1880 / 227 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 27 Sep 1880 18:00:01 GMT) scan diff

Kabinets von Wilmowski, der Geheime Legations⸗Rath von Bülow, der Leibarzt Dr. von Lauer, der Stabsarzt Dr. Timann und der Geheime Hofrath Bork. 1t Heute Vormittag 11 ¾ Uhr sind Se. Majestät, laut Meldung des „W. T. B.“, in Baden⸗Baden einge⸗ troffen und von den dort weilenden Fürstlichen Personen, den Spitzen der Civil⸗ und Militärbehörden, dem gesammten Stadtrath und den anwesenden Diplomaten und Generalen empfangen worden. Beim Einfahren des Kaiserlichen Zuges intonirte die Kurkapelle das „Heil Dir im Siegerkranz“. Am Bahnhofe hatte sich eine große Menschenmenge ein⸗ Fefunese⸗ welche Se. Majestät mit enthusiastischen Zurufen begrüßte.

Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin wohnten gestern Vormittag dem Gottesdienst in der Kirche zu Bornstedt bei. Se. Kaiserliche Hoheit der Kronprinz nahm um 11 ½ Uhr militärische Meldungen entgegen. Um 3 Uhr folgten die Höchsten Herrschaften der Einladung Sr. Majestät des Kaisers zum Familiendiner nach Berlin und kehrten gegen 5 ½ Uhr in das Neue Palais bei Potsdam zurück.

1b Nach einer Mittheilung des Kriegs⸗Ministers an den Minister des Innern ist von den Truppenkommandos in deren Berichten über die vorjährigen Manöver auf die be⸗

trächtlichen Flurschäden hingewiesen worden, welche das den Manövern als Zuschauer beiwohnende Publikum ver⸗ ursacht habe. Es seien Fälle vorgekommen, in denen durch das Publikum von den Truppen sorgsam geschonte Kultur⸗ ländereien, sogar Schonungen, erheblich beschädigt worden, die Entschädigung aber demnächst dem Militärfiskus zur Last ge⸗ fallen wäre. Mit Rücksicht hierauf hat der Minister des

Innern auf Veranlassung des Kriegs⸗Ministers die König⸗ lichen Regierungen durch Cirkularerlaß vom 12. v. M. ange⸗

wiesen, die Behufs Aufrechthaltung der Ordnung zu den Manövern kommandirten Gensd'armen, abgesehen von der allgemeinen Instruktion, nach welcher sie Ungehörigkeiten der bezeichneten Art zu verhüten verpflichtet sind, noch anweisen zu lassen, ühr besonderes Augenmerk auf die Verhinderung

von Flurbeschädigungen durch das Publikum zu richten.

schuld, die sich in den letzten Jahren um 2 ½ Mill. Mark verminderte, ergeben eine Ersparniß von 88 000 Neben dem Ordinar⸗Etat ist noch ein außerordentlicher Etat vor⸗ gelegt worden, der sich auf die Etatsüberschüsse, Eisenbahn⸗ fonds und französische Kriegsentschädigung erstreckt. Der Hauptetat schließt mit 5 990 915 Einnahme und 8 5* Ausgabe, sonach mit einem Ueberschuß von 020

Anhalt. Cöthen, 26. September. Auf Grund Höchsten Orts angeordneter Verlegung der Herzoglichen Landrenten⸗ bank von Cöthen nach Dessau werden die Geschäfte der be⸗ sagten Behörde vom 27. h. ab in Cöthen geschlossen und am 4. venn cr. in Dessau, im Behördenhause, wieder eröffnet werden.

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Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 26. September. (W. T. B.) Der König und die Königin von Griechenland sind heute Nachmittag hier eingetroffen und vom Kaiser, welcher heute früh hierher zurückgekehrt ist, auf dem Bahnhofe begrüßt und von dort in die Hofburg geleitet worden. Um 6 Uhr fand zu Ehren derselben in Schönbrunn ein Galadiner statt. Die Groß⸗ herzogin Sophie von Sachsen ist, begleitet von dem deutschen Botschafter Prinzen Reuß, nach Breslau abgereist.

Pest, 25. September. Der Handels⸗Minister beabsichtigt wie die „Bud. Corr.“ erfährt mit Rücksicht auf den Verlauf und das Ergebniß der jüngsten Handelskammer⸗ enquete die Handels⸗ und Gewerbekammern aufzufordern, sie mögen nunmehr ihre Ansichten über die eventuell nothwendig erscheinende Revision des Gewerbegesetzes äußern. Das Elaborat, welches diesbezüglich den Handelskammern zu⸗ geschickt werden soll, wird in großen Zügen den Verlauf der Berathungen der Handelskammerenquete, namentlich die auf⸗ getauchten wichtigeren Anträge, enthalten. Später wird so⸗ dann das gesammte Material einer großen, vom Handels⸗ Minister im Laufe des Herbstes einzuberufenden Enquete vor⸗ gelegt werden.

Der Finanz⸗Minister Graf Szapary wird, nach einer Mittheilung des „Ellenör“, gegen Ende der nächsten oder Anfangs der darauf folgenden Woche den Staats⸗

das Jahr 1881 dem Reichstage

8 Phiarslae für 8. 4 der Grundbuchordnung enthält, nach einem Er⸗Worlegen. Der ungarische Episkopat hält heute eine

kenntniß des Reichsgerichts vom 1. März d. F., keine materiellen Vorschriften und stellt jedenfalls keine Rechts⸗ vermuthung für das Eigenthum auf. Er giebt im Wesent⸗ lichen nur eine Anweisung für den Grundbuchrichter, der zu⸗ folge die Lage und Größe der in die Grundbücher einzutra⸗ genden oder bereits eingetragenen Grundstücke nach den Grund⸗ und Gebäudesteuerbüchern ausgemittelt und die bereits ange⸗ legten Grundbuchblätter auf diese zurückgeführt werden sollen. Ff dies geschehen, so ist allerdings der, welcher demnächst auf Grund einer Auflassung als Eigenthümer in das Grundbuch eingetragen wird, für den Eigenthümer aller Bestandtheile des Grundstücks zu betrachten, welche sich aus dem Grund⸗

buche bezw. dem Kataster ergeben. Dies folgt aber daraus,

daß nach den Vorschriften des Eigenthumserwerbgesetzes der Eigenthumsübergang durch die auf Grund der Auflassung geschehene Eintragung vermittelt wird und deshalb der Ein⸗ getragene für den Eigenthümer aller derjenigen Realitäten gilt, auf welche die Eintragung sich bezieht. Die Eigenthums⸗ rechte Desjenigen, welcher bereits vor dem Inkrafttreten der neuen Gesetze durch Titel und Uebergabe Eigenthum erworben hat, werden dadurch, daß das betreffende Grundbuchblatt auf das Kataster zurückgeführt wird, weder verringert noch er⸗ weitert. Er ist und bleibt Eigenthümer insoweit, als er das Eigenthum nach dem bisherigen Rechte erworben hat und kann sich daher auch nicht, wenn ihm das Eigenthum bestritten wird, von dem Nachweis des letzteren durch die Berufung auf das Kataster befreien.

b Der Miether eines möblirten Zimmers (Chambre⸗ garnist) macht sich durch rechtswidrige Aneignung eines Theils des mitvermietheten Mobiliars, nach einem Erkenntniß des Reichsgerichts, II. Strafsenats, vom 12. Juli d. J., nicht des Diebstahls, sondern nur der Unterschlagung schuldig.

Das Reichsgericht, II. Strafsenat, hat durch Er⸗ kenntniß vom 9. Juli d. ausgesprochen, daß derjenige, welcher auf Grund des Sozialistengesetzes verbotene Druck⸗ schriften an Spediteure übergiebt, die sie an das zeitungs⸗ esende Publikum abgeben, sich einer öffentlichen Verbreitung jener Druckschriften schuldig macht.

1 Der Keaiserliche Botschafter in St. Petersburg, General⸗Lieutenant von Schweinitz, hat einen ihm be⸗ willigten Urlaub angetreten. Während seiner Abwesenheit fungirt der Botschafts⸗Rath Stumm als interimistischer Ge⸗ schäftsträger.

b In vergangener Nacht verschied hierselbst der Wirk⸗ liche Geheime Rath von Strantz im 80. Lebensjahre.

Der General⸗Lieutenant von Borries, Comman⸗ deur der 4. Division, ist auf einige Tage mit Urlaub von Bromberg hier eingetroffen.

Der Präses der Ober⸗Militär⸗Examinations⸗Kommis⸗ sion, General⸗Major des Barres, hat sich in dienstlichen Angelegenheiten nach Dresden begeben.

Bayern. München, 25. September. (Allg. Ztg.) Den Nitgliedern des Ausschusses der Abgeordnetenkammer für die Steuergesetzentwürfe sind vom Finanz⸗Minister jene Mo ifikationen an den Gesetzentwürfen über die Ein⸗ kommen⸗, Kapitalrenten⸗ und Gewerbsteuer mitgetheilt wor⸗ den, zu welchen in dem Falle Veranlassung gegeben wäre, enn das den Regierungsentwürfen zu Grunde gelegte Prin⸗

z Ugemeinen Einkommensteuer nicht zur Annahme gelangen sollte. Die Einberufung der Kammerausschüsse wird, wie man jetzt vernimmt, auf den 18. Oktober erfolgen.

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 23. Sep⸗ tember. (Allg. Ztg.) Den gestern gegebenen kurzen Andeu⸗ tungen über den Staatshaushalts⸗Etat ist noch ergänzend Fümsonufagen, daß die Matrikularbeiträge mit 441 615 ortbestehen, daß dagegen als Herauszahlung der Reichskasse auf Zölle und Tabaksteuer die Summe von 278 520 figu⸗ rirt. Die Forsten geben, wie anderwärts auch hier, einen Minder⸗

trag gegen frühere Fütre. und zwar ein Minus von 360 725 Die Gerichtssporteln sind um 41 000 höher veranschlagt. Die irekte Steuer ist mit 3 von je 1 des eingeschätzten Ein⸗ kommens beibehalten. Verzinsung und Tilgung der Staats⸗

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Konferenz, welche sich mit den Veränderungen befassen wird, die durch das Inslebentreten des neuen Strafgesetzes aufge⸗ taucht sind. Die handelspolitischen Verhandlun⸗ gen, welche zwischen beiden Theilen der Monarchie im Zuge waren, sind vorläufig abgeschlossen. Sektionschef Bazant ist bereits wieder nach Wien zurückgereist. Wie die „Ung. Post“ vernimmt, wurde bei den Verhandlungen von beiden Seiten das größte Entgegenkommen bekundet.

Im Oberhause wurde heute nach Eröffnung der Sitzung das Allerhöchste Reskript über die Eröffnun der Reichstagssession verlesen. Die Schriftführer Ausschüsse wurden mit Acclamation in ihren Funktionen bestätigt. Der Präsident gedachte der während der Ferien verstorbenen Mitglieder des Hauses. Das Urtheil in der Duellaffaire Majthényi⸗Verhovay wurde zur vorläufigen Kenntniß genommen. Altz nächsten Gegenstand der Verhand⸗ elungen bezeichnete der Präsident die Wahl der Delegations⸗ mitglieder, wonach die Sitzung geschlossen wurde.

(W. T. B.) Im Unterhause wurde von dem Abgeordneten Miklos eine Interpellation darüber ein⸗ gebracht, ob die Regierung Kenntniß von der antisemiti⸗ schen Bewegung habe und was sie in dieser Beziehung zu thun gedenke.

Agram, 25. September. Die erste Nummer des Organs der Landtags⸗Majorität „Ustav“ ist heute erschienen. Das Blatt meldet, die Reise des Banus nach Fünfkirchen habe

verleibung der Grenze zu erwirken.

Großbritannien und Irland. (Allg. Corr.) Indischen Postnachrichten vom 4. ds. ist Nachstehendes entnommen: Die wegen des theilweisen Ausbleibens des Monsoon⸗ Regens gehegte Besorgniß ist nicht beschwichtigt. In den Distrikten von Deccan sind während der letzten 2 bis 3 Tage leichte Regenschauer gefallen, aber die Aussichten sind noch immer kritisch. In Nepaul herrscht gegenwärtig große militärische Thätigkeit, und als Erklärung dafür glaubt man, die dortige Regierung wünsche der britischen Regierung ein Truppenkontingent zum Dienste in Afghanistan zur Ver⸗ fügung zu stellen. Aus Koheina wird berichtet, daß die Konoma⸗Nages sich in Drohungen ergehen, die britischen Zelte und Baracken niederbrennen zu wollen, wenn die Oktober⸗ nebel ihnen dies erleichtern. Ueberhaupt wollen sie die Eng⸗ länder belästigen wo sie nur können.

Aus der Kapstadt wird dem Bureau Reuter unterm 22./23. September gemeldet:

Neueren Nachrichten zufolge hat nur die Tyaly⸗Sektion der

Tambukies sich den Basutos angeschlossen, um mit ihnen den Kolonialtruppen gegenüber zu treten. Letztere hatten mit den Ba⸗ sutos mehrere erfolgreiche Scharmützel. Am 25. ds. geht von hier ein 200 Mann starkes Freiwilligencorps nach dem Basutolande ab. 1200 Basutos machten am 20. ds. einen Angriff auf Mohales Hoek, und am folgenden Tage wurde Mafeting von 5000 Basutos an⸗ gegriffen. An beiden Orten dauerte der Kampf den ganzen Tag hindurch, aber schließlich wurden die Rebellen geschlagen. Ueber die Kolonialverluste sind noch keine Berichte eingegangen. Die Herren Donald Currie u. Co. in London wurden aus Kapstadt telegraphisch benachrichtet, daß ihre Dampfer „Matrose“ und „Capland“ zur unverzüglichen Beförderung von 600 Frei⸗ willigen nach dem Basutolande gechartert worden sind. Der „Matrose“ nimmt 300 Mann aus Kapstadt an Bord, und der „Capland“ eine gleiche Anzahl aus Algoa⸗Bai. Die Truppen werden wahrscheinlich in East London ausgeschifft werden.

Ein Telegramm des „W. T. B.“ aus Aden vom 25. September meldet: Oberst Gordon ist auf der Rück⸗ reise von China hier eingetroffen und gedenkt seine Reise nach Europa morgen fortzusetzen.

Frankreich. Paris, 24. September. (Fr. Corr.) Das Rundschreiben, mit welchem der Kultus⸗Minister die De⸗ klaration beantwortete, ist erst gestern an die Oberen der Kongregationen abgegangen. Die Vollstreckung der De⸗ krete wird also erst in einigen Tagen beginnen können, sobald nämlich die für eine Rückäußerung auf den Brief des Ministers nöthige Zeit verstrichen sein wird. Ferner wird der Gerichts⸗ hof für Kompetenzkonflikte in der ersten Hälfte des Oktober einberufen werden. Wie von anderer Seite gemeldet wird, soll die letzte Frist, die man den Kongregationen steckt,

zehn Tage betragen. Nach Ablauf dieser Zeit wer⸗

den Zweck, die Feststellung des Zeitpunktes für die Ein⸗ 8

Vollzug der

den die Präfekten Befehl erhalten, zum Man wird

ihnen bereits ertheilten Instruktionen zu schreiten.

8—

mit den ausländischen Ordensgeistlichen beginnen und dann

gegen die Kongregationen verfahren, welche von Rom selbst nicht anerkannt sind. Gleichzeitig werden die Kapellen der anderen nicht anerkannten Genossenschaften geschlossen werden.

Mit diesen Akten wird man die Zeit bis zur Entscheidung

des Kompetenzgerichts ausfüllen; fällt dieselbe, wie nicht anders

zu erwarten ist, zu Gunsten der Regierung aus, so wird dann unverweilt die Ausweisung der übrigen von dem zweiten De⸗ krete vom 29. März bedrohten Kongregationen in Angriff ge⸗

nommen werden. 26. September. (Journ. off.) des Departements Finistére, Gilbert Le Guay, ist zum

Der bisherige Präfekt

Präfekten von Corsica ernannt worden, an Stelle des

auf sein Verlangen zur Disposition gestellten Hrn. de Margay.

(W. T. B.) Graf Horace Choiseul hat den ihm

angebotenen

Posten des Unter⸗Staatssekretärs im

Ministerium des Auswärtigen nunmehr definitiv an⸗

genommen. Türkei. Konstantinopel, 26. September.

Wie dem

„Reuterschen Bureau“ von hier gemeldet wird, hätte sich der

Sultan gegenüber dem Doyen des diplomatischen Corps,

dem deutschen Botschafter Grafen Hatzfeldt bezüglich Dul⸗

cignos dahin geäußert, daß er den Ereignissen ihren Lauf lassen werde. Europa zurückfallen.

Die Verantwortung für dieselbe würde auf 1

Aus Ragusa, 26. September, berichtet „W. T. B.“: Admiral Seymour, die Admirale Cremer und Pincotti, die Kommandanten der Schiffe „Custozza“, „Vittoria“ und „Palestro“, sowie verschiedene englische Offiziere sind in der

vergangenen Nacht auf dem „Helicon“ abgefahren, um in den

albanesischen Gewässern eine Rekognoscirung vorzunehmen. Die Kommandanten der französischen Kriegsschiffe sind in

Gravosa geblieben. Die Flotte, welche auf morgen festgesetzt war, ist in Folge neuer von Montenegro veranlaßter diplomatischer Verhandlungen wieder verschoben worden.

Abfahrt der vereinigten

Die „Agence Havas“ meldet unterm 26. d. Mts. aus Ragusa, der Admiral Seymour befahl, daß das Ge⸗

1 sich am Montag zum Auslaufen bereit zu halten abe. Die „Daily News“ meldet aus Ragusa unterm 27. d. Mts.: Die Flotte wird erst am Mittwoch auslaufen. Aus Gravosa, 27. September, meldet „W. T. B.“: Admiral Seymour und die übrigen Geschwader⸗Chefs und Schiffskommandanten, welche denselben auf der Rekognos⸗ zirungsfahrt nach den albanesischen Gewässern begleiteten, sind gestern Abend hierher zurückgekehrt. (Pest. L.)

Montenegro. Cettinje, 24. September. Unter dem Vorsitze des Fürsten fand heute ein großer Ministerrath statt, welchem auch der hier eingetroffene englische Escadre⸗Kommandant Seymour, der französische Ge⸗ sandte Baron de Montgascon, der italienische Gesandte Durando, sowie die Truppen⸗Kommandanten Bozo Petrovics und Peter Vukotics beiwohnten. Die Abreise des Fürsten in das Lager von Sutorman soll erst in einigen Tagen stattfinden. Ueber einen eventuellen Vormarsch ist noch nichts bestimmt.

Bulgarien. Sofia, 15. September. Man schreibt der „Pol. Corr.“: „Fürst Alexander hat zum zweiten Mal sein Namensfest in seiner neuen Heimath gefeiert, und kam eigens zu diesem Zwecke von Varna hierher. Da auch gleich⸗ zeitig das Namensfest des Kaisers Alexander von Rußland gefeiert wurde, so gestaltete sich Alles zu einem ebenso solennen als pompösen Feste. Fürst Alexander begab sich in großer Generalsuniform um 9 Uhr Vormittags im Galawagen, be⸗ gleitet von seinem Hofstaate, in die griechisch⸗orthodoxe Kirche, wo bereits sämmtliche Spitzen der Behörden, sowie auch das diplomatische Corps ihn vollzählig erwarteten. Um 10 Uhr war Empfang der Vertreter der auswärtigen Mächte sowie aller übrigen Gratulanten, worauf sich der Fürst zu der auf halb 12 Uhr angesagten Truppenrevue nach dem nahe gelegenen Bali⸗ Effendi begab. Nach beendeter Parade marschirten die Truppen in ihre nächst Sofia gelegenen Feldlager, um einer Feldmesse bei⸗ zuwohnen, worauf der Fürst in einer eigens hierzu improvi⸗ sirten Laube mit dem gesammten Offiziercorps ein Dejeuner einnahm, während die etwa 3000 Köpfe zählende Mannschaft mit Schöpsenbraten, Weißbrod und Wein bewirthet wurde. Hierauf kehrte der Fürst in das sogenannte kleine Palais zurück, wo gegen 6 Uhr Abends das offizielle Galadiner statt⸗ fand. Dasselbe wurde in einem eigens zu diesem Zwecke her⸗ gestellten und recht geschmackvoll dekorirten Gartensalon ein⸗ genommen. Zur Rechten des Fürsten saß der österreichisch⸗ ungarische diplomatische Agent Graf Khevenhüller, links der russische General⸗Konsul v. Kumani, dann die übrigen Mit⸗ glieder des diplomatischen Corps, sämmtliche Minister, einige Abgeordnete und alle hier garnisonirenden Stabsoffiziere.“

Sofia, 25. September. (W. „Presse“.) Der Fürst trifft nach dem Besuche in Belgrad aus Rustschuk am 22. Oktober, unmittelbar vor Eröffnung des Sabra⸗ nije, hier ein. Finanz⸗Minister Karawelow ist nach St. Petersburg abgereist, um Beamte für sein Ressort zu enga⸗ giren. Wegen Prägung der bulgarischen Silbermünzen wurde mit der russischen Regierung ein Vertrag abgeschlossen. Die Prägung der Gold- und Kupfermünzen wird im Wege der Offerte vergeben. Dr. Jireczek hat sich auf längeren Urlaub nach Prag begeben; man bezweifelt dessen Rückkehr nach Bulgarien.

Rustschuk, 25. September. Nach den bisherigen Reise⸗ dispositionen wird sich Fürst Alexander von Bulgarien am 7. Oktober von hier nach Belgrad begeben.

Nußland und Polen. (St. Pet. Ztg.) Von der westchinesischen Grenze wird der „Turk. Ztg.“ vom Ge⸗ neral⸗Major Lewaschew aus Zarizinsk unter dem 17./29. Juli telegraphirt: „Ein Dshigit theilt mit, das Vordringen einer 74 000 Mann zählenden chinesischen Armee von Peking nach Kuldsha sei durch einen Kampf verhindert worden, der bei Sandsha im Schooße der Truppen selbst entbrannte. Auf der einen Seite befinden sich 34 000 Mann, darunter 11 000 Dunganen, auf der anderen ca. 30 000.

Schweden und Norwegen. Christiania, 25. Septem⸗ ber. (W. T. B.) Der Staats⸗Minister Dr. F. Stang hat sein Abschiedsgesuch eingereicht. Der König hat sich die Entscheidung bis nach seiner am Montag hierselhst erfolgenden Ankunft vorbehalten.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

St. Petersburg, 24. September. (St. Pet. Ztg.) Der dies⸗ seitige Bevollmächtigte in China, Hr. Kajander, hat den „Nowosti“ ufolge, dem Minister des Auswärtigen den Inhalt eines ihm von dem Pberst von Przewalski zugegangenen Briefes mitgetheilt, worin er seine Beziehungen zu den Einheimischen, dem Volksstamm Si⸗Fan, schildert, welche das Quellgebiet des Gelben Flusses (Hoang⸗ho), das jetzt von unserem Reisenden durchforscht wird, bewohnen. Ungeachtet der Hindernisse, die ihm von der chinesischen Regierung und den Eingebo⸗ renen, wie auch durch die Unwirthlichkeit der Natur allseitig ent⸗ gegengestellt werden, ist es Hrn. Przewalski gelungen, weiter vor⸗ zudringen, als alle seine Vorgänger. Aus dem Briefe geht hervor, daß es die Absicht des Reisenden war, die Eisregionen des Siu⸗ Chan⸗Gebirges. zu durchforschen und über dieses fort nach Si⸗Ning zu gehen. Der Uebergang über diesen Bergzug und damit auf die rechte Seite des Hoang⸗ho erwies sich jedoch nicht ausführbar, er mußte daher denselben Weg zur Stadt Hui⸗de zurück nehmen; von hier aus gedenkt er nach Si⸗Ning und dann geradeswegs durch die

Wüste Gobi nach der Stadt Urga zu reisen.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Aus Baden wird der „D. landw. Pr.“ geschrieben: Die Land⸗ leute in Lahr und Umgegend sind alle mit der Tabaksernte be⸗ schäftigt, die seit lange keinen so reichen Ertrag lieferte wie dieses Jahr. Auch der Anbau war in diesem Jahre ausgedehnter; die Blätter sind nicht nur größer und stärker, sondern auch ihre Zahl auf die einzelne Pflanze ist größer als in früheren Jahren.

Dem vom K. K. österreichischen Ackerbau⸗Ministerium veröf⸗ fentlichten jüngsten Berichte über den Stand der Saaten und Ernte in Oest erreich⸗Ungarn um Mitte September 1880 entnehmen wir folgende Angaben: Die Witterungsverhältnisse der ersten Septemberhälfte gestalteten sich für die einzelnen Länder der westlichen Reichshälfte ziemlich ungleich. Hohe Temperatur und Trockenheit wechselten in rascher Folge mit starken Abkühlungen und heftigen Niederschlägen. Je nach der Verschiedenheit der Witte⸗ rungsverhältnisse sind die Arbeiten für Bestellung der Wintersaaten bald normal in Angriff genommen und fortgesetzt, bald und mitunter bedeutend verzögert worden. Letzteres gilt insbesondere von den Alpenländern, einzelnen Thbeilen Nieder⸗Oesterreichs und des Küstenlandes. Der Stand der Wintersaaten selbst ist im Allgemeinen als recht aünstig zu bezeichnen. Die Cerealienernte ist, wenn von einzelnen Gebirgs⸗ gegenden, in welchen Hafer noch zum Theile auf dem Felde steht, abgesehen wird, beendet und der Drusch in vollem Zuge. Bei Hafer, dessen Einbringung zum guten Theile in die erste Hälfte des September fiel, erscheint das Gesammtresultat als „mittel“ bis „über mittel“. Mais dürfte noch immer eine gute Ernte liefern Die vollendete Ernte in Hülsenfrüchten ist endgültig mit „recht gut“ zu bezeichnen. Vom Buchweizen, dessen Ernte theilweise begonnen, ist der Ge⸗ sammtdurchschnitt gegenwärtig als „mitfel“ anzunehmen. Die Rapssaaten sind, abgesehen von Schlesien, wo der Stand sehr ungleichmäßig erscheint, durchaus sehr gut aufgelaufen. Die beendete Hopfenernte liefert im Durchschnitte ein Ergebniß von „mittel“ bis „über mittel“. Letzteres dürfte für Böhmen und Nieder⸗Oester⸗ reich gelten, während der Ausfall der Ernte in Galizien und Ober⸗ Oesterreich sich auf „mittel“ stellt. Kartoffeln sind durch Fäule stark geschädigt, insbesondere haben Frühsorten, deren Ernte beendet ist, gelitten. Auch unter Spätsorten hat die Krank⸗ heit an Ausdehnung gewonnen. Am stärksten scheint Böhmen und Mähren betroffen, wo in einzelnen Gegenden ¾ bis des Produktes verfault sind. Der Gesammtdurchschnitt der Ernte stellt sich wahr⸗ scheinlich auf „unter mittel“. Zucker⸗ und Futterrüben, deren Ernte begonnen hat, beziehungsweise unmittelbar bevorsteht, befriedi⸗ gen fast ausnahmslos in hohem Grade, so namentlich in Böhmen, Nieder⸗Oesterreich und größtentheils in Mähren. Der zweite Klee⸗ schnitt und die Grummet⸗AErnte, theils beendet, theils im Zuge, wurden durch die Niederschläge fast allenthalben ver⸗ zögert und das quantitative wie das qualitative Er⸗ gebniß geschädigt. Ausnahmen kommen nach beiden Rich⸗ tungen in Böhmen, Mähren, Nieder⸗Oesterreich, Ober⸗Oesterreich und Nord⸗Tirol vor. In Ost⸗Galizien wird, weil auch Stroh fehlt, Futtermangel befürchtet. In der Bukowina ist der Ertrag befriedi⸗ gend. Der dritte Kleeschnitt ist vielversprechend im Küstenlande. In Süd⸗Tirol ist das Grummet durch die Niederschläge bedroht. Der Totaldurchschnitt für Klee⸗ und Grummeternte stellt sich auf „schwach mittel“ bis „mittel“. Der Wein ist gegenüber dem letzten Berichte nicht gebessert. In Folge der Niederschläge begannen Früh⸗ sorten von Trauben allenthalben zu faulen, während Spätsorten besser widerstanden. Bei der zu niedrigen Temperatur ist die Ent⸗ wicklung des Zuckergehaltes nicht entsprechend vorgeschritten, und ist wenig Aussicht vorhanden, daß der große quantitative Verlust durch die Qualität ersetzt wird. Nur baldigst eintretende und andauernde Temperatursteigerung könnte namentlich in Nieder⸗ Oesterreich, Steiermark und Süd⸗Tirol noch Besserung bringen. In Dalmatien, wo in jungen Anlagen und fetten Böden viel verfault ist, hat die Lese begonnen, während man sich im Küstenlande wegen fortgeschrittener Fäulniß dazu vor der Zeit entschließen mußte. Das Ergebniß für die gesammten Weinländer wird jedenfalls stark unter „schwach mittel“ bleiben. Was Obst betrifft, so liegen annähernd befriedigende Mittheilungen nur aus Süd⸗Tirol vor. Pfirsiche, Pflaumen und Nüsse fallen reichlich und gut aus. Birnen liefern einen mittleren, Aepfel hingegen einen geringen Ertrag.

Gewerbe und Handel.

Die rier größten Kaffee erzeugenden Länder sind Brasi⸗ lien, Java, Sumatra und Ceylon. Die Erhebungen im Jahre 1879 ergeben, daß Brasilien allein eine außergewöhnliche Quantität von Bohnen erzeugt hat. Bisher wurden 250 000 t als eine gute jährliche Ziffer für Brasilien erachtet; im letztvergangenen Jahre aber stieg die Ausfuhr allein auf 273 000 t. Da nun der Kaffeeverbrauch im Lande selbst gegenwärtig auf 60 000 t gestiegen ist, beläuft sich das jährliche Gesammterzeugniß Brasiliens zur Zeit auf 333 000 t. Glücklicherweise für die Kaffeepflanzer in anderen Weltgegenden ist der Kaffee ein nothwendiges Lebensmittel geworden, so daß sein Preis in die Höhe gegangen ist. Obgleich der zum Kaffeebau in Brasilien geeignete Boden einen großen Umfang hat, wird die Schwierigkeit, Arbeitskräfte zu bekommen, von Tag zu Tag

rößer, so daß sich nicht annehmen läßt, daß die Produktion obige Fie in der Zukunft erheblich übersteigen wird. Die Ernte in

ava und Sumatra wird für die Ausfuhr auf 94 000 t geschätzt; der inländische Verbrauch aber erreicht nicht die Hälfte des bra⸗ silischen, obgleich die Bevölkerung des letzteren doppelt so groß ist. Die Produktion von Ceylon, im Vergleich zu den Vorjahren, weist eine merkliche Verminderung nach; es waren in Allem 41 200 t von der Insel exportirt, wobei zu bemerken ist, daß der inländische Verbrauch sehr gering ist. Außerdem wächst Kaffee in Centralamerika, in einigen südamerikanischen Republiken, in den britischen Kolonien Westindiens, in Hayti, Kuba, Portoriko, Arabien, Mauritius, Räéunion, die nordöstliche Küste von Afrika entlang, in Liberia und der afrikanischen Westküste, in Manilla, Celebes und verschiedenen Inseln des Paecific, schießlich in britisch Indien; die Gesammtpro⸗ duktion aller dieser Gegenden aber erreicht nicht die Hälfte der Aus⸗ fuhr der vier obengenannten Länder.

Nürnberg, 25. September. (Hopfenmarktbericht von Leopold Held, Hopfen⸗Kommissionsgeschäft.) Die aus ca. 800 Ballen bestehende Landzufuhr des heutigen Marktes wurde zu unveränderten Preilen zum groͤßten Theile von Exporteuren gekauft. In anderen

orten wie Württemberger, Badische, Aischgründer ꝛc. war für Mittelwaare die Frage eine nicht der Größe des Angebots ent⸗ sprechende; dieselben konnten daher nur zum Theil und nur zu ge⸗ drückten Preisen Nehmer finden. Prima⸗Qualitäten sind unverändert gesucht und behaupten sich im Preise. Der Gesammtumsatz beziffert sich auf ca. 1000 Ballen. Die 8 lauten: Marktwaare prima 55 65 ℳ, mittel 40 50 ℳ, gering 30 38 ℳ; Gebirgs⸗

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hopfen 70 80 ℳ; Aischgründer prima 60 70 ℳ, mittel 50 55 ℳ,

gering 45 50 ℳ; Württemberger prima 85 100 ℳ, mittel 60—

75 ℳ, gering 40 50 ℳ; Badische prima 85 100 ℳ, mittel 60—

75 ℳ, gering 45 55 ℳ; Hallertauer prima 85 100 ℳ, mittel

65 75 ℳ; Polnischer prima 90 110 ℳ, mittel 65 80 ℳ; Elsässer

70 80 ℳ, mittel 50 60 ℳ, gering 35 45 ℳ; Altmärker 40

London, 25. September. (Allg. Corr.) Die Direktoren der Rio Pinto Kompagnie haben eine Dividende von 8 s. per Aktie erklärt.

London, 25. September. (W. T. B.) Bei der gestrigen 11““ waren gute scoured und Neuseeland⸗Schweißwollen

eurer.

Glasgow, 25. September. (W. T. B.) Die Vorräthe von Robheisen in den Stores belaufen sich auf 472 700 Tons gegen 310 900 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betrieb befindlichen Hochöfen 82, gegen 68 im vorigen Jahre. 8

Verkehrs⸗Anstalten.

Königsberg i. Pr., 25. September. (W. T. B.) Bei der von der biesigen Kaufmannschaft für die Pläne zur Vertie⸗ fung der Wasserstraße nach Pillau ausgeschriebenen Kon⸗ kurrenz ist der erste Preis von 10 000 dem Hafenbau⸗Inspektor Natus in Pillau, der zweite Preis von 5000 dem Ober⸗Maschinen⸗ meister Schmidt, dem Baäumeister Kummer uud dem Baumeister Kunze für den von denselben gemeinschaftlich ausgearbeiteten Plan zuerkannt worden. 8

Berlin, 27. September 1880.

8 Die irdische Hülle des Geheimen Sanitäts⸗Raths Dr. Wilms ist am Sonntag Abend ½7 Uhr vom Trauerhause, Mohrenstraße 41, nach Bethanien überführt worden. Am Portal der Stätte, an der er so unendlich viel Gutes gewirkt, empfingen die Oberin, die Schwestern, die Aerzte und die Geistlichkeit der Anstalt die Leiche und geleiteten sie nach der Kapelle, wo Pastor Nehmiz mit kurzen und tiefergreifenden Worten des schweren Verlustes gedachte, den die leidende Menschheit und vor Allem Bethanien selbst in Wilms er⸗ litten. Während der Nacht hielten die 4 Assistenzärzte des Verewig⸗ ten in der Kapelle am Sarge die Ehrenwacht.

Die Trauerfeierlichkeit zu Ehren Wilms fand heute Nachmittag um 2 Uhr in Gegenwart Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen und einer überaus zahlreichen Trauerversammlung in der Kapelle statt, von wo aus die Beisetzung der Leiche auf dem Jerusalemer Kirchhofe in der Belle⸗Alliancestraße erfolgte.

Berlin nach dem Beruf. (Soz. Corr.) Sooeben ist das dritte und vierte Heft eines großen Werkes erschienen, der Bear⸗ beitung der Berliner Bevölkerungs⸗, Gewerbe⸗ und Wohnungs⸗ aufnahme vom 1. Dezember 1875. Der Herausgeber, der Direktor des statistischen Bureaus der Stadt Berlin, Hr. Richard Böckh, hat namentlich großes Gewicht auf sorgfältige Untersuchung der Berufs⸗ verhältnisse der Berliner Bevölkerung gelegt.

Sehr charakteristisch für die einzelnen Stadttheile ist die Ver⸗ theilung der Berufsarten in denselben. Zum Theil sind es Verhält⸗ nisse lokaler Natur, welche die Vorbedingung für den Betrieb eines Gewerbes in einem bestimmten Stadtviertel abgeben; zum Theil sind es anscheinend zufällige oder doch nach ihrem Ursprunge nicht mehr erkennbare Ursachen, welche ein Gewerbe veranlassen, sich auf be⸗ stimmte Stadtgegenden zu konzentriren. So arbeiten die Weber vorzüglich im Stralauer Viertel, die Metallarbeiter in der Oranien⸗ burger Vorstadt, im Wedding und Moabit und in der Louisenstadt; in den drei erstgenannten Stadttheilen wird ausschließlich Eisen, in den letzteren vorwiegend Kupfer und Messing verarbeitet. Dse Gärtner, etwa der vierhundertste Theil aller Selbstthätigen, sind wesentlich im Umkreise der Stadt, der unteren Friedrichsvorstadt, Moabit, der Schöneberger Vorstadt und dem Stralauer Viertel, dessen Straßennamen auch darauf hindeuten, vertreten. Die Fischer sind hauptsächlich in ihrem ältesten Wohnsitz, in Alt⸗Cölln, zu Haus. Eine Hauptindustrie von Berlin, mehr als ein Zwanzigstel aller Selbstthätigen beschäftigend, ist die der Holz⸗ und Schnitzstoffe, namentlich die Möbeltischlerei; sie ist wesentlich in den drei im Südosten gelegenen volksreichsten Stadttheilen zu Haus. Unter den Gewerben zur Herstellung von Nahrungs⸗ und Genußmitteln sind begreiflicher Weise die Bäcker am Gleichmäßigsten über die ganze Stadt verbreitet. Durch Gewerbe für animalische Nahrung zeichnet sich die Rosenthaler Vorstadt mit dem großen Viehhof aus. Hin⸗ sichtlich der Getränke wiegen die Tempelhofer Vorstadt und das Königsviertel vor, in denen große Brauereien vorhanden sind. Das Bekleidungsgewerbe ist mit einem Achtel der ihr Angehörigen in Alt⸗Cölln vertreten. Die Schuhmacherei ist mehr im Janern der Stadt als in den Vorstädten vertreten. Das Reinigungsgewerbe (hauptsächlich Wäscherinnen) konzentrirt sich in der Friedrich⸗ Wilhelmstadt, der Buch⸗ und Kunstdruck, sowie die übrigen künst⸗ lerischen Betriebe für die gewerblichen Zwecke in der Louisenstadt. Der Waarenhandel hat in der Altstadt und im Spandauer Viertel seine Hauptsitze. Die Gastwirthschaft ist mehr als durchschnittlich in den westlichen Theilen der inneren Stadt vertreten, wo die meisten und größten Hotels, aber auch viele wissenschaftliche Institute liegen, die viele junge Leute ohne eigenen Haushalt um sich schaaren. Die Vertheilung des Eisenbahnpersonals wird durch die Lage der Bahnhöfe bestimmt. Die Dienstboten sind in der Friedrichsvorstadt und dem Königsplatzbezirk am dichtesten vertreten; im letzteren wohnen außerordentlich viele Lehrer, Künstler und höhere Verwaltungs⸗ beamte, in ersterer eine sehr hohe Zahl von Rentiers.

Was die Vertheilung der Berufsarten auf die einzelnen Alters⸗ klassen betrifft, so tritt die jüngste Klasse (unter 20 Jahren) am stärksten in der Berufsvorbereitung und unter den Dienstboten auf. Sehr viele Angehörige der jüngsten Altersklasse haben ferner die Graveure und Musterzeichner, die Buch⸗ und Kunstdrucker, die Haar⸗, Papier⸗ und Leder⸗Industrie. In der folgenden Altersklasse (20 bis 30 Jahre) treten das Militär und die Industrie der Getränke be⸗ sonders stark hervor. Unter den 50jährigen und älteren stehen selbst⸗ verständlich die Rentiers und Pensionäre voran; dann folgen Geist⸗ liche, Landwirthe, Aerzte, Diplomaten, die Presse, die Königliche Hausverwaltung.

Der Nordwestdeutsche Verein für Gefängnißwesen hat in der Schulze'schen Hof⸗Buchhandlung zu Oldenburg das vom Vorstande redigirte sechste Vereinsheft erscheinen lassen. Dasselbe hat folgenden Inhalt: 1) Ein Blick auf das Fürsorgewesen für entlas⸗ sene Strafgefangene, mit besonderer Berücksichtigung Deutschlands, von Dr. Föhring. 2) Einige Bemerkungen über die vor⸗ läufige Entlassung Strafgefangener, vom Ersten Staats⸗ anwalt Stuhr in Kiel. 3) Die Vereine gegen Bettelei und Vagabondage in der Provinz Schleswig⸗Holstein⸗Lauenbutg vom Strafanstalts⸗Direktor Krohne in Rendsburg. 4) Zur vor⸗ läufigen Entlassung. Außer diesen Aufsätzen enthält das vorliegende Heft noch das Protokoll der Ausschußsitzung zu Hamburg am 7. Juli 1880. Es wurde dort beschlossen: 1) Die nächste Ver⸗ sammlung des Vereins am letzten Mittwoch im Moact Okrober (27. Sear, in Hannover abzuhalten. 2) Gegen⸗ stände der Verhandlung sollen bilden: a. die vorläufige Entlassung, b. die Organisation der Fürsorge für entlassene Gefangene in der Provinz Hannover.

Die Bevölkerung der Erde. Jährliche Uebersicht über neue Arealberechnungen, Gebietsveränderungen, Zählungen und Schätzungen der Bevölkerung auf der gesammten Erdoberfläche. Her⸗ ausgegeben von E. Behm und H. Wagner. VI. Mit 3 Karten.

(Ergänzungsheft Nr. 62 zu „Petermanns Mitthei⸗ lungen“.) Die Behm⸗Wagnerschen Publikationen über die Be⸗ völkerung unseres Erdballs sind seit langer Zeit für Geographie und Statistik eine Hauptquelle. Das vorliegende, 132 Seiten Großquart umfassende Heft ist auch besonders reich an neuen Arealangaben. Neu eingefügt ist zum ersten Male ein Bericht über die Fortschritte der Bevölkerungsstatistik von J. C. F. Neßmann (Hamburg). Bislang waren diese Berichte in dem seit 1866 gewöhnlich in zweijährigen Zwischen

räumen erschienenen Bänden des Geographischen Jahrbuchs von E. Behm enthalten, haben aber nunmehr hier einen geeigneteren Platz erhalten. Professor Wagner, seit Septembe⸗ d. J. an Wappäus' Stelle in Göttingen, hat dem Hefte eine interessante vergleichende Zusammen⸗ stellung aller bis Anfang 1880 ausgeführten Volkszählungen beige⸗ geben. Welche Arbeit die geographische Statistik noch zu leisten hat, zeigt diese Uebersicht auf das deutlichste: die hier aufgezählten Volkszählungen, einschließlich Rußland, erstrecken sich in SUumma erst auf eine Zahl von 626 Millionen Bewohnern. Für mehr als die Hälfte der Menschenzahl ist man daber noch immer auf Schätzun

angewiesen. Nach Behm und Wagner beträgt die Bevölkerung der Erde etwa 1456 Millionen Bewohner und dieselbe vertheilt sich in folgender Weise: Europa 176 349,9 d. geogr. Qu.⸗Meilen 315 929 000 Bewohner, Asien 809 478 d. geogr. Qu.⸗Meilen 834 707 000 Be⸗ wohner, Afrika 543 187 d. geogr. Qu.⸗Meilen 205 679 000 Bewohner, Amerika 697 188,5 d. geogr. Qu.⸗Meilen 95 495 500 Bewohner, Austra⸗ lien und Polynesten 162 609 d. geogr. Qu.⸗Meilen 4 031 000 Bewohner, Polargebiete 82 091 d. geogr. Qu.⸗Meilen 82 000 Bewohner. Sonach ist die Durchschnittsbevölkerung für eine deutsche geographische Quadratmeile in Europa 1791, in Asten 1031, in Afrika 378, in Amerika 137 und in Australien 24. Die in den früheren Heften enthaltenen Arealangaben von Europa, Afrika, Amerika, Australien, Polynesien und den Polargebieten wurden aufs Neue einer Prüfung unterzogen, und die neuen Arealangaben beruhen größtentheils 9 ganz neuen planimetrischen Messungen. Zum ersten Male ist hierbei das reiche Material der britischen Admiralitätskarten verwerthet, sowohl hinsichtlich der Küstenstrecken der Kontinente als der Inseln. Die Frage nach der Vertheilung von Wasser und Land auf der Oberfläche, die vor Kurzem von Dr. O. Krümmel in seiner Schrift „Versuch einer Morphologie der Meeresräume“ aufs Neue angeregt wurde, ist dadurch einen bedeutenden Schritt der Lösung näher gerückt. Von Dänemark, Spanien, Portugal, Griechenland, Bosnien und Herzegowina, Peru, vielen Inseln, z. B. Neuseeland, Neucaledonien Sandwich⸗Inseln, Madeira sind die Resultate neuer Zählungen beigebracht. Von den meisten der genannten Länder sind außer den Zahlen für die Pro vinzen und die ganzen Staaten auch die für die Städte und sonstigen größeren Gemeinden aufgeführt. Besonderes Interesse verdient die Uebersicht der Ortsbevölkerung von Japan, da sie die erste überhaupt aufgestellte ist. Die seit dem Erscheinen des vorigen letzten Jahr⸗ gangs eingetretenen Grenzveränderungen sind möglichst gesammelt, nach dem Wortlaut der betreffenden Verträge und Erlasse mitgetheilt und in ihrem Einfluß auf die Veränderungen des Areals und der Volkszahl berücksichtigt. Erwähnt seien zum Schluß noch die „Ueber

sicht der Kolonien und auswärtigen Besitzungen europäischer Staaten und die Uebersicht der Städte der Erde mit mehr als 50000 Einwohnern“. Die beigegebenen oder in den Text eingefügten Karten veranschau⸗ lichen 1) die Länder, in welchen bisher wirkliche Volkszählungen stattfanden, von H. Wagner, 2) die Grenze zwischen Frankreich und Spanien in der Bai von Figuier und 3) die neue Grenze zwischen der Türkei und Griechenland nach dem Beschluß der Berliner Kon⸗ ferenz, Juni 1880, mit Angabe der Grenzen nach dem türkischen Vor⸗ schlag vom November 1879, nach dem griechischen Vorschlag vom he her 1879 und nach dem französischen Vorschlag vom Dezember

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Frankfurt a. M., 27. September. (W. T. B.) Der zweite Vereinstag der deutschen Landesvereine vom rothen Kreuz ist soeben unter der Theilnahme von Delegirten von de Vizepräsidenten des deutschen Centralcomités, Haß, eröffne und nachdem eine telegraphische Dankesäußerung an Ihre Majestät die Kaiserin und Königin beschlossen, Namens der preußischen Staatsregierung von dem Regierungspräsidenten v. Wurmb und Namens der Stadt Frankfurt von dem Ober⸗Bürgermeister Miauel begrüßt worden. Der Vereinstag wählte zum Präsidenten de Vize⸗Präsidenten des Centralcomités Haß (Berlin), zu Vize⸗Präsidenten den Vize⸗Präsidenten des bayerischen Landesvereins, Grafen Drexel (München), und den Präsidenten des Landesvereins im Königreich Sachsen, Frhrn. von Criegern (Dresden), zu Ehren⸗Präsidenten den Staats⸗Minister Dr. Friedenthal (Berlin) und den Geh. Rath

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Dr. Varrentrap (Frankfurt).

„London, 23. September. (Allg. Corr.) Römische Alter⸗ thümer auf der Insel Wight. Den historischen Reizen der Insel Wight ist neuerdings durch die Entdeckung einer römischen Villa auf Morten Farm unweit Brading ein neuer hinzugefügt worden. Die bloßgelegten Ueberreste haben bereits beträchtliches Interese unter Archäologen hervorgerufen, und einige derselben stellten dem Verein der Antiquare vor, daß weitere Aus⸗ grabungen unternommen werden sollten, um die ganze Aus⸗ dehnung des Gebäudes oder der Baulichkeiten kennen zu lernen, da bis jetzt nur ein Theil offengelegt ist. Das Verdienst der ersten Entdeckung der Villa gebührt Kapitän Therpe in Yarbridge bei Brading, dessen Bekanntschaft mit der Umgegend ihn zu Nachforschungen veranlaßte, die sich von großem Werthe erwiesen haben. Die äußeren Mauern messen, soweit sie bis jetzt sichtbar sind, 52 Fuß Länge bei 37 Fuß Breite und schließen sechs Zimmer mit Korridoren u. s. w. ein, die, wie anzunehmen ist, mit vielen anderen in Verbindung stehen. Außer einem getäfelten Fußboden, Ueberresten von Heizungsvorrichtungen, Rauchfängen, Freskogemälden, Dachsteinen, Münzen, Töpfergeschirr u. s. w. wurden auch die Reste eines Mosaikpflasters mit einer ungewöhnlichen Zeichnung darauf aufgefunden. Augenscheinlich bedecken die Ueberreste einen großen Flächenraum, dessen Oberfläche größtentheils für landwirthschaftliche Zwecke bebaut ist; doch ist Seitens Lady Oglander, der Eigenthüme⸗ rin der Besitzung, sowie von Mr. Cooper, dem gegenwärtigen Be⸗- wohner, alle Erleichterung für weitere Forschungen gewährt worden. Die Ausgrabungen sind daher vor einigen Tagen wieder aufgenom⸗ men worden, und schon ist ein werteres Gemach entdeckt, worin sich ein interessantes Mosaik befand, dessen Mittelstück die Figur des Orpheus, die Lyra spielend und von Thieren umgeben, bildet. Auch wurden dort Münzen gefunden, darunter etliche aus Messing aus der Regierungszeit des Victorinus vom J. 286. Die Entdeckungen sind von erhöhtem Interesse, da sie mit der Besetzung der Insel 8 durch die Römer im Zusammenhange stehen. Auch ist gesagt worden, das dunkle Haar urd die feurigen Augen der echten Eingebornen seien der italienischen Kolonisation zuzuschreiben. 8

Bern, 23. September. (Allg. Ztg.) „Stehen wir auf einem Vulkan?“ fragt der Freiburger „Chroniqueur.“ Dem Erdbeben, welches die Stadt Freiburg am Sonntag, Vormittags 11 Uhr, in Schrecken versetzte ist vorgestern Abends 8 Uhr weniger 10 Mi⸗ nuten noch ein zweites viel heftigeres und anhaltenderes gefolgt. Dasselbe machte sich mittelst starker doppelter, schnell aufeinander folgender Oscillationen von Nord⸗Ost nach Süd⸗West in der ganzen Stadt Freiburg und wohl auf 2 Stunden in ihrem Umkreise bemerkbar. Das unterirdische Getöse war jedoch dabei, wenn auch anhaltender, weniger heftig als am Sonntag. Mit diesem zweiten Erdbeben sollte es aber nicht vorbei sein, 1 ¼ Uhr nach Mitternacht folgte ein drittes, dann 3 ½ Uhr Morgens ein viertes und endlich gestern Abend 16 Uhr noch ein fünftes, von welchen das letzte das

heftigste war. Bis jetzt hat man glücklicherweise nur eingestürzte

Schornsteine, Mauerrisse und zerbrochenes Geschirr zu beklagen; nur ein geringes mehr aber hätte es bedurst, schreibt man von Freiburg.

um das Unglück unabsehbar zu machen. Hoffentlich wird Freiburg von weiteren Heimsuchungen befreit bleiben. Auch in der Umgebung Berns hat man am Dienstag Abend einen Erdstoß verspürt.

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