“ lager für Olivenöl, Bau⸗ und Nutzholz. — Großbritannien, Frank⸗
reich, Oesterreich⸗Ungarn, Rußland, Niederlande, Belgien, Itolien
und Griechenland; Deutsches Reich, Dänemark, Schweden und Nor⸗
wegen, Spanien, Portugal, Vereinigte Staaten von Amerifa, Chile und Japan: Vorschriften zur Verhütung des Zusammenstoßens der
Schiffe auf See. — Dänemark: Gesetz betreffend Maßregeln gegen die Einschleppung ansteckender Krankheiten in das Dänische Reich. — Berichte: Deutsches Reich: Nachweisung der Einnah⸗ men an Zöllen und gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern im Deutschen Reich für die Zeit vom 1. April 1880 bis zum Schlusse des Monats Oktoler 1880. — Schweden und Norwegen: Industrielle Zustände Norwegens. — Spanien: Bericht aus Manila über den Handel der
Philippinen im Jahre 1879. — Vereinigte Staaten von Amerika: — Gotha“; die Ausgabe des Hofkalenders in französischer Sprache; das Gräfliche
Uebersicht der Ausfuhr nach den Vereinigten Staaten aus dem Be⸗ zirk des General⸗Konsulats zu Frankfurt a. M. für das mit dem 30. September 1880 beendete Jahr. — Brasilien: Handelsbericht aus Rio Grande do Sul für 18è79. — Venezuela: Handelsbericht aus Laguaira für 1879.
Reichstags⸗Angelegenheiten.
Altenburg, 13. Dezember. (W. T. B.) Reichstags⸗ Stichwahl. Fur den fortschrittlichen Kandidaten Kämpffer wur⸗ den bei der heute Mittag abgeschlossenen Zählun; 12 283 Stimmen gezählt, der Kandidat der Nationalliberalen, Juftiz⸗Rath Große, erhielt 8963 Stimmen. Der Erstere ist sonach gewählt.
Kunst, Wissenschaft und Literarur⸗ Der Professor des römischen Rechts an der hiesigen Universität, Geheimer Justiz⸗Rath Dr. Georg Bruns, ist am 10. d. M. plötzlich an einer Lungenentzündung gestorben.
Gewerbe und Handel.
Die im Verlage von Fr. Kortkampf; in Berlin erscheinenden amtlichen Mittheilungen aus den Jahresberichten der mit Beaufsichtigung der Fabriken betrauten Beamten sind in dem soeben ausgegebenen Jahrgang 1879 bereits zu zwei stattlichen Bänden angewachsen. Der erste derselben enthält die Berichte aus Preußen, der zweite diejenigen aus den übrigen Bundesstaaten. Wir werden aus den Berichten Auszüge mittheilen.
— Die von der hiesigen Firma Sternberg & Co. im August dieses Jahres übernommene 4 proz. Karlsruher Anleihe von 2 Millionen Mark wird am 15. und 16. Dezember bei der Effekten⸗
aßfe der Firma zur Subskription aufgelegt. Die Zins⸗ und Kapitalszahlung der Anleihe erfolgt außer in Karlsruhe auch in Berlin und in Frantfurt a. M. Die Zinszahlung der größeren (1000 ℳ) Abschnitte ist eine vierteljährliche. Die Rückzahlung erfolgt innerhalb 42. Jahren. (Siehe Ins.)
— Die Geschäftserträgnisse der Nürnberger Aktien⸗ Bierbrauerei (vorm. Heinr. Henninger) für das Jahr 1879/80 ergeben sich aus folgenden Daten des Gewinn⸗ und Verlust⸗Kontos. Die Aktiven stehen am 30. September cr. wie folgt zu Buche:
Immebilien und Neubanten 3 553 262 ℳ (Abschreibung der Neu-⸗
bauten und Abschreibung der Amortisation 41 199 ℳ), Mobilien 932 716 ℳ, Bestand an Wechseln, Kassa, Effekten 156 868 ℳ, Debitoren 420 642 ℳ, Vorräthe an Malz, Gerste, Hopfen, Bier ꝛc. 498 040 ℳ, während die Passiven sich aus folgenden Posten zusam⸗ menstellen: Aktiepkapital⸗Konto 3 900 000 ℳ, Hypotheken⸗Konto 1 200 000 ℳ, ab Amortisation 1 050 870 ℳ, diverse Kredi⸗ toren 233 483 ℳ, Arbeiter⸗Unterstützungs⸗Konto 3738 ℳ, Re⸗ serrvefonds 79 377 ℳ (Zunahme dieses Jahres 15 416 ℳ), Tan⸗ tièmen⸗Konto 34 436 ℳ, Dividenden⸗Konto 254 640 ℳ, Uebertrag auf das Jahr 1880/81 4985 ℳ Die Gewinne resultiren aus: Vor⸗ trag vom letzten Abschluß 14 488 ℳ, Bier Konto 715 315 ℳ, Malz⸗ keim⸗ und Treber⸗Konto 61 342 ℳ, Interessen⸗Konto 8218 ℳ, wäh⸗ rend die Ausgaben folgende Summen erforderten: Abschreibungs⸗ Konto 97 072 ℳ, Reparaturen⸗Konto 77 346 ℳ, Hypothekenzinsen⸗ Konto 57 660 ℳ, Handlungsunkosten⸗Konto 87 292 ℳ, Betriebs⸗ unkoften⸗Konto 171 655 ℳ, Reservefond⸗Konto 15 416 ℳ, Tantièmen⸗ Konto 34 436 ℳ, Dividenden⸗Konto 253 500 ℳ, Vortrag für 1880/81 4985 ℳ Die Bilanz saldirt sich mit 5 561 531 ℳ — Der Geschäfts⸗ bericht konstatirt einen guten Fortgang des Unternehmens, so daß den Aktionären wiederum eine Dividende von 6 ½ % zufließen kann. Im vergangenen Jahre sind 10 056 hl mehr als im Vorjahre zum Ver⸗ kauf gelangt. In den Abschreibungen die jetzt den Betrag von 688 022 ℳ erreichen, sind die bisherigen Normen beibehalten und dem Reservefond (gegenwärtig 79 377 ℳ), gleich wie im Vorjahre, 5 % überwiesen worben. Die Außenstände betrugen am 30. Sep⸗ tember 420 642 ℳ und die Bestände an Vorräthen, Bier, Hopfen ꝛc.
498 040 ℳ
Nürnberg, 9. Dezember. (Hopfenmarktbericht von Leopold Held.) Während der letzten Tage hat sich das Hopfen⸗ geschäft am hiesigen Platze in keiner Weise verändert; die Tendenz des Marktes ist sehr fest, und die Preise sind größtentheils die frühe⸗ ren, bei Primawaare jedoch höher. Die Zufuhren sind gering und finden nach Ankunft stets schlanken Absatz. Umsatz gestern und heute ca. 800 Ballen. Notirungen lauten: Marktwaare, prima 110 — 120 ℳ, mittel 75 — 95 ℳ; Gebirgshopfen 120 — 140 ℳ; Hallertauer prima 110 — 130 ℳ, mittel 75 — 85 ℳ; sekunda 65 — 75 ℳ: Spalter 115— 170 ℳ; Aischgründer 80 — 120 ℳ; Württemberger, prima 125 — 145 ℳ, mittel 85 — 95 ℳ; Elsässer, prima 110 — 125 ℳ, mittel 75 bis 90 ℳ, gering 65 — 70 ℳ; Badischer 75 — 125 ℳ; Polnischer, 90 — 150 ℳ
London, 10. Dezember. (Allg. Corr.) Die Brookfield Cotton⸗Mill in Stockport brannte am Donnerstag Morgen gänzlich nieder. Die Spinnerei enthielt 30,000 Spindeln, und der angerichtete Schaden beträgt 30 000 Pfd. Sterl., ist jedoch durch Versicherung gedeckt. Ueber 400 Personen sind durch das Brand⸗ unglück arbeitslos geworden.
Glasgow, 11. Dezember. (W. T. B.) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores belaufen sich auf 489 800 Tons gegen 401 800 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betrieb befindlichen
4
Hochöfen 121, gegen 100 im vorigen Jahre. 8
Verkehrs⸗Anstalten. Plymouth, 11. Dezember. (W. T. B.) Der Hamburger Postdampfer „Thuringia“ ist hier angekommen. New⸗York, 11. Dezember. (W. T. B.) Der Dampfer „France“ von der National⸗Dampfschiffs⸗Compagnie (C. Messingsche Linic) ist hier eingetroffen. b
Berlin, 13. Dezember 1880.
Bei der Hofjagd im Grunewald am 11. d. M. sind in einem eingestellten Jagen auf Dammwild 88 Schaufler und Spießer, 241 Stück Dammwild und 1 Fuchs gestreckt worden. “
Davon erlegten: 1“
Se. Majestät der Kaiser und König 21 Schaufler, 29 Stück Dammwild und 1 Fuchs,
Se. Majestät der König von Sachsen 15 Schaufler und 23 Stück Dammwild,
Se. Kaiserliche Hoheit der Kronprinz 4 Schaufler und 7 Stück Dammwild,
Se. Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm 4 Schaufler und 9 Stück Dammwild,
Se. Königliche Hoheit der Prinz Carl 5 Schaufler und G aanarncl, heit der Prinz G Sachs
Se. Königliche Hoheit der Prinz Georg von Sachsen 3 Schaufler und 12 Stück Dammwild, 8
Jagdschloß Grunewald.
Hofämtern und
am Kap von
Se. Königliche Hoheit der Prinz August von Württem⸗ berg 10 Stück Dammwild,
Se. Königliche Hoheit der Erbgroßherzog von Mecklen⸗ burg⸗Schwerin 2 Schaufler und 4 Stück Dammwild. 3
Morgen, Dienstag, den 14. Dezember, findet Königliche Parforcejagd statt. Rendez⸗vous: Mittags 1 Uhr zu
Von den im Verlage von Justus Perthes erscheinenden Gothaischen Genealogischen Jahrbüchern ist in diesen Tagen der Jahrgang 1881 ausgegeben worden. Wie in früheren Jahren sind es wieder 4 Bände: der Hofkalender; der „Almanach de
Taschenbuch und das Freiherrliche Taschenbuch. Diese Jahrbücher genießen von Alters her eines wohlerworbenen Rufes als durchaus zuverlässige Nachschlagebücher, welche neben den genealogischen Angaben eine Fülle aus den besten Qnellen ge⸗ schöpften statistischen Materials bieten und dadurch für weite Kreise von großem Nutzen sind. — Der Hofkalenoder, welcher in seinem 118. Jahrgange erscheint, bietet in seinem diplomatischen Theile im Vergleiche mit mehreren anderen Ausgaben der letzten zehn Jahre nur wenig wichtige Veränderungen, doch sind in Großbritannien und Frankreich und auch im Deutschen Reiche Neubesetzungen in den höchsten Be⸗ hörden zu verzeichnen gewesen. In Großbritlannien zog der Wechsel des Ministeriums auch einen Wechsel in den höchsten in vielen Staatsämtern nach sich und ward kriegerischen Vorgänge in Centralasien und zahlreichen Veränderungen in den höheren Militärbehörden begleitet. In Frankreich hatte gleichfalls ein peuernanntes Ministerium zahlreiche Neubesetzungen der Ministerial⸗ und anderen Stellen im Gefolge, sowie mehrfache Ver⸗ änderungen im diplomatischen und Konsular⸗Corps. Auch in Ruß⸗ land haben tiefgreifende Umwandlungen in der Organisation der höchsten Behörden und in der Personalbesetzung stattgefunden. Was den statistischen Theil des Hofkalenders betrifft, so enthält der vor⸗ liegende Jahrgang nur wenig von Ergebnissen neuer Volkszählungen, weil in den meisten europäischen Staaten erst Ende 1880, in dem ganzen britischen Reiche in den ersten Monaten des Jahres 1881 neue Zählungen vorgenommen werden, der Census der Vereinigten Staaten von Amerika vom 30. Juni 1880 aber in seinen Resultaten voch richt benutzbar war. Somit konnten diesmal nur die Zählungen in Serbien von 1878, in Bosnien von 1879, in Ost⸗Rumelien von 1879, in Dänemark vom Februar 1880 und in Liechtenstein vom März 1880 als neu aufgeführt werden, wo⸗ gegen Berechnungen der Bevölkerung für die letzten Jahre aus einer größeren Anzahl Länder benutzt sind, so aus Oesterreich⸗Ungarn, Bel⸗ gien, den Niederlanden und ihren Kolonien, der Schweiz, Schweden, Finnland, Großbritannien und seinen Kolonien, der Türkei, Mon⸗ tenegro, Samos, Japan, für welches auch zum ersten Male eine vollständige Liste der größeren Städte gegeben worden ist, ferner aus Algerien und den französischen Ko onien, zu denen auch Tahiti 1880 hinzugekommen ist, endlich aus Mexiko und Uruguay. Die statistischen Nachrichten über die Streitkräfte der verschiedenen Staaten sind größtentheils bis auf die neueste Zeit fortgeführt worden. In dem der Finanz⸗ und Han⸗ delsstatistik gewidmeten Abschnitte liefert der Kalender für die Mehr⸗ zahl der Staaten neue Mittheilungen, sowie eine vergleichende tabel⸗ larische Uebersicht der Schuldverhältnisse der uropäischen und einiger anderer Länder. Die Anordnung des Inhalts ist die gleiche, wie in den früheren Jahrgängen. Aus dem Verzeichniß regie⸗ render Fürsten nach dem Lebensalter geht hervor, daß gegenwärtig weitaus der älteste derselben der Deutsche Kaiser ist, der dem Alter zunächst folgende regierende Fürst, Herzog Wilhelm von Braunschweig (geb. 25. April 1806) ist um fast 9 Jahre jünger. Der jüngste regierende Fürst ist der König Alfons XII. von Spanien (geb. 28. November 1857). Am längsten an der Regierung ist von allen regierenden Fürsten der Kaiser Pedro II. von Brasilien, der am 7. April 1831 zur Regierung gekommen. Ihm zunächst steht wieder als zweiter in der Reihe, der Herzog Wilhelm von Braun⸗ schweig, der vom 20. April 1831 regiert. Die Königin Victoria von Großbritannien steht in Bezug auf die Regierungsdauer an dritter Stelle. Zuletzt zur Regierung gekommen, nämlich am 17. Julil 880, ist der Fürst Carl von Schwarzburg⸗Sondershausen. — Die äußere Ausstattung sowohl des Hofkalenders wie auch der genea⸗ logischen Taschenbücher zeichnet sich in gleicher Weise, wie die frü⸗ heren Jahrgänge durch gutes Papier, sauberen Druck, wie durch ge⸗ fälligen Einband aus. An bildlichem Schmuck bringt der Hof⸗ kalender diermal die Porträts: der Prinzessin Auguste Victoria zu Schleswig⸗Holstein, der Prinzessin Stephanie, Toch er des Königs der Belgier, des Fürsten Carl Egon zu Fürstenberg und des Rt. Hon. W. E. Gladstone, Ersten Lord des Schatzes und Kanzler der Schatzkammer des britischen Reiches. — Die französische Ausgabe des Hofkalenders der „Almanach de Gotha schließt sich genau an die deutsche Ausgabe an.
Das Genealogische Taschenbuch der Gräflichen Häuser, welches in seinem 54. Jahrgange vorliegt, ist in der Weise der früheren Jahrgänge fortgeführt, und der erforderlichen Revision resp. Erneuerung unterzogen worden. Die eingetretenen Erweiterungen be⸗ treffen zunächst die neu aufgenommenen Familienartikel: Altenkirchen, Bose, Dobkensky von Dobkenitz, Kirchbach, Véesey von Hajnäcskeö und Zelenski. Alsdann sind die ausgeschiedenen, in Rücksicht der Raum⸗ ökonomie alljährlich wechselnden, historisch genealogischen und heral⸗ dischen Mittheilungen durch neue Materialien ersetzt worden, welche zur Förderung der Geschichts⸗ und Wappenkunde der Gräklichen Geschlechter dienen. Als Titelschmuck enthält das Gräfliche Taschen⸗ buch das Bildniß des Königlich preußischen Kammerherrn Julius Grafen von Oeynhausen.
Das Genealogische Taschenbuch der Freiherrlichen Häuser erscheint in seinem 31. Jahrgange. Hier haben von den seither dar⸗ gestellten Freiherrlichen Genealogien diejenigen eine Erneuerung ge⸗ funden, welche nicht in der letzten Ausgabe des Taschenbuches zur speziellen Aufführung gelangt sind. An diese reihen sich an die Ar⸗ tikel über 13 ganz neu aufgenommene Familien, sowie eine Anzahl der vorjährigen Artikel. bei denen zum Theil Zusätze und Abände⸗ rungen erforderlich waren. Somit ergänzen der 31. und 30. Jahr⸗ gang sich gegenseitig. Als Titelbild ist dem Freiherrlichen Taschen⸗ buch das Porträt des K. K. Wirklichen Geheimen Rathes und Mi⸗ nisters des Kaiserlichen Hauses und der Auswärtigen Angelegenheiten Heinrich Freiherrn von Haymerle beigegeben.
in Folge der
Die Archäologische Gesellschaft feierte am 8. d. ihr Winckelmannsfest unter Vorsitz des Professor Curtius. Der⸗ selbe gedachte in der einleitenden Ansprache der im Laufe des Jahres verstorbenen Mitglieder, vamentlich des Proffessors Nitzsch und des Ober⸗Hosbauraths Strack. Von dem letzteren war eine Auswahl seiner auf antike Denkmäler bezüglichen Zeichnungen ausgestellt, eine farbige Restauration des Löwenthors in Mycene und des platäischen Derkmals, sowie die Oeiginal⸗ entwürfe zu einer neuen Ausgabe des griechischen Theaters. Ausgestellt war auch eine anschauliche Reliefkarte von Athen, welche der Bildhauer Walcher gemacht hat. Die Vorträge eröffnete ein an die Gesellschaft gerichteter Brief des Hrn. Dr. Humann, worin dieser über seine Entdeckungen auf dem Sipylosgebirge oberhalb Magnesia berichtet. Dr. A. Milchöfer erstattete Bericht über seine Untersuchungen auf dem Boden von Korinth und die Fundstätten der bemalten Täfelchen, von denen einige Proben vorlagen. Professor Rubert besprach ein apulisches Vasenbild; Professor Mommsen eine in Venedig vor Kurzem wieder⸗ gefundene Inschrift, auf den römischen Census in Syrien bezüglich. Hr. Rath Kaupert besprach seine eben vollendete Wandkarte von
Olvympia und Prof. Curtins sprach zum Schluß über den daselbst
gefundenen bemalten Heroenaltar, von dem eine farbige Stizze des
Architekten Gräf vorlag.
Verein für Geschichte der Mark Brandenburg. Sitzung vom 8. Dezember. Hr. Oberlehrer E. Fischer kam noch einmal auf den jüngst viel besprochenen Runenstein von izeusderf bei Züllichau zurück, indem er als das Ergebniß der ange⸗ tellten Untersuchungen die Thatsache mittheilte, daß hier nicht alte Runen, sondern schlecht gemeißelte hebräische Buchstaben vorliegen, mit denen Jemand vor etwa 20 Jahren Scherzes halber den Namen des benachbarten Vorwerkes Runenthal auf einen großen, leicht ver⸗ witternden Stein gesetzt hat.
Hr. Schulvorsteher Budczies las eine bisher ungedruckte Urkunde vom Jahre 1434, in welcher der Magistrat von Fürstenberg dem Peter Bamme ein Leumundszeugniß behufs seiner Aufnahme in die Gewandschneidergilde zu Frankfurt a. d. O. ausrellt; der Empfohlene, dessen Familie hin und wieder in der Mark mit rittermäßigem Be⸗ sitze auftritt, hatte es in wenigen Jahren bereits zum Bürgermeister von Frankfurt gebracht. — Hr. Budczies legte ferner das Stamm⸗ buch des Franz von Domsdorf, eines Mitgliedes der auch in der Mark begüterten Familie dieses Namens, vor. Dasselbe gehört dem Ende des 16. Jahrhunderts an und ist ebenso durch seine Wappen⸗ bilder wie durch das Itinerarium der von dem Eigenthümer gemachten Reisen und durch eine große Anzahl von Autographen bedeutender Männer merkmwürdig, unter denen Fürsten, wie Johann Georg von Brandenburg und der Kurfürst von Sachsen, märkische Edelleute aus den Geschlechtern der Arnim, Alvensleben Schulenburg u. s. w., namentlich aber auch hervorragende Gelehrte vertreten sind, wie Mercator, Johann Fischart, Theodor Beza, Nicodemus Frischlin u. A.
Die Korrespondenz durch die beliebten Postkarten hat die Un⸗ annehmlichkeit, daß die darauf geschriebenen Mittheilungen auch von Unberufenen, namentlich den Dienstboten, gelesen werden. Eine Sicherung hiergegen bietet ein neu erfundener kleiner Apparat, der unter dem Namen „Geheim⸗Stephan“ hier in den Handel ge⸗ bracht ist.
Die Einrichtung desselben besteht im Wesentlichen aus einer mit Einschnitten versehenen Metallschablone, welche, auf eine Postkarte gelegt, 12 offene Felder bietet, um darauf zu schreiben. Aendert man die Lage der Schablone, was 4 mal verschieden geschehen kann, so entstehen immer wieder neue Felder zur Aufnahme der Schrift. Ist die Karte angefüllt, so zeigt sie dem Auge ein buntes Durcheinander ron Worten, das ohne Mühe nur der zu entziffern vermag, welcher sich im Besitz desselben Schlüssels befindet; es müssen also immer 2 Personen, welche in dieser Weise mit einander korrespondiren wollen, den gleichen Schlüssel, welcher in hundert und mehr Variationen angefertigt wird, besitzen. — Die Idee wie die saubere Ausführung der kleinen Mappe verdient volle Anerkennung, und eignet sich die letztere besonders zum Weihnachtsgeschenk. Der Ver⸗ trieb des „Geheim⸗Stephan“ erfolgt durch die Firma J. Pignol, Berlin, Lindenstraße 16. 8
Literarische Neuigkeiten und periodische Schriften.
Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes. 1880. 9. Heft — Inhalt: I. Angelegen⸗ heiten des Vereins: Fehlen. — II. Abhandlungen: Sachliche Wür⸗ digung der in Deutschland erltheilten Patente. IX. Klasse 31. Gießerei und Formerei. Von Emil Blum, Direktor der Berlin⸗ Anhaltischen Maschinenbau⸗Aktiengesellschaft zu Berlin⸗Moabit. — Massenbrennpunkte und involutorische Massenpunktreihen des Centri⸗ e Von Dr. K. L. Schadwill in Berlin. (Mit 3 Figuren⸗ afeln.)
Zeitschrift für Forst⸗ und Jagdwesen. Zugleich Organ für forstliches Versuchswesen. Herausgegeben in Verbindung mit den Lehrern der Forstakademie zu Eberswalde, sowie nach amtlichen Mit⸗ theilungen von Dr jur. B. Danckelmann, Kgl. preuß. Ober⸗Forstmeister und Direktor der Forstakademie zu Eberswalde. 12. Jahrg. 1880. 12. Heft. Dezember. Berlin. Verlag von Jul. Springer. — Inhalt: Abhandlungen: Das Forsteinrichtungsverfahren in Würt⸗ temberg. Vom Ober Forstrath von Dorrer in Stuttgart. — Eine kaukasische Taxation. Non Wilh. Keßler. — Mittherlungen: Die Ziele der Forstwirthschaft. Entgegnung vom Forstmeister Wagener in Castell. — Die achte Versammlung des Hessischen Forstvereins zu Fulda. Vom Oberf⸗Kand. L. Hebel. — Bericht über die IV. Ver⸗ sammlung des estländischen Forstvereins. — Ueber die forstlichen Verhältnisse Griechenlands. Von A. Riedel. — Kieferninsekten auf einer Brandfläche. Von Prof. Altum in Eberswalde. — Statistik: Nachweisung der in dem Zeitraume vom 1. August 1878 bis zum 13. Juli 1879 im preußischen Staate ausgegebenen Jagdscheine. Von O. Mundt. — Literatur: Die forstlichen Verhältnisse Württembergs. Berichterstatter Dr. B. Danckelmann. — Uebersicht der forstlich be⸗ achtenswerthen Literatur. — Notizen.
Social⸗Correspondenz (herausgegeben von Dr. Victor Böhmert und Arthur von Studnitz in Dresden.) Allgemeine Aus⸗ gabe. Nr. 48. — Inhalt: Die Versammlung deutscher Armenpfleger in Berlin. — Obligatorische Unfallversicherung. — Die Volkskraft und die Volksernährung in der Schweiz. — Deutsche und ameri⸗ kin Se Arbeit. — Für die unglücklichsten aller Frauen. — Arbeits⸗ markt.
Das Schiff, Wochenschrift für die gesammten Interessen der Binnenschiffahrt (viertell. 2 ℳ) — Dresden. Ner. 35. — Inhalt: Aktenstücke. — Das Eiserne Thor. — Regulirung des Pregel nebst Deime und Alle. — Ein Brief von Justus von Liebig über die Selbstentzündung von Steinkohlenladungen. — Einstellung der Kettenschiffahrt auf der Saale. — Wintergefahren auf der Elbe. — Tiefenmessung der baͤyerischen Donau. — Ungarische Donau⸗Re⸗ gulirung. — Häfen. — Wasserbau. — Kanalprojekte. — Schiffbau. — Schiffahrtsbetrieb. — Strombereisung. — Personenschiffahrt. — Schifferschulen. — Entscheidungen — Verurtheilungen. — Notizen. — Personalien. — Unfälle. — Geschäftsberichte. — Vom Frachten⸗ markt. — Neue Schiffahrtslinieag. — Verkehrshemmungen. — Sub⸗ missionen. — Zuschriften. — Wasserstand. — Course. — Inserate.
Hannoversche Monatsschrift „Wider die Nahrungs⸗ fälscher“, Organ des Untersuchungsamtes für Lebensmittel ꝛc. in Hannover. Verlag der Helwingschen Verlagsbuchhandlung in Han⸗ nover. Heft 12. III. Jahrg. Dezember. Inhalt: Die Bierpression mittels tropfbar⸗flüssiger Kohlensäure, von Dr. W. Raydt. — Die Prüfung des Petroleums, von Dr. J. Skalweit. — Der Schwefel⸗ säuregehalt der Weine, von Dr. Kavser. — Errichtung von Lehrstühlen für Hygieine. — Nutzen des Honigs. — Bericht von Kiel. — Be⸗ richt von Bielefeld. — Bericht von Osnabrück. — Bericht von Han⸗ nover. — Vermischtes: Zunahme der Gesundheitsämter in den Ver⸗ einigten Staaten. — Erkennung von künstlich zugefügter Zucker⸗ conleur im Biere. — Verfügung über Bayrisches Bier. — Straß⸗ burger Gypsbollchen. — Verfälschung der Butter. — Literatur: Die Praxis des Nahrungsmittel⸗Chemikers, von Dr. F. Elsner. — Der Fleischbeschauer. — Jahresbericht der chemischen Centralstelle für öffentliche Gesundheitspflege, von Dr. H. Fleck. — Lehrbuch der hygieinischen Untersuchungsmethoden, von Dr. C. Flügge.
Der Bär, Illustrirte Berliner Wochenschrift. Eine Chronik fürs Haus. Herausgegeben von Ernst Friedel und Emil Domintt. Verlag von Gebrüder Paetel in Berlin. VII. Jahrgang. Nr. 10. — Inhalt: Lottchen Lindholz. Eine Berlinische Geschichte aus dem 17. Jahrhundert, von Ludovica Hesekiel (Fortsetzung). — An der Fischerbrücke (hierzu Abbildung). — Ein Hofmann des 18. Jahr⸗ hunderts, von Georg Horn (Schluß). — Insel Scharfenberg, von Leo Alfiecri (mit Illustration von G. Theuerkauf). — Julius Wolff (hierzu Gedicht in Facsimiledruck). — Briefkasten.
Redacteur: Riedel.
Verlag der Expedition (Kessel). Druck! W. Elsne . “ Vier Beilagen 8 einschließlich Börsen⸗Beilage).
möge.
Arbeitskräften gegeizt habe.
Erste Beilage
2*
Berlin, Montag, den 13. Dezember
gs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen S ger.
1884
Nichtamtliches.
Preußen. Berlin, 13. Dezember. In der vor⸗
gestrigen (25.) Sitzung setzte das Haus der Abgeord⸗
neten die zweite Berathung des Staatshaushalts⸗ Etats pro 1881/82 mit der Diskussion des Etats des Mini⸗ steriums der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗ angelegenheiten, dauernde Ausgaben (Kap. 115— 126), fort. Vor Eintritt in die Tagesordnung erklärte der Abg. Kieschke eine Pflicht dem Hause gegenüber erfüllen zu müssen, indem er heute auf einige Aeußerungen zurückkomme, die am Freitag während seiner Anwesenheit über seine Thätigkeit als Beamter der Deutschen Baugesellschaft gefallen seien, und auf die er sofort etwas zu erwidern, nicht in der Lage gewesen sei. Er erfülle diese Pflicht, weil er glaube, daß seine rein sachlichen Bemerkungen auch wohl dazu beitragen könnten, im Allgemeinen das Urtheil etwas zu klären. Er sei Ober⸗Bürgermeister in Königsberg gewesen und hier in Berlin anwesend gewesen, als ihm 1872 der Vorschlag gemacht sei, an die Spitze einer Gesellschaft zu treten, und zwar als Vorstandsmitglied. Die Verhand⸗ lungen habe mit ihm der Kommerzien⸗Rath Delbrück, damals wie heute eines der geehrtesten und geach⸗ tetsten Mitglieder der hiesigen Kaufmannschaft, geführt und er sei in den Vorstand der Deutschen Baugesellschaft einge⸗ treten. Wenn man neulich das Wort „Beamter“ gebraucht habe, so sei das vollständig korrekt, denn in der That sei er als einer der Direktoren der Gesellschaft eben nur Beamter der Ge⸗ sellschaft gewesen. Diese Gesellschaft habe sich nicht die Auf⸗ gabe gestellt gehabt, gewöhnliche Grundstückspekulationen zu machen, ihr Hauptzweck sei gewesen, gemeinnützige Anstalten ins Leben zu rufen und für Berlin Markthallen zu projek⸗ tiren. Diese ihre Beschränkung auf derartige Urstterneh⸗ mungen und ihr völliger Verzicht auf jede Art von Geld⸗ und Bankgeschäften habe die Gesellschaft nothwendig dahin geführt, da sie vorläufig mit einem Kapitale von 13 ½ Mil⸗ lionen gearbeitet habe, sich mit irgend einem Geldinstitute zu verbinden, welches in laufender Rechnung ihre Fonds einge⸗ nommen und ausgegeben habe. Dies sei die Veranlassung ge⸗ wesen, weshalb er dem Berliner Bankverein als Aufsichtsrath zugesellt sei, der die Geldgeschäfte für die Deutsche Baugesell⸗ schaft übernommen habe. Er habe bis dahin icht einmal den Namen dieses Bankvereins gekannt. Aber zur Kenn⸗ zeichunung des Instituts bemerke er, daß, als 1875 dessen Liquidation beschlossen sei, weil der Inhaber für ein großes Bankhaus damals und für die nächst⸗ folgenden Jahre kaum noch ein hineichendes Feld der Wirk⸗ samkeit zu finden gemeint hätten, etwa 100 Prozent hätten herausgezahlt werden können, — das Institut sei also ein vollkommen solides gewesen. Die Deutsche Baugesellschaft habe damals projektirt, Berlin mit Markthallen zu versehen und zwar in großem Maßstabe, wie die Pariser, und habe von vorn⸗ Presa die Absicht gehabt, 8 dergleichen einzurichten. Die Projekte, der Ankauf der Grundstücke, seien in vollkommenem Einverständniß mit dem Polizei⸗Präsidium geschehen, an dessen Spitze damals Präsident von Wurmb gestanden habe, der sich für die Sache interessirt und sie für eine wohlthätige gehalten habe. Demnächst seien die Verhandlungen mit dem Magistrat und den Stadtverordneten geführt. Es säßen hier im Hause selbst Personen genug, die mit dem Sach⸗ verhältniß vollkommen vertraut seien. Die Projekte seien aber nicht ausgeführt, weil Herr von Wurmb 1872 versetzt sei und sein Nachfolger, der gegen⸗ wärtige Polizeipräsident, anderer Ansicht gewesen sei, das In⸗ stitut nicht für ein gemeinnütziges gehalten habe und der Mei⸗ nung gewesen sei, daß, wenn es überhaupt ausgeführt werden solle, es nur von der Kommune als solcher in die Hand ge⸗ nommen werden solle. Es sei darüber sogar, um die Sache als völlig regelrecht erscheinen zu lassen, ein Staatsministerial⸗ beschluß gefaßt worden, und die Gesellschaft sei also genöthigt gewesen, dies Projekt aufzugeben. Es habe sich somit bei der Gesellschaft, der er damals im Vorstand an⸗ durchaus um nichts gehandelt, was in irgend welcher Weise einen Flecken auf diejenigen, die sich damit beschäftigt hätten, hätte werfen können. s den Kaiserhof anbetreffe, so könne er sagen, daß die Aktien erst im Jahre 1880 an die Börse gebracht worden seien, und daß er niemals dem Vorstand oder Aufsichtsrath angehört habe. Er habe allerdings im Interesse derjenigen Herren, welche die Sache zur Ausführung gebracht, verschiedene Verhandlungen, aber lediglich um der Sache selbst willen, ge⸗ führt. Da nun aber auch das Finanzielle der Unternehmungen in die Diskussion, die hier stattgefunden habe, gezogen sei, so wolle er erklären: er habe während seiner Wirksamkeit bei⸗ der Deutschen Baugesellschaft außer seiner Kaution, die er habe hinterlegen müssen, niemals eine Aktie besessen und habe mit Ausnahme dessen, was ihm vertragsmäßig zugestanden habe, niemals etwas als Extrahonorirung erhalten. Vom Kaiserhof habe er niemals eine Aktie besessen und niemals einen Pfennig aus der Kasse dieser Gesellschaft erhal⸗ ten, unter welchem Namen dies auch immer genannt werden Auf die Aeußerungen, welche am Freitag in Bezug auf die Preußische Immobilienbank gemacht worden seien, könne er nur erwidern, daß genannte Bank erst in diesem Jahre ins Leben getreten sei. Er glaube, daß er sich auf diese sachlichen Ausführungen beschränken könne. Wenn man sonst Seitenblicke auf seine Thätigkeit geworfen habe, so könne er sich auf sehr viele in diesem Hause berufen, die sehr wohl wüßten, daß er in seinem ganzen Leben niemals mit Wenn man hätte nachsuchen wollen, wo er überall thätig betheiligt gewesen sei, wenn es sich darum gehandelt habe, etwas Nützliches ins Werk u setzen, so hätte man ganz andere Dinge heraus⸗ nden können, von dem Augenblick an, wo er in Königs⸗ berg einen Hypothekenmarkt ins Leben gerufen habe, um dem Grundkredit aufzuhelfen, — eine Sache, die allerdings nicht von Bestand gewesen sei, die aber Niemand einen Pfennig, sondern nur denen, die sich dafür interessirt hätten, Zeit, Mühe und Arbeit gekostet habe — bis zu dem Zeitpunkt, wo er vor 3 Jahren an
gehört habe,
die Spitze des Vereins für die Rübenzuckerindustrie des Deutschen Reichs getreten sei. Solche Dinge möge man in Gottes Namen anführen, zur Unehre würden sie ihm aber nicht gereichen. Die⸗ jenigen, welche eine solche Debatte herbeigeführt hätten, hätten in der That wohl wenig Vorstellung davon, welchen Eindruck sie machten auf Jemand, der genöthigt sei, also belastet, in öffent⸗ licher Versammlung aufzutreten, wo er wisse, daß alle Augen sich auf ihn richteten, in den Kreis seiner Freunde, auf deren mitleidiges Wohlwollen er angewiesen sei, in den Kreis seiner Kinder zu treten, denen er wenig mehr als den guten Namen zu hinterlassen habe. Unter diesen Umständen sei er genöthigt gewesen, hier zu sprechen, und werde er Jedem in diesem Hause, der von diesen seinen Erklärungen etwa noch nicht befriedigt sein sollte, in jeder Beziehung zu Diensten stehen. Dem gestrigen Redner antworte er aber nicht mehr.
Der Abg. von Ludwig bat ums Wort, um dem Vor⸗ redner zu antworten.
Der Präsident von Köller erwiderte, dazu könne er dem Abg. von Ludwig das Wort nicht geben. Er habe gestern ausdrücklich gesagt, die angeregte Debatte gehöre nicht zum Etat; er würde aber eine Ausnahme machen, weil von ver⸗ schiedenen Seiten aus dem Hause der Wunsch zu erkennen gegeben sei, die Sache zu erledigen. Das Haus sei es sich und dem Lande schuldig, jetzt den Staatshaushaltsetat weiter zu berathen, und er verweigere, dem Abg. von Ludwig in dieser Angelegenheit das Wort zu geben.
Darauf setzte das Haus die zweite Berathung des Etats fort. Zu Kap. 115 des Ordinariums (Bisthümer und die dazu gehörigen Institute 1 254 261 ℳ) bewerkte der Abg. Dr. Windthorst, er müsse zu seinem Bedauern nach den Aus⸗ führungen des Ministers annehmen, daß die Regierung von ihrer Befugniß, das Sperrgesetz zu beseitigen, keinen Gebrauch machen wolle. Der Minister sage, das Sperrgesetz sei nicht da, um einen Druck auszuüben, sondern blos um die Würde des Staates im Kampfe zu wahren, er wisse aber nicht, was der Minister unter „Würde des Staates“ verstehe. Der Staat sei dazu da, Allen gleiches Recht zu geben; das sei seine Würde, thue verselbe dies nicht, so handele derselbe würdelos; nun hätten aber die Katholiken auf die ihnen gegebenen Leistungen wohlerworbene Rechte, und erfülle man diese Leistungen nicht, so handele der Staat gegen seine Würde. - Aeußerung des Ministers sei in der That nur eine Rede⸗
gur; in Wirklichkeit handele es sich darum, die katholische Kirche gleichsam auszuhungern und gegen 8 Millionen Unter⸗ thanen einen drastischen, physischen Zwang auszuüben. Man habe das Gesetz in einer Weise ausgeführt, die zum Himmel schreie. Der Abg. Schröder werde später mehr darüber sagen. Es sei traurig, daß in der jetzigen Zeit der Staat kein Be⸗ denken trage, sich vollständig in Kriegszustand gegen einen großen Theil seiner Unterthanen zu versetzen, weil sie nichts Anderes begehrten, als nach ihrer Ueberzeugung ihrem Gott zu dienen, daß ferner in diesem Kampfe Mittel gebraucht würden, die man nicht einmal im Kriege anzuwenden pflege. In keinem Kriege habe man die Staatsschulden unbezahlt gelassen, so lange nicht der Bankerutt eingetreten gewesen sei; aber gegen die katholischen Unterthanen sei Alles erlaubt. Der §. 4 des Juligesetzes, so habe der Minister betont, könne nicht eher zur Anwendung kommen, als bis der Kulturkampf zu Ende oder nahezu zu Ende sei. Warum habe dann aber die Regierung deesen Paragraphen überhaupt beantragt? Man hütte eine „Waffe“ gegen die Katholiken, wie der Minister in einem unbewachten Augenblicke selbst gesagt habe, d. h. zu Deutsch die Möglichkeit, wenn man sich wohl verhalte, das Brot, wenn man sich nicht wohl verhalte, die Peitsche. Das Centrum habe das durchschaut und deshalb dagegen ge⸗ stimmt. Dieses Manöver mache man mit Geldern, die man nach allen Rechten auszuzahlen verpflichtet sei, und die zu verweigern ein Unrecht und gegen die Würde des Staats sei.
Der Abg. Bödiker erklärte, die Auffassung des Ministers, daß das Einstellungsgesetz im Interesse der Würde des Staates gegeben sei, sei in den Motiven zu dem Gesetz und den da⸗ maligen Verhandlungen auf Seiten der Regierung nicht zum Ausdruck gelangt. Damals sei vielmehr die praktische Erwä⸗ gung maßgebend gewesen, mit diesem Gesetze auf die Geist⸗ lichen einzuwirken und dieser Eindruck sei auch im Volke vorherrschend gewesen. Die vorliegende Nachweisung über die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln lasse eine Sub⸗ stantiirung derjenigen Posten vermissen, welche als aus Staatsmitteln herrührend oder anderweitig verwendbar nicht zum Sammelfonds gelangt seien, sondern erspart würden. Es hätten in früheren Etatsperioden wiederholt irrthümliche Einstellungen in dieser Hinsicht stattgefunden, die demnächst im Wege der Etatsüberschreitung redressirt seien. Das be⸗ weise doch, daß die Grundsätze, nach denen die Einstellung er⸗ folgt sei, nicht klar seien. Um dem Landtage die Möglichkeit der Kontrole zu geben, halte er es für nothwendig, daß die Regierung die Nachweisung mit den nöthigen thatsächlichen Aufklärungen über jede einzelne Position versehe. Auch die Verwendung des „Fonds zur Verbesserung der äußeren Lage der Geistlichen ohne Unterschied der Konfession“ sei keine gleichmäßige, da die bei den katholischen Geistlichen ersparten Summen desselben wesentlich den protestantischen Geistlichen zu Gute kämen, was sich mit der Bestimmung des Fonds nicht vertrage. Schließlich bemängelte der Redner, daß die eingestellten Beträage aus dem hannöverschen Klosterkammer⸗ fonds in dieser Nachweisung keinen Platz gefunden hätten.
Der Regierungskommissar Geh. Ober⸗Regierungs⸗Rath Schal⸗ lehn entgegnete, das Gesetz habe ausgesprochen, daß die unter Ver⸗ waltung des Staates stehenden Güter in Hannover als Staats⸗ eigenthum zu behandeln seien. Dazu gehöre auch der Kloster⸗ fond. Die Nachweisung über die nicht zur Verwendung ge⸗ kommenen Gelder sei jedesmal im Staatshaushalts⸗Etat vorge⸗ legt, dieselbe werde durch die Oberrechnungskammer kontrolirt und könne auch vom hohen Hause jedesmal erörtert werden. Es fänden natürlicher Weise hin und wieder Veränderungen in der Verwendungsart statt; das könnte ja im einzelnen Fall in der Rechnungskommission zur Sprache kommen; hier ei es ihm ganz unmöglich, auf alle Einzelnheiten erschöpfende Auskunst zu geben. Was die Höhe der bisher gesperrten
ggmmen
Summen betreffe, so habe sie im vorigen Jahre etwas übe 8 Millionen Mark betragen; über die Höhe, die sie jetzt er⸗ reicht hätten, sei er genau Auskunft zu geben nicht im Stande. Es werde aber die Verwendung immer nach den allgemein gültigen und gesetzlich festgestellten Prinzipien stattfinden.
Der Abg. Schröder (Lippstadt) trug dem Wunsch des Abg. Windthorst Rechnung und legte an Beispielen dar, daß man in der Praxis die Härte der Vorschriften noch übertrumpfe. Es werde zur Begründung des Sperrgesetzes angeführt, man könne doch dem Gegner nicht die Mistel an die Hand geben, den Staat zu bekämpfen. Wenn so argumentirt werde, dann sehe er nicht ein, warum die Regierung dem Centrum Diäten gewähre. Mache man doch schleunigst ein Gesetz, das dem Centrum die Diäten entziehe! Etwas Anderes helfe doch nicht, das sage er dem Hause vorher! Der Minister habe gemeint, wer dem Gesetze einen, wenn auch nur passiven Widerstand leiste, der müsse die Folgen auf sich nehmen. Sei denn aber das Sperrgesetz eine solche Folge? Es sei eine nachträgliche Exekutivmaßregel, eine Exekutivstrafe, die das Landrecht, auf das sich der Minister gestützt habe, nicht kenne. Alle hier im Hause kennten die exorbitante Mei⸗
nung, die der vorige Minister über Exekutivstrafen gehabt
habe. Schon die Justizkommission habe sich veranlaßt ge⸗ sehen, solchen Ausschreitungen der Interpretation, wie sie Dr. Falk beliebt habe, eine menschliche Grenze zu setzen. Der Minister habe dann das Gesetz als eine Waffe bezeichnet, die wesentlich zur Beruhigung diene. Eine Waffe könne aller⸗ dings zur Beruhigung dienen, aber nur, wenn man sie in der Hand habe, aber wie die Waffe in der Hand eines An⸗ deren zu seiner (des Redners) Beruhigung dienen könne, sei ihm nicht klar. und man werde sehen, daß die Beruhigung bald eintrete! Einer der dunkelsten Punkte in dieser unglücklichen Gesetzgebung sei und bleibe das Sgperrgesetz, dessen Ideen aus dem blutigsten Theile der französischen Revolu⸗ tion stammten. Marat und Robespierre seien die⸗ jenigen Leute, die solche Gesetze erfunden hätten. Die Be⸗ stimmung, daß die Anstaltsgeistlichen von diesem Gesetz nicht betroffen werden sollten, sei sogar wörtlich aus dem Gesetz der französischen Revolutionszeit abgeschrieben worden. Das hätte doch stutzig machen müssen; aber damals sei die Situation so gewesen, daß man vor nichts mehr zurückgeschreckt sei. Halte man eine Gewaltthat zum Heile des Staates für nöthig, dann möge man sie begehen, aber sie nicht mit dem Mantel des Gesetzes bedecken. Seit man dieses Gesetz geschaffen habe, das mit dem Recht vollkommen in Widerspruch stehe, wolle man von der Majestät des Gesetzes nichts mehr hören. Er müsse allerdings konstatiren, daß in der Anwendung des Gesetzes unter dem jetzigen Minister in einzelnen Fällen eine Wand⸗ lung zum Besseren eingetreten sei, doch seien die Fälle von rigoroser Handhabung des Sperrgesetzes noch sehr häufig;
Kämpfe man mit den Waffen des Gesetzes
wenn er (Redner) indeß Kultus⸗Minister gewesen wäre, als
das Juligesetz erlassen worden, so hätte er noch in derselben
Nacht an alle Ober⸗Präsidenten die Aufhebung der Sperre telegraphisch verfügt.
Der Abg. Dr. Kolberg beschwerte sich über die unerträg⸗ lichen Zustände bei der katholischen Seelsorge im Heere und hoffte, daß der Kultus⸗Minister sich in Verbindung mit dem Kriegs⸗Minister setzen werde, um da Abhülfe zu schaffen. In ostpreußischen Garnisonen, wie in Insterburg und Fried⸗
land, sei seit 5 Jahren für den katholischen Soldaten alt⸗
katholischer Gottesdienst abgehalten worden, in einer Garnison sei seit einem Jahre gar kein katholischer Gottesdienst gewesen, weil den altkatholischen Niemand besucht habe; das katholische Militär
sei allerdings nicht gezwungen worden, diesen altkatholischen
Gottesdienst zu besuchen, aber es seien doch schlechte Zustände; ein moralischer Druck werde ausgeübt, und es kämen den unwissenden Soldaten folgenschwere Irrthümer vor. was von den altkatholischen Geistlichen gelte, gelte auch von den Staatsgeistlichen; denn die seien nicht autorisirt, Buße
Das,
u. s. w. zu verhängen. Wenn er um Abhülfe bitte, so glaube er keine Fehlbitte beim Minister zu thun; denn er stehe ledig⸗ 8*
lich auf dem Boden der Thatsachen.
Der Staats⸗Minister von Puttkamer erklärte, wenn er
sich auf den prinzipiellen Standpunkt stellen würde, so wäre
er nicht in der Lage, die Ausführungen des Vorredners zu
beantworten,
da die Militärseelsorge vom Kriegs⸗Minister
ressortire und Reichssache sei. Er glaube aber, dem Vorredner
eine Auskunft geben zu können, in der auch der Kriegs⸗ Minister ihm beistimmen würde; er sei zu dieser Antwort
besonders dadurch veranlaßt, da er als preußischer Kultus⸗ Minister ja doch Korreferent für die Seelsorge des preußischen
Theiles des Heeres sei. Die Sachlage sei folgende: Im Jahre 1869 habe der katholische Feldprobst einen katholischen Pfarrer
Ostpreußens als Militärgeistlichen bestellt; dieser Geistliche habe sich aber 1872 der altkatholischen Bewegung angeschlossen
und sei in Folge dessen sowohl von dem militärischen Seel⸗
sorgeramt durch den Feldprobst, als von seiner Civil⸗Pfarrei
durch den Bischof suspendirt worden. Die Militärbehörde habe diesen Maßregeln keine Folge geben zu müssen geglaubt.
In den vom Vorredner bezeichneten Garnisonen seien auch
eine Anzahl altkatholischer Soldaten und für die war ja die Seelsorge auch erforderlich.
Nun habe auch der Vorredner
anerkannt, daß ein direkter Zwang auf die Soldaten niemals
ausgeübt worden sei. Allerdings habe in weiterer Konsequenz
des gekennzeichneten Grundsatzes sich die Militärbehörde nicht für berechtigt gehalten, eine doppelte Seelsorge einzuführen, sondern habe angenommen, daß der von ihr angestellte Geist⸗
liche auch der rite fungirende für die beiden Denominationen
sei. Nun habe sich allerdings im Laufe der Zeit manche
Aenderung ergeben.“Die Zahl der altkatholischen Soldaten sei auf ein Minimum zusammengeschmolzen, in Inster⸗
burg und Friedland ganz geschwunden. Diese Erwägung habe allerdings der Fürsorge des Kriegs⸗Ministers, welche denke er, von allen Seiten anerkannt werde, Veranlassung gegeben, Aenderungen in Betracht zu nehmen. Herr Grunert sei ersucht worden, seine Bereisungen dieser Garnisonen ein zustellen; in Insterburg habe der rite angestellte Pfarrer Blaschy die cura animarum übernommen, während für Fried land aus Königsberg ein römisch⸗katholischer Geistlicher heran⸗
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