1880 / 99 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 28 Apr 1880 18:00:01 GMT) scan diff

eine ganz besondere Bedeutung. Die „Allg. Ztg.“ schreibt darüber:

Zur möglichst glänzenden Begehung des Festes waren vielseitige Vorbereitungen getroffen worden. In der Ordenskirche, der soge⸗ nannten alten Residenzkapelle, war der Königliche Thron mit dem imposanten Baldachin aus blauem, reich mit Gold durchsticktem Sammet aufgerichtet; die Umgebung des Thrones und die Wände der Kirche bedeckten kostbare, aus Goldfäden gewobene Gobelins von feinster Zeichnung, die wohl ihresgleichen nicht mehr haben; die Stühle der Prinzen⸗Großprioren und der Ordensritter waren mit blauer Seide überzogen. Der Altar prangte in reichen Paramenten und kostharen Gefäßen. Einen besonderen Schmuck hatte die Ordenskirche durch sieben neue, aus der Königlichen Hofglasmalerei von Fr. X. Zettler hervor⸗ gegangene, Glasfenster erhalten, von denen die dem Königlichen Throne gegenüber befindlichen vier, in brillanter Farbenwirkung,

nach künstlerisch bedeutenden Kartons in ungemein sorgfältiger Aus-⸗

führung mit zierlicher Renaissance⸗Umrahmung, die Stiftung des Ordens durch Kurfürst Karl Albert, den Ritter Georg hoch zu Pferd im Kampfe mit dem Lindwurm, die Jungfrau Maria und die Tri⸗ nität darstellen. Im Kapitelsaal war ein Thron von rothem gold⸗ durchsticktem Sammet nebst den gleichfalls roth überzogenen Stühlen für die Würdenträger und Ritter des Ordens bereitet. Dem neu restaurirten Bankettsaal verliehen die berühmten großen, wichtige Momente aus dem Leben Otto's von Wittelsbach darstellenden, Hautelisse⸗Tapeten und mächtige Gruppen excotischer Pflanzen, mit Rüstungen und Trophäen, Lorbeergewinde an der Decke, eine reiche, stimmungsvoll arrangirte Ausschmückung. Der Reichthum der Königlichen Schatzkammer an werthvollen Ge⸗ räthen und Gefäßen war hier auf eigenen Prunktischen zur Schau gestellt, während die durch Kunst und Material kostbarsten Stücke mit dem nnvergleichlichen Meisterstück der Goldschmiedekunst der Renaiffance, der Statuette des Ritters Georg, die auf einer Estrade unter einem weißen goldgestickten Thronhimmel für Se. Majestät den König und die Königlichen Prinzen errichtete Tafel schmückten.

Die Festlichkeit nahm folgenden Verlauf: Gegen 11 Uhr hatten sich in dem Vorsaale des Königsbaues die sämmtlichen Ritter des Or⸗ dens in ihren Prachtgewändern versammelt, dann die beiden Prinzen und die übrigen sechs Kandidaten für den Ritterschlag, im weißen Streitkleide mit dem Degen an der Seite, in Stiefeln und Sporen und den dreistulpigen Federhut in der Hand, und zogen Sr. Ma⸗ jestät dem König, dem Ordens⸗Großmeister, der im Geleite der Prinzen⸗Großprioren erschienen, in den Kapitelsaal voraus. Nachdem sich Se. Majestät, im Kapitelsaal angekommen, auf dem Throne niedergelassen und die Ordensritter nach Alter und Rang ihre Plätze eingenommen hatten, fand die Wahl für die Ordensämter statt. Es wurden hierbei die sämmtlichen bisherigen Inhaber derselben wieder⸗ gewählt: Georg Frhr. von und zu Franckenstein als Großkanzler, Ludwig Frhr. v. Malsen als Ordens⸗Schatzmeister, Max Frhr. v. Ow als Ordens⸗Ceremonienmeister, Ulrich Frhr. v. Hutten als Schatzmeister⸗Stellvertreter, Konrad Graf v. Preysing als Ceremonien⸗ meister⸗Stellvertreter. Nun wurden die in einem Vorzimmer harren⸗ den Ritterkandidaten, die beiden Königlichen Prinzen voran, vom Ordens⸗Ceremonienmeister in den Kapitelsaal eingeführt und deren Bitte um Aufnahme in den hohen Orden von Sr. Majestät bejahend erwiedert. Hierauf setzte sich der Zug zur Kirche in Bewegung durch den Herkulessaal und die Korridors der Residenz, die Trabantenstiege herab über den mit einem blauweißen Zeltdach überspannten Kapellenhof, an der dichtgedrängten Menge von Zuschauern vorüber, welche Sr. Majestät mit enthusiastischen Hochrufen huldigten und mit bewun⸗ dernden Blicken das schöne Schauspiel betrachteten. Dieser unter Fanfarenklängen sich bewegende Zug: die sechs Ritterkandidaten in dem weißen Streitkleide, den Federhut in der Hand, voraus, ihnen folgend Paar um Paar 46 an der Zahl die Ritter, Komthure, Großkomthure mit dem wallenden Talar sammt Pallium von blauem Sammet und der übrigeg ganz weißen Bekleidung von Seide, den schwarzen burgundischen Hut mit Silberschleife und weißen gekrausten Federn auf dem Haupte, an der Seite das Ritterschwert mit weißer Scheide, mit den glänzenden Ordensinsignien geschmückt, lauter Sprossen des alten bayerischen Adels, theils im blühenden Mannesalter, theils in vor⸗ gerückteren Jahren stehend; nach diesen die zwei Prinzen⸗Kandidaten in weißen silbergestickten Kleidern, die drei Großprioren mit den die Mantelschleppe tragenden Pagen, endlich den Ordenskomthur mit dem entblößten Ordensschwert vor sich Se. Majestät der König in dem Prachtornat des Ordensgroßmeisters, das Hermelinpallium um die Schultern, auf der Brust über dem Pallium an der goldenen Kette das große Ordenskreuz, eine strahlende Brillant⸗ agraffe auf dem schwarzsammtnen Hut, von den die lange nachwallende Schleppe tragenden Pagen gefolgt es war ein blendender, die alte Ritterherrlichkeit in dem verfeinerten Ge⸗ schmack der Höfe des 17. und 18. Jahrhunderts darbietender Aublick. Als der Zug den Kapellenhof betrat, spielte die dort aufgestellte Musikkapelle des Infanterie Leibregiments die bayerische National⸗ hymne. Unmittelbar nach vollendetem Einzug in die Kirche begann die Festrede, in welcher Hofprediger Dr. Ettmayr, anknüpfend an die Ideen der Erinnerung und Hoffnung die Bedeutung des Festes als eines Festes der Pietät, des Ritterschlags als einer religiös sittlichen Einweihung in geistvoller Weise darlegte. Daran schloß sich das vom Hofstiftsdekan Enzler unter Assistenz des Hofklerus celebrirte Hochamt, bei dem unter Leitung des Königlichen Hofkapellmeisters Rheinberger „Veni Sancte spiritus“ von Aiblinger, Missa in B. von Mozart, Graduale „O salutaris“ von Vogler, Offertorium „Salve regina“ von Rheinberger und „Te Deum“ von Aiblinger zur Aufführung gelangten. Während des Hochamts Ablegung des Ordenseides auf das Evangelium, das, auf dem Schilde des ritterlichen Helden Herzogs Christoph von Bayern lag, Ritterschlag, Ausrüstung der neu kreirten Ritter mit Schild, Schwert und Sporn, Ausstattung derselben mit Degen, 89 und Mantel durch die Groß⸗ prioren, Begrüßung sämmtlicher Ritter durch Osculum pacis und Umarmung, Umhängung des Ordenskreuzes durch Se. Majestät den Ordensgroßmeister, Promulgation der Beförderten gleichfalls mit Uebergabe der höheren Insignien durch Se. Majestät an die⸗ selben, endlich die Opferung von Schild und Schwert und brennender Kerze Seitens der neuen Ritter zu Handen des vor dem Altar sitzen⸗ den Celebrans. Den Höhepunkt der ganzen Feier bildete die Erthei⸗ lung des Ritterschlags, indem Se. Majestät der König als Ordens⸗ großmeister mit Hoheit und Würde in Ausdruck und Haltung am Königlichen Throne stehend auf die an den Stufen knieenden Kandidaten zu dreien Malen auf das Haupt und die beiden Schultern das entblößte Ordensschwert senkte, die lateinische Weihe⸗ formel mit durch die ganze Kirche hörbarer Stimme sprechend. Nach Beevdigung der mit dem Tedeum schließenden kirchlichen Feier be⸗ gleitete der Zug, der diesmal wegen der günstig gewordenen Witte⸗ ruag den Weg durch den Kapellenhof in seiner Länge nahm, Se. Majestät unter fortgesetzten begeisterten Hochrufen von Seite des massenhaft herbeigeströmten Volks in der oben beschriebenen Ord⸗ nung in Allerhöchstdessen Gemächer und von denselben in den Bankett⸗ saal, wo die Ordenstafel stattfand, bei der die altherkömmlichen Ge⸗ sundheiten von Sr. Majestät auf die sämmtlichen Ritter, von dem Ordensgroßkanzler auf den Allerdurchlauchtigsten Großmeister, die Durchlauchtigsten Großprioren und das Königliche Haus ausgebracht wurden, unter noch nie dagewesenem Zudrange von Volk, dem an der Tafel vorüberzugehen gestattet war. 1

2* Oesterreich⸗ꝛungarn. Wien, 26. April. Se. K. und K. Hoheit der Kronprinz Rudolph ist gestern Abends nach Prag zurückgekehrt. Se. K. und K. Hoheit der Erzherzog Wilhelm hat gestern Abends eine Inspektionsreise übe Agram nach Bosnien angetreten. 8 v111“

Organisirung des

erforderlichen,

Gegenüberden widersprechenden Angaben der Blätter über

den Termin für die Einberufung der Landtage versichert die „Polit. Corr.“, daß alle Meldungen über den Zeitpunkt der Ein⸗ berufung der Landesvertretungen als verfrühte Kombinationen anzusehen sind und zwar schon deshalb, weil bis jetzt Nie⸗ mand in der Lage sei, den Schluß der Reichsrathsthätigkeit mit Bestimmtheit vorauszusehen. Unter solchen Um⸗ ständen sei es begreiflich, daß ein Beschluß bezüglich des Ter⸗ mines für die Einberufung der Landtage bisher an maß⸗ gebender Stelle nicht gefaßt worden sei.

27. April. (W. T. B.) Das Abgeordnetenhaus beendete die Spezialdebatte über das Budget des Unterrichts⸗ Ministeriums und beschloß, die Spezialberathung des Gesetz⸗ entwurfs über die Militärtaxe zu beginnen, nachdem ein An⸗ trag auf Verweisung desselben an einen Ausschuß mit 165 gegen 107 Stimmen abgelehnt worden war.

Nach dem zwischen der österreichisch⸗ungarischen Bot⸗ schaft und dem ökumenischen Patriarchen in Kon⸗ stantinopel abgeschlossenen Konkordate zur Rege⸗ lung der Lage des orthodoxen Klerus in Bosnien bleibt die religiöse Suprematie des griechischen Patriarchen im Prinzipe 1“ und wird dessen Name in den öffent⸗ lichen Kirchengebeten genannt werden. Die ökumenische Kirche wird auch das zur Spendung gewisser Sakramente erforder⸗ liche heilige Oel beschaffen. Aber das Recht der Ernennung und Einsetzung der orthodoxen Bischöfe in Bosnien wird aus⸗ schließlich und vorbehaltlos Se. Majestät dem Kaiser von Oesterreich zustehen, ohne daß der Patriarch in irgend einer Weise dabei eine Ingerenz hätte. Die Bischöfe werden von der Regierung einen regelmäßigen Gehalt beziehen, daher das Recht verlieren, von den Gläubigen irgend welche Abgabe einzuheben. Kurz, das Konkordat giebt Sr. Majestät dem Kaiser alle, Rechte welche ihm als oberstem Administrator der okkupirten Provinzen zustehen.

Der dem Abgeordnetenhause vorgelegte Gesetzent⸗ wurf über den Landsturm bestimmt im Wesentlichen Folgendes:

Der Landsturm wird aus solchen Freiwilligen gebildet, welche weder dem stehenden Heere oder der Kriegsmarine, noch der Land⸗ wehr angehören. Die Ersatzreservisten sind, als zum stehenden Heere gehöria, vom Eintritte in den Landsturm gleichfalls ausgeschlossen. Der Eintritt in den Landsturm enthebt weder von der Erfüllung der Stellungspflicht, noch von der Dienstleistung für Kriegszwecke nach §. 18 W. G. Die Benimmung des Landsturmes ist, die Un⸗ terstützung des steher den Heeres und der Landwehr in der Abwehr des Feindes, wenn er in das Land einzudringen versucht, und in der Bekämpfung desselben, wenn er bereits eingedrungen ist. Es wird deshalb der Landsturm, als integrirender Theil der Wehrkraft, unter völkerrechtlichen Schutz gestellt. Die Einberufung und Landsturmes geschieht auf Befehl des Kaisers im Wege des Landesvertheidigungs⸗Ministers in jenem Maße und insoweit, als das Land durch einen feindlichen Einfall unmittel⸗ bar bedroht ist. Die thatsächliche Verwendung des Landsturms er⸗ folgt durch den vom Kaiser bezeichneten Militär⸗Befe lshaber. In Absicht auf die Organisation und Bereitstellung des Landsturmes bildet jeder Landwehr⸗Bataillonsbezirk zugleich einen Landsturm⸗ bezirk. Hie auf die Vorbereitung des Landsturmes im Frieden bezugnehmenden Angelegenheiten werden von den Landwehrbehörden, nach Bedarf im Einverneyhmen mit den politischen Behörden, ge⸗ leitet. Sobald jedoch bei drohender Kriegsgefahr die Nothwendigkeit der Aufbietung des Landsturmes in Erwägung gezogen werden muß, wird in jedem politischen Verwaltungsgebiete, welches mehr als einen Landsturmbezirk umfaßt und in jedem Landsturmbezirke ein Vertheidigungs⸗Ausschuß, kon stitgirt. Zuͤx Ermöglichung einer, durch plötzliche dro⸗ hende Feindesgefahr ektwa gebotenen beschleunigten Aufbietung des Ländsturmes sind, alle zu dessen Organisirung und Bereitstellung im Vorhinein zulässigen Vorbereitungen schon im Frieden zu treffen und ist besonders das Schießwesen in der Be⸗ völkerung von staatswegen thunlichst zu fördern. In den erwähnten, im Frieden zu treffenden Vorbereitungen ist namentlich auch a. die Errichtung von freiwilligen Scharfschützen⸗Compagnien mit der Ver⸗ pflichtung zur Theilnahme am Landsturme und b. die Entgegen⸗ nahme von freiwilligen Anmeldungen für den Landsturm durch die politischen Bezirksbehörden, unter Vermittlung der bei denselben für Zwecke der militärischen Evidenzhaltung bestellten Organe (der Land⸗ wehr⸗Bezirksfeldwebel) inbegriffen. Die Erfüllung einer derart im Vorhinein eingegangenen Verpflichtung ist Ehrensache. Sowohl die freiwilligen Scharfschützen⸗Compagnien, als auch die übrigen Land⸗ sturm⸗Compagnien (Abtheilungen) wählen ihre Offiziere selbst.

Pest, 27. April. Ordody, dessen Ernennung zum Minister für öffentliche Arbeiten und Kommunikationen mor⸗ gen von dem amtlichen Blatte publizirt werden wird, wird der „Pester Correspondenz“ zufolge demnächst dem Unterhause einen Gesetzentwurf über die Verstaatlichung der Theiß⸗ bahn und die Stipulationen bezüglich der Südbahnstrecke Agram⸗Karlstadt vorlegen. Sodann werde die neue Organisation der ungarischen Staatsbahnen zur Durchführung gelangen. Die Frage betreffs der Pest⸗Sem⸗ liner Bahn dürfte, derselben Correspondenz zufolge, kaum eine rasche Lösung finden.

Karlowitz, 26. April. (Presse.) Vierzehn serbische Gemeinden haben an das Ministerium die Bitte gerichtet, den Kirchenkongreß so lange nicht einzuberufen, bis die 367 000 Fl., welche die Bevölkerung seit dem Jahre 1869 dem Nationalfond schuldet, nicht hereingebracht sind. Dieser Be⸗ trag wurde dem Nationalfond zur Abhaltung der letzten 11““ und zur Bestellung von Kultusauslagen entlehnt.

Agram, 26. April. Erzherzog Wilhelm ist heute Morgens hier eingetroffen und reist Abends über Karlstadt nach Bosnien. Das zweite Bataillon des Regiments „Leopold“ ist heute hier eingetroffen und von der Gene⸗ ralität und Stadtbehörde festlich empfangen und bewirthet worden. Das Elaborat Boncina's über die Reorgani⸗ sation der Verwaltung ist, dem ‚„Pest. L.“ zufolge, dem Banus bereits übergeben worden. Dasselbe gipfelt in der modifizirten Komitatsverfassung mit gemischten Bezirksämtern. Die Ersparniß soll, wie dem genannten Blatte gemeldet wird, eine wesentliche sein.

Großbritannien und Irland. London, 26. April. (Allg. Corr.) Die Trauung der Prinzessin Friede⸗ rike von Hannover mit dem Frhrn. von Pawel⸗Ram⸗ mingen fand am Sonnabend, Nachmittags 3 Uhr, in der Privatkapelle des Windsorschlosses unter Beobachtung der bei Vermählung einer Angehörigen des Königlichen Hauses üblichen Formen statt. Der Bischof von Oxford vollzog unter Assistenz des Dechanten von Windsor den feierlichen Akt, welchem Ihre Majestät die Königin, der Prinz und die Prin⸗ zessin Christian von Schleswig⸗Holstein, der Herzog und die Herzogin von Connaught, Prinzessin Beatrice, Prinz Leopold, die Großherzogin von Mecklenburg⸗Strelitz, der Herzog von

Cambridge und der Herzog und die Herzogin von Teck bei⸗ wohnten. Nach der Trauung wurde in der Waterlooammer

1“ 8 1“ das Hochzeitsmahl eingenommen, worauf sich das neuvermählte Paar nach dem Königlichen Landhause Claremont begab,

Ueber das vermißte Schulschiff „Atalanta“ sind noch immer keine Nachrichten eingelaufen. Sollten die bereits begonnenen Nachforschungen kein günstiges Resultat haben, so dürfte, gutem Vernehmen nach, ein Forschungsgeschwader zum Kreuzen in nördlicheren Breitegraden abgeordnet werden da angenommen wird, daß das Schiff möglicherweise na dem Norden verschlagen worden ist.

Auf Cypern wurde der Kabinetswechsel in England am 24. d. durch enthusiastische Volkskundgebungen gefeiert. Larnaca wurde „zu Ehren der Königin von England, Mr. Gladstone’s und der liberalen Partei“ illuminirt. Eine große Menge Griechen versammelte sich vor der Wohnung des Gou⸗ verneurs und rief: „Lang lebe die Königin!“ In Limassol wurde dem Gouverneur eine Adresse überreicht und ein feier⸗ liches Tedeum in der St. Napa⸗Kirche celebrirt. Aus Nicosia liegen Berichte über ähnliche Demonstrationen vor, und es wird gemeldet, daß die Griechenvereine auf Cypern rege Thä⸗ tigkeit entfalten, da sie von der in England ans Staatsruder gelangten liberalen Partei große Zugeständnisse erwarten.

Aus Bombay wird dem „Standard“ unterm 25. ds. telegraphirt:

„Die ganze afghanische Streitkraft, mit welcher General Stewart jüngst zu kämpfen hatte, wird jetzt auf Grund der Aus⸗ sagen Gefangener auf 27 000 Mann Fußvolk und 3000 Reiter, letztere unter dem Befehl von Shir Jan Zymud Pir Mahomed, geschätzt. Ihre Infanterie kämpfte mit solcher Wuth, daß sie sich bis auf 30 Ellen vor unseren Kanonen heran⸗ wagte. Ghuzni wurde vollständig geräumt vorgefunden, selbst Seitens der städtischen Bewohner. Die Truppen und deren Führer in den Distrikten, die für Mahomed Jan günstig gesinnt, sind jetzt gelähmt, und weder Letzterer noch Mir Butca können Verstärkungen aufbringen, da die Nieder⸗ lage eine so entschiedene war, daß die Afghanen für lange Zeit nicht bewogen werden dürften, uns gegenüber zu treten. General Stewart wird in einer Woche in Kabul ankommen. Man glaubt, er werde General Roberts im Oberkommando ersetzen. In Schirpur wurde zu Ehren des Sieges neben anderen großen Freudenbezeugungen auch ein Salut von 31 Kanonenschüssen abgeseuert. Die indische Presse erachtet den Sieg als entscheidend und die Campagne thatsächlich für beendigt. General Brook ist in Kandahar angelangt. Die Straße nach Kabul ist jetzt vollkommen sicher. Nach dem 30. ds. werden keine weiteren Truppen nach Kandahar gesandt“

Von seinem Spezialberichterstatter im Hauptquartier des Generals Stewart erhielt der „Standard“ einen detaillirten Bericht über die am 19. ds. stattgefundene Schlacht vor den Thoren von Ghuzni.

Der Feind nahm mit einer aus 20 000 Mann Fußvolk und 2000 Reitern bestehenden Streitkraft, von der etwa die Hälfte engagirt gewesen, Stellungen auf einem welleaförmigen Kamme des Galkoh⸗ gebirges bei Akmedkeyl ein und griff die britische Position auf drei Seiten an. Die Infanterie unter Sir Donald Stewart stand fest und entlud ein fürchterliches Feuer in die feindlichen Linien, während auch das Kartätschenfeuer der Artillerie furchtbare Verheerungen unter dem Feinde anrichtete. Die Kavallerie that ebenfalls ihre Schuldigkeit. Eine Zeitlang schwankte der Sieg, und hätte sich die ganze Macht des Feindes in dem kritischen Augenblick auf die bri⸗ tische Stellung geworfen, so würden die Folgen sehr ernstlich gewesen sein. Nach langem und sehr heißem Kampfe blieben die Briten in⸗ deß Sieger. Die Verluste der Afghanen werden auf ca. 2000 Todte und Verwundete veranschlagt, während auf britischer Seite nur 147 Mann getödtet oder verwundet wurden. Offiziere sind nicht gefallen, aber verwundet wurden acht, darunter zwei, deren Aufkommen be⸗ zweifelt wird.

28. April. (W. T. B.) Lord Kimberley ist zum Staatssekretär der Kolonien, Earl Spencer zum Lord⸗ Präsidenten des Geheimen Raths, der Herzog von Argyll zum Lord⸗Groß⸗Siegelbewahrer, der Marquis von Ripon zum Vize⸗König von Indien, Dilke zum Unter⸗Staatssekre⸗ tär des Auswärtigen, Lefevre zum Sekretär der Admirali⸗ tät, Adam zum ersten Kommissar des Königlichen Bau⸗ amtes, Bright zum Kanzler des Herzogthums Lancaster er⸗ nannt worden.

Dublin, 27. April. (W. T. B.) In einem Hütten⸗ werke in Sligo (Irland) ist von der Polizei eine große Menge von Gewehren, Bajonnetten und Munition aufgefunden und sind in Folge dessen mehrere Verhaftungen vor genommen worden.

Frankreich. Paris, 26. April. (Fr. Corr.) Bei⸗ der gestrigen Stichwahl in Besangon für den Sitz des Hrn. Albert Grévy, jetzigen Senators und General⸗Gouver⸗ neurs von Algerien, in der Deputirtenkammer siegte der radikale Kandidat Beauguier mit 3998 Stimmen über den von der „République frangaise“ patronirten Hrn. Ordinaire, der 3560 Stimmen erhielt.

(Cöln. Ztg.) Die Interpellation Lamys wird erst am 3. Mai vorgebracht werden, da die Rechte des Senats be⸗ schlossen hat, daß vorläufig nicht wegen der Märzerlasse inter⸗ pellirt werden solle, sondern wegen der Unruhen in Lille. Der Minister Ferry hat heute Morgen um 6 Uhr Lille ver⸗ lassen; 300 Studenten der Staatsuniversitäten erwarteten ihn, um ihm einen ehrenvollen Abgang zu bereiten. Die Haupt⸗ anstifter der klerikalen Kundgebungen waren Jesuitenschüler in Uniform.

Hr. Albert Grévy ist heute wieder nach Algier abgereist.

Auch die Bischöfe von Pamiers, Montauban und Mar⸗ seille veröffentlichen heute Protestbriefe.

Italien. Rom, 27. April. (W. T. B.) In der heuti⸗ en Sitzung der Deputirtenkammer erklärte auf eine An⸗ rage Derenzi's über die moöontenegrinischen Angelegen⸗ heiten der Minister⸗Präsident Cairoli: Die Regierung habe dem von der Türkei und Montenegro gestellten Ansinnen, ihre guten Dienste in der Grenzfrage eintreten zu lassen, Folge gegeben. Es sei ein Abkommen zu Stande gekommen und das bezügliche Protokoll von allen Mächten unterzeichnet wor⸗ den. Der Minister⸗Präsident besprach sodann die vereinbarten Bestimmungen und legte dar, auf welche Weise dieselben ver⸗ letzt worden seien. Die Regierung habe Vorstellungen ge⸗ macht und auch die Aufmerksamkeit der übrigen Signatar⸗ mächte auf diese Thatsachen gelenkt. Italien sei uneigennützig und habe keine Verantwortlichkeit oder Verpflichtung, außer in Gemeinschaft mit den erwähnten Mächten. Derenzi er⸗ klärte sich durch die Antwort des Minister⸗Präsidenten zu⸗

friedengestellt.

Der Budgetausschuß der Deputirtenkammer berieth heute die Vorlage, betreffend die Verlängerung der provisorischen Gebahrung bis Ende Mai, und nahm hierbei folgende Tagesordnung an: Die Kammer spricht ihr Be⸗ dauern darüber aus, daß die Regierung neuerdings Indem⸗ nität verlangt und geht zur Tagesordnung über. Crispi ist beauftragt worden, diesen Antrag in der Kammer zu begrün⸗ den. In parlamentarischen Kreisen heißt es, daß die Re⸗

gierung aus diesem Anlasse die Vertrauensfrage stellen werde, um zu sehen, ob die gegen die Regierung koalisirten Fraktionen die Majorität besitzen.

Montenegro. Cettinje, 26. April. (W. Presse.) Die Ansammlung der Albanesen an der Grenze dauert ununterbrochen fort; gestern um Mitternacht haben sie die montenegrinischen Vorposten überfallen und einen Mann getödtet und einen verwundet. Die Vorposten ant⸗ worteten mit einem Pelotonfeuer; hierauf trat Stillstand ein. Die montenegrinischen Truppen nehmen eine beobachtende Stellung ein.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 27. April. (W. T. B.) Der ehemalige Gesandte in London, Baron Hochschild, ist zum Minister der Auswärtigen An⸗

elegenheiten ernannt worden. Der diesseitige Gesandte n Berlin, Baron von Bildt, hat die Rückreise nach Berlin angetreten.

Amerika. Washington, 24. April. (Allg. Corr.) Der Finanzausschuß des Repräsentantenhauses hat zu Gunsten einer gemeinsamen Resolution berichtet, welche die Niedersetzung einer Kommission zur Feststellung der Basis eines Gegenseitigkeits⸗Vertrags mit Kanada be⸗ zweckt. Der Bericht ist zur weiteren Erörterung zurückgesandt

worden.

San Francisco, 24. April. (Allg. Corr.) Mr. Charles de Young, Redacteur des „San Francisco Chronicle“, der im August v. J. auf Mr. J. S. Kalloch vor dessen Er⸗ wählung zum Mayor schoß und denselben verwundete, wurde gestern Abend im Bureau des „Chronicle“ von dem Sohne

Mr. Kallochs erschossen.

Asien. Birma. (Allg. Corr.) Der „Times“ wird aus Kalkutta vom 25. ds. gemeldet: „Das in voriger Woche im Umlauf gewesene Gerücht von dem Ableben des Königs Thibo hat noch keine Bestätigung erhalten; aber es sind in Indien amtliche Meldungen eingegangen, daß er an einer ge⸗ fährlichen Krankheit leide, deren Beseitigung durch Opferung von Jungfrauen versucht werde.“

Aus dem Wolffschen Telegraphen⸗Bureau.

„St. Petersburg, Mittwoch, 28. April. Es be⸗ stätigt sich, daß der Hauptattentäter bei der Explosion im Winterpalais, Namens Szewicz, seit vorgestern verhaftet ist. Ueber den Verlauf der Untersuchung fehlt zur Zeit noch alles Verbürgte.

Neichstags⸗Angelegenheiten.

Hamburg, 27. April. (W. T. B.) Bei der Neuwahl zum Reichstage im zweiten Hamburger Wahlkreise erhielt Riege 3583 Stimmen, Dr. Anton Rée 6451 Stimmen und Hart⸗ mann 13 155 Stimmen. Letzterer ist somit gewählt.

Statistische Nachrichten.

Bei der Magdeburger Allgemeinen Versicherungs⸗ Aktiengesellschaft Abtheilung für Unfallversicherung kamen im März 1880 zur Anzeige: 14 Unfälle, welche den Tod der Be⸗ troffenen zur Folge gehabt haben, 7 Unfälle in Folge deren die Be⸗ schädigten noch in Lebensgefahr schweben, 36 Unfälle, welche für die Verletzten voraussichtlich lebenslängliche, theils totale, theils partielle Invalidität zur Folge haben werden, 607 Unfälle mit voraussichtlich nur vorübergehender Erwerbsunfähigkeit, Summa 664 Unfälle.

Nach den in der „Gem. Ztg. für Elsaß⸗Lothr.“ veröffentlichen Ergebnissender Civil⸗und Strafrechtspflege in Elsaß⸗ Lot hringen für die Jahre 1873/74 1877/78 waren bei den Land⸗ und den Polizeigerichten daselbst anhängig 1873 74 41 102, 1874 75 44 069, 1875 76 48 014, 1876—77 54 976, 1877 78 53 827 Untersuchungen. Die Zunahme fällt hauptsächlich auf die Uebertretungen, denn es betrafen von den Untersuchungen 8

Verbrechen Vergehen Uebertretungen 1873 74 784 6606 33 716 1874 75 958 6019 1875 76

1069 v171 ““

Von den Untersuchungen wegen Verbrechen wurden im Jahre 1877 78 28,02 %, wegen Vergehen 74,99 %, wegen Uebertretungen 82e von sämmtlichen Untersuchungen 94,91 % durch Urtheil eendet.

Von den Beschuldigten waren im Durchschnitt der oben ge⸗ nannten Jahre 86,68 % männlichen, 13,32 % weiblichen Geschlechts; unter 18 Jahren 6,21 %, im Alter von 18 Jahren oder darüber 93,79 % ; 98,39 % Christen, 1,61 % Juden; 5,75 % (1873 74 9,42, 1877 78 5,08 %) Rückfällige. Nach Prozenten der Gesammtbevölke⸗ rung waren in Kriminal⸗ oder Zuchtpolizeisachen Beschuldigte: männliche Personen 1,29, weibliche 0,18, zusammen 0,70 %; von der christlichen Bevölkerung 0,69, von der jüdischen 0,62 %.

Von der Gesammtzahl der wegen Verbrechen und Vergehen neu⸗ eingeleiteten Untersuchungen betrafen Verbrechen und Vergehen:

hmmm Zohte durcscgättie (in den Jahren 1877/78: 1873/78: 3,08 % 2,75 % 1,78 1Iö. 13,35 13,23 42,64 42,20 1,06 0,64 5,06 3,64

Raub und Ervpressung Betrug und Untreue Sachbeschädigung. .. Gemeingefährliche Verbrechen 2,45 Verbrechen und Vergehen im Amte 0,59 21 Dieses Verhältniß ändert sich aber, wenn man die einzelnen Gruppen bzw. Unterabtheilungen für sich betrachtet. Dann ergeben sich bei den Verbrechen und Vergehen wider das Leben: in fünfjährigem Durchschnitte:

28,30 % 17,68

7,72 ‧„ 11,25

2,54

Unters fie.he t und Todt⸗

chlag . . Kindsmord. Abtreibung der Leibesfrucht.. 4 Unssesgan hülf⸗ loser Personen. 8 bei Körperverletzungen: Untersuchungen wegen⸗ Körperver⸗ letzung als Verbrechen strafbar Untersuchungen wegen Körperver⸗ letzung mit Beibringung von Gift Diebstähle als Verbrechen strafbar. bei gemeingefährlichen Verbrechen: Vorsätzliche b Gemeingefährliche Handlungen in Bezug auf Eisenbahnen. 2

. 1877/78 30,71 %

7 9

9,45 18,90

4,20

0,63 8,81

33,71 27,43

3,40

0,34 10,76

33,92 24,00

Vor den Schwurgerichten wurden im Durvrchsch hrlich 201 Anklagen mit 1276 Angeklagten verhandelt, 1873 —74 185 (220 An⸗ geklagte), 1877 78 202 Anklagen (272 Angeklagte). Die Frei⸗ sprechungen erfolgten im Durchschnitt mit 17,08, die Verurtheilungen mit 69,59 %; 57,77 % wurden zu nicht peinlichen, 42,23 % zu pein⸗ lichen Strafen verurtheilt.

Die Kaiserlichen Landgerichte hatten 1873 74 5112, 1877 bis 1878 5797 Appellations⸗ und Zuchtpolizeisachen zu verhandeln. Von der Gesammtzahl der Beschuldigten wurden 10,47 % freigesprochen, 79,64 % verurtheilt, und zwar hiervon 38,09 % zu Freiheitsstrafen, 40,74 % zu Geldstrafen, 0,81 % zu Freiheits⸗ und Geldstrafen.

Bei den Polizeigerichten waren im Durchschnitt 40 647 Straf⸗ sachen anhängig, in 1877 78 26,8 % mehr als in 1873 74. Von den Beschuldigten wurden 9,92 % freigesprochen, 88,88 % ver⸗ urtheilt; von den letzteren zu Haft 1873 74 18,25 %, 1877 78 28,14 %; zu Geldstrafen 81,27 bzw. 70,68 %; zu Haft und Geld⸗ strafen 0,48 bzw. 1,18 %.

Die Kriegsgerichte (unterm 12. September 1870 eingesetzt) haben in den Jahren 1875 76 und 1877 78 keine Strafurtheile erlassen; in den Jahren 1874 75 und 1875 76 schwebten vor den⸗ selben 14 Untersuchungen gegen 55 Angeklagte, von denen 38 außer Verfolgung gesetzt, 3 freigesprochen, 14 verurtheilt wurden.

Was das Beamtenpersonal betrifft, so betrug in Frankreich die 8 der agents chargés de constater les crimes et les délits,

ensd'armen, Polizeikommissare, Agents de police u. s. w. im Jahre 1875 132 480. Hingegen waren in Elsaß⸗Lothringen 1877 in denselben Kategorien 2113 Beamte vorhanden.

Rechnet man hierzu noch die in Elsaß⸗Lothringen angestellten 65 Polizeikommissare, sowie die Zahl der Bannwarte und Privathüter in den Gemeinden, welche mit 2000 kaum zu niedrig bemessen sein wer⸗ den, so ergiebt sich für Elsaß⸗Lothringen ein Gesammtpersonal von 4178, ein Beamter auf durchschnittlich 366 Einwohner, während in Frankreich ein Beamter auf durchschnittlich 278 Einwohner trifft. Was speziell die Gensd'armerie anbelangt, so waren in Elsaß⸗ Lothringen unter französischer Verwaltung 18 Offiziere, 1 Zahlmeister, 144 Brigadiers, 348 berittene und 145 Fußgensd'armen vorhanden; dermalen dagegen nur ein Brigadier, 4 Distriktsoffiziere, 18 Ober⸗ Wachtmeister, 136 berittene und 192 Fußgensd'armen. Während zur französischen Zeit durchschnittlich 24 qkm mit 2570 Seelen auf einen Gensd'armen kamen, kommen jetzt auf einen derselben 42 qhm und

4470 Seelen.

(Allg. Corr.) Durch Eisenbahnunfälle wurden in England im abgelaufenen Jahre 1032 Personen getödtet und 3513 verwundet. Darin ist jedoch die Zahl derjenigen nicht mit ein⸗ begriffen, die durch unerlaubtes Betreten des Geleises oder durch Selbstmord ihr Leben verloren oder Verletzungen davontrugen. Mit dieser Zahl stellt sich die Gesammtziffer der Todten und Verwundeten

auf 1074, beziehungsweise 5828.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

In Meyer u. Zellers Verlag (Friedrich Vogel) zu Stuttgart sind die Gedichte in oberbayerischer Mundart von Karl Stieler, unter dem Titel „Weil's mi' freut!“ bereits in vierter Auflage erschienen. „Mehr als jede hochdeutsche Dichtung“, heißt es in der Vorrede, „bringt gerade der Dialekt, die Eigenart und das innerste Wesen der einzelnen Stämme zum Ausdruck, und diese Dichtungsart ist es deshalb vor Allem, welche das gegenseitige Interesse zu wecken und damit das gegenseitge Ver⸗ ständniß zu fördern vermag. Sie mochte früher ein Monopol weniger Kenner sein, jetzt soll sie Gemeingut aller deutschen Stämme werden; dann ist die Dialektdichtung, obgleich sie ganz die partikularen Interessen zu pflegen scheint, eine wahrhaft nation ale.“ Erfreulich ist es, daß ein solcher gegenseitiger Austausch bereits in lebhafter Weise stattfindet. Reuters und Groths plattdütsche Dich⸗ tungen finden auch in Süddeutschland stetig wachsende Verbreitung, weit mehr aber, schon der Anziehungskraft wegen, welche die land⸗ schaftlichen Schönheiten Oberdeutschlands alljährlich auf eine Unzahl Touristen aus unserem Tieflande ausüben, die süddeutschen Dialekt⸗ dichtungen bei uns. Ein Beispiel dafür ist u. A. auch die vorliegende in Norddeutschland so beifällig aufgenommene Sammlung, welche Freunden gesunden, volksthümlich naiven Humors nur zu empfehlen ist.

Otto Hübners statistische Tafel aller Länder der Erde, die durch ihre Zuverlässigkeit, Vollständigkeit und Uebersicht⸗ lichkeit längst bekannt ist (Verlag von Wilh. Rommel in Frank⸗ furt a. M.), ist soeben in neuer (29.) Auflage erschienen. Dieselbe enthält in übersichtlicher Weise die neuesten Daten über die wirthschaftlichen Verhältnisse aller Länder der Erde, wie Größe, Bevölkerung, Aus⸗ gaben, Schulden, Heer, Kriegs⸗ und Handelsflotte, Ein⸗ und Ausfuhr, Zolleinnahmen, Erzeugnisse, Geld, Maß, Gewicht, Eisenbahnen, Hauptstädte ꝛc. Preis 50 ₰.

Das 2. Beiheft des Jahrg. 1880 zum Militär⸗ Wochenblatt, herausgegeben von v. Witzleben, General⸗Lieute⸗ nant z. D., (Berlin, Ernst Siegfried Mittler und Sohn) enthält: Die österreichisch⸗ungarischen Wehrgesetze. Abgangsliste der Offi⸗ ziere des Regiments Kunheim Nr. 1 von 1713 bis 1806. Zur Charakteristik Preußens 1740 bis 1750. Gelesen in der Berliner der Wissenschaften am 19. März 1880 von Joh. Gust.

roysen.

Die Buchhandlung von Otto Harrassowitz in Leipzig hat ihren Bücher⸗Katalog Nr. 62 ausgegeben. Derselbe enthält ein Verzeichniß von 2792 Schriften, die sich auf Linguistik beziehen und in ihrem Antiquariat vorräthig sind, und gliedert sich in fol⸗ gende Abtheilungen: Allgemeine und vergleichende Linguistik, Poly⸗ glotten, Sammelwerke; Keltische Sprachen (im Allgemeinen; Welsch, Irisch, Cornisch, Bretonisch); Romanische Sprachen (Catalanisch und Provengalisch, Alt⸗ und Neufranzösisch, franz. Dialekte, Italie⸗ nisch, Spanisch, Portugiesisch, Rumänisch, Ladinisch); Germanische Sprachen (Runen, Altsächsisch und Angelsächsisch, Alt⸗ und Neuenglisch, Friesisch, Holländisch, Altnordisch und Skandi⸗ navische Sprachen; Alt⸗, Mittel⸗ und Neuhochkdeutsch; Deutsche Mundarten); Slavische Sprachen (Allgemeines und Altslavisch, Russisch, Polnisch, Kassubisch, Czechisch und Slowakisch, Wen⸗ disch, südslavische Sprachen, Bulgarisch); verschiedene kleinere Sprach⸗ stämme (Albanesisch, Baskisch, Ehstnisch, Finnisch, Faröisch, Lappländisch, Lettisch und Littauisch, Neugriechisch, Preußisch, Ungarisch, Zigeuner⸗ sprachen). Daran schließt sich ein Verzeichniß von Schriften, be⸗ treffend orientalische Sprachen. Dasselbe enthält folgende Rubriken: Allgemeine Schriften; Sanskrit, alt⸗ und neuindische Sprachen; Keilschrift, Zend, Persisch, Pushtu, Armenisch, Georgisch, Kurdisch; Arabisch, Phönizisch und Maltesisch; Syrisch und Mandäisch; Türkisch⸗ tartarisch⸗mongolische Völker; Chinesisch und Japanisch; Siamesisch, Javanisch, Malaiisch; afrikanische Sprachen (Egyptisch, Hieroglyphen, Koptisch; Aethiopisch und Amharisch; die übrigen Sprachen Afrikas). Unter den aufgeführten Büchern befinden sich viele wichtige und

seltene Werke. 1 Land⸗ und Forstwirthschaft.

Dem letzten von dem K. K. österreichischen Ackerbau⸗Ministe⸗ rium veröffentlichten Berichte über den Stand der Saaten in Oesterreich⸗Ungarn um die Mitte des April d. J. entnehmen wir folgende Mittheilungen: Unter dem im großen Durchschnitte sehr günstigen Einflusse der Witterung haben sich die Winter⸗ saaten im Allgemeinen bedeutend erholt, zum Theil auch solche, welche man ihres trostlosen Aussehens wegen noch vor zwei Wochen als gänzlich ausgewintert betrachtet hatte. Gut erhalten gewesene Saaten haben sich tkräftig bestockt und gewähren einen hoff⸗ nungsvollen Anblick. Doch bestätigen auch die neueren Nach⸗ richten, daß im Allgemeinen verhältnißmäßig viel Roggen ausgewintert ist und zwar entweder gänzlich, so daß der⸗ selbe eingeackert und durch Sommersaat ersetzt werden mußte, oder theilweise, so daß entweder größere leere Stellen in den betreffenden Feldern bleiben, oder überhaupt ein dunner Stand er⸗ folgen wird. Die bereits früher gemeldeten weitgehenden Auswinte⸗ rungen des Rapses bestätigen sich in allen Ländern. Auch der er⸗ halten gebliebene Raps wird nicht gelobt. In Ungarn fing er be⸗ reits zu blühen an, es tritt aber daselbst auch der Glanzkäfer sehr

zahlreich au

er Sommeranbau ging, vom Wetter und auch von der Beschaffenheit des Bodens besonders begünstigt, rasch von Statten. Die große Winterkälte und noch mehr die Märzfröste hatten sich nämlich als sehr nützlich erwiesen für die Lockerung des Bodens der Aecker, auf welchen die Herbstackerung vollzogen worden war. Gerste und Hafer, sowie Sommerweizen und Sommerroggen, waren zur Zeit des Be-⸗ richts in den eigentlichen Getreidelagen aller Länder der Monarchie mit Ausnahme Galiziens bereits vollends angebaut; in Galizien war der Anbau etwa zur Hälfte ausgeführt. Das schöne gleichmäßige Auflaufen der Saaten wird beinahe einstimmig in allen Berichten hervorgehoben. Für diese Saaten bestehen mithin im Allgemeinen die besten Aussichten. Mais wurde nicht nur in der südlichen Zone der Monarchie, sondern auch in der Nordhälfte Ungarns, in Steier⸗ mark und Nordtirol bereits angebaut. In Ungarn wird auch ein nicht unbeträchtlicher Theil der umgeackerten Roggen⸗ und Raps⸗ felder mit dieser Frucht bebaut. In Nordtirol haben die Maiskörner der vorjährigen Ernte man schätzt den Verlust auf etwa 70 % die Keimfähigkeit eingebüßt, und zwar wahrscheinlich durch die große Winterkälte, da die im Vorjahre ohnehin nicht ganz gut ausgereiften Kolben wie alljährlich über Winter im Freien aufgehängt blieben. Kartoffeln und Rüben wurden Mitte April in allen Ländern schon angebaut; im Küstenlande und in Untersteiermark war man sogar mit dem Kartoffelnlegen schon fertig. Auch war für eine große Zuckerfabrik Mährens der Rübenanbau bereits beendet. Der Klee steht nach nahezu übereinstimmenden Nachrichten fast überall gut und dicht, Esparsette aber hat ziemlich stark gelitten. Der Graswuchs auf den Wiesen sieht ebenfalls meistentheils hoffnungsvoll aus; nur in der südlichen one, namentlich im südlichen Ungarn, zeigt er sich in Folge der rockenheit ziemlich spärlich. Der Hopfen hat, soweit die Nach⸗ richten reichen, in Böhmen und in Oberösterreich den Winter gut überstanden und wurde eben geschnitten. Bezüglich der Ueberwin⸗ terung des Weinstockes läßt sich nun bereits behaupten, daß im Allgemeinen derselbe selbst gesund geblieben ist. Doch sind die ober⸗ halb der Erdoberfläche befindlichen Theile der Reben oder doch die oberen Augen großentheils erfroren, während die unteren verschont und entwicklungsfähig blieben. Aus Görz, Istrien und Kroatien meldet man übrigens, daß sehr viele alte Stöcke erfroren und zu Grunde gegangen sind. Die Weingärten waren Mitte April größtentheils bereits gehauen, in wärmeren Lagen wurden die Reben geschnitten. Selbstverständlich muß dieses Jahr in den mei⸗ sten Fällen der Schnitt tiefer als gewöhnlich geführt werden. Da⸗ durch wird nun zwar eine Einbuße am Ertrage bedingt, doch sind wenn von Deutsch⸗Südtirol abgesehen wird dadorch die Aus⸗ se auf Mittelernten noch keineswegs ausgeschlossen. Der durch en Winter an den Obstbäumen verursachte Schaden war zwar in einzelnen Lagen sehr bedeutend, was namentlich aus Mähren Kärnten und dem nördlichen Ungarn berichtet wird, im Allgemeinen aber beschränkte sich der Schaden auf edle Sorten und auf jun

Bäumchen. Gewerbe und Handel.

In der gestrigen Generalversammlung der hiesigen Central⸗ bank für Bauten waren 360 Aktien durch 36 Stimmen ver⸗ treten. Der vorgelegte Geschäftsbericht nebst Bilanz pro 1879 wurde gegehmigt und der Verwaltung Decharge ertheilt.

In der Konkurssache der Borgà⸗Kervo⸗Eisenbahn Aktien⸗Gesellschaft ist nunmehr das Urtheil des Kaiserliche Senats für Finnland in dritter und letzter Instanz verkündig worden. Inhaltlich dieses Urtheils haben alle diejenigen Gläubi ger der gedachten Gesellschaft (einschließlich der Obligations inhaber), welche ihre Forderungen im Konkurse in Gemäßheit des finnischen Setste. vom 9. November 1868 bewacht haben, gleichen Anspruch auf Befriedigung ihrer Forderung aus der Konkursmasse nach deren Stande zur Zeit der Konkurseröffnung. Außerdem is den Obligationsinhabern, welche bewacht haben, der Anspruch zu erkannt worden, für den Rest ihrer Forderungen aus der ihnen ver⸗ tragsmäßig zugesicherten Subvention der Stadt Borgà Deckung zu erhalten. Denjenigen Obligationsinhabern dagegen, welche nich bewacht haben, verbleibt nur der statutengemäße Anspruch auf die gedachte Subvention. Die Letzteren werden daher gut thun, zur Wahrung ihrer Interessen nachträglich einen Bevollmächtigten sich hierselbst zu bestellen. Das Kaiserliche Konsulat in Helsingfors hat sich bereit erklärt, auf zu stellenden Antrag, den deutschen Interessenten einen geeigneten Sachwalter namhaft zu machen.

Antwerpen, 27. April. (W. T. B.) Wollauktion sehr fest. Angeboten 2045 Ballen, davon 1738 Ballen verkauft. b

London, 27. April. (W. T. B.) Bei der gestrigen Woll auktion war Kapwolle lebhaft begehrt, schneeweiße 2, gewaschen und schweißige Wollen 1 höher als am Schluß der vorigen Serie.

New⸗York, 26. April. (W. T. B.) Weizen⸗Verschif⸗ fungen der letzten Woche von den atlantischen Häfen der Ver⸗ einigten Staaten nach England 198 000, do. nach dem Kontinent 90 000, do. von Kalifornien und Oregon nach England 12 000 Qrtrs Visible Supply an Weizen 23 000 000 Bushel, do. do. an Mai 14 000 000 Bushel.

Verkehrs⸗Anstalten.

London, 26. April. (Allg. Corr.) Einer Depesche vom 23. d zufolge langte das Schiff „Prior“ aus Glasgow in New⸗York an nachdem es durch eine Kollision mit einem Eisberge seinen Bug beschädigt hatte. Der am 23. d. aus Boston in Liverpool angekom mene Dampfer „Persian“ meldet, er sei unter 45.0 33“ nördliche Breite und 470 84“ westlicher Länge an einem Eisberge von 100 Fuß Höhe und 600 Fuß Länge vorübergefahren. 8

Berlin, 28. April 1880.

Der Berliner Hülfsverein des Centralausschusses für innere Mission, dessen erste Sitzung durch die Gegenwar Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin geehrt war, hat sich in seiner zweiten Versammlung, die gestern unter Vorsitz des Prä⸗- Dr. Wentzel in der Aula des Wilhelms⸗Gymnastums statt⸗ and, nunmehr konstituirt. Nachdem die nicht sehr zahlreich besuchte Versammlung vom Versitzenden mit Ansprache und Gebet eröffnet worden, gelangte der von einer Kommission ausgearbeitete kurze Statutenentwurf zur Vorlesung, in dessen §. 1 es heißt: „De Hülfsverein hat den Zweck, den Centralausschuß für innere Missio in der Erfüllung seiner Aufgaben mit Rath und That zu unter stützen.“ Die weiteren Paragraphen bestimmen, daß Mitglied jeder evangelische Christ werden kann, welcher zur Förderung dieser Zwecke einen Beitrag zahlt, daß die Geschäfte durch einen Vorstand von 5 Mitgliedern geleitet werden, von denen eines dem Centralaus⸗ schusse angehören muß, daß im Jahre einmal eine General versammlung stattfindet, und daß das Vereinsvermögen im Falle der Auflösung der innern Mission zufällt. Die Statuten wurden ohne jede Aenderung angenommen und der Konsistorial⸗Rath Weiß in seiner Eigenschaft als Mitglied des Centralausschusses, sowie der Geheime Regierungs⸗Rath Bosse, der Divisions⸗Pfarrer Wölbling, der Rentier Stutenbecker und der Vor⸗ sizende der Versammlung, Präsident Wentzel, in den Vorstand ge⸗ wählt. 8

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Um Wanderversammlungen der Freunde der Numismatik und Geldlehre ins Leben zu rufen, hat der „Numismatische Verein zu Leipzig“ beschlossen, einen Vereinstag deutscher Münzforscher und Münzsammler, sowie aller für Münz⸗ und Medaillen kunde sich Interessirenden zu veranstalten, der zu Leipzig am 19. un 20. Mai d. J. abgehalten werden soll. Die Fach 2‿½ aus dem Reiche und aus Oesterreich werden zu zahlreicher Betheiligung ein⸗

geladen. Anmeldungen haben stattzufinden bei Dr. B. Stübel

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