1880 / 109 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 11 May 1880 18:00:01 GMT) scan diff

Das Ober⸗Seeamt hat den Spruch des Seeamts zu Bremer⸗ haven zwar bestätigt, jedoch hob der Vorsitzende bei der Begründung dieser Entsche oung besonders hervor, daß das Ober⸗Seeamt in Uebereinstimmung mit den Ausführungen des Sercamtes und des Reichskommissars zu der Ueberzeugung gelangt sei, daß sich der Schiffer Hartmann eine Reihe von schweren Pflichtwidrigkeiten habe zu Schulden kommen lassen, welche geeignet seien, Zweifel an den Fähigkeiten desselben zu erregen. Wenn nichts destoweniger das Ober⸗Seeamt die Bestätigung des Spruches der ersten Instanz beschlossen habe, so sei dies nur mit Rücksicht auf die bis⸗ herige 18jährige tadellose Dienstzeit des Schiffers und auf den sonst guten Ruf, welchen Hartmann unter seinen Berufsgenossen als ein füchtiger Seemann habe, geschehen. Lediglich in Erwägung dieses Umstandes habe das Ober⸗Seeamt zu der Auffassung gelangen kaͤnnen, daß es dem Schiffer nicht an denjenigen Eigenschaften und Fähig⸗ keiten, welche zur Ausübung des Berufes als Seeschiffer erforderlich seien, mangele, sondern daß er bei dem in Rede stehenden Seeunfall nur v habe, von diesen Eigenschaften den richtigen Gebrauch zu machen.

Jnternationale Fischereiausstellung. Die beiden skandinavischen Reiche baben nächst Deutschland das regste Interesse in der Ausstellung an den Tag gelegt. 233 Aussteller führen uns in 274 Nummern eine reiche Fülle interessanten Ma⸗ terials vor, dessen Studium durch genaue und sachverständig be⸗ arbeitete Spezialkataloge unterstützt wird. Von diesen 233 Aus⸗ stellern entfallen auf Schweden 89. Keines der europäischen Länder, mit Ausnahme von Finnland, ist so reich an Seen wie Schweden. Außer den zahlreichen größeren und kleineren Flüssen und Strömen nehmen die Seen eine Fläche von 36 097 qkm oder 8,2 % des ganzen Flächeninhalts des Landes ein. Da bierzu kommt, daß Schweden von einer 2500 km longen Meeresküste umgeben ist, so erhellt schon aus diesen Verhält⸗ nissen, daß die Fischerei einen recht wichtigen Platz unter den Nah⸗ rungszweigen des Landes einnehmen muß. Die Zahl der in Schwe⸗ den gefundenen Fischarten ist gegenwärtig 167; über 50 von ihnen sind Gegenstand der Fischerei. An der östlichen und südlichen Küste beschäftigt sich die Fischerei in erster Reihe mit dem Heringsfang, der im Durchschnitt 258 927 hl im Werth von 3 547 303 pro Jahr ergiebt. Die Lachsfischerei, vor Allem an den Küsten von Schonen und Blecking betrieben, ergab 1878 eine Brutto⸗Einnahme von 37 735 ℳ; die einträglichste Fischerei in der Ostsee ist jedoch die Aalfischerei. Der Aal kommt zwar längs der ganzen Küste vor, nimmt jedoch nach Norden zu bedeutend ab; am stärksten tritt er in Schonen auf, wo 1878 436 Fischer eine Bruttoeinnahme von 168 796 durch den Aalfang erzielten. Dorsch und Flunder sind als nicht unwesentliche Nahrungsquelle der Küstenbewohner Gegenstand des Fischfangs. Im Ganzen wurden im Jahre 1879 in Schongen von 2274 Fischern Fische im Werthe von 858 852 ge⸗ fangen. In der Süßwasserfischerei nimmt der Lachs die bedeutendste Stelle ein. Leider fehlen jährliche, statistische Angaben für alle Flüsse des Reichs. Für einen Theil derselben ist der mittlere Abwurf des Lachsfanges in den letzten ungünstigen Jahren auf 711 890 berechnet worden. 40 Zuchtanstalten unterstützten 1878 die Bestrebungen der Regierung auf Hebung der Lachszucht. Nächst dem Inlande sind England und Deutschland die Haupt⸗ abnehmer sowohl für frischen wie vor Allem für geräucherten Lachs. Unter den übrigen zu der Lachsfamilie gehörenden Fischen sind die Coregonen für die Fischerei am wichtigsten; von den sonstigen Land⸗ seefischen, welche Gegenstand des Fischfangs sind, verdienen in erster Reihe Hecht und Barsch Erwähnung, die vor Allem als Nahrungs⸗ mittel hoch geschätzt werden; werthvoller in dieser Beziehung, jedoch seltener ist der Zander. Im südlichen und mittleren Schweden ist auch die Aalfischerei recht ergiebig, während im Osten der Fluß⸗ neunaugenfang reichen Gewinn bringt. Eine Sammlung der wichtigsten Fischarten Schwedens zeigt uns die Ausstellung in einer von Flygare⸗Karlskrona und Sward⸗Raͤz ergänzten Kollektion der Stockholmer Ausstellurgskommission, sowie, soweit sie die Ftichergg Nordsee, des Skagerrack und der Provinz Hal⸗ and betreffen, die landwirthschaftlichen Gesellschaften der Regierungs⸗ bezirke Göteburg und Halland. Die übrigen Aussteller haben zumeist konservirte Fische ausgestellt in einer Qualität, die wir in Deutsch⸗ land schon längst zu schätzen wissen. Die Fischereigeräthe, wie sie in den einzelnen Provinzen und Bezirken gebraucht werden, sind sowohl von den Landwirthschaftsgesellschaften wie von den Interessenten in reicher Auswahl vorgeführt. Auch die Wissenschaft ist nicht zu kurz gekommen; zahlreiche Karten und Schriften zeigen uns, daß ihr in Schweden ein weites und erfolgreich benutztes Feld eingeräumt ist. Nicht minder bedeutend wie in Schweden ist der Fischereibetrieb in Norwegen. Der Werth sämmtlicher ausgeführter Fischprodukte nach den an den Ausfuhrplätzen gezahlten Preisen belief sich im Durchschnitt von 1869 bis 1878 pr. Jahr auf 47 357 000 ℳ, das sind 42,6 % der Gesammtausfuhr des Landes. Diese Summe vertheilt sich auf den Klippfisch mit 25,9 %, auf den Fettbering 20,8 %, auf Thran 11,5 %, auf den Großhering 10,3 %, auf den Rundfisch 10 % u. s. w. Als Exportort behauptet Bergen den ersten Rang; von hier aus werden im Durchschnitt pro Jahr für 19 041 000 exportirt. Alsdann folgen Christiansund mit 9 190 000 ℳ, Aalsund mit 3 936 000 und Stavanger mit 2 120 000 Der Hauptabnehmer für norwegische Fischprodukte ist seit Jahren Deutschland, das jährlich für 11 046 000 hauptsächlich zin Fettheringen und Thran verbraucht. Nächst Deutschland importirt am meisten Spanien (für 8 976 000 ℳ) und zwar fast nur Klippfisch, alsdann Schweden (für 6 221 000 ℳ), Oesterreich und Italien (zusammen für 3 463 000 Rundfisch u. A.), Holland (für 31 412 000 Thran u. s. w.), England (für 3 160 000 ℳ) und Frankreich (für 2 026 000 Rogen). Die norwegische Ausstellung, eine der schönsten und übersichtlichsten Abtheilungen, entspricht dieser Bedeutung des Exportgeschäftes, und wenn für irgend ein Land, so wird für Norwegens Handelsbeziehung die Ausstellung von sichtbarem Erfolge begleitet sein. Recht nachahmenswerth ist hier die Einrichtung, die einzelnen für den Export bestimmten Fische in der dem Transport entsprechenden Sor⸗ tirung vorzuführen; man hat es hierdurch vermieden, daß falsche Auffassungen entsehen, die bei den verschiedenen Geschmacksrichtun⸗ en der Nationen ohne diese Sortirung leicht möglich sind und die eicht die Anbahnung neuer Handelsbeziehungen ungemein erschweren können. Leider ist es unmöglich, auf Einzelnheiten hier einzugehen; einen Begriff von der Bedeutung einzelner Firmen wird man sich jedoch leicht machen können, wenn man erwägt, daß Aussteller von einzelnen Fischsorten Millionen von Kilo pro Jahr exportiren und Hunderte von Fischerbooten ausrüsten. Denselben Aufschwung, dessen sich die Fischerei selbst zu erfreuen hat, genießt auch die Herstellung der Fischereigeräthe; die Anwendung von Ma⸗ schinenkraft gestattet einzelnen Firmen ganz erstaunliche Leistungen. Die norwegischen Vorrichtungen zum Aufbewahren und zum Ver⸗ sandt von Wasserthieren, sowie die Vorrichtungen zur Verarbeitung, Zubereitung und Konservirung von Fischereiprodukten haben Beifall v Allen, die sich für diese wichtigen Fragen zu interessiren

Der Verein für deutsches Kunstgewerbe hält morgen Abend 8 Uhr im deutschen Vereins hause, Wilhelmstr. 118, seine 23. Hauptversammlung. In derselben wird Hr. Bildhauer Wiese einen Vortrag über Proportionslehre des menschlichen Körpers halten. wird Bericht erstattet werden über die Drechsler⸗- und Bild⸗ ——— 33 9 Beflaßen für den Abend haben

giebe o. und Paul Bette ü⸗ können eingeführt werden. 8

(Dr. J.) Da sich in dem Atelier des Professors Johannes Schilli weitere Modelle zu Figuren, welche an dem F. Nhannfg Schtning auf dem Niederwalde zur Aufstellung gelangen sollen, der Vollendung nähern, so ist das Comité mit der dasent sane neuer

Erzgußverträge vorgegangen. Die „Germania“ wird bekanntlich in der von Millerschen Erzgießerei in München gegossen. lülich in hat der zweite Vorsitzende des Comités, Regierungs⸗Rath Sartorius aus Wiesbaden, mit C. Albert Bierling in Dresden wegen des Erz⸗ gusses der Rhein⸗Moselgruppe und mit der Aktiengesellschaft Lauch⸗ hammer wegen des Gusses der Wappen Verträge abgeschlossen.

„Düsseldorf, 9. Mai. (Cöln. Ztg.) Der für unsere freund⸗ liche Schwesterstadt am Rheine ebenso denkwürdige 27- h reung⸗ Tag, an welchem in ihren Mauern die größte der in Deutschland bis jetzt veranstalteten Gewerbe⸗ und Industrie⸗Aus⸗ stellungen, vereinigt mit der vierten allgemeinen deutschen Kunstaus stellung (der ersten seit 12 Jahren), feierlich eröffnet werden konnte, ist heute mit würdigem Festgepränge begangen worden. Düsseldorf hatte sich in sein schoͤnstes Feierkleid gehüllt; alle öffent⸗ lichen Gebäude sowie die überwiegende Mehrzahl der Privathäuser pranagten in farbigem Fahnenschmuck, und das bunte Bild der ver⸗ schiedenen Flaggen und Wimpel vermehrte noch den angenehmen Eindruck, den die park, und gartendurchzogene Düsselstadt schon ohnehin bei dem fremden Besucher hervorruft. Von früher Mor⸗ genstunde an strömten die Festgäste aus allen Gegenden der Windrose herbei, und lange vor Beginn der Eröffnung war schon das Feld der Ausstellung von Schaaren schaulustiger Besucher bedeckt. Durch ge⸗ waltige Anspannung aller vorhandenen Kräfte war in den letzten Tagen Riesenhaftes geleistet worden. Das wirre Durcheinander, welches noch in der elften Stunde auf dem Ausstellungsplatze ge⸗ herrscht, hatte sich über Nacht in strenge Ordnung und planmäßige Regel verwandelt; das bunte Wirrsal war wie mit einem Zauber⸗ schlage in ein System gebracht, und die junge Ausstellung zeigte sich ihren Besuchern heute an ihrem Ehrentage in so geordneten Gewän⸗ dern, wie es den meisten ihrer Schwestern niemals gelungen war.

Die Ausstellungsgebäude sind auf dem denkbar günstigsten Platze errichtet, nämlich in den Anlagen des Zoologischen Gartens, dessen Verwaltung für Hergabe des Bodens eine angemessene Entschädi⸗ gung erhalten hat. In stattlicher Größe erhebt sich dort das Haupt⸗ gebäude, mit phantastischem Kuppelwerk aus pittoresken Balustraden verschwenderisch verziert, mit schlanken Thürmen wirkungsvoll flan⸗ kirt, in seinen bunten aber harmonisch abgetönten Farben dem Auge des Beschauers ein im Gesammteindrucke höchst anmuthiges Bild darbietend. Rings herum liegen zwischen frischen Grasflächen und freundlichem Laubwerk die Pavillons großer rheinischer Firmen aller Geschäftszweige, ziehen zierliche Schwäne auf spiegelglatten, leicht überbrückten Seen ihre Kreise, ragen künstliche Ruinen und kolossale Statuen in die Lüfte, wird in phantastischen Felsengrotten Mineral⸗ wasser, in bunt bemalten Kiosken allerlei anderes Getränk stärkerer Natur verabreicht; dazwischen stoßen wilde Vögel in ihren Käfigen seltsames Geschrei aus, und zahme Rehe schnuppern nengierig nach den Fremden, die sie in ihrer Einsamkeit stöͤren ein buntes, far⸗ E ““ znss E belebt noch durch die

n⸗ und herwogende Menge festlich gekleideter, von dem Gebotenen höchlichst befriedigter Menschen. 1u“

Im Verlage von C. Schünemann in Bremen ist von A. Doell eine Broschüre herausgegeben, welche sich mit der Reform der Ar⸗ menpflege und der Armenverwaltung beschäftigt, Untersuchungen anstellt über die Handhabung der Unterstützungsgesetze und Vorschläge macht zu einer Organisation der amtlichen und der freiwilligen Ar⸗ menpflege. In dem ersten Abschnitte der kleinen Schrift bespricht der Verfasser die Unterstützungsgesetze und die Ausübung derselben den Mangel einheitlicher Durchführung derselben, das Vagantenwesen und die För⸗ derung desselben durch die angesessene Bevölkerung, sowie die Nothwendig⸗ keit statistischer Nachweisungen für die Armenverwaltungen. Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit der freiwilligen Armenpflege und deren Verirrungen; der Entwickelung der Vereinsthätigkeit und dem Berufe der Frauenvereine für Armen⸗ und Krankenpflege und der Nothwendigkeit der Organisation der freiwilligen Krankenpflege. Der folgende Abschnitt sucht die Frage zu beantworten: wer ist hülfsbedürftig? wobei folgende Momente in Betracht gezogen werden: Das Strafgesetz als Correlat der Unterstützungs⸗ pflicht; die Theilung der Arbeit; das Mühen um Erfolge; sittlicher Hochmuth in der Armenpflege. Im vierten Abschnitt äußert der Verfasser in Kurzem seine Ansichten über Waisenversorgung und Waisenpflege, über die Versicherung der Erziehungsgelder und über die Aufsicht der Frauenvereine. Der letzte Abschnitt ist dann der Organisation der Armenpflege gewidmet. Zur Gründung einet Centralorgans für die Armenpflege schlägt der Verfasser die Einberufung eines Kongresses vor. Die Leitung der Arbeiten für die Reform der Armenpflege gebühre den Ortsarmenverbänden. Die beru⸗ fenen Vertreter derselben seien die Magistrate der Städte. Zu einer Vor⸗ berathung der auf einem Kongresse zu behandelnden Berathungsgegenstände sollen daher von den, für eine Reform sich interessirenden Magistraten Einladungen erfolgen a. an eine, je nach Ermessen zu bestimmende, An⸗ zahl Magistrate und b. an eine Anzahl im Fache der freiwilligen Armenpflege bethätigter Männer. Die Einladungen zum Kongresse sollen an sämmtliche Vertreter der Ortsarmenverbände und außer an die besonders eingeladenen Personen an die Vertreter der Frauen⸗ vereine, sowie an die Vorstände von Anstalten und Vereinen für Zwecke der Wohlthätigkeit ergehen. Weiter macht der Verfasser fol⸗ gende Vorschläge: Der Kongreß konstituirt sich als Centralverein für deutsche Armenpflege und arbeitet in zwei Abtheilungen: für die amtliche und für die freiwillige Armenpflege. Zum Vororte des Vereins wird auf eine noch näher zu bestimmende Zeitdauer eine dem Vereine angehörende Stadt gewählt. Der geschäftsleitende Bürgermeister derselben hat die Gesammtleitung des Vereins. Er bezeichnet seinen Stellvertreter, der seinen Wohnsitz am Vororte haben muß. Die Vertreter der freiwilligen Armenpflege wählen für ihre besonderen Angelegenheiten einen Vorsitzenden, der

seinen Wohnsitz ebenfalls am Vororte haben muß. Der geschäfts⸗

leitende Bürgermeister am Vororte, der von ihm bezeichnete Stell⸗ vertreter und der von den Vertretern der frenviligen eSin. für ihre Angelegenheiten gewählte Vorsitzende bilden den Vorstand des Centralvereins. Als Gegenstände gemeinsamer Berathung beider Abtheilungen werden bezeichnet, zunächst Beantwortung der Fragen: 1) Wer übernimmt die ührung der freiwilligen Armenpflege? Der Verfasser bemerkt hierzu: Obwohl die geschichtliche Entwickelung der Frauen⸗ vereine und die von denselben ausgesprochenermaßen eingenommene Stellung zur Krankenpflege und der Grundsatz, daß Konkurrenz im Gebiete der Humanität verderblich sei, sie als die berufenen Vertre⸗ terinnen auch der freiwilligen „Armenpflege“ charakterisire, könne man nicht einfach beschließen, daß ihnen die Führung übertragen werde, man bedürfe ihrer Erklärung. Vorausgesetzt müsse jedoch folge⸗ recht die Uebernahme der freiwilligen Armen⸗ und Krankenpflege in allen ihren Theilen werden. 2) In welcher Weise wird ein solcher organischer Anschluß der freiwilligen Armenpflege an die amtliche bewirkt, der die Ordnung und gedeihliche Wirksamkeit beider sichert? Für die Beantwortung dieser Frage hat der Verfasser den Entwurf eines Statuts für die Frauenvereine beigefügt, welches diese Vereine in die Reihe der Gemeindeorgane stellt und ihnen statutari⸗ schen Schutz giebt, ohne sie des Charakters der Freiwilligkeit zu be⸗ rauben. Es werde guch unschwer zu bewirken sein, daß die bestehen⸗ den Vereine von Männern oder Frauen für Zwecke der Wohlthätig⸗ keit sich den Frauenvereinen als Abtheilungen derselben anschließen. Bezüglich der Bettelei schlägt der Verfasser folgende Resolution als dritten Gegenstand der Berathung vor: 3) Die Richtung, welche die bisherige Thätigkeit der Vereine segen Bettelei eingeschlagen hat, ins⸗ besondere die Unterstützung unbekannter erwerbsfähiger Personen mit Geld oder Geldeswert jeder Art, widerstreitet den Bedingungen un⸗ serer sozialen Ordnung, ist als verderblich zu bezeichnen und deshalb zu bekämpfen. Dagegen empfiehlt sich die Verwendung zu diesem Zwecke disponibler Mittel zur Verbesserung des Herbergswesens für reisende Handwerker und Fabrikarbeiter, insbesondere zur Einrichtung freundlicher Wohn⸗ und Schlafräume und reiner guter Schlafstätten zu mäßigem Preise. Von diesen Wohlthaten sind professionelle Herumtreiber auszuschließen. Weiter werden folgende Gegen⸗ stände zur Berathung gestellt: 4) Ueberall da, wo im Austlande

Deutsche wohnen und Frauenvereine für Armen⸗ und Kran ege nicht bestehen, ist auf Gründung solcher und e an den Hauptverein hinzuwirken; endlich 5) Entschließung über die Fragen, ob der Centralverein für Armenpflege periodisch wieder⸗ kehrende Wanderversammlungen abhalten, und welches Preßorgan er zur Vertretung seiner Angelegenheiten benutzen will. Die Ver⸗ treter der freiwilligen Armenpflege sollen im Uebrigen ihre Angelegen⸗ heiten selbständig ordnen und ihre Verhandlungen für sich führen Die Berathung eines Normalstatuts, die Behandlung der Sache der Volksküchen, der Kleinkinderschulen, der Vereine gegen Bettelei resp. für Verbesserung des Herbergswesens ꝛc. geben das Material der Berathung. Für die Vertreter der amtlichen Armenpflege werden von dem Verfasser ale von hauptsächlichstem Interesse folgende Gegenstände vorzeschlagen: 1) der Anschluß der Frauen⸗ vereine mittelst Ortsstatuts an die gesetzliche Ortsarmenpflege 2) Welche Wege sind einzuschlagen, um die gesetzlichen Vorschriften für die Armen⸗ und Krankenpflege in jedem Orte des Geltungs⸗ bereichs des Unterstützungsgesetzes zur Ausführung zu bringen? Zur Lösung dieser Frage schlägt der Verfasser den Erlaß einer gleich⸗ lautenden Deklaration der Bundesregierungen etwa in folgender Fassung vor: Zur Ausführung der Bestimmung im zweiten Satze, . 1 des Gesetzes, die Ausführung des Reichsgesetzes über den „Unterstützungswohnsitz betreffkend, wird verord⸗ net: 1) Jede Gemeinde ist a. zur Annahme, und Salarirung eines Arztes für ihre Armen und b. zur Beschaffung, Einrichtung und Erhaltunz der nöthigen Lokalität und Wartung für Kranke, innerhalb ihres Gemeindebezirks, verpflichtet. 2) das Recht der Gemeinden, transportfähige Kranke auch in einer auswärtigen Krankenanstalt unterzubringen, bleibt durch diese Bestimmung unbe⸗ rührt. 3) Hülfsbedürftig im Sinne des Gesetzes im Falle der Er⸗ krankung ist Jeder, der ärztliche Hülfe und die von dem Ortsarmenarzte ihm vererdneten Medikamente s oder schirur⸗ gischen Apparate aus eigenen Mitteln nicht beschaffen kann 4) Die in diesem Falle augesprochene und von dem Ortsarmen⸗ arzte als nöthig bezeugte Hülfe darf nicht verweigert werden. 5) Die Ersatzpflicht des auf diese Weise Unterstützten, §. 361 Ziff. 7 des Strafgesetzbuchs, bleibt durch vorstehende Bestimmung unberührt. 6) Jede Gemeinde ist zur Beschaffung und Unterhaltung der nöthigen Räumlichkeiten zu Unterbringung a. solcher ortsangehöriger Obdach⸗ losen auf kurze Zeit und bis zur Beschaffung eines Obdachs im Gemeindebezirke verpflichtet, deren Erwerb durch Ueberfüh⸗ rung derselben nach einer entlegenen Armenanstalt wesentlich beeinträchtigt werden würde, und b. zur etwa nöthigen Auf⸗ nahme solcher Personen, die aus öffentlichen Mitteln unterstützt und denen Wiederersatz durch Arbeitsleistung angesonnen wurde. 7) Ueber die Zulässigkeit von Ausnahmen von diesen Vorschriften im einzelnen Falle und aus besonderen Gründen, namentlich von den unter 6, und wenn mehrere räumlich nicht zu entfernt von einander liegende Gemeinden zur Erreichung des gemeinsamen Zweckes sich ver⸗ einigen wollen, bestimmt die vorgesetzte Verwaltungsbehörde. In gleicher Weise hat dieselbe nach Maßgabe der Einwohnerzahl eines Ortes und der sonstigen dabei in Betracht kommenden Verhältnisse darüber zu bestimmen, ob die unter 15. bezeichneten Räumlichkeiten mit einem oder mehr Betten belegt werden sollen und event. mit wie vielen. Die Frage, welche Mittel sich zu einem gemein⸗ samen Vorgehen gegen die Bettelei reisender Arbeiter empfehlen kann nach der Ansicht des Verfassers mit Aussicht auf Erfolg weder von den Behörden allein, noch von der freiwilligen Armenpflege selbständig gelöst werden, sie müsse vielmehr als eine gemeinsame Mahregel aufgefaßt und in großem Zuge durchgeführten werden Im gemeinsamen Vorgehen, in den Städten und auf dem Lande, müßten die auf der Reise begriffenen, als hülfsbedürftig sich Mel⸗ denden, auch wenn sie erwerbsfähig seien, zwar unterstützt werden aber es müsse ihnen Wiederersatz durch Arbeit angesonnen werden, und die Verweigerung der Arbeit müsse die Abgabe der Renitenten an den Strafrichter zur Folge haben. Dasselbe Verfahren müsse eintreten, wenn Ortsfremde in leichten Erkrankungs⸗ fällen verpflegt worden seien, wenn die Verpflegung nicht uüͤber etwa 10 Tage hinaus gedauert habe. Ob und in welchen Fällen hiervon eine Ausnahme zu machen sei, müsse der Beurtheilung der betreffen⸗ den Armenverwaltung überlassen bleiben; aber die Ausnahme müsse dem ersatzpflichtigen Armenverbande gegenüber begründet werden. In den Städten sei für die Unterstützten durch Arbeitsleistungen ia ihrem Gewerbe, oder durch Handarbeiten jeder Art ausreichende Gelegenheit geboten, die Unterstützung abzuverdienen. Es werde Sache der Armen⸗ verwaltungen sein, in den Armenhäusern solche Fälle vorzusehen und Einrichtungen zu schaffen, durch welche, so weit die Rücksicht der Humanität es gestatte, so gewährte Unterstützungen, von den Unter⸗ stützten getrennt von anderen Armenhäuslern, abgearbeitet werden könnten. Aber auch den Vorständen der Dorfgemeinden werde es möglich sein, für kleinere Unterstützungen den Unterstützten Arbeit zu beschaffen, z. B. durch die Arbeiten ihres Handwerks, durch Auslesen von Saatfrucht, Wegebau, Wegeverbesserung, Feld⸗, Garten⸗ und Wirthschaftsarbeiten und dergleichen. In einer auf einem Kon⸗ gresse gefaßten Resolution müßten endlich auch die Justizbehörden angerufen werden, von diesem Gesichtspunkte aus bei der Beurthei⸗ lung der Straffälle zur Beseitigung der Bettelei mitzuwirken. Nach⸗ dem der Verfasser dann noch folgende zwei Fragen: Wie ist die Waisenversorgung und die Waisenpflege am besten zu för⸗ dern ?; Empfiehlt es sich, zur Förderung einer gedeihlichen Armenpflege überhaupt, besonders aber zur Pflege der Statistik über Armenwesen, Bezirks⸗ oder Kreisvereine für Armen⸗ pflege zu bilden? zur Erwägung und Beantwortung gestellt hat schließt er seine kleine Schrift mit dem Satze, daß nur in der plan⸗ 1hsar Ordnung und Einigung aller Kräße zur Erstrebung des ge⸗ meinsamen Feaie die Möglichkeit einer gedeihlichen Armenpflege liege und daß die Verwirklichung dieser Idee in persönlichem Aus⸗ tausche der Gedanken am Besten zu erreichen sei. 8

Die Hochschule für Musik, Abtheilung für ausü⸗ . kunst, veranstaltete am Sonntag, den 9. d. P. des Hrn. Direktors Joachim ihre XXVII. Aufführung. Als erster Theil des Programms wurde ein Kyrie, Sanctus und Agnus dei für zwei Solo⸗Soprane, Doppelchor, Orchester und Orgel von Max Bruch zu Gehör gebracht. Die meisten Arbeiten des fruchtbaren Komponisten, der seit längerer Zeit in Berlin wohnt und wirkt sind in den Berliner Konzerten viel und gern gehört; große Ge⸗ wandtheit in der Instrumentation, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Stils, wie frische und warme Empfindung in der Melodik sind die Vor⸗ züge, welche an seinen Werken geschätzt sind. Auch das von der Hoch⸗ schule am Sonntage vorgetragene Werk, welches hier bisher noch nicht gehört und wahrscheinlich eine der früheren Arbeiten des Kom⸗ ponisten ist, zeigt diese gute Eigenschaften, doch geht ihm die reli⸗ giöse Innigkeit ab, welche den Werken unserer Klassiker jene er⸗ habene Weihe verleiht. Immerhin aber ist diese Arbeit eine interessante geistvolle Komposition von einnehmender Klangschönheit. Der Vortrag durch den Chor und das Orchester der Hochschule unter der meisterlichen Leitung ihres Direktors war musterhaft in der sorgfältigen Ausarbeitung des musikalischen Details sowohl wie in dem Ensemble und der ganzen Auffassung. Der Komponist wurde unter lebhaften Beifallszeichen hervorgerufen. Den zweiten Thei der Aufführung bildete Schuberts große C-dur-Sinfonie. Vortrag dieses Werkes gab ein glänzendes Zeugniß von der vorzüg lichen künstlerischen Ausbildung des Orchesters der Hochschule.

Redacteur : Riedel.

Verlag der Expedition (Kessel). Druck .W. Elsner. Sechs Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

der gestrigen

Auch der

WW 981

Deutschen Reichs⸗

Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 11. Mai. m weiteren Verlaufe 89 Sitzung setzte der Reichstag die weite Berathung der am 7. Mai 1880 zu Wien unterzeichneten evidirten Elbschiffahrtsakte fort. Nach dem Abg. Dr. Virchow ergriff der Bevollmächtigte . Bundesrath Staats⸗Minister Bitter, wie folgt, das ort:

Meine Herren! Indem ich der Regierung jede weitere Erwide⸗ rung auf Dasjenige vorbehalte, was in Bezug auf die vorliegende Rechtsfrage bis jetzt ausgesprochen worden ist, möchte ich doch dem Herrn Vorredner auf einige Punkte antworten, die er in seiner Rede bebührn. hat und die nach meiner Auffassung durchaus irrthüm⸗ ich sind.

Zunächst hat er erklärt, es sei ihm auf Grund, wie er sich ausdrückte, „zuverlässiger Mittheilungen“ gesagt worden, der Reichskanzler habe an die preußische Regierung oder an den preußischen Finanz⸗Minister ich habe das nicht ganz genau ver⸗ standen die Frage gerichtet, ob es nicht an der Zeit sei, die Frei⸗ hafenstellung Hamburgs und der Hansestädte zu beseitigen, und daß die Antwort hierauf zustimmend erfolgt sei. Es ist mit solchen an⸗ geblich zuverlässigen Mittheilungen in der That doch eine eigene Sache. Sie sind in der Regel, wenn sie nicht sehr zuverlässig sind, ganz uazuverlässig.

Ich möchte doch auch sehr davor warnen, daß solche Mit⸗ theilungen aus ununterrichteten oder schlecht unterrichteten öffentlichen Blättern als Ausgangspunkt für große Fra⸗ gen, wie die vorliegende ist, um die es sich handelt, angenommen werden. Die Frage, um die es sich hier handelt, also ob es an der Zeit sei, die Freihafenstellung von Hamburg darum handelt es sich ja, Sie können aber auch Bremen dazu rechnen die Freihafenstellung der beiden Freihafengebiete Hamburgs und Bremens zu beseitigen, ist nicht gestellt worden, weder an mich, noch an die preußische Staatsregierung, noch an irgend ein preußisches Ressort, und sie ist in Folge dessen natürlicherweise auch nicht beantwortet worden, denn auf eine Frage, die nicht gestellt ist, kann man keine Antwort geben. Es ist aber ohne Zweifel diese Bemerkung des Herrn Vorredners nur der Ausgangspunkt gewesen für die Unterstellung, für die Voraussetzung, daß die in der revi⸗ dirten Elbschiffahrtsakte jetzt vorliegende Bestimmung des §. 4 keinen anderen Zweck gehabt habe, als einen Angriff auf die Stadt Ham⸗ burg und ihre Freihafenstellung zu richten. An sich könnte ich mich ja auf das beziehen, was mit den direktesten Worten der Herr Reichskanzler selbst über diese Frage ausgesprochen hat. Er hat ganz bestimmt erklärt, daß kein Mensch daran dächte, die verfasfungsmäßige

reihafenstellunz der Stadt Hamburg irgendwie anzugreifen. ch muß aber auf dasjenige zurückgehen, was als der Ursprung dieser ganzen Frage zu betrachten ist, und was auch der Herr Reichs⸗ kanzler in seiner Rede vorgestern, wenn auch nicht speziell nachge⸗ wiesen, doch sehr bestimmt berüͤhrt hat. Da kann ich doch mit authentischer RüE sge mittheilen, daß die Frage der Revision der Elbschiffahrtsakte schon im Jahre 1870 ihren Anfang genommen hat, und im Wege der amtlichen Korrespondenz im Jahre 1871 an das Königlich preußische Finanz⸗Ministerium gelangt ist, daß die vorgelegte revidirte Elbschiffahrtsakte, in der sich der Paragraph nicht befunden hat, welcher jetzt so großes Aufsehen im hohen Hause erregt, im preußischen Finanz⸗Ministerium geprüft worden ist, und daß diese Prüfung Veranlassung gegeben hat zu einer Korrespondenz, aus der ich, da sie nicht so sehr lang ist, um Erlaubniß bitte, zur Aufklärung über die Sachlage die bezügliche Stelle vorlesen zu dürfen, eine Aufklärung also zu dem §. 4, um den es sich hier handelt: Es heißt dort:

Die Fassung des zweiten Absatzes, wonach Eingangs⸗ und Aus⸗

gangsabgaben von Waaren, welche auf der Elbe ein⸗ oder ausgehen,

in nicht höherem Betrage erhoben werden dürfen als beim Ein⸗

und Ausgang über die Landesgrenze läßt Zweifel darüber, ob die konventionelle Natur der Elbe, wie solche im Artikel 108 seq. der

Wiener Kongreßakte vom 9. Juni 1815 und im Artikel 14 der

Elbschiffahrtsakte vom 23. Juni 1821 festgestellt ist, aufrecht er⸗

halten oder fortfallen soll, ob mithin die Zollpflichtigkeit der auf

der Elbe eingehenden Waaren oder wie bisher erst dann eintritt, wenn die Waaren die Elbe verlassen und an das Land gebracht werden.

Pas letztere ist nicht richtig, denn auf der Oberelbe sind die Waaren beim Eintritt in das Königreich Sachsen von Oesterreich aus schon bisher der Zollkontrole unterworfen gewesen.

Mit Rücksicht auf die Ausführungen Seite 5 der Denkschrift zu §. 4, wonach der Absatz 2 die Gleichstellung der Schiffahrt mit dem Landtransport in allen Beziehungen herbeizuführen bezweckt, glaube ich annehmen zu sollen, daß die Absicht besteht, die kon⸗ ventionelle Natur des Elbstromes zu beseitigen. Ich würde dies meinerseits nur befürworten können, daß die künstliche Auslands⸗ qualitaͤt von Flüssen, welche Zollvereinsgebiete durchströͤmen, so⸗ wohl die Kontrole erschwert, als auch die Einnahme schmälert, ohne durch ein sachliches Motiv gerechtfertigt zu 111“

Zur Beseitigung jedes Zweifels dürfte in Absatz 2 hinter den Worten „über die Landesgrenze“ der Zusatz aufzunehmen sein nun kommt dieser Zusatz —:

Die Zollpflichtigkeit der Waaren tritt beim Ueberschreiten der Wassergrenze auf der Elbe in gleicher Weise ein, wie beim Ueber⸗

scchreiten der Landesgrenze. . Diese Mittheilung ist am 27. Mai 1871 von dem ere fs

Finanz⸗Minister Camphausen unterzeichnet worden. Es ist wohl n. entfernt damals daran gedacht worden, wie man jetzt glauben könnte, daß diese Bestimmung, welche nur den Zweck hatte, die Zolleinheit des Deutschen Reiches festzustellen, sie über jeden Zweifel fortzuführen, dahin gedeutet werden könnte, daß es die Absicht sei, die Freihafen⸗ stellung der Stadt Hamburg dadurch gefährden zu wollen. Wenn man die Zollpflichtigkeit der Waaren beim Hinübertritt in die Elbe über⸗ haupt anerkennt, so folgt daraus ein Angriff auf die Freihafen⸗ gebiete noch lange nicht. An sich steht es ja 1— ksFr. fest, daß da, wo das Meer die Uferlinie des Deutschen eichs bespült, die Landes⸗ und Zollgrenze liegt, während die internationale Landes⸗ grenze einen Kandnenschuß weiter vom Ufer ab im Meere zu suchen ist. Es ist also durch die in Rede stehende Bestimmung gar nichts Neues gesagt. Es ist ein sehr weiter Weg von hier aus bis dahin, daß in einer Bestimmung, welche im Jahre 1871 vorgeschlagen und von da und durch alle Zeit unangefochten durch alle Ressortstadien und alle sonstigen geschäftlichen Gänge ihren Weg unbeanstandet genommen hat, daß, sage ich, in dieser Bestimmung die Absicht liegen könnte, die Freihafenstellung Hamburgs zu gefährden; daran hat man im Jahre 1871 nicht gedacht; bei der jetzigen Reproduktion der Elb⸗ schiffahrtsakte ist gar kein anderes Moment bestimmend gewesen als das, daß man die Verständigung, die zwischen dem Deutschen Reich und Oesterreich über diese Bestimmungen stattgefunden hat im Interesse des Deutschen Reichs und der eeeb. für nothwendig gehalten hat. Ich glaube also, daß die Beziehung des Herrn Vorredners, die sich darauf richtet, daß jene Auffassung, nach welcher Preußen darüber

nzeiger und Königlich Preu

diesem Paragraphen eine sehr unglückliche ist, daß aber auch nicht im Entferntesten in dieser Bestimmung irgend etwas gefunden werden kann, was auf jene Frage, die nicht gestellt und nicht beantwortet ist, hätte Bezug haben können.

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Berlin, Dienstag, II. Mai 8

Ich möchte aber auch noch, abgesehen hiervon, einen anderen

Moment zur Erörterung bringen, den der Herr Vorredner

vielleicht ohne genau informirt zu sein, in Anregung gebracht hat.

Ich bin sehr weit davon entfernt, jetzt irgendwie über die Frage des

Uebergangs von Altona in das Zollvereinsgebiet reden zu wollen, es

steht diese Frage nicht auf der Tagesordnung, und ich werde sie

keineswegs nach irgend einer materiellen oder meritorischen Seite hin

berühren; der Herr Vorredner hat aber eine Bemerkung gemacht,

die denn doch einer Erwiderung bedarf. Er hat gesagt, unter den

Unterthanen, von denen in dem Schreiben des Fürsten Reichskanzlers

die Rede wäre, köunten doch wohl die Bewohner von Altona gemeint sein, und da hätten ja die Stadtbehoörden eine gan⸗ bestimmte, wie er sich ausdrückte, authentische Er⸗

lärung über diejenigen Anschauungen abgegeben, wie sie selbst über die Frage denken. Da bin ich nun in der Lage, diese Erklärung denn doch insoweit richtigstellen zu müssen, daß nicht da⸗ von die Rede ist, wie bei einer andern Gelegenheit gesagt wurde, daß hier ein „geharnischter Protest“ vorliegt: es liegt eine Erklärung der Stadtbehörden vor, wonach diese ihre Wünsche kundgeben und ihre Interessen darlegen in einer durchaus lovalen, im höchsten Grade angemessenen und den Verhältnissen entsprechenden Weise. Meine Herren, ich kann dabei bemerken, daß mir persönlich die Verhältnisse von Altona sehr genau bekannt sind und daß ich glaube, daß ich dieselben und die daran sich knüpfenden Fragen ebensowohl beurtheilen kann, wie irgend sonst Jemand in diesem hohen Hause. Diese Erklärung, die sich über die Interessen und Wünsche der Stadt Altona weiter ver⸗ breitet, glaube ich in Bezug auf die sogenannte authentische Erklärung und auf die angeblichen Proteste doch insoweit verlesen zu dürfen, als sie ein Bild giebt von der Art, wie die Stadt Altona diese Frage auffaßt. Es wird da gesagt:

„Vor Allem sei gestattet, der Königlichen Staatsregierung unsern lebhaften Dank dafür darzubringen, daß sie bestimmt und klar die Nothwendigkeit anerkennt und ihren Entschluß ausgesprochen hat, unserer im verhängnißvollen Niedergang befindlichen Stadt mit starken Mitteln zu Hülfe zu kommen, einen Dank, der gerade in diesem für die weitere Entwicklung unserer Stadt so bedeut⸗ samen Momente um so aufrichtiger sich kundgiebt, als wir aus jener rückhaltlosen Anerkennung unseres abnehmenden gewerblichen Lebens, unseres sinkenden Wohlstandes und unserer immer stärker rgefährdeten wirthschaftlichen Selbständigkeit die gute Hoffnung entnehmen, daß diese von der Sorge für das fernere Gedeihen unserer Stadt eingegebenen Worte eine wohlwollende Berück⸗ sichtigung finden werden.“

Meine Herren! Nach einem einmüthigen Protest, nach einer authentischen Erklärung, wie sie unzweifelhaft da gedacht worden ist, tlingen diese Worte doch wahrlich nicht, und ich wiederhole, daß die weiteren Ausführungen, die sich auf bestimmte Fragen beziehen, in durchaus loyaler, durchaus objektiver, durchaus geordneter Weise ge⸗ stellt worden sind. Ich habe geglaubt, die vorhergehenden Be⸗ merkungen machen zu sollen, vm der Mißdeutung zu begegnen, als ob die Verhältnisse von Hamburg, von Altona und der Gegend an der Elbe uns unbekannt, daß sie ein Feld seien, was Seitens der Regierungen gewissermaßen nur feuilletonistisch bearbeitet worden sei, und als ob wir irgendwie und in irgendeiner Beziehung mit den Existenzbedingungen und Interessen der Unterelbe, mit alldem, was zusammenhängt, nicht vollständig und ganz sicher unterrichtet wären.

Der Abg. von Bennigsen führte aus, das ö Verträge mit auswärtigen Mächten nur unter einem Vor⸗ behalt zu genehmigen, sei bisher weder im Reichstage, noch in anderen parlamentarischen Körperschaften üblich gewesen. Es müßten also besondere Gründe vorgelegen haben, welche die Kommission zu diesem Antrage veranlaßt hätten. Ein solcher Vorbehalt habe schon insofern etwas Bedenkliches, als derselbe bis zu einem gewissen Grade den fremden Staat in die inneren Angelegenheiten des Reichs hineinziehe, auf welche dieser Vorbehalt Bezug nehme. Die Frage Zollgrenze sei eine Reichsangelegenheit; die welches Organ innerhalb des Reichs die festzustellen habe, sei eine staatsrechtliche, deutschen Verfassung und Gesetzgebung zu Diese Entscheidung könne dahin ausfallen,

Frage,

diese Beziehungen werden. trages hin, wie derselbe dem Haufe vorläge. Antrag gefaßt sei, beziehe derselbe si 1— auf österreichischem Boden; auch dort würde eine als durch Gesetz, habe im Reichstage

Es sei Bezu

33, 34 und 40 sichtlich derjenigen Frage, auf welchem Wege die; stellung Hamburgs und Bremens beseitigt werden könne,

mäßige Abgrenzung

esetztesten sich um einen Artikel handele,

daß die Auffassung selbst bis in die juristis⸗

des Hamburgischen Feripafen genle schwebten. halte er es für wüns eenswerth, diese ganze einer 1 Prüfung zu unterziehen. Elbschiffahrtsakte in diesem oder im zu Stande kommen würde, liches Interesse tangirt. Wenn man also bei

der

Zollgrenze die nach der entscheiden sei.

daß der Bundes⸗

rath die Grenze allein feststellen könne; aber auch dahin, daß die Mitwirkung des Reichstages dazu nothwendig sei; in alle werde der fremde Staat hineingezogen

Er weise aber auch auf die Unkorrektheit des An⸗

So wie der

auf das Fehe auch erlegung

der Zollgrenze an die untere Elbe nicht anders erfolgen können, allerdings durch ein österreichisches. Man in den Verhandlungen vom Sonnabend und von heute gehört, daß im Großen und Ganzen viel weniger von der Elbschiffahrtsakte und den einzelnen Bestim⸗ mungen dieses Vertrages, als von der besonderen Stellung amburgs und den Freihafeninteressen die Rede gewesen sei.

genommen worden auf die Wiener Kongreßakte, auf die Schiffahrtsakte von 1821, namentlich seien die Artikel vielfach interpretirt worden, sowohl hin⸗ reihafen⸗

als auch auf welchem Wege und durch welche Organe die zweck⸗ der Bezirke vorzunehmen sei. Darüber sei von den einzelnen Rednern meistens mit größter Bestimmt⸗ eit ein gewisses Urtheil gefällt worden, und von den er⸗

söhene Pebücten dieses Hauses habe man die entgegen⸗ ehauptungen gehört. Hieraus sehe man, daß es

der nicht so einfach sei, wie es

der Kommission in der neuen Berathung erschienen sei, und en Kreise hinein

wesentlich durch den Eindruck der Verhandlungen beeinflußt worden sei, die im Augenblicke über eine andere Abgrenzung Hiernach

rage

Ob die revidirte nächsten Jahre

dadurch werde kein wesent⸗

einzelnen

Punkten dieser Frage so verschiedene Auffassungen sehe, so

ßische ⸗Anzeiger.

trag zu stellen, die Vorlage zu einer schriftlichen Berichterstat⸗ tung an die Kommission zurückzuverweisen. Sollte das Haus dem nicht zustimmen, so müsse er sich allerdings „— er⸗ klären, daß es vesig und unzweckmäßig sei, einen Vorbehalt beizufügen.

kanzler bereits angeführt habe und welche sich dafür aus esprochen

olchen ußer den Autoritäten, die der Reichs⸗

ätten, daß über die natürliche Begrenzung des Freihafe ezirks dem Bundesrath allein die Entscheidung zustehe, könne

er hier noch auf eine andere Autorität hinweisen, nämlich

und das werde dem Abg. Virchow auffallend sein auf die des Abg. Dr. Staatsrecht die ganze ledigltch

ohne Der Abg. Hänel sehe dies nur als eine Vollzugsmaßregel des im Artikel 33 ausgesprochenen Prinzips an. Wenn diese weifelhaft seien, so könne unmöglich die Beschluß assun rechtli

änel, welcher in seinem Studium zum deutschen sich dahin ausgesprochen habe, daß sogar Freihafenstellung Hamburgs und Bremens durch einen Beschluß des Mitwirkung des Reichstags beseitigt werden könne

des Reichstags dazu benutzt werden, um diese staats en Verhältnisse zwischen dem Reichstag und dem Bu desrath klar zu stellen und dem Reichstage ein Recht zu ver⸗ schaffen, das demselben von Seiten der Regierungen bestritten werden könne. Der Abg. von Kardorff habe hervorgehoben, daß in Hamburg ein besonders starker Partikularismus hervorgetre⸗ ten sei und sich auf den Abg. Dr. Wolffson berufen. Man könne es aber doch einem Vertreter Hamburgs nicht verdenken, daß derselbe sowohl seinen Rechtsstandpunkt, wie die Hambur⸗ ger Lokalinteressen hier geltend mache, und der Abg. Wolffson habe dies in durchaus objektiver und sachlicher Weise gethan. In Hamburg möge ja Partikularismus stecken, abes es sei nicht der Partikularismus, welcher dem Reiche gefährlich sei. Die Hamburger könnten sich nicht mit den Interessen des Deutschen Reichs in Widerspruch setzen trotz Artikel 34. Wenn im übrigen Deutschland die Meinung dahin ginge, daß ihre Stellung nicht mehr verträglich wäre mit anderen bedeutenden nteressen des Landes, dann müßte das dahin führen, daß mburg und Bremen diesen Antrag freiwillig stellen müßten. ie kleinen Staaten in Deutschland seien so wenig stark, daß sie den wohlbegründeten nachhaltig erkannten Interessen, wie sie die Mehrheit des Bundesraths und des Reichstags auffasse, ernsthaft und mit Erfolg nicht widerstreben könnten. Er wünsche, daß bei der weiteren Behandlung dieser Frage der größte Staat Deutschlands nur moralischen Druck durch das Gewicht der Gründe ausübe, daß derselbe aber nicht Gebrauch mache von der übermächtigen Stellung, welche ihn geeignet mache, die kleineren Staaten so zu vergewaltigen, so daß der Ent⸗ schluß Hamburgs, die Freihafenstellung aufzugeben, kein ganz steirzigig mehr wäre. In so fern müsse man dem Reichs⸗ kanzler Recht geben, daß die partikularistische Bewegung in Deutschland namentlich in den letzten Jahren stärker geworden sei. Die nationalliberale Partei, die vor allem die nationale dee und deren Fortbildung auf verfassungsmäßigen födera⸗ tiven Grundlagen vertrete, könne dem Reichskanzler nur dank⸗ bar sein, wenn derselbe mit solcher Entschiedenheit den nationalen Gedanken hochgehalten und erklärt habe, daß mit seiner Zustimmung die partikularistische Strömung niemals an Umfang gewinnen solle. Der Abg. Virchow gehöre ja der Partei an, welche die Reichsverfassung, die norddeutsche Bundesverfassung nicht genehmigt habe. Auf die Gründe dafür wolle er nicht eingehen. Die Fortschrittspartei habe auch nachher fast alle die maßgebenden organischen Gesetze nicht mitbeschlossen, welche seit 1867 durch die Mehrheit des Reichs⸗ tags und Bundesraths zu Stande gekommen seien. In einer so abfälligen Weise aber über denjenigen zu urtheilen, welcher vorzugsweise das Reich begründet habe, über diejenigen Mehr⸗ heiten, die an der Fortbildun des Reichs treu gearbeitet hätten, könne er dem Abg. Virchow nicht einräumen. Wenn man in Deutschland von Olmütz und der elenden Zerrissen⸗ heit während des Bundestags vollständig erlöst sei, so sei das ein unvergängliches, historisches Verdienst wesentlich des Reichs⸗ kanzlers, ein Verdienst, das demselben niemals von seinen Freunden werde geschmälert werden, wenn seine Partei auch in letzter Zeit über unwesentliche Gegenstände Differenzen mit dem Reichskanzler gehabt habe. Wo wäre man in Deutschland geblieben, wenn weiter auf dem Wege der Agitation und der Beschlüsse die deutsche Einheit hätte gesördert werden sollen! Der Abg. Virchow und seine Freunde hätten zwar mit ihm zur deutschen Einheit im Nationalverein eifrig und thätig gewirkt. Dies sei aber nur eine Vorbereitung und Auf⸗ rechterhaltung des nationalen Gedankens gewesen, ein Warten auf den Moment, wo dieser Gedanke zum Durchbruch zu brin⸗ gen sein würde. Nun wäre es möglich ee ähnlich wie 1848 die Nation durch allgemeine Volkserhebung zu ihrer Einheit und parlamentarischen Verhältnissen zu führen, aber die Erfahrungen des Jahres 1848 in Bezug auf die mehr⸗ monatliche Berathung der Grundrechte, die der Abg. Virchow in der jetzigen Verfassung so sehr vermißt habe, in Bezug auf die Uneinigkeit, in Bezug auf den traurigen Ausgang der anzen Beschlußfaffun in Frankfurt, auf den großen Gegen⸗ fat zwischen Norddeutschland und Süddeutschland hätten es doch als wahres Heil Deutschlands erscheinen lassen, daß ein anderer Weg betreten sei, daß ein König und ein Minister sich gefunden hätten, um die Existenz des ganzen preußischen Staates an den Ceset Einheitsgedanken zu setzen. Daß der betretene Weg ein glücklicher gewesen, das sehe man daraus, daß in der kurzen Spanne Zeit von 1867 bis 1871 ein deutscher Staat entstanden sei, und daß in der Zeit von 1871 bis 1880 auf den weitesten Gebieten in der Justiz und Verwal⸗ tung es möglich geworden sei, große Organisationen, weit⸗ greifende Gesetzgebungen zu schaffen, daß nicht blos in mate⸗ riellen, sondern auch in idealen Dingen dem deutschen Volke das Gefühl der Einheit und die Verwirklichung der Einheit wiedergebracht worden sei. Die in der letzten Zeit eingetretene Stockung in diesem stetigen Gange der Reichsentwickelung be⸗ dauere er allerdings. Man sei jetzt kaum in der Mitte Mai, die Berathungen des Reichstages hätten sich indeß in anderen en häufig viel weiter hinausgeschoben. Auch der Grund der Sitzungen des preußischen Abgeordnetenhauses sei nicht genü⸗

wenn derselbe sich f

gefragt sein solle, ob es nicht an der Zeit wäre, die Freihafenstellung der Stadt Hamburg jetzt aufhören zu lassen, in Verbindung mit

ür die Vertagung der Entscheidun Frage entscheide. Er erlaube sich

glaube er, daß ein großer Theil seiner Freunde Recht habe, sel dieser

daher den prinzipa en An⸗

gend, um die Berathungen im Reichstage abzubrechen; denn in Preußen sei man es gewohnt, auch die erheblichsten eigenen