzlichen Bestimmung im §. 8 des Gesetzes vom 15. Juli d. J., betreffend den Zolltarif des deutschen Zollgebiets und den Ertrag der Zölle und der Tabaksteuer (Reichs⸗Gesetz⸗Blatt S. 207), bei der allgemeinen Finanzverwaltung eine Mehreinnahme von 23 900 000 ℳ als Antheil Preußens an dem für den nächstjäbrigen Reichshaushalts⸗Etat veranschlagten, die Summe von 130 000 000 ℳ übersteigenden Ertrage der Zölle und der Tabaksteuer hätte in Aussicht genommen werden können.
Bei den Ausgabebewilligungen für das Ordinarium ist, wie in den Vorjahren, der Grundfatz vorsichtiger Zurückhaltung und Spar⸗ samkeit maßgebend gewesen. Es ist demgemäß einerseits auf noth⸗ wendige und unbedenklich erscheinende Ersparungen Bedacht ge⸗ nommen und andererseits zur Bewilligung von Mehrausgaben nur nach sorgfältiger Prüfung und Anerkennung eines unabweislichen Bedürfnisses geschritten. Auf diese Weise ist es erreicht worden, daß das Ausgabeordinariuvm von 726 319 741 ℳ die Gesammteinnahme, welche, abzüglich der durchlaufenden Post zur anderweiten Einrichtung des Zeuhauses in Berlin, unter Berücksichtigung der vom Reiche zu erwartenden Mehreinnahme von 23 900 000 ℳ auf den Betrag von 18 817 1 ℳ hat veranschlagt werden können, nur um 5 607 350 ℳ übersteigt.
Im Extraordinarium ist die thunlichste Einschränkung des Be⸗ darfs erfolgt. Einmalige und erstmalige Bewilligungen sind grund⸗ sätzlich als ausgeschlossen betrachtet und ausnahmsweise nur zur Be⸗ friedigung dringender und nicht zurückstellbarer Bedürfnisse zugelassen worden. Zur Fortführung und Votlendung begonnener Bauten, für welche die bisher bewilligten Mittel im Wege des Kredites zu be⸗ schaffen sind, mußte die Einstellung der weiteren Raten in der er⸗ forderlichen Höhe erfolgen. Das Gesammterforderniß des nächsten Jahres für dieselben beläuft sich auf rund 28 800 000 ℳ, während der Gesammtbetrag des Extraordinariums nach Abzug der durch⸗ laufenden Post von 1 000 000 ℳ für das Zeughaus in Berlin auf 41 642 650 ℳ bemessen ist.
Hiernach ergiebt sich im Ordinarium und Extraordinarium ein Ausgabebetrag von zusammen 47 250 000 ℳ, für welchen die Staats⸗ einnahmen Deckungsmittel nicht gewähren, so daß in Uebereinstim⸗ mung mit der im Vorjahre getroffenen außerordentlichen Maßnahme eine entsprechende Vermehrung der Einnahmen im Wege des Kredites in Aussicht genommen werden muß. Wegen Bewilligung der An⸗ leihe, deren Betrag in den Etat der allgemeinen Finanzverwaltung eingestellt ist, wird ein besonderer Gesetzentwurf vorgelegt werden.
Die äußere Anordnung des Etats hat in Berücksichtignng der eingetretenen Ressortverhältnisse und nach der erfolgten neuen Ein⸗ theilung des Justizetats eine Abänderung gegen den vorigen Etat dahin erfahren, daß die Gliederung der Hauptabschnitte in Einnahme und Ausgabe eine übereinstimmende und eine Aenderung der bis⸗ herigen Kapiteleintheilung und Folge eingetreten ist.
Was die Einzelheiten der Voranschläge betrifft, so kommt be⸗ züglich der Staatseinnahmen in Betracht, daß die sogenannten Be⸗ triebs⸗ und Ueberschußverwaltungen im Ordinarium einen Minder⸗ überschuß gegen den laufenden Etat von 811 948 ℳ ergeben, obgleich bei einzelnen derselben, wie bei der Verwaltung für Berg⸗, Hütten⸗ und Salinenwesen und bei der Eisenbahnverwaltung, bedeutende Ersparungen von 6 068 773 ℳ und 5 583 750 ℳ haben in Aussicht genommen werden können, und bei der Verwaltung der direkten Steuern in solge der auf Grund des Gesetzes ausgeführten Revision der Gebäudesteuerveranlagung ein Mehrüberschuß von 6 338 200 ℳ hinzutritt Ungeachtet dieser Ersparungen und Mehreinnahmen er⸗ giebt sich ein Minderüberschuß in Folge erheblicher unvermeidlicher Mehrausgaben. Insbesondere wird bei der Verwaltung der indirekten Steuern, wesentlich in Folge der durch die Ausführung des Reichs⸗ geset es vom 15. Juli d. J. (Reichs⸗Gesetz⸗Blatt S. 207) bedingten Vermehrung des Beamtenpersonals, sowie durch die Uebernahme der Gerichtskostenerhebung und die Kosten der Mahnungen und Zwangs⸗ vollstr ckungen im Verwaltungszwangsverfahren eine Mehrausgabe von 3 437 300 ℳ erforderlich, welche in Verbindung mit der aus einem weiteren Herabgehen der Stempelsteuer uand dem Wegfall der Gerichtsschreibereigebühren im Ober⸗Landesgerichtsbezirk Cöln resul⸗ tirenden Mindereinnahme von 1 575 000 ℳ, trotz der aus der höheren Veranschtagung der Gerichtskosten und Strafen, sowie eines höheren Ertrages an Reichssteuern und der Entschädigung für die durch die Statistik des Waarenverkehrs mit dem Auslande erwachsenden Kosten in Aussicht stehenden Mehreinnahme, zu einem Minderüberschusse⸗ von 1 838 200 ℳ führt. Die Bergverwaltung läßt in Folge des weiteren Rückganges der Produktenverkaufspreise, insbesondere der Kohlenpreise, eine Mindereinnahme von 9 257 203 ℳ, die Eisenbahn⸗ verwaltung wegen des auf dem Verkehre noch lastenden Druckes eine solche von 5 275 898 ℳ erwarten. Aus diesem Grunde ergiebt sich aller Ersparungen ungeachtet bei ersterer ein Minderüberschuß von 3 188 430 ℳ, bei letzterer nur ein Mehrüberschuß von 307 cà52 ℳ. Auch bei der Forstverwaltung dauern die ungünstigen Absatz⸗ und Preisverhältnisse für Holz noch fort, so daß wiederum eine Minder⸗ einnahme von 1 519 400 ℳ und, da eine Mehraufwendung von 228 100 ℳ, hauptsächlich für Forstkulturen und Wegebauten, als ein unabweisliches und unaufschiebbares Bedürfniß erscheint, im Ganzen ein Minderüberschuß von 1 747 500 ℳ angenommen werden muß. Der Erlös aus Ablösungen von Domänengefällen und aus dem Verkaufe von Domänen⸗ und Forstgrundstücken ist um 400 000 ℳ geringer zu veranschlagen, während die Domänenverwal⸗ tung trotz günstigerer Verpachtungen einen Minderüberschuß von 304 000 ℳ in Aussicht stellt.
Von den übrigen Verwaltungen ist für das Gesammtergebniß des Voranschlags nur die Mehreinnahme der allgemeinen .88 verwaltung und der Justizverwaltung von Bedeutung. Erstere im Betrage von 88 146 776 ℳ umfaßt in der Hauptsache den schon erwähnten, auf 23 900 000 ℳ veranschlagten Antheil an dem Ertrage der Zölle und der Tabaksteuer, sowie den mit 68 001 150 ℳ in Einnahme zu stellenden Betrag hinterlegter Gelder und den Hinter⸗ legungsbetheiligten gutzuschreibender Zinsen, denen eine bei der Ver⸗ waltung des vormaligen Staatsschatzes hervortretende Minder⸗ einnahme von 3 907 960 ℳ gegenübersteht. Die Mehreinnahme der
Justizverwaltung von 2 295 700 ℳ hat wesentlich in den auf⸗ kommenden Emolumenten der Beamten ihren Grund.
An Staate⸗Ausgaben ist für die Dotationen, die allgemeine Finanzverwaltung und die Staatsverwaltungen im Ganzen eine dauernde Mehrausgabe von 81 380 248 ℳ angesetzt. Insbesondere wird für die Verzinsung und Tilgung der öffentlichen Schuld ein Mehraufwand von 5 352 000 ℳ, sowie an Beitrag zu den Ausgaben des Reiches auf Grund der Reichsgesetze vom 12. Mai d. J. (Reichs⸗ Ges.⸗Bl. S. 137) und vom 6. Juli d. J. (Reichs⸗Ges.⸗Bl. S. 174) ein Mehrbetrag von 2 147 144 ℳ erforderlich. Der Mehrbedarf der Justizverwaltung von 3 625 075 ℳ ist vorzugsweise durch die auf 3 600 000 ℳ geschätzten Gebühren der Gerichtsvollzieher und di baaren Auslagen und anderen Ausgaben in Partei⸗ und Strafsachen veranlaßt. Bei der Verwaltung des Innern ist aus den für die vorjährige Mehrbewilligung maßgebend gewesenen Gründen vor⸗ nehmlich für die Polizeiverwaltung, die Landgensd'armerie und d S eine dauernde Mehrausgabe von 671 375 ℳ nicht zu umgehen. Der bei dem Ministerium der geistlichen, Unter⸗ richts⸗ und Medizinalangelegenheiten erscheinende Mehraufwand von 584 232 ℳ, darunter 300 000 ℳ zu Ruhegehaltszuschüssen und Unterstützungen für emeritirte Elementarlehrer und Lehrerinnen, ist wiederum fast ausschließlich im Interesse des Unterrichtswesens vo gesehen. Für die landwirthschaftliche Verwaltung ist ein Mehrbetrag von 273 103 ℳ ur Befriedigung dringlicher Landeskultur⸗ und Lehr⸗ bedürfnisse eingestellt. Endlich ist zu erwähnen, daß in der mit 70 957 369 ℳ in Ansatz gebrachten Mehrausgabe der allgemeine Finanzverwaltung die auf 68 723 500 ℳ veranschlagte Gesammt⸗ Seclass ge dem Hinterlegungsfonds an Kapitalien und Zinsen ent⸗
alten ist. 1
„Der Gesammtbetrag des Extraordinariums von 42 642 650 ℳ bleibt in Folge der Einschränkung, welche die Finanzlage zur Pflicht macht, wiederum, und zwar um 16 236 042 ℳ gegen das Vorjahr zurück, übersteigt aber auch in diesem ermäßigten Betrage immer noch den für die außerordentlichen Bedürfnisse des Staats anzu⸗ nehmenden Durchschnittsbetrag Wie sich hiernach im Gesammte die Einnahmen und Ausgaben des Staates im Jahre vom 1. April 1880/81 im Vergleich zu dem Jahre vom 1. April 1879/80 stellen werden, ist nachstehend dargestellt. 8 8 Einzelne Einnahmezweige: 1) Domänen im Ordina⸗ rium — 304 000 ℳ, im Extraordinarium — 33 500 ℳ 2) Forsten O. — 1 747 500 ℳ, E. — 2 150 000 ℳ 3) Erlös aus Ablösungen O. — 400 000 ℳ 4) Centralverwaltung der Domänen und Forsten O. — 15 590 ℳ, E. + 570 000 ℳ 5) Direkte Steuern O. + 6 338 200 ℳ, E. — 2 127 500 ℳ 6) Indirekte Steuern O. — 1 838 200 ℳ, E. + 1870 ℳ 7) Lotterie O. + 5900 ℳ 8) Münzverwaltung O. + 29 800 ℳ 9) Verwaltung für Berg⸗, Hütten⸗ und Salinenwesen O. — 3 188 430 ℳ, E. — 710 00) ℳ 10) Eisenbahnverwaltung O. — 307 852 ℳ, E. — 4 030 900 ℳ; zusammen O. — 811 948 ℳ, E. — 8 310 030 ℳ „B. Dotationen und allgemeine Finanzverwaltung
1) öffentliche Schuld O. — 5 353 000 ℳ 2) beide Häuser des Land tags O. — 1900 ℳ 3) Allgemeine Finanzverwaltung O. +— 17 189 407 ℳ, E. — 559 356 ℳ; zusammen O. + 11 835 507 ℳ E. — 559 356 ℳ
C. Staatsverwaltungsausgaben: 1) Staats⸗Min sterium O. + 1969 ℳ, E. + 55 436 ℳ 2) Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten O. — 170 ℳ 3) Finanz⸗Ministerium O. + 366 196 ℳ 4) Bauverwaltung O. — 199 226 ℳ, E. — 153 358 ℳ 5) Mi⸗ nisterium für Handel und Gewerbe O. — 40 302 ℳ, E. — 65 962 ℳ 6) Justiz⸗Ministerium O. — 1 329 375 ℳ, E. — 3 330 940 ℳ 7) Ministerium des Innern O. — 561 534 ℳ, E. + 779 830 ℳ 8) Landwirthschaftliche Verwaltung O. — 293 103 ℳ, E. — 1 128 108 ℳ 9) Gestütverwaltung O. + 2710 ℳ, E. — 4580 ℳ 10) Ministerium der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten O. — 618 216 ℳ, E. — 3 518 974 ℳ 11) Kriegs⸗Ministerium O. — 28 245 ℳ; zusammen O. — 2 699 296 ℳ, E. — 7 366 656 ℳ; insgesammt A, E. und C. O. + 8 324 263 ℳ, E. — 16 236 042 ℳ 3
D. Außerordentliche Einnahmen: 1) Ueberschuß der Ver⸗ waltung 1877/78, 2) Entschädigung für Abtretung der Staatse. druckerei an das Reich und 3) auf Grund des Gesetzes vom 5 März 1879 zur Ergänzung der Einnahmen in dem Staatshaus⸗. halts⸗Etat für das Jahr 1879 — 80 — 71 810 305 ℳ 4) Grund besonderen Gesetzes zur Ergänzung der Einnahmen in dem Staatshaushalts⸗Etat für das Jahr 1880 — 81 O. + 47 250 000 ℳ, zusammen O. — 24 560 305 ℳ Im Ganzen A. bis D. O. — 16 236 042 ℳ, E. — 16 236 042 ℳ
— Dem Hause der Abgeordneten ist folgender Entwurf eines Gesetzes, betreffend den Erwerb mehrerer Privat⸗ eisenbahnen für den Staat, vorgelegt worden:
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen ꝛc. verordnen unter Zustimmung beider Häuser des Landtages der Monarchie, was folgt:
§. 1. Die Staatsregierung wird ermächtigt, die Verwaltung und den Betrieb folgender Eisenbahnunternehmungen, nämlich: 1) der Berlin⸗Stettiner Eisenbahngesellschaft nach Maßgabe des bei⸗ gedruckten Vertrages vom 13. Juni 1879, 2) der Magdebucg⸗Halber⸗ städter Eisenbahngesellschaft nach Maßgabe des beigedruckten Ver⸗ trages vom 5. Juni 1879, 3) der Hannover⸗Altenbekener Eisenbahn⸗ gesellschaft nach Maßgabe des beigedruckten Vertrages vom 8. Juli 1879, 4) der Cöln⸗Mindener ö“ nach Maßgabe
. Augu des beigedruckten Vertrages vom he Stazut 1879 zu übernehmen.
§. 2. Die Staatsregierung wird in Gemäßheit der im §. 1 gedachten Verträge zur Ausgabe von Staatsschuldverschreibungen in demjenigen Betrage ermächtigt, welcher erforderlich ist, um 1) den Umtausch der a. 62 145 000 ℳ Stammaktien der Berlin⸗Stettiner Eisenbabngesellschaft in vierprozentige Staatsschuldverschreibungen zum Betrage von 62 145 000 ℳ, und in vierundeinhalbprozentige Staatsschuldverschreibungen zum Betrage von 10 357 500 ℳ, b. 30 600 000 ℳ Stammaktien Litt. A. der Magdeburg⸗ Halberstädter Eisenbahngesellschaft in vierprozentige Staats⸗ schuldverschreibungen zum Betrage von 45 900 000 ℳ, c. 43 800 000 ℳ Prioritäts⸗Stammaktien (Aktien Litt. B.) der ge⸗ nannten Gesellschaft in vierprozentige Staatsschuldverschreibungen zum Betrage von 38 325 000 ℳ, d. 30 000 000 ℳ Prioritäts⸗ Stammaktien (Aktien Litt. C.) der genannten Gesellschaft in vier⸗ prozentige Staatsschuldverschreibungen zum Betrage von 37 500 000 ℳ, e. 117 000 000 ℳ Stammaktien der Cöln⸗Mindener Eisenbahn⸗ gesellschaft in vierprozentige Staatsschuldverschreibungen zum Be⸗ trage von 175 500 000 ℳ, zusammen in vierprozentige Staatsschuld⸗ verschreibungen zum Betrage von 359 370 000 ℳ, in vierundeinhalb⸗ prozentige Staatsschuldverschreibungen zum Betrage von 10 357 500 ℳ herbeizuführen; 2) die Mittel zur Deckung a. des an die Aktionäre der Hannover⸗Altenbekener Eisenbahngesellschaft für die Abtretung ihres Aktienbesitzes an den Staat zu zahlenden Kaufpreises von 8 621 370 ℳ, b. der den Aktionären der Cöln⸗Mindener Eisenbahngesellschaft bei der Abstempelung ihrer Aktien zu gewährenden Zuzahlung von 1 170 000 ℳ, zusammen 9 791 370 ℳ aufzubringen.
§. 3. Die Staatsregierung wird ermächtigt, zur Deckung der für die Bauausführung derjenigen Bahnstrecken erforderlichen Mittel, für welche den in §. 1 bezeichneten Eisenbahnunternehmungen die Konzession zum Bau und Betriebe verliehen ist, an Stelle der den Ge⸗ sellschaften bereits bewilligten Prioritätsanleihen Staatsschuldverschrei⸗ bungen bis zu dem sich auf 55 258 800 ℳ belaufenden Nominal⸗ betrage des noch unbegebenen Theiles dieser Anleihen auszugeben, sofern sich die weitere Begebung der letzteren nach dem Ermessen des Finanz⸗Ministers als nachtheilig erweisen sollte.
§. 4. Der Minister der öffentlichen Arbeiten und der Minister werden ermächtigt, demnächst die Auflösung der Berlin⸗ Stettiner, Magdeburg⸗Halberstädter, Hannover⸗Altenbekener, und Cöln. Mindener Eisenbahngesellschaften nach Maßgabe der im §. 1 bezeichneten Verträge herbeizuführen. Der Finanz⸗Minister wird ferner ermächtigt, die bisher begebenen Anleihen dieser Gesellschaften zum Betrage von 737 114 700 ℳ, soweit dieselben nicht inzwischen