— (Stat. Corr.) Die italienische Seidenproduktion, die größte aller europäischen Länder, hat in Folge der Seidenraupen⸗ Krankheit ebenso wie in Frankreich, Spanien, im Orient, in Ben⸗ galer, China und Japan beträchtlich abgenommen. Das italienische Tirol inbegriffen, betrugen nach italienischen Schätzungen die Roh⸗ seidenerträge Italiens
1865. 1 762 000 kg 1866 1 800 000 1867 2 000 000 1868 1 900 000 1869 2 180 000
1873 .. . 2 960 000 kg 1874 3 430 000 1875 3 073 000 1876 1 010 000 — 1877 1 853 400 1870 3 180 000 1878 2 500 000 1871 3 473 000 1879 1 200 000 e“ 1872. . 3 125 000
Eine gröfere Rohseidenproduktion als Italien weist allein China
. Von den auf den europäischen Märkten in Betracht kommenden Marken ist die italienische Seide die beste. Die italienischen Arbeiter, namentlich die sehr zahlreichen in der Seidenindustrie thätigen Arbei⸗ terinnen, sind so geschickt und gewandt in der Behandlung der Roh⸗ seide und verrichten ihre Arbeit für so geringen Lohn — ungefähr die Hälfte des in Frankreich gezahlten —, daß die italienische Roh⸗ seidenproduktion die europäische Konkurrenz in keiner Weise zu fürchten hat. Gefährlicher vermag ihr, in Folge der günstigeren klima⸗
ischen Verhältnisse, der niedrigen Bodenpreise und des ge⸗ ingen Arbeitslohnes, die Konkurrenz der asiatischen Produktions⸗ länder zu werden. Nach 1879er Berichten aus Japan belaufen sich die dortigen Produktionskosten für 1 kg Kokons auf 1,50 — 2,75 Frs. Die Transportkosten betragen für den metrischen Centner von Japan nach Venedig, Marseille oder London ca. 9 Doll., nach Malland, Trrin und Lyvon 9,60 Doll. Je mehr daher namentlich die franzö⸗ sischen Seidenweber die direkten Verbindungen mit den asiatischen Produktionsländern fördern, um so größere Gefahr entsteht den feinen italienischen Rohseiden, deren Produktion ohnehin bereits durch die Raupenkrankheit in sehr empfindlicher Weise gelitten hat.
Von welcher hervorragenden Bedeutung die italienische Seiden⸗ industrie auch für die landwirthschaftlichen Interessen ist, erhellt aus der großen Zahl der Gemeinden, in welchen Raupenzucht getrie⸗ ben wird, deren Ernte⸗Ertrag für die wirthschaftliche Lage der be⸗ treffenden Bevölkerung sehr häufig bestimmend ist. Rohseide wurde in 5300 Gemeinden produzirt, von welchen im Jahre 1877 4409 eine geringe, 619 eine mittlere, 192 eine genögende und 80 Gemein⸗ den eine reiche Ernte erzielten. Die von diesen Gemeinden mit Maulbeerbäumen bepflanzte Fläche besäuft sich auf Hunderttausende von Hektaren, während die in Frankreich mit Maulbeerbäumen be⸗ standene Fläche nur ca. 50 (00 ha beträgt.
Der Ausbreitung der Rohseidenproduktion, welche von den land⸗ wirthschaftlichen Produktionsbedingungen abhängig ist, kann die Aus⸗ breitung der Spinnerei innerhalb der einzelnen Produktionsgebiete nicht entsprechen, weil dieselbe im Interesse einer wohlfeileren Pro⸗ duktion zu einer größeren Konzentration gezwungen ist. Wie die meisten Industriezweige Italiens, so ist auch die Seidenspinnerei in der Lombardei, Piemont und Venetien vorzugsweise konzentrirt. Es wurden gezählt:
1““ in der Seidenspinnerei beschäftigte Arbeiter: Spindeln
Männer Weiber Kinder Summe 1 270 1188 21 10 867 357 038 4 016 21 814 33 051 58 881 1 637 961 172 1 865 445 2 482 54 067 185 1 502 435 2 122 34 102 5 643 32 364 36 345 74 352 2 083 168.
In der Lombordei entfallen 452, in Piemont 117, in Venetien 19, in Ligurien 14 Spindeln auf 1000 Einwohner. Verglichen mit der Spindelzahl der anderen in Betracht kommenden europäischen Länder ergiebt sich, daß die italienische Seidenspinnerei die weitaus bedeutendste ist. Die englische zählte 1875 1114 703 (einschließ⸗
Eb
„ der Lombardei
„ Venetien
im sonstigen Italien
lich der Floretspinnerei), die französische 241 314 Spindeln; in d 1 ber
Oesterreich wurden 90000, in Deutschl 89 796 Seidenspindeln gezählt. 88
Kunst, Wissenschaft und Literatur. —
Der Monatsbericht der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin für Februar 1880 (Berlin, Buchdruckerei der Königl. Akadewie der Wissenschaften. (G. Vogt.) — In Kommission in Ferd. Dümmlers Verlagsbuch⸗ handlung. Harrwitz und Goßmann) hat folgenden Inhalt: Kronecker, Ueber die Irreductibilität von Gleichungen. — Peters, Ueber eine neue Art der Nagergattung Anomalurus von Zanzibar. — Oppolzer, Th. von, Ueber die Sonnenfinsterniß des Schuking. — Bernstein, Ueber den zeitlichen Verlauf der elektrotonischen Ströme des Nerven. — Vogel, H. W., Ueber die neuen Wasserstofflinien, die Spektra der weißen Fixsterne und die Dissociation des Kalciums. — Quincke, Ueber elektrische Ausdehnung. — Hildebrandt, Die Berginsel Nosi⸗ Kömba und das Flußgebiet des Semberäno auf Madagascar. — Peters, Mittheilung über neue oder weniger bekannte Amphibien des Berliner Zoclogischen Museums. — Rammelsberg, Ueber molekulare Erscheinungen am Zinn und Zink.
„— Italienische Majolicafliesen aus dem Ende des fünfzehnten und dem Anfang des sechszehnten Jahrhunderts, nach Original⸗Aufnahmen herausgegeben von M. Meure r, Maler und Lehrer am Kunstgewerbe⸗Museum zu Berlin. Berlin, 1880, Verlag von Ernst Wasmuth. Lieferung 1.
Unter den Erzeugnissen dekorativer Kunst der italienischen Re⸗ naissance haben neben den hochgeschätzten Majoliken die ihnen in Technik und Färbung nahestehenden glasirten Fliesen für Fußböden und Wandbekleidungen bisher eine verhältnißmäßig nur geringe Be⸗ achtung gefunden, was um so ütfadice erscheint, als gerade die
Fabrikation und Verwendung farbiger Fliesen seit einiger Zeit wieder lebhaft in Aufnahme gekommen ist. Mit vollem Recht wandte daher Moritz Meurer, der Leiter der beiden in den Jahren 1875 und 1877 mit Unterstützung der Königlichen Staatsregierung von dem Kunstgewerbe⸗Museum zu Berlin veranstalteten Expeditionen zur Aufnahme italienischer Innendekorationen, jenem Gebiet eine ein⸗ hehndere⸗ Aufmerksamkeit zu, und so konnte er auf den beiden reich⸗ altigen Ausstellungen, die dem Verliner Publikum damals die ge⸗ sammte, seitdem theils in den Besitz des Kunstgewerbe⸗Museums, theils in den der Königlichen Kunstakademie übergegangene Ausbeute jener Expeditionen vorführten, neben den umfangreicheren und im⸗ posanteren Kopien großer Wand⸗ und Deckendekorationen auch eine ansehnliche Sammlung der verschiedensten Fliesenmuster in getreuen Nachbildungen darbieten, die sehr bald den Wunsch nach einer Publi⸗ kation derselben rege machen mußten. Das soeben unter vorstehendem Titel begonnene, auf drei Lieferungen von je acht Blatt berechnete Werk, dem zum Schluß ein orientirender Text des Herausgebers bei⸗ Pfügt werden soll, bringt diesen Gedanken nunmehr in würdigster
eise zur Aussührung und bereichert unsere kunstgewerbliche Litera⸗ tur um eine Erscheinung, die für den Kunsthistoriker sowie für den Sammler und Liebhaber nicht minder interessant und beachtenswerth ist als für den praktisch thätigen Zeichner und Fabrikanten, dem sie ein reiches Material anregender ornamentaler Motive übermittelt. Schon der Inhalt der vorliegenden ersten Lieferung, die im Ganzen 19 aus Siena, Bologna und Venedig stammende Fliesen in der Größe der Originale — darunter auf einer Doppeltafel ein größeres zusammenhängendes Stück eines Fußbodenbelags aus San Seba⸗ stiano zu Venedig — reproduzirt, gewährt ein anschauliches Bild der in Kompositien und Farbe gleich charakteristischen Haltung jener Fliesen der besten Zeit, deren Muster sich unter geschickter Einflech⸗ tung von Wappen und Inschriften aus denselben antikisirenden Ara⸗ besken, Masken, Thiergestalten, Trophäen und stilisirten Blumen
zusammensetzen, die uns überall in der italienischen Dekoration dieser Periode entgegentreten, aber auch hier, wie an jeder anderen Stelle, die der künstlerischen Rücksicht auf die spezielle Bestimmung der so
ornamentirten Stücke entsprechende Behandlung finden. Unter Be⸗
schränkung auf eine geringe Anzahl von Tönen, unter denen neben Weiß, Gelb, Grün und Gelbbraun ein lichteres und ein tieferes, mehr
ins Violette fallendes Blau dominiren, erzielen sie dabei eine wohlthuend diskrete und ruhige, jedoch keineswegs einer kräftigeren Energie entbehrende koloristische Wirkung, die in den trefflichen, in dem lithographischen Institut von Wilhelm Greve in Berlin ausge⸗ führten Farbendrucken die befriedigendste Wiedergabe gefunden hat. Ein sorgsames Studium dieser Tafeln ist deshalb neben dem der wesentlich anders gearteten, malerisch prächtigeren und effektvolleren orientalischen Erzeugnisse nicht blos in erster Linie den Fabrikanten moderner Fliesen, sondern ebenso auch allen denen dringend zu empfehlen, die es mit der Majolikamalerei oder irgend einem ande⸗ ren Gebiet moderner keramischer Produktion zu thun haben.
— Das Aufgebotsverfahren nach der Civilprozeß⸗ Ordnung in seiner Anwendung auf den bisherigen Geltungsbereich der Allgemeinen Gerichtsordnung, vom Stadtgerichts⸗Rath z. D. Heinrich Fürst. Verlag von Wilhelm Koebner. Breslau, 1880.
reis 1 ℳ — Die in dieser Broschüre behandelte Materie ge⸗ ört in die Reihe derjenigen Rechtsfragen, bei denen eine Abgrenzung zwischen Land⸗ und Reichsrecht schwierig erscheint. Der rechtskundige Verfasser hat nicht allein die allgemeine Seite des Aufgebotsver⸗ fahrens, sondern auch die besonderen Urkundenaufgebote klar und ge⸗ meinverständlich behandelt. Auch andere als Urkundenaufgebote, wie die eines verschollenen oder erblosen Nachlasser, gerichtliche Erbbe⸗ scheinigungen, Fundaufgebote, sowie die Aufgebote unbekannter Agnaten, der Gläubiger einer Handlung und eines Verschwenders sind ausreichend behandelt. “ ““
Land⸗ und Forstwirthschaft.
„(Wien. Ztg.) In den Saazer und Aschauer Hopfen⸗ Füür ten ist der Stand der Pflanze der günstigste; 1879 er Hopfen ehr flau.
— (Pest. L.) Die Ernteaussichten in Italien sind fast durchwegs ausgezeichnet, und sieht man rücksichtlich aller Kulturen vorzügliche Ernteergebnisse voraus, wobei nicht einmal der Weinbau ausgeschlossen ist, dem in gewissen Provinzen durch Hagelschläge und unmäßiges Regenwetter allerdings sehr empfindlicher, aber eben nur lokaler Schaden zugefügt wurde, so daß, wenn nicht verheerende Fröste im Pberitalienischen partiell viele Weinberge betroffen hätten, in wenigen der früheren Jahre eine so gute Weinlese vorauszu⸗
sehen war. Gewerbe und Handel.⸗
Berliner Wollmarkt, 18. Juni, Abends 6 Uhr. Das Geschäft auf den Lägern war von geringer Bedeutung. Es ist be⸗ zeichnend, daß auf einzelnen Mittellägern kaum der fünfte Theil wie im Vorjahre um dieselbe Zeit verkauft worden ist. Die heutigen Gesammtabschlüsse taxiren wir auf gegen 4000 Ctr. guter Qualität und befriedigender Wäsche; geringere Sachen fast gar nicht begeben. Hauptkäufer waren Kammgarnspinner von Süddeutschland und der Schweiz, die schätzungsweise 3000 Ctr. hinter⸗ und vorpommersche Wollen zum Preise von 58 bis um 60 Thlr. erworben haben mögen. Eine Breslauer Spinnerei acquirirte 800 Ctr. besagter Gattungen und bezahlte solche mit, 58 — 59 ½ Thlr. ⁄ von dem heute verkauften Quantum dürfte bis um 60, ⁄ etwas unter 60 Thaler erzielt haben. Ausnahmsweis gute Stämme brachten vereinzelt bis 62 Thaler. Es ist die Ansicht erbreitet, daß bei etwas niedrigen Preisen die Händler stark in das Geschäft eingreifen und sich die Wollen auf Spekulation hinlegen werden. Der offizielle Wollmarkt beginnt erst morgen. Es waren viele Fabrikanten orientirungshalber auf dem Wollmarkt an⸗ wesend. An Käufern scheint es überhaupt nicht zu fehlen. Die heute Nachmittag abgehaltene Kapwollauktion war selten stark be⸗ sucht; 2 Drittel, vielleicht auch das Ganze des ausgebotenen Quan⸗ tums von 1900 Ballen soll zu Preisen verkauft sein, die ungefähr analog den Schlußnotirungen der letzten Londoner Wollauktion, viel⸗ leicht ein Weniges höher waren. — Auf dem Wollmarkt sind 24 300 Ctr. angemeldet. Die Gesammtzufuhr auf den Wollmarkt dürfte nur wenig über 25 000 Ctr., gegen 30 800 Ctr. im Vorjahre,
betragen. Landzufuhren treffen fortwährend ein. Gesammtlager 78 880 Ctr.
„-— 19. Juni, Mittags. Die Gesammtzufuhr an den Wollmarkt inkl. der Stadtläger und alten Bestände betrug 78 880 Ctr. Hierzu sind noch einige fausend Centner, im Verlauf des gestrigen Abends und heutigen Vormittags eingetroffen, hinzuzunehmen. Auf dem Wollmarkte sind angefahren 25 833 Ctr., in der Stadt lagern circa 53 047 Ctr., wozu die eben erwähnten neuen Zufuhren noch hinzu⸗ treten. Die Gesammtzufuhr beträgt ca. 27 000 Ctr. weniger als im Vorjahre. Das heute um 5 Uhr morgens beginnende eigentliche Wollmarktsgeschäft vollzog sich bis gegen ½9 Uhr ungemein träge und stagnirte bis zu dieser Zeit fast vollständig, da Inhaber für gute Wollen 3 bis 4 Thlr. mehr als im Vorjahre forderten, und diesen Preisen gegenüber sich die ziemlich zahlreich versammelten Käufer entschieden ablehnend verhielten. Nach dieser Zeit zeigten sich in erster Linie Produzenten zur Ermäßigung ihrer Forderungen bereit, während die Händler im Vergleich zu diesen weniger ankaufswillfährig waren. Das Geschäft gelangte nunmehr etwas in Fluß, behielt aber entschieden schwerfälligen Charakter bei. Bis gegen 1 Uhr mag gut die Hälfte des Woll⸗ marktquantums zu nachstehenden, sich meist auf Basis der vor⸗ jährigen Notirungen bewegenden Preisen begeben sein: feine Tuch⸗ wolle 60 bis 61 Thlr., ganz vereinzelt bis 63 Thlr., Kammwollen 57 bis 59, vereinzelt bis 61 Thlr., Mittelwollen 53 bis 55, ver⸗ einzelt bis 56 Thlr., Rustikalwollen 45 bis 48, vereinzelt bis 50 Thlr., ungewaschene Wollen 19 bis 21 Thlr. Diese Preise setzten gute Wäschen voraus, die im Wollmarkte vorwiegend anzu⸗ treffen waren, während man bezüglich der Trockenheit, da die meisten Wollen mehr oder weniger große Klammheit zeigten, nicht so prekär war. Auf den Stadtlägern bildete sich gleichfalls ruhige Stim⸗ mung heraus. Käufer wollten durchaus ungefähr zu vorjährigen Preisen ankommen, Verkäufer aber zu denselben zeitweise nicht ab⸗ geben. Schließlich verstanden sie sich doch dazu, so daß die Umsätze sich schlanker anbahnen konnten. Die gezahlten Preise sind so ziem⸗ im eigentlichen Wollmarkte analog. Wäschen sind sehr ungleich.
—. Die neucsten Nummern, 21 bis 24, von „Kunst und Ge⸗ werbe“, Wochenschrift zur Förderung deutscher Kunst⸗ industrie, herausgegeben vom bayerischen Gewerbemuseum 2 u her bert., redigirt von Dr. Otto von Schorn, haben folgenden
nhalt:
Nr. 21: Die Wissenschaft im Gewerbe (Fortsetzung). — Mün⸗ chen. Der Sitzungssaal im neuen Rathhause. — Berlin. Die an⸗ thropologische Ausstellung. — Pforzheim. Die Kunstgewerbeschule. — Wien. Ausstellung der Kunstgewerbeschule. — Für die Werk⸗ statt: Schwarze Beize für Holz. Neues autographisches Drackver⸗ fahren. — Aus dem Buchhandel: Renaissance⸗Möbel im Charakter des 15. und 16. Jahrhunderts. Von Dominik Avanzo. — Kleine Nachrichten: Preisau schreiben. Beethoven⸗Denkmal in Wien. Die Tiroler Glasmalerei⸗Anstalt. Fund. Washington⸗Denkmal. Cellu⸗ loid. — Erklärung zur Beilage: Entwurf einer Wand⸗Etagdre.
Nr. 22: Die Wissenschaft im Gewerbe. (Fortsetzung.) — Dresden. Preisausschreiben. — Dresden. Etat der Kunst⸗ und Kunstgewerbe⸗Anstalten im Königreich Sachsen im Jahre 1879. — Berlin. Ausstellung des Kunstgewerbemuseums und der Bau⸗ ausstellung. — St. Petersburg. Ausstellungen. — Melbourne: Ausstellung. — Für die Werkstatt: Neues Verfahren zur Befeftigung von Glas oder Email auf Metall. Elektrischer Schmelzofen. Arizona Schellack. — Aus dem Buchhandel: Die Fabrikation der Emaille und das Emailliren. Von P. Randau. — Kleine Nach⸗ richten: Patentverzeichniß. Häuser aus Baumwolle. — Erklärung zur Beilage: Zwei in Holz geschnitzte Füllnngen aus dem 16. Jahrhundert.
Nr. 23: Die Wissenschaft im Gewerbe (Schluß). — Nürnberg. Das Dürer⸗Haus. — Gmünd. Generalversammlung des Gewerbe⸗ museums. — Berlin. Internationale Fachausstellungen. — Düssel⸗
Gablonz. Fachschule für Quincaillerie. — Für die Werkstatt: Papier aus Gras. — Aus dem Buchhandel: Trachten ꝛc. alter und neuer Zeit. Von Fried. Hottenroth. — Kleine Nachrichten: Grübel⸗Denk⸗ mal in Nürnberg. Ausstellung. Fabrikation von künstlichem Holz. Provinzialausstellung in Bromberg. Ausstellung türkischer Industrie⸗ Erzeugnisse und Antiquitäten. Postkarten. — Zeitschriften. — Er⸗ klärung zur Beilage: Persische Fayence⸗Teller.
Nr. 24: Die Humannfeier und die Pergamenischen Skulpturen in Berlin. Von Dr. R. Steche — Nürnberg. Aus der Perma⸗ nenten Ausstellung des bayerischen Gewerbemuseums. — Berlin. Preisbewerbung für kunstgewerblicke Arbeiten 1880. — Florenz. Aus der Handzeichnungssammlung der K. Gallerie der Uffizien zu Florenz. — Für die Werkstatt: Ueber die Hervorbringung schöner goldgelber Farbe mit Hochglanz oder mattem Schimmer bei Messing⸗ waaren. — Kleine Nachrichten: Jamnitzers Tafelaufsatz. Paul Börner (†). Cölner Dom. — Zeitschriften. — Erklärung zur Bei⸗ lage: Entwurf eines Lesepults.
Die „Mittheilungen des bayerischen Gewerbe⸗ museums“ enthalten: Nr. 11: Wittelsbacher Landesstiftung. — Feuilleton: Cedernholzbeize. — Vorträge im Museum. — Ausstellung in Melbourne 1883. — Neues in der Permanenten Ausstellung. — Vermehrung der Sammlungen. — Notiz. — Anzeigen.
Nr. 12: Landesausschußsitzung und Generalversammlung des Museums. — Der fünfte Verbandstag bayerischer Gewerbevereine. — Ausstellung in Melbourne.
— In der gestrigen Generalversammlung der Berlin⸗Pots⸗ dam⸗Magdeburger Eisenbahn waren 1609 Stimmen ver⸗ treten. Der erstattete Geschäftsbericht gab zu einer Diskussion keine
Veranlassung.
— (Magdebg. Ztg.) Dem Fabrikanten Hrn. Gustav Schallehn in Magdeburg ist für sein Dr. H. Zerenersches Mittel und Verfah⸗ ren gegen den Hausschwamm, genannt Antimerulion, deutsches Reichspatent Nr. 378, von der Bauabtheilung der Magdeburger landwirthschaftlichen Ausstellung das Diplom „Ehrende Anerkennung“ zuerkannt worden.
Königsberg i. Pr., 19. Juni, Vormittags 10 Uhr 10 Mi⸗ nuten. (W. T. B.) Der Wollmarkt war belebt, Käufer waren zahlreich erschienen. Bis heute sind ca. 10 000 Ctr. angefahren, die meist zu vorjährigen Durchschnittspreisen verkauft wurden; beste Wollenwäschen 1 bis 2 Thlr. darüber. Die Wäschen sind größten⸗ theils befriedigend ausgefallen.
Stralsund, 16. Juni. Auf den am 9 und 10. Juni d. Is. hierselbst abgehaltenen Wollmarkt sind 5048 Ctr. Wolle gebracht worden, von denen 4950 Ctr. verkauft wurden. Der Durchschnitts⸗ preis war 167 ℳ, der höchste Preis 180 ℳ, der niedrigste 153 ℳ Das Schurgewicht war 5 % niedriger als im Jahre 1879.
Wien, 17. Juni. (Pr.) Der ungarische Finanz⸗Minister suchte bei dem österreichischen Finanz⸗Minitter um die Kotirung der ungarischen Investitions⸗Anleihe an.
Prag, 19. Juni. (W. T. B.) Die hiesigen Stadtver⸗ ordneten haben die Offerte, welche die Kreditanstalt auf die Kon⸗ vertirungs⸗ und Brückenanleihen machte, abgelehnt und be⸗ schlossen, eine neue Offertausschreibung zu erlassen.
Verkehrs⸗Anstalten.
Belgrad, 17. Juni. Die Offert⸗Ausschreibung für die ser⸗ bischen Bahnen erfolgt in den nächsten Tagen. Im August wird die Skupschtina nach Krazujewatz einberufen werden, um in der Konzessionsfrage zu entscheiden.
New⸗York, 18. Juni. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Main“ ist hier eingetroffen.
Berlin, 19. Juni 1880.
Nach einem soeben hier eingetroffenen Telegramme aus Hamburg ist der deutsche Dampfer „Europa“, welcher den größten Theil der für Melbourne bestimmten Ausstel⸗ lungsgegenstände an Bord hat, am Donnerstage, nach einer Reise von 11 ½ Tagen, von Hamburg ab auf St. Vin⸗ cent (einer der Inseln des Grünen Vorgebirges, 22 Grad westl. Länge von Greenwich, 15 Grad nördl. Breite) ange⸗ kommen. Das zweite Schiff „Protos“, mit dem Rest der Ausstellungsgüter, ist heute Morgen von Hamburg abge⸗ gangen.
Aufruf!
Am 14. Juni hat das Hochwasser im südwestlichen Theile des Laubaner Kreises furchtbare Verwüstungen angerichtet, Jammer und Noth hervorgerufen. Mehr denn 50 Menschen haben in den Fluthen ihren Tod gefunden, etwa 150 Gebäude sind entweder total ver⸗ nichtet oder doch zum größten Theile beschädigt, viel Vieh und Mo⸗ biliar ist weggeschwemmt, ganze Straßenzüge sind fortgerissen und bilden jetzt den Lauf der Bäche, welche ihr altes verschwemmtes und zerstörtes Bett verlassen haben. Dabei trifft der Schaden in den meisten Fällen gerade die ärmsten Leute, welche mit ihren an den Bachrändern gelegenen Häuschen ihr gesammtes Hab und Gut ver⸗ loren. Am schwersten betroffen sind die Ortschaften Küpper, Berna, Bellmannsdorf, Halbendorf, Seidenberg, Linda, Heidersdorf und Gerlachsheim. Brüder helft und sendet möglichst reichliche Beiträge an die Kreiskommunalkasse in Lauban ein, von wo aus die Gaben ” dem Grade der Noth und des Bedürfnisses werden vertheilt werden.
Böhme, Amtsvorsteher, Gerlachsheim; Burghardt, Handels⸗ kammer⸗Präsident und Abgeordneter, Lauban; Jaques, Ritterguts⸗ besitzer, Ober⸗Linda; Kutzner, Amtsvorsteher, Bellmannsdorf; Lind⸗ ner, Oberpfarrer, Nieder⸗Linda; Lorenz, Lieut., Gerlachsheim; Graf zur Lippe, Küpper; Mende, Oberpfarrer, Seidenberg; Mewes, Bür⸗ germeister, Seidenberg; Neithardt, Pastor, Bellmannsdorf; von Saldern, Landrath, Lauban; Trebitz, Pastor, Küpper; Br. Weinert, Kaufmann, Lauban; v. Zastrow, Kreisdeputirter, Hartmannsdorf; v. Zastrow, Landesältester, Heidersdorf.
Dem „P. Lloyd“ wird aus Triest geschrieben: „Am 7. d. M. Abends um 8 Uhr, wurde der äußere Theil eines Fensters des Lloyd⸗Agentie⸗Gebäudes durch frevlerische Hand unterminirt und die Mine auch entzündet. Die Explosion war eine so heftige, daß sie von der ganzen Stadt gefühlt wurde. Der Lloyd⸗Agent, welcher gerade in Gesellschaft seiner Frau und eines Beamten seinen Verpflichtungen oblag, wurde im Gesichte ziemlich schwer verletzt, doch hat er setne Beschäftigung bereits wieder aufgenommen. Die anderen beiden anwesenden Personen blieben mit Ausnahme kleiner Abschürfungen unverletzt. Die Kraft des Explosionsstoffes war so stark, daß das gesammte Fensterholz in kleine Trümmer ging, das Eisenwerk desselben in kleine Stücke zerbrochen und Alles mehr als drei Meter weit in das Zimmer geschleudert wurde. Die Fenster des ganzen Gebäudes gingen selbstverständlich nur zersplittert aus dieser Katastrophe hervor.
Im Germania⸗Theater hat Wilhelm Marrs Lustspiel „Cavalier und Emporkömmling“ vor gut besetztem Hause einen gün⸗ stigen Erfolg erzielt.
Redacteur: Riedel.
Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Fünf Beilagen
lin
dorf. Eröffnung der Gewerbe⸗, Industrie⸗ und Kunst⸗Ausstellung. —
(einschließlich Börsen Beilage)
Erste Beilage
Berlin, Sonnabend, den 19. Juni
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
— Aa.
—C——
Nichtamtliches.
Preußen. Berlin, 19. Juni. Im weiteren Verlaufe der gestrigen (78.) Sitzung setzte das Haus der Ab⸗ geordneten die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, be⸗ treffkerd Abänderungen der kirchenpolitischen Ge⸗ setze, fort. — Der Abg. Dr. Gneist bemerkte, die Mehrheit der Kommission sei geneigt gewesen den §. 1 der Regierungsvorlage anzunehmen, die ieder⸗ besetzung der jetzt erledigten Pfarrstellen nach Kräften zu erleichtern, die dafür nothwendigen Dispensationen gut zu heißen, für diesen Zweck auch die Neubesetzung oder Verwesung der Bischofsitze im §. 5 der Regierungsvorlage möglichst zu erleichtern. Es erhebe sich aber dagegen der ernste Zweifel, ob der Staat dies könne, ohne seinen Rechten etwas zu vergeben. Die preußische Staatsregierung wisse besser als jeder Andere, daß dieser sogenannte Nothstand von ihren Gegnern geschaffen sei. Nach einheitlichem Plan sei die Anzeigepflicht der preußischen Gesetzgebung zum Angriffspunkt gewählt, wo die Kirchengewalt ihr non possumus eingesetzt habe. Alsbald habe sich die Unmöglichkeit einer gesetzmäßigen Neubesetzung jeder Pfarrstelle und Hülfsstelle ergeben müssen. Alsbald sei dann der Staat genöthigt gewesen, mit Zwang und Strafen gegen Geistliche einzuschreiten, die ihr widergesetzlich übernommenes Amt zu üben begonnen hätten. Alsbald sei jener Zustand des Martyriums vorhanden gewesen, den die römische Kirche stets als eine vortheilhafte Position im Streit gegen die Staatsgewalt erprobt habe. Absetzung und Verbannung von Bischöfen, Verwaisung der Gemeinden, der Polizeibüttel im Kampf mit würdigen Geistlichen, die ihre heiligsten Berufs⸗ pflichten erfüllten, hätten dann das lebendige Bild der finsteren Macht gegeben, die auf die Zerstörung der katholischen Kirche im Bunde mit allen kirchenfeindlichen Mächten hin⸗ arbeite, und hätte man damit in Preußen den ganzen Apparat der Agitation in Bewegung ge⸗ setzt, den die ecclesia militans stets in irgend einem Theil der Welt im Gange habe, und dessen sie bedürfe, um ihre Weltherrschaft wieder zu erkämpfen. Könne der Staat einem solchen Gegner auch nur einen Schritt entgegen kommen, ohne den Schein zu erwecken, als ob derselbe sich schuldig fühle und reumüthig widerrufe? Wenn darüber eine Volks⸗ vertretung gefragt werde, so sei wohl keine entschlossener als die deutsche der Verleumdung zu antworten mit dem Trotz auf ihr gutes Recht und ihr gutes Gewissen, und Gott zu vertrauen, daß alle jene Künste, in denen jederzeit der Jesuitismus dem Protestantismus überlegen gewesen sei, doch wieder zu Schanden werden müßten. Im verstärkten Maße würden dies Gefühl des Rechts und des guten Gewissens die Rechtsverständigen theilen, welche im Stande seien, das Ge⸗ webe von Scheingründen und Trugschlüssen einigermaßen zu entwirren, wie man es gegen die preußische Kirchengesetz⸗ gebung zusammen geflochten habe. So berechtigt ein Gefühl der Art für jeden Einzelnen sein möge, so könne es dennoch nicht der Standpunkt der preußischen Staats⸗ regierung sein, welche die schwere Aufgabe erhalten habe, mit extremsten Richtungen von beiden Seiten, der ultramontanen und der lutherischen ihr Staatswesen in Ein⸗ klang zu halten. Eine solche Staatsregierung thue gewiß Recht mit Verleugnung jedes Gefühls unverdienter Verletzung sich lediglich an die sachlichen Gesichtspunkte zu halten, anzu⸗ erkennen, daß mehr als 1000 Pfarrgemeinden verwaist seien, daß Hunderttausende einer christlichen Lehre und Seelsorge entbehrten. Es sei nicht das erste Mal, daß die preußische Staatsregierung eine ernstere Fürsorge für die lehrende und seelsorgende Geistlichkeit gezeigt habe als deren kirchliche Obere. Sei ein Nothstand einmal da, so solle der Staat helfen, wie derselbe immer helfe, ohne nach der Schuld zu fragen, so lange der Nothstand da sei. Auf die Schuldfrage sei dann später zurückzukommen. Müsse der Staat die Thatsache an⸗ erkennen, daß das vorhandene Personal vollausgebildeter Geist⸗ lichen nicht ausreiche, um vielleicht auch nur die Hälfte der vorhandenen Lücken zu füllen, so werde die Regierung Recht thun, nicht auf eine vieljährige Periode hinzuweisen, in der ein neues Per⸗ sonal herangebildet werden solle, sondern durch Dispensation sogleich zu helfen. Das von dem objektiven Standpunkt des Staats aus Rechte werde aber auch vom politischen Stand⸗
unkt aus stets das Rathsame sein, wo es sich um Kirche und Religion handele. Die weitverbreitete Stimmung, daß man einem solchen Gegner niemals nachgeben, sondern darauf ver⸗ trauen müsse, daß Fabrhelt und Recht sich selber durchkämpf⸗ ten, möge in staatlichen berechtigt sein; in staatskirch⸗ lichen Kämpfen werde dies Vertrauen schwerlich in Erfüllung gehen. Kirchliche Streitfragen hätten für das deutsche Volks⸗ leben noch immer eine solche Bedeutung, daß man auch mit dem Vorurtheil und mit dem Schein als vorhandenen Mä . ten zu rechnen habe. Die Staatsregierung müsse damit rech⸗ nen, daß es einer systematisch geleiteten Agitation jederzeit leicht sei die berechtigtsten Ansprüche des Staats als kirchliche Verfolgung darzustellen. Die Regierung habe durch diese Vor⸗ lage vor Aller Augen den thatsächlichen Beweis geliefert, daß sie durchaus den Frieden haben wolle, sie komme entgegen, so weit es, ohne den Rechten des Staates etwas zu vergeben, irgend angänglich sei. Die Phrasen, welche in agitatorischer Weise in der Presse oft genug vorgebracht worden, daß es sich um weltbewegende Dinge handle, machten auf den denkenden Theil des Publikums keinen Eindruck mehr. Es werde der Kirche nichts Unwürdiges zugemuthet, es werde von ihr in keiner Weise zu viel verlangt. Es könne dem Staate nicht gleich⸗ gültig sein, ob alltäglich Tausende von geistlichen Herren und Hunderttausende von klerikalen Blättchen dem Volke predigten: der Staat verjage die Bischöfe, beraube die Gemeinden ihrer Geistlichkeit, bestrafe die amtstreuen Geistlichen, um die katho⸗ lische Kirche zu zerstören. Dem gegenüber habe es doch auch wohl eine politische Bedeutung, wenn der Staat unbeküm⸗ mert um die Phrasen zwei Schritte bbbö und mit Allem, was in seinen Kräften stehe, die wirk⸗ lich vorhandenen Hindernisse wegräume, so daß es nur vom Kirchenregiment abhänge, die verwaisten Pfarrge⸗ meinden binnen wenigen Monaten zu Fes. Daß das nicht geschehe, um die Kirche zu zerstören, verstehe Jedermann, und
es sei nun ein zwiefacher Ausgang möglich. Entweder das Kirchenregiment mache Gebrauch von der weit geöffneten Thür, designire die zum Pfarramt geeigneten Personen, soweit solche vorhanden seien, zeige solche dem Staat an, und überzeuge sich, daß unter 100 bona fide benannten Personen 99 ohne Anstand passiren würden: so habe die Diokletianische Christen⸗ verfolgung ihr plötzliches Ende erreicht; man gewöhne sich auch für die Zukunft an den Gedanken, daß zur Abwehr einer allgemeinen Christenverfolgung ein Bogen Papier ausreiche und die Reibungen zwischen Staat und Kirche verliefen so, wie in Bayern, Württemberg, Baden dieselben Fragen verlaufen seien. Oder das katholische Kirchen⸗ regiment folge allen gemachten Erfahrungen noch einmal seinen früheren Rathgebern, weise die weit vorgestreckte Hand zurück und mache die Besetzung der Pfarren unmöglich durch die halsstarrige Verweigerung jeder Anzeige: nun in Gottes Namen. Dann werde der Kirchenstreit allerdings in eine neue Lage treten, indem der ganze Streit in einen Brennpunkt trete, in die Frage der Anzeigepflicht, in die schon seit 4 Wochen Tag für Tag sichtbarer Alles sich su⸗ sammendränge. Der öffentlichen Meinung werde dann die ungewöhnliche Zumuthung gestellt, nachzudenken. Sie werde aber dieser Zumuthung genügen, sobald eine sehr verwickelte und schwere Frage zu einer einzigen Frage werde. Die Ope⸗ rationsbasis, auf der der Kirchenkrieg gegen Preußen geführt werde, würde in ihrer ganzen Nichtigkeit und Unwahrheit alsbald verständlich werden, sobald sie sich in eine Frage zu⸗ sammendränge. Man könne dem Staat ein jedes Recht über die Kirchen bestreiten, unmöglich aber den Anspruch, daß jeder katholische Geistliche, der irgend ein Recht vom Staat beanspruche, sich über die Verleihung des Amts ausweisen müsse. Kein Prozeß, kein Vermögensanspruch, kein Antheil an der öffentlichen Schule, kein kirchliches oder Pfarrrecht oder Vorrecht könne beansprucht werden ohne solchen Ausweis. Der katholische Geistliche trete nicht als eine über⸗ irdische Erscheinung in seine Gemeinde, die durch sich selbst legitimirt wäre, sondern bedürfe wie jeder irdische Mensch der Legitimation vor der bürgerlichen Obrigkeit. Kein Gerichts⸗ urtheil, keine Staatsautorität katholischen oder evangelischen Bekenntnisses habe dies elementare Recht, das Recht der Kenntnißnahme und des Ausweises je zu bestreiten gewagt, kein Kleinstaat habe sich dies Recht je bestreiten lassen, selbst bei den Institutionen der Nonnenklöster und Damenstifter, jenes Recht der Kenntniß vom Personalbestand und von der Legitimation der Mitglieder. Ein Geistlicher, der dies ver⸗ weigere, würde sich selbst außer dem Gesetz stellen. Eine Weigerung, sich dem Staat auszuweisen, sei nichts Geringeres als Negation des Rechtsverhältnisses als Unterthan. Der Staat sei durchaus berechtigt, die Anzeige von der Er⸗ nennung von Kirchendienern ebenso im einzelnen Falle zu fordern, als allgemein diese Anordnung zu treffen. Daß der Staat solche Anordnungen treffen dürfe, könne unmöglich von einem Juristen oder Theologen bestritten werden, es gehöre dieses Recht eben zu den elementarsten Befugnissen des Staates. Wer aber auf katholischer Seite behaupte, daß die Geistlichen dieser Staatsforderung nicht nachkommen dürften, für den
elte der Gehorsam von dem römischen Recht als selbstver⸗ ständlich, die Unterwerfung unter das deutsche Recht aber in Jedes Belieben gestellt. Der Papst könne so wenig von dem Gehorsam gegen die Staatsgesetze dispensiren, wie derselbe bei der Erfüllung der allgemeinen Wehrpflicht oder der dem Staate schuldigen Steuerpflicht etwas drein zu sprechen habe. Es sei wohl ein Gefühl der Unhaltbarkeit des ganzen Stand⸗ punktes, wenn man dann gewöhnlich hinzugefügt habe: die einfache Anzeige einer Amtsanstellung würde sich die Kirche wohl gefallen lassen. Aber der Staat knüpfe daran die wei⸗ tere Aussicht auf Einspruch gegen die Anstellung und Entschei⸗ dung eines Gerichtshofes, den die Kirche nicht anerkennen könne! Sollte sich nun aber wirklich etwas Ungebührliches an die Anzeige anreihen, so würde sich die Kirche den weiteren ungesetzlichen Zumuthungen zu widersetzen haben. Unmöglich aber könne sich ein Unterthan einer allgemeinen Staatspflicht entziehen unter dem Vorwand, es könnte sich eine weitere un⸗ gesetzliche Zumuthung daran knüpfen. Der zu einer Zoll⸗ anmeldung Verpflichtete könne sich ihr doch nicht ent⸗ ziehen mit der Behauptung, man werde ihm zu viel abfordern, der zur Steueranmeldung Verpflichtete sich nicht entziehen, weil derselbe steuerfrei zu sein behaupte, der Militärpflichtige sich nicht entziehen, weil derselbe be⸗ haupte, man werde ihn zu lange dienen lassen. Das alles seien Rechtsausflüchte, wie sie ein schlauer Advokat einer ränkesüchtigen Partei an die Hand gebe, aber rechtlich völlig haltlose, abenteuerliche Behauptungen, um den offenen Unge⸗ horsam gegen das Gesetz zu beschönigen. Es sei eben das Gefühl der rechtlichen Unhaltbarkeit, welches die Gegner dahin⸗ getrieben habe, den Ungehorsam für einen römisch⸗katholischen Glaubensartikel auszugeben. Allein es genüge doch nicht, einen Glaubenssatz gegen das Staatsgesetz zu behaupten: man müsse den Glaubenssatz auch beweisen oder doch glaub⸗ würdig zu machen suchen. Allein wo in der Welt sei eine Silbe zu finden in der heiligen Schrift, im kanonischen Necht, in den Glaubensnormen der römischen Kirche — auch nur eine Silbe über die Unzulässigkeit einer Legitimation für das geistliche Amt vor der bürgerlichen Obrigkeit? Ließe sich ein Glaubenssatz daraus machen, so wäre das 1 . im Syllabus, in der Encyclika, oder in einem Nachtrag dazu geschehen. Daß es kein Glaubenssatz sei, ergebe das eigene Verhalten der römischen Kirche. Wo die Landesgesetze solche Anzeigen allgemein für alle Anstellungen oder doch für die ordentlichen Pfarrstellen vorschrieben, seien solche nicht blos in Preußen eingeführt, sondern ebenso in anderen deutschen Staaten, bald enger, bald weiter, bald so, bald so, je nachdem die einzelnen Staaten sich mehr oder weniger Verdienste um die römische Kirche erworben hätten, wie ein päpstlicher Erlaß sage. Aus solchen Maximen der römischen Kirchenverwaltung aber angebliche Glaubenssätze machen zu wollen: das verbiete nicht sowohl der Staat als das positive Christenthum, welches keine Glaubenswahrheiten kenne, die bald ganz, bald halb, bald gar nicht gelten sollten, je nachdem
dem Kirchenregiment mehr oder weniger Vortheile
dafür geboten würden. Der christliche Staat könne solchen Ablaßhandel mit Glaubenssätzen nicht anerkennen, und wenn es wirklich Glaubenssätze wären, so würde der deutsche Unterthan mit der Berufung darauf das Grund⸗ gesetz verletzen, das derselbe täglich selbst anrufe: den obersten Grundsatz der Verfassung, Artikel 12: „Den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten dürfe durch die Ausübun der Religionsfreiheit kein Abbruch geschehen.“ Sei hierna die vom Centrum eingenommene Stellung rechtlich eben so haltlos wie als Glaubenssatz, so bleibe als letzte Zuflucht nur die Behauptung, es würden in Preußen „mit der Anzeige⸗ pflicht den Bischöfen neue, unbillige, unerhörte Zumuthungen gemacht. Neue Zumuthungen insofern sicher nicht, als die Anzeigen bis 1840 in Preußen kontinuirlich gemacht seien, noch ehe sie landesgesetzliche Vorschrift geworden seien. Aber auch kein deutscher Kleinstaat habe sich bisher der Souveränetät des römischen Stuhles soweit unterworfen, daß derselbe sich die Anstellung jedes Ausländers, jeder bestraften Person hätte gefallen lassen, am wenigsten der wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt bestraften Personen. Die älteren Landes⸗ verfassungen Deutschlands reservirten vielmehr ein allgemeines Widerspruchsrecht des Staates entweder positiv, indem sie der Staatsgewalt allgemein die „Bestätigung“ aller pfarramtlichen Anstellungen vorbehielten wie in Bayern, oder negativ wie das preußische Landrecht und die meisten anderen, indem sie durch das Aufsichtsrecht als jus cavendi, prohibendi, inter- dicendi die Zurückweisung eines Geistlichen allgemein vorbe⸗ und durch Verwaltungs⸗Exekution, d. h. durch Geld⸗ uße, Haft und körperlichen Zwang durchsetzten. Die prote⸗ stantische Kirche habe sich auch jederzeit dem staatlichen Recht gefügt, auch wo sie von Hause aus die herrschende und allein berechtigte gewesen sei, sobald sie zu einem katholischen Staats⸗ ganzen hinzugetreten sei. Sie habe in diesen wie in allen anderen streitigen Fragen niemals im Staate Bayern die impertinente Behauptung entgegengestellt, daß die sehr viel weiter gehenden bayerischen Gesetze für sie nicht indend seien, weil solche Gesetze von einem katholischen König, einem katholischen Ministerium, einem überwiegend katho⸗ lischen Reichsrath und Abgeordnetenhause gegeben seien. Die Neuerungen des letzten Menschenalters beständen nur darin, daß die Staatsgewalt sich nicht mehr in Glaubens⸗ und innere Sachen der Kirche einmischen wolle, sondern ihren Einspruch auf rein staatliche Gründe beschränke. Darauf beruhe die Fassung der neueren Gesetze, wie im Würtembergischen von 1862: „Alle Kirchen⸗ ämter dürften nur an Solche verliehen werden, welche nicht von der Staatsregierung unter Anführung von Thatsachen als ihr in bürgerlicher oder politischer Beziehung mißfällig erklärt würden.“ Gleich weit sei die exclusiva des Staats in Baden gestellt seit 1860. In Oesterreich sei sie auf ein gin sittlicher und staatsbürgerlicher Hinsicht vorwurfsfreies Verhalten“ gestellt. Das Unerhörte in den preußischen Mai⸗ gesetzen bestehe nur in zwei Punkten: 1) nicht jede Mißfällig⸗ keit in bürgerlicher oder politischer Beziehung, sondern nur ein durch Thatsachen bekuͤndeter Widerstand gegen die Staats⸗ gesetze oder Störung des öffentlichen Friedens berechtige den Staat zur Ausschließung, und 2) über den Ausschließungs⸗ grund entscheide endgültig ein Gerichtshof. Das Unerhörte in der preußischen Gesetzgebung beschränke sich also darauf, daß der preußische Staat allein der Kirche einen erichtlichen Schutz dagegen gewähre, daß sich der Staat niemals in Glau⸗ bens⸗ und innere Streitigkeiten mischen werde, sowie darin daß die allgemeine Ausschließung wegen politischer Mißfälli keit auf zwei bestimmte Fälle beschränkt werde. Dies sei da wirkliche Unicum der preußischen Gesetzgebung, 8 die Wahrheitsliebe der Gegner behaupte, in Preußen würden zur Zeit alle kotholischen Geistlichen nach dem Belie⸗ ben der Staatsgewalt angestellt. Er komme nu zu seinen Schlußfolgerungen. Die Staatsregierun habe es der öffentlichen Meinung nicht leicht gemacht, in de Gesetzentwurf mit seinen völlig ungleichartigen Vorschlägen einen Plan und Faden zu finden. Aber dieser Theil der Vor⸗ lage sei verständlich. Wolle der Staat alles thun, was der⸗
selbe könne, um den verwaisten katholischen Gemeinden zu
helfen, so könne derselbe diese Konzess 1 1 g. und dem Beruf der Seelsorge machen, damit Recht thun und Niemanden scheuen. einen Plan, der auch eine politische Berechtigung habe, denn dieselbe beseitige damit die Operationsbasis, auf der der kleri kale Feldzug gegen den Staat geführt worden sei. Füge sich das Kirchenregiment und komme mit der geordneten Anzeige die normale Besetzung der Pfarren im Gang, so zerfalle jene Basis von selbst. Werde der Widerstand dagegen fortgesetzt, so falle alle Gehässigkeit, die man dem Staat angedichtet, auf ihre Urheber zurück, und es werde nun erst für Jeder⸗ mann im Volk verständlich, daß nicht der Staat, sondern der hochmüthige Souveränetätsdünkel des Klerus die Ge⸗
von dem
ion sich, seinen Unter⸗
Die Vorlage verfolge aber
meinden ihrer Pfarrer beraube und mit erdichteten Vorwän⸗
den sich den staatlichen Gesetzen entziehe. Es fielen dann di scharfen Schlaglichter von allen Seiten auf de weise des Centrums in gemeinverfägnliche und es werde der feine Plan durch ichtig, wie selbe seinerzeit eingefädelt worden sei, so
Konsortium von rabbulistischen Advokaten,
ein angelegt wie ein erhitzten Klerikern
und partikularistischen Politikern nach bewährten Mustern ihn
Plan, der aller Klugheit un⸗ sobald derselbe der öffentlichen Es werde dann au
hätte erdenken können, — ein
geachtet zu Schanden werde,
Meinung end Wich verständlich werde. or
endlich die Zeit sich Geist und hrdi die bisher auf jener Seite ständen
die Augen öffneten. Bis so weit vermöge er die Intentione
nmen, wo sich den evangelischen Geistlichen
der Staatsregierung zu verstehen und viele von seiner Partei
würden auch die Hand bieten zur Verwirklichung. Darüber hin
aus sei er außer Stande, Maßregeln zu verstehen und Lut.
uheißen, die auch nur einen berechtigten Schein eines 1. von Grundsätzen des Staats erweckten und für die zu
Zeit in irgend einem Nothstand der Gemeinden keine Veran⸗
Am wenigsten aber würde er dem Irr
egeben sei. lassung geg s der die selbstverständliche Unterthanen⸗
wege folgen können,
1 “
pflicht des Klerikers zur Anzeige und Legitimation bei der