Portugal. Lissabon, 8. März. (W. T. B.)
fanden hier einige Manifestationen gegen das Mini⸗ sterium statt, wobei es zu unbedeutenden Volksansammlun⸗ gen kam, welche ohne besonderen Zwischenfall zerstreut wur⸗ den. Die Demonstrationen richteten sich gegen einige Perso⸗ nen in öffentlichen Stellungen und gegen Journalisten. Abends fand eine andere Demonstration zu Gunsten des Ministeriums statt. Heute ist Alles ruhig.
b Türkei. Konstantinopel, 8. März. (W. T. B.) Es heißt, die türkischen Delegirten hätten bei den gestrigen
Verhandlungen über die türkisch⸗griechische Frage die Vorfrage gestellt, ob die Mächte noch andere als nur moralische Garantien für die Annahme der festzustellenden Grenztrace Seitens Griechenlands geben könnten. Ein Be⸗ schluß wurde nicht gefaßt. Morgen findet die zweite Sitzung statt. — Die Pforte hat auf den Antrag des internationalen Gesundheitsrathes heute angeordnet, daß die von der Pest heimgesuchten Distrikte in Kleinasien durch einen dop⸗ pelten Kordon eingeschlossen werden sollen; ein Kordon ist um jede Ortschaft zu ziehen, in welcher Pestfälle vorgekommen sind; ein zweiter Kordon soll den ganzen Distrikt umschließen, zu welchem die von der Pest infizirte Ortschaft gehört. Die von der Pest heimgesuchten Ortschaften sollen niedergebrannt werden. In Nedjeff sind vom 28. Februar bis zum 2. März 18 Personen, in Djagra in der Zeit vom 15. bis 28. Februar 30 Personen an der Pest gestorben, die Zahl der Todesfälle in Kerbela ist nicht bekannt. Der auf dem Gebiete der Pest⸗ krankheit als Autorität bekannte Doktor Kabiades hat sich in die von der Pest betroffenen Distrikte begeben.
Rumänien. Bukarest, 8. März. (W. T. B.) In der Deputirtenkammer erwiderte auf eine Inter⸗ pellation Janescu's in Betreff der Donaufrage der Minister des Auswärtigen, Boerescu, die Protokolle der letzten Session der Donaukommission seien veröffentlicht wor⸗ den. Die Frage befinde sich noch in der Schwebe, er könne daher keinerlei Mittheilungen machen, erkläre jedoch aufs Neue, daß die Regierung sich fernerhin von der Thronrede des Fürsten gekennzeichneten Standpunkt leiten lassen werde. Die Kammer ging hierauf zur Tages⸗ ordnung über. — Der Präsident der Kammer, Rosetti, machte der Kammer den Vorschlag, ein Gesetz zur Orga⸗
nisation der Justiz auf der Basis des Art. 31 der Ver⸗
fassung auszuarbeiten. Dem Vorschlage wurde die Dring⸗ lichkeit verweigert, weil 2 Stimmen an der erforderlichen Zweidrittelmajorität fehlten. — Minister der öffentlichen Arbeiten auf eine bezügliche Anfrage, er habe der Kammer bereits einen Gesetzentwurf zum Bau der Eisenbahn Adjud Ocha zugehen lassen.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 9. März. (W. T. B.) Die „Agence Russe“ erklärt die Nachricht von der Demission des General⸗Gouverneurs Moskau für unrichtig; ebenso unbegründet sei auch, daß der Minister des Kaiserlichen Hauses, Graf Adlerberg, einen Ilmonatlichen Urlaub nachgesucht habe; möglich sei, daß Graf Adlerberg zur Herstellung seiner erschütterten Gesundheit einige Zeit nach dem Auslande gehen werde.
Amerika. (Allg. Corr.) Ueber die Installirung des Prä⸗
sidenten Garfield wird aus Washington ferner gemeldet:
Ein Aufzug von ungeheurer Länge, zusammengesetzt aus regu⸗ lären und Miliztruppen sowie Bürgervereinen aus verschiede⸗ nen Theilen des Landes, geleitete General Garfield und Mr. Chester Arthur, den neuen Vize⸗Präsidenten, von dem Exekutiv⸗ palast durch die Pennsylvania⸗Avenue nach dem Kapitol. Der Präsident und sein Gefolge begaben sich unverzüglich nach der Secnatskammer, wo der neue Senat in Gegenwart einer glän⸗ zenden Gesellschaft, in der sich die Mitglieder des diplo⸗ matischen Corps, sämmtliche hohe und die Spitzen der Civil⸗, Flotten⸗ und Militärbehörden befanden, organisirt wurde. sodann nach der östlichen Front des Kapitols, wo General Garfield seine Installirungsansprache in klarer, weithin ver⸗ nehmbarer Stimme verlas. durch stürmischen Beifall unterbrochen. Nachdem der neue Präsident den Amtseid geleistet, empfing er die Glückwünsche der Anwesenden. Mr. Hayes, der bisherige Präsident, war der erste, der ihm die Hand schüttelte. Dann bewegte sich der Zug in derselben Ordnung, wie er gekommen, nach dem Exekutivgebäude zurück. Sämmtliche Regierungs⸗ und Privat⸗ gerbäude auf der Marschroute hatten sich in ein Festgewand gekleidet. Von einer hohen Tribüne vor dem „Weißen Hause“ nahm hierauf der Präsident, umgeben von Mr. Hayes, General Hancock und Anderen, den Vorbeimarsch der Truppen und Bürgervereine, der zwei Stunden dauerte, ab.
dem in
Im Senat erklärte der
von
Staatswürdenträger
Aktiengesellschaft zu Stettin, waren
Die ganze Gesellschaft begab sich
Die Ansprache wurde häufig
Auch laufen
Später empfing General Garfield verschiedene Deputationen
und besuchte Abends einen großen Ball, bei dem 6000 Per⸗ sonen zugegen waren. Die Stadt war am Abend glänzend
illuminirt. — Präsident Garfields Kabinet ist wie folgt
usammengesetzt: Mr. James G. Blain aus Maine, Staats⸗ selretär; Mr. William Windom aus Minnesota, Sekretär des Schatzamts; Mr. Wayne M Veagh aus Pennsylvania, Generalanwalt; Mr. Thomas L. James aus New⸗York, General⸗Postmeister; Samuel J. Kirkwood, Jowa, Sekretär des Innern; Robert T. Lincoln, Plinois, Sekretär des Krieges; William H. Hunt, Louisiana, Sekretär der Marine. — Der Senat hat sämmtliche Ernennungen bestätigt.
Reichstags⸗Angelegenheiten.
Die VII. Kommission des Reichstags zur Vorherathung
des Gesetzentwurfs, betreffend die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der R hat sich, wie folgt, kenstituirt: von Pernuth, Vorsitzender; wit, Stellvertreter des Vorsitzenden; Dr. von Düsen, Schriftführer; von Serdewitz (Bitterfeld), Stellvertreter des Schriftführers; Ber⸗ narde, Dr. Dreyer, Dr. von Grävenitz, Dr. Lingens, Melbeck . LIb Pfafferott, Graf von Rittherg, Dr. Schroeder riedberg).
Die VIII. Kommission des Reichstags zur Vorberathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Küstenfrachtfahrt, besteht aus folgenden Abgeordueten: Meier (Schaumbur ⸗Lippe), Vorsitzender; von Alten⸗Linden, Stellvertreter des Vorsitzenden; Dr. Roggemann, Schriftführer; Schön, Stellvertreter des Schriftführers; Graf von Bismarck, von Dewitz, Gielen, Graf von Grote, Hall, Graf von
lstein, Graf ven Hempesch, Dr. Karsten, LKreutz, ven Lenthe, brinc, Mosle, Baron von Reden (Celle), Schluiow, Staudy, Udo Graf zu Stolberg⸗Wernigerode, Dr. Witte (Mecklenburg).
Die IX. Kommisston des Reich tags zur Vorberathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Pesteuerung der Dienst⸗ wohnungen, hbat sich folgendermaßen kon stituirt: Dr. Reichen⸗ sperger (Crefeld Fretherr von Mi
Stellvertreter 1
eichsbeamten der Civilverwaltung, Dr. Claue-
8 n 8 .
des Vorsstzenden; Holtzmann, Schriftführer; von Puttkamer (Lübben), Stellvertreter des Schriftführers; von Benda, Dr. von Cunyx, Dr. Freiherr von Hertling, Freiherr von Landsberg⸗Steinfurt, Loewe
(Berlin), Dr. Moufang, von Neum ann, Stellter, Graf von Wald-
burg⸗Zeil, Dr. Weber.
Kunst, Wissenschaft und Piteratur.
An den meisten höheren Lehranstalten unseres Vaterlandes bestebt die schöne Sitte einer gemeinsamen Morgenandacht der Lehrer und Schüler. Während nun an einigen Anstalten Abschnitte aus der heiligen Schrift vorgelesen werden, zieht man an anderen ein Gebet in poetischer Form oder ein Gesangbuchslied vor. Da nun aber nicht alle Stellen der Bibel sich zum Vorlesen eignen, anderer⸗
seits auch nicht jedem passende Gebete in poetischer Gestalt in aus. Postdampfer „Frisia“ ist hier eingetroffen.
reichender Anzahl zugänglich sind, so ist in einer vor Kurzem im Verlage von Carl Chun hierselbst unter dem Titel: „Schul⸗ andachten, zusammengestellt von Hugo Felsch, Prediger zu St. Georgen in Marienburg und Dr. Hermann Heinze, Dirigent der Königlichen Gymnastalanstalt zu Pr. Stargardt“, erschienenen Schrift eine Sammlung von Schulandachten zusammen⸗ gestellt, welche beiden Anforderungen zu entsprechen sucht. Das Buch
dürfte in den Lehranstalten unseres Vaterlandes einer freundlichen
Aufnahme entgegengeben und dazu beitragen, in unserer heranwach⸗ senden Jugend das religiöse Gefühl zu beleben und zu stärken. Der Preis beträgt 2 ℳ
Gewerbe und Handel⸗
Se. Königliche Hoheit Prinz Wilhelm hat die Kauf⸗ leute August Friedrich und Gustav Derrient (in Firma Hensel & Schumann) zu Berlin zu Höchstseinen Hoflieferanten ernannt.
— Nach einer aus Moskau bierher gelangten Mittheilung haben die dortigen Manufakturwaarenhändler Edelstein & Co. e Banquiers Gebrüder Kusnezoff ihre Zahlungen ein⸗ gestellt.
— Das „Jahrbuch der Berliner Börse“, welches, her⸗ ausgegeben von der Redaction des „Berliner Actionair“ (J. Neu⸗ mann, E. Freystadt), im vorigen Jahre zum ersten Male erschien, liegt novnmehbr in der für 1881 bestimmten Ausgabe vor. Die Wichtigkeit solcher Nachschlagebücher, wie dieses Jahr⸗ buch eines ist, für den Banquier und Kapitalisten ist einleuch⸗ tend. Neben „Salings Börsenpapieren“, die die verschiedenen Materien eingehender behandeln, dürfte das Jahrbuch der Berliner Börse sich besonders dadurch empfehlen, daß man die wesentlichen Daten über alle Eattungen von Börserpapieren in einem Bande zusammen findet. Nen aufgenommen in diesen Jahrgang sind dieje⸗ nigen Effekten, die inzwischen neu in den Börsenverkehr gebracht wurden. Die diesmalige Ausgabe lehnt sich wiederum in 2 die einzelnen behandelten Papiere an den Courszettel der „Berliner Börsenzeitung“ an. 8
— Bei der Germania, Lebens⸗Versicherungs⸗ im Jahre 1880 zuzüglich der aus dem Vorjahre übernommenen Anträge im Ganzen zu erledigen: 11 689 Anträge auf 39 580 199 ℳ Kapital und 63 863 ℳ jährliche Rente. Hiervon wurden angenommen: 8123 An⸗ träge über 26 145 019 ℳ Kapital und 53 486 ℳ jährliche Rente; theils abgelehnt, theils von den Antragstellern zurückgezogen: 3481 Anträge über 12 836 840 ℳ; dem Jahre 1881 überwiesen: 80 Anträge über 598 700 ℳ Durch den Zugang an neuen Versicherungen hob sich der Versicherungsbestand, nach Abzug der durch Tod und bei Leb⸗ zeiten der Versicherten erloschenen Versicherungen, auf 129 111 Policen über 242 512 632 ℳ Kapital und 184 971 ℳ jährliche Rente und zeigt gegen den Bestand des Vorjahres einen reinen Zuwachs von 1276 Policen über 11 178 662 ℳ Kopital und 50 031 ℳ jährliche Rente. Von diesem Bestande entfallen auf die Abtheilung der Ver⸗ sicherungen mit Anspruch auf Dividende 21 884 Versicherungen mit 102 146 213 ℳ Kapital.
— Die „Pomerania“, See⸗ und Fluß⸗Versicherungs⸗ Gesellschaft, wird per 1880 per Aktie 5 ℳ Dividende geben.
— Der Verwaltungsrath der Preußischen National⸗ Versicherungs⸗Gesellschaft in Stettin hat die Dividende
för das Jahr 1880 auf 15 % vom Einschusse oder 45 ℳ per Aktie
festgesetzt.
Dortmund, 7. März. (Ess. Ztg.) Der Geschäftsgang auf dem Eisenmarkte ist in einigen Walzwerkfabrikaten weniger leb⸗ haft als im Mopat Januar und Anfang Februar; besonders ist die Nachfrage in Blechen und Handelseisen schwächer geworden, die Preise dieser Artikel sind daher schwankend, während in Walzdraht der Begehr unvermindert andauert. Die Walzwerke im Lothringischen haben den Preis für Stabeisen um 2 ℳ und den für Bleche Wum 3 ℳ pro Tonne erhöht und ist daher anzunehmen, daß solches nicht ohre günstigen Einfluß auf das Rhetnisch⸗Westfälische Eisen⸗
cschäft bleiben wird. Die Nachfrage scheint dort allerdings schon seir längerer Zeit eine lel haftere zu sein, wie in letzterem Bezirk, da die Werke an der Mesel die höchsten Offerten bei der kürzlich stattgehabten Submission in Straßburg einreichten. Die Schienen⸗ walzwerke sind sänmtlich sehr flott beschäftigt und an neuen und belangreichen Auft ägen mangelt es denselben nicht, weshalb die Preise für Stabhlschienen um 10 ℳ pro 1000 kg gestiegen sind. So wurde vor einigen Tagen eine Submission der Königlichen Ostbahn abgehalten, bei der es sich um ca. 12 000 t Oberbaumater alien handelte und eine solche von ca. 15 000 t steht in Hannover bevor. aus dem Auslande beträchtliche Aufträge in Eifen⸗ bahnmaterial ein, die Dortmunder Urion hat von 7000 t Schienen aus Südamerika erhalten und über weitere Ordres wird verhandelt. Die Stahlschienenwalzwerke konsumiren in Folge ibrer lebhaften Beschäftigung so bedeutende Quantitäten Bessemerroheisen, daß sich diejenigen unter denselben, welche auch im Besitze von Hochöfen sind, genöthigt gesehben haben, die Produktion von Puddelroheisen einuschräuken und statt dessen Bessemerroheisen herzustellen. Aber auch in Svpiegeleisen ist die Nachfrage, namentlich auch aus dem Auslande sehr rege, während sich in Gießerciroheisen weniger Bedarf zeigt. — Das Kohlengeschäft ist noch immer ruhig, was zim Theil darin seinen Grund hat, daß Händler und Konsumenten sich im vorigen Herbst, weil sie im Winter Wagenmangel befürchteten und auf normale Witterungsverhältnisse rechneten, überreichlich mit Vorräthen versehen haben und in Folge des ungewöhnlich milden Winters gegen⸗ wärtig noch mit Brennmaterial versehen sind. Die Preisfrage ist durch die Submission der Rheinischen Eisenbahn auf Lieferung ihres Bedarfs pro 1881/82 entschieden, wenigstens soweit es sich um so große Quantitäten handelt; für kleinere Abschlüsse sind die dabei ab⸗ gegebenen Offerten selbstredend nicht maßgebend. In Koks und Kokskoblen hat sich ein reger Verkehr erhalten.
Frankfurt a./M., 8. März. (W. T. B.) Der „Frankfurter Presse“ zufolge hat die Direktion der deutschen Handelegesell⸗ schaft die ohne Couponbogen für die Generalversammlung hinterlegten Aktien auf Beanstandung des Rechtskonsulenten der Bank refüsirt, wogegen von betheiligter Seite Rekurs an den Auf⸗ sichtsrath ergriffen wurde.
Pest, 8. März. (W. T. B.) Die Ungarische Kredit⸗ bank hat, wie die „Ungarische Post“ meldet, heute die Hälfte der nominell 26 Millicnen betragenden Papierrente übernommen; eine Hälste behtelt die ungarische Kreditbank, die andere wurde nach Wien gesardt. Dem Vernehmen nach haben sich bereits mehrere Abnehmer kbei der ungarischen Kreditbank gemeldet; eine neue Ein⸗ führung dieses Papieres an der Börse ist unnöthig, da es als eine Fortsetzung der ersten Emission der Papierrente zu betrachten ist.
London, 8. März. (W. T. B.) In der gestrigen Woll⸗ auktion waren Preise unverändert, Stimmung fest.
Glasgow, 8. März. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen während der letzten Woche betrugen 9902, gegen 17 932 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres.
um 17. April gelang es, darauf stürmisches Wetter eingetreten und die Lust unsichtig gewordzen
Bezug auf
Paris, 9. März. (W. T. B.) Das „Magasin au prin⸗ temps“ ist heute früh vollständig niedergebrannt, nur die Kasse ist gerettet, auch gelang es, die Nebenhäuser zu schützen.
New⸗York, 7. März. (W. T. B.) Weizen⸗Verschif⸗
fungen der letzten Woche von den atlantischen Häfen der Ver⸗
einigten Staaten nach England 132 000, do. nach dem Konti⸗ nent 120 000, do. von Kalifornien und Oregon nach England 70 000 Ortrs. Visible Supply an Weizen 25 687 000 Bushel, do. do. an Mais 15 625 000 Bushel.
Verkehrs⸗Anstalten⸗
Dresden, 8. März. (W. T. B.) Gegenwärtig finden hier Berathungen statt, um im Anschluß an die beabsichtigte Betriebs⸗ fusion zwischen Dux⸗Bodenbach und Prag⸗Dux gleichzeitig die Strecke Brün⸗Mulde auszubauen.
Plymouth, 8. März. (W. T. B.) Der
New⸗York, 8. März. (W. T. B.) Der Hamburgern Postdampfer „Gellert“ ist hier eingetroffen.
Hamburger
Berlin, 9. März 1881.
Am 7. März d. J. verhandelte das Kaiserliche Ober⸗ Seeamt über den Sceunfall des Schooners „Anna“ von Barth. Die „Anna“, geführt vom Schiffer Becker, gelangte auf der Reise von Lübeck nach Libau am 8. April 1880 in die Nähe von Bornholm und wurde wegen widrigen Windes bei Rönne vor Anker geleg. die Reise fortzusetzen. Nachdem bald
war, strandete das Schiff am Morgen des folgenden Tages bei D Odden auf Bornholm. Das Seeamt in Stralsund hat die Ursache dieses Seeunfalls in fahrlässiger Navigirung gefunden, jedoch davon Abstand genommen, dem Schiffer Becker, dem Antrage des Reichs⸗ kommissars gemäß, die Befugniß zur ferngeren Ausübung seines Ge⸗ werbes zu entziehen. Auf die Beschwerde des Reichskommissars be⸗ stätigte das Ober⸗Seeamt den Spruch erster Instanz. Zur Begründung dieser Entscheidung führte der Vorsitzende aus, daß der Schiffer Becker nicht allein bei der Peilung vor Due Odden die Entfernung ganz erheblich überschätzt, sondern auch die Fahrgeschwindigkeit der „Anna“ auf der weiteren Fahrt zu hoch angenommen und dadurch, sowie durch das Unterlassen des Lothens den Seeunfall herbei⸗ geführt babe. Wenn das Ober⸗Setamt ihm gleichwohl die Befugniß zur ferneren Ausübung seines Gewerbes belasse, so geschehe dies lediglich mit Rücksicht auf den günstigen Eindruck, welchen die Per⸗ sönlichkeit des Schiffers bei der mündlichen Verhandlung gemacht habe und welcher zu der Annahme berechtige, daß derselbe nur in diesem einzelnen Falle es an der nöthigen Sorgfalt habe fehlen lassen, daß es ihm aber nicht allgemein an den für die Ausübung des Schiffergewerbes erforderlichen Eigenschaften mangele.
„In seiner Sitzung am 8. März verhandelte das Ober⸗Seeamt über die Beschwerde des Reichskommissars gegen den Spruch des Königlich preußischen Seeamtes zu Stralsund vom 30. Dezember v. J., betreffend den Seeunfall des Schooners „Franz Ludwig“ von Stralsund, welches Fahrzeug am 30. November v. J. bei Witt wer Posthaus auf der Insel Rügen gestrandet war. Den Er⸗ mittelungen des Seeamtes zufolge ist der Seeunfall durch den Mangel an nautischen Kenntnissen beim Führer des Schiffes, Schiffer Krohn, verursacht; dessenungeachtet aber hat das Seeamt den Antrag des Reichskommissars, dem ꝛc. Krohn die Befugniß zur Ausübung des Küstenschiffergewerbes zu entziehen, ab⸗ gelehnt, weil derselbe eine Konzession zur Ausübung dieses Gewerbes überhaupt nicht besitze, eine solche nach dem bestehenden Gesetze auch in Preußen nicht erforderlich sei. Das Ober⸗Seeamt ist den letztern Ausführungen nicht beigetreten, sondern hat vielmehr dem Antrage des Reichskommissars entsprechend erkannt.
Vaterländischer Frauen⸗Verein.
Nach Allerhöchster Bestimmung Ihrer Majestät der Kaiserin
und Königin findet die diesjährige Generalversammlung des Vaterländischen Frauen⸗Vereins am
Sonntag, den 20. März, Abends 6 ½ Uhr, im Saale des Ministeriums für Lanvdwirthschaft, Domänen und Foeresten hierselbst. Leipziger Platz Nr. 8, Statt, wozu wir hierdurch die Mitglieder des Haupt⸗Vereins und der Zweig⸗Vereine mit dem Ersuchen zahlreicher Betheiligung freund“⸗ lichst einladen. 5
Der Vorstand des Vaterländischen Frauen⸗Vereins
Charlotte Gräfia von Itzenplit.
Die Staatswappen aller Länder der Erde nebst den Landesfarben und Schiffahrtsflaggen. 8. verbesserte und vermehrte Auflage. Nach den Korrekturen des Hrn. Fr. Heyer von Rosenfeld, k. k. Hauptmann in Wien, ausgefährt von Werner u. Winther, lithographische Anstalt in Frankfurt a. M. Franksurt a. M. 1881. Verlag von Will elm Rommel. 6 Blatt in Mappe. Preis 4 ℳ — Für die Zuverlässigkeit und Brauchbarkeit der vorstehend angezeigten Publikation des bekannten heraldischen Verlages von Rommel spricht am besten die Zahl der Auflagen, welche davon nöthig wurden. Die neueste ist wiederum ron einem bewährten Heraldiker berichtiat. Kolorirt sind die 6 Tafeln nicht, indessen sind die Farben durch Schraffierungen, deren Erklärung sich auf dem Um⸗ schlage befindet, deutlich angezeigt. Die neue Arflage umfaßt nicht
weniger als 88 Wappen nebst den dazu gehörigen Nationaltarben
1 und Flaggen und hat selbm Hawaii, die Gesellschastsinseln, Oranje eine Bestellung
und Samos nicht vergessen.
Der Verein deutscher Lehrerinnen und Erzieherin⸗ nen hielt am Dienstag Abend im Bürgersaal des Rathhauses unter Vorsitz des Dr. Brüllow seine diesjährige Generalversammlung ab. Die Einnahm en des Vereins beliefen sich dem Jahresbericht zufolge auf 13 732 ℳ, die Ausgaben, einschließlich 11 009 ℳ, die zum Ka⸗ pital geschlagen wurden, auf 12 892 ℳ. so daß ein baarer Ueber⸗ schuß von 840 ℳ verblieb. Für die Unterstützungskasse des Vereins standen 900 ℳ zur Verfügung. Einen erfreulichen Aunfschwung hat das vom Verein ins Leben gerufene Feierabendhaus für Lehrerinnen genommen. 9 Damen hat wiederum der Eintritt gewährt werden können, eine ist in eine Heilanstalt übergesiedelt, eine andere ver⸗ storben; im Ganzen beherbergt zur Zeit das Haus 26 Damen. Die Einnahmen betrugen 8326 ℳ, die Ausgaben beliefen sich dagegen auf nur 2289 ℳ, so daß das Gesammtvermögen des Feierabend⸗ hauses von 111 620 ℳ auf 117 657 ℳ angewachsen ist. Die Wieder⸗ wahl des Vorstandes schloß die Sitzung.
Das Künstlerfest zum Besten der Genossenschaft deutscher Bühnenangebhörigen wird am 2. April d. J. statt⸗ finden. Wie im vorigen Jahre, wird es auch diee mal ein Herren⸗ abend sein, welcher in Anbetracht des großen Zuspruchs, welchen dieses Fest kamals fand, in dea großen, practvoll ausgestatte en Räumen des Central⸗Scating⸗Rink abgebalten werden wird. Die Namen der Comité⸗Mitgliedet sind: die Herren Betz, Berndal, Krolop, Dehnike, sowie die Direktoren Lebrun und Keyppler.
5268. 8. März. (W. T. B.) Seit gestern Abend 11 Uhr ist der Eisgang hier und seit heute früh 5 Uhr bei Melatk in vollem Gange bei 1 ½ m über nocmal.
rlag der Erpeditton (Kessel). Druckt W. El1 Fünf Beilagen einschließlich Börsen⸗Beilage
Redacteur: Riedel.
“ EIII1 1 L
No. 58S.
— —
Deutschen Reichs⸗Anz
Erste Beilage eiger und Königlich Preußischen
Berlin, Mittwoch, den 9. März
———
Nichtamtliches.
reußen. Berlin, 9. März. Im weiteren Ver⸗ la ufe der gestrigen (10.) Sitzung trat der Reichstag in die erste Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Abänderung der Art. 13, 24, 69, 72 der Reichsver⸗ fassung in Verbindung mit folgendem Antrage des Abg. Rickert ein:
Der Reichstag wolle beschließen: den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, dahin zu wirken, daß in Zu⸗ kunft das Etatsgesetz für das Deutsche Reich früher festgestellt werde, als die Etatsgesetze der Einzelstaaten.
Der Gesetzentwurf lautet:
„An die Stelle der Artikel 13, 24, 69, 72 der Reichsverfas⸗ sung tre en die folgenden Bestimmungen:
Artikel 13. Die Berufung des Bundesraths und des Reichs⸗ tags findet mindestens alle zwei Jahre statt, und kann der Bundes⸗ rath zur Vorbereitung der Arbeiten ohne den Reichstag, letzterer aber nicht ohne den Bundesrath berufen werden.
Artikel 24. Die Legislaturperiode des Reichstags dauert vier Jahre. Zur Auflösung des Reichstags während derselben ist ein Beschluß des Bundesraths unter Zustimmuag des Kaisers erfor⸗ derlich. 1
Artikel 69. Alle Einnahmen und Ausgaben des Reichs müssen für jedes Jahr veranschlagt und auf den Reichshaushalts⸗Etat ge⸗ bracht werden. Der letztere wird für einen Zeitraum von zwei Jahren, jedoch für jedes Jahr besonders, vor Beginn der Etats⸗ periode nach folgenden Grundsätzen durch ein Gesetz festgestellt.
Artikel 72. Ueber die Verwendung aller
g zur Entlastung für jedes Jahr Rechnung zu legen.“ Nachdem der Antragsteller Ri das u wort verzichtet hatte, ertheilte der Präsident zunächst das Wort dem Abg. von Bennigsen: Die Vorlage, die das Haus jetzt beschäftige, sei in der vorigen Session durch stillschweigendes Einvernehmen des Reichstages und, wie er glaube, auch der verbündeten Regierungen gar nicht zur Berathung gekommen. Besonders sei ihm nicht bekannt geworden, daß Regierungen irgend eine Anregung zur Berathung der Vor⸗ lage gekommen sei. Die Regierungen hätten ja zweifellos
das formelle Recht, eine Vorlage, die nicht durchberathen oder, nicht zur Berathung sei doch bedenklich, suo utitur legislatorischer Ueber diese Vorlage sei schon
wie bei der vorliegenden der Fall, gar gelangt sei, wieder einzubringen. Aber es den Satz des römischen Privatrechts qui
neminem laedet auf das Zusammenwirken Körperschaften anzuwenden. innerhalb der Regierungen ein Einvernehmen nur schwer er⸗ zielt worden. Die Vorlage müßte aber, wenn sie Gesetz werde, die ganze Stellung des Reichstages verändern und seine werth⸗ vollsten Rechte berühren. Wenn ein wichtiges Gesetz einge⸗ bracht und während einer ganzen Session auf die Berathung verzichtet werde, so sei es bedenklich, es noch einmal einzu⸗ bringen. Er könne nicht annehmen, daß die Abneigung gegen das Gesetz jetzt geringer sei, als im Vorjahre; er könne nicht annehmen, daß sich eine Mehrheit dafür finde, und dann sei eine solche Vorlage sehr geeignet, das Einvernehmen zwischen Reichstag und den verbündeten R. n digen. Er werde sich unter diesen Umständen darauf be⸗ schränken, die praktischen und politischen Gründe zu er⸗ örtern, aus denen seine politischen Freunde einstim⸗ mig das Gesetz ablehnen würden. In den Motiven sei zunächst gesagt, daß ein Zusammentagen des Reichstages und der Einzellandtage und überhaupt die Häufung der Ge⸗ schäfte mit großen Unbequemlichkeiten verbunden sei, für die Regierungen, wie für die Mitglieder der Parlamente. Es sei auch mit Riecht hervorgehoben worden, daß der Reichstag schon öfters Beschlüsse gefaßt habe, die Regierung möge Sorge tra⸗ gen, daß solches . usammentagen nicht mehr stattfinde; wenn aber die Motive sagten: — das könne nur durch eine Aende⸗ rung der Reichsverhältnisse herbeigeführt werden, so müsse er dagegen behaupten, daß die Aenderung auf dem sehr ein⸗ fachen Wege, auf den sehr häufig hingewiesen sei und den
jure
heute der Abg. Rickert mit seinem Antrage eingeschlagen habe,
erreicht werde, eeinzelnen sehr nahe,
.
werde.
eigen sei, t . er des Oktober einberufen werde, schon zu Weihnachten aus⸗
daß nämlich der Reichsetat vor dem Etat der Staaten festgestellt werden solle. Diese Idee liege er wolle aber nicht genauer auf sie eingehen, veil der Abg. Rickert wahrscheinlich seinen Antrag motiviren Er wolle nur darauf hinweisen, daß bei der ange⸗ strengten Art zu arbeiten, wie sie den deutschen Parlamenten der Reichstag, wenn derselbe in der zweiten Hälfte
inandergehe, seine Arbeiten, einschließlich des Etats, also
im Allgemeinen schon in zwei Monaten erledigt haben könnte. Es würde dann naturgemäß auch eine Pause von einigen
4 2 Wochen eintreten,
und die Abgeordneten müßten nicht, er⸗
schöpft von den Arbeiten des einen Parlaments, in das andere
sich - Einzellandtage die Beschlüsse sich hätten.
4 1—
tigten die verbündeten Regierungen,
gesagt, daß die Etatsfeststellung mit bedeutenden Inkonvenienzen für
Das hätte zugleich den Vortheil, daß die des Reiches in fester Form vor een Abgeordnetenhause sei in der Resolution gefaßt worden,
begeben.
Im preußis etzten Session eine dahingehende
wenn er nicht irre, einstimmig, jedenfalls aber unter Zustim⸗
Dagegen also beabsich⸗ den Reichstag nur alle wei Jahre einmal einzuberufen und den Etat glei für zwei ahre feststellen zu lassen. In den Gründen sei hauptsächlich
mung von Mitgliedern aller Parteien.
se Parlamentarier verbunden sei. Nun sei natürlich, daß die Einzellandtage ihre Etatsbeschlüsse möglichst bis zum Zu⸗ sammentritt des Reichstages hinausschieben würden. Die be⸗ sondere Belastung des Reichstages durch die Etatsberathung müsse er bestreiten; im Plenum dauerten die Etatsberathungen
8 bis 10 Tage, 14 Tage hätten sie noch nie überschritten, also
1 dings die Etatsberathung
mit der Stellung der eigenthümlichen
nicht zu viel Krast in der Zeit absorbirt. In der Kommission sei zwar mehr Arbeit nöthig, aber doch nicht so exorbitant viel, daß die Entlastung dringendes Erforderniß wäre. Es bliebe also die zu große Belastung durch die Etatsberathung nur für die Einzellandtage geltend. In Preußen habe aller⸗ in den letzten Jahren viel Zeit
das hänge aber nicht zusammen reußens zum Reich, sondern mit rt der Etatsberathung im preußischen Dort pflege man nämlich an die Etats
und Kraft gekostet,
Abgeordnetenhause.
bringen solle, so habe er schon darauf hingewiesen,
Reichs ist durch den Reichskanzler dem Bundesrath und dem Reichs⸗-
Abg. Rickert auf das Anfangs⸗ Jahre 1883/84,
Seitens der
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““
Staats⸗Anzeiger. 1881.
der Einzelressorts Kritiken der betreffenden Verwaltungen zu V knüpfen, und daß die Kritiken in der letzten Zeit so enorme Dimensionen angenommen hätten, liege am Kulturkampf, der seine Einwirkung auf jedes Verwaltungsfach zu Tage treten lasse. Solle das Gesetz mithin praktisch nützen, so sei es nöthig, tag das wesentlichste Organ. daß in den Einzelstaaten entsprechende Gesetze angenommen Geschehe dies in den größten deutschen Staaten, hier nicht die Rechte seines Landes oder Wahlkreises, vorzugsweise in Preußen, nicht, so sei die Erleichterung für
würden.
Parlamentarier und Beamte nicht erreicht. Wenn nun aber
bestehenden Lage der Dinge auch im preußischen Abgeordneten⸗ hause für ein ähnliches Gesetz stimmen würden. So lange der Kulturkampf in Preußen tobe, werde das Centrum
nicht darauf verzichten können, jedes Jahr seine Klagen und vorzutragen. Vorlage daß sie
seine
Beschwerden dem Was
Kultus⸗Minister also die Vortheile
anlange, die diese von vielen Dingen abhingen, die der Reichstag hier nicht in der Hand habe. anderen Stelle. geworden und der Reichstag fixire seinen Haushalt für das Etatsjahr 1881/82 und 1882/83.
also den preußischen Staatshaushalts⸗Etat berathe und. feststelle für das Etatsjahr 1882 83, so habe derselbe allerdings die
vor erste
sich,
die demselben feste Anhaltspunkte für Jahr
böten. Wie sei es aber mit dem folgenden für welches nach den Intentionen dieser Vorlage der preußische Landtag in demselben Winter den Etat auch noch feststellen müßte. habe der Reichstag noch nichks beschlossen. Der Bundesrath habe sich damit noch nicht beschäftigt, die Reichsregierung und
gehabt, an diese Materie heranzugehen. Der preußische Landtag sei auf diese Weise vollständig im Dunkeln und habe dann nicht
einmal die Anhaltspunkte, die derselbe jetzt habe. Einen wesent⸗
lichen praktischen Vortheil bringe die Vorlage auf keinen Fall.
Abhängigkeit von zukünftigen Dingen, die man steigert werden. 2 8 durch verletzt werden, daß man sage,
da man nicht wisse, was in 2 Jahren stattf Finanzlage vorliege.
Die Vortheile also seien zweifelhaft, die Nachtheile sicher.
Nun kämen aber die Bedenken in Betracht: die Sache betreffe den tag in weit höherem Grade als den
rath. Der letztere habe eine Reihe von Verwaltungsaufgaben,
Reichs⸗
die seine Thätigkeit einen großen Theil des Jahres in An⸗ Regierungen schwer zu schä⸗
spruch nähme, und der Bundesrath müßte, b Reichstag nur alle zwei Jahre berufen werden sollte, schon wegen seiner administrativen des Jahres versammelt sein,
politischen Rechte und der politischen Stellung des Reichs⸗ tags und insofern gehe den Reichstag die Sache, obwohl vom Bundesrath und Reichstag gemeinsam gehandelt sei, viel näher an, wie den Bundesrat selbst. Nach den Bestimmun⸗ en der Verfassung in Artikel 23 habe der echt, innerhalb der Kompetenz des
Reiches Gesetze
vorzuschlagen und an ihn gerichtete Petitionen dem Bundes⸗
rathe resp. Reichskanzler zu überweisen. Nach Art. 29 seien die Reichstagsmitglieder die Vertreter des gesammten Volkes, und an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden. Nach den Vorschriften über den Bundesrath bestehe dieser aus den Ver⸗
tretern der Mitglieder des Bundes und könne die Gesammt⸗
—
eit der den einzelnen Staaten zustehenden Stimmen nur ein⸗ heildah abgegeben werden. Der Reichstag habe also weniger zu berathen und zuzustimmen hinsichtlich die ihm von den verbündeten Regierun⸗ gen vorgeledt würden, als vielmehr das Recht der⸗ nitiative zur Gesetzgebung gerade so wie der Bundesrath, wenn dieser auch auf dem regelmäßigen Wege einen umfangreicheren Gebrauch davon — der Reichstag in den letzten Jahren einen bedeutenden und
ein Interesse daran, der Gesetzentwürfe,
Mit seinem Rechte, über Petitionen zu be⸗
segenarficen Gebrauch gemacht, besonders z. B. bei der Reichs⸗
fatiögeser ebung. schließen
auf die Verwaltung, durch die Erörterungen, die im Reichstage epflogen würden, durch seine Kritik der Regierungs⸗ und gerwaltungsmaßregeln auf den einzelnen Gebieten und Ressorts, durch die Beurtheilung der Beschwerden einzelner Korporationen über die Art der Verwaltung. Sei das nun gleichgültig für die Stellung und politische Bedeutung des Reichstages, ob derselbe so werthvolle Rechte nur alle zwei Jahre ausübe oder jedes Jahr? Wo sei in Europa oder in Amerika irgend ein großer Staat, dessen Verfassung nicht die jährliche Berufung und die jährliche Feststellung des Etats ausdrücklich bestimme? Es sei keineswegs zufällig, daß üͤber diesen wichtigen Punkt in den Verfassungen der großen Staaten eine fast vollständige Uebereinstimmung herrsche. Diese Bestimmungen habe man von Anfang an schon in die Ver⸗ fassung des Norddeutschen Bundes aufgenommen. Wenn der Reichstag, die Vertretung des deutschen Volkes, seine so werth⸗ vollen Rechte nicht erhalte, sondern durch eigene Zustimmung beeinträchtige, so alterire der Reichstag die Rechte der Wähler. In der so komplizirten Bundesverfassung Deutsch⸗ lands müßten besonders die Gedanken und Bedürfnisse der Einheitlichkeit des Regiments, soweit ein solches auch in einem Bundesstaat erforderlich, um die und der gesammten Bevölkerung bringen, bekont werden. Das sei in hohem Grade gelungen. An diesen Verhaltnissen sollte man nur dann etwas ändern, die Organe, die in der Ver⸗ fassung bestellt seien für die Wahrnehmung der Rechte und Funk⸗
in ein Gleichgewicht zu
vertrete das Gesetz hier wirklich eine Majorität finden sollte, etwa durch Beistimmung des Centrums (er wisse nicht, ob diese vorhanden sei, aber er setze nur den Fall), so sei durchaus nicht anzunehmen, daß diese Centrumsstimmen bei der jetzt
Die große Schwierigkeit liege an einer ganz gaben, welche aus dieser ihm erwüchsen, so präzise schon zu Nehme man nun an, die Vorlage sei Gesetz sichten der preußischen Regierung, speziell des Der preußische Landtag
trete nun erst den nächsten Winter zusammen; wenn derselbe erkannt gewesen seien, und die große Bedeutung und Schwere V 9
1 lbe a zu schreiten, kaum von Jemand recht gewürdigt sei. im Gesetz publizirten, vom Reichstag beschlossenen Zahlen
das
ms funden werden können. Für dieses Jahr 1883/84
buten die Finanzbehörden hätten noch nicht die geringste Veranlassung
1 inde, so müsse man wenig bewilligen und Alles zurückstellen, bis ein sicheres Bild der allgemeinen g⸗ ein politischen
Bundes⸗
trachtet, auch wenn der
Reichstag das
machen werde, und von diesem Rechte habe
be der Reichstag ein gewisses Recht der Einwirkung
Rechte der Einzelstaaten seit 10 resp. 13 Jahren
tionen nur dann wesentlich alteriren, wenn die dringendste Nothwendigkeit vorliege. Für die nothwendigen Bestandtheile der Einheit in diesem komplizirten Bundesstaate sei neben dem Kaiser und seinem verantwortlichen Kanzler der Reichs⸗ Da beispielsweise ein Preuße in Bayern gewählt werden könne, so sei klar, daß derselbe sondern Bundesrath dagegen der einzelnen Re⸗
Mitglieder könnten ja nicht der Gesammtstimme ihrer Re⸗ gierung stimmen. Der Reichstag dageger solle den einheitlichen Gedanken zum Ausdruck bringen. Eine sehr bezeichnende Stelle in dieser Hinsicht finde sich in derjenigen Denkschrift des preußischen Staats⸗Ministeriums, welche im Jahre 1863 nach den Beschlüssen des Frankfurter Fürstentages dem Könige von Preußen über die Bedingungen vorgelegt sei, unter denen man überhaupt sich diesem Reform⸗ projekte in Deutschland anschließen könne. Es sei merkwürdig, hier die Bedeutung des Reichstages, die einheitliche Idee, die in demselben niedergelegt sein solle und die praktischen Auf⸗
des ganzen Volkes vertrete. Der lediglich die Interessen die einzelnen
einmal abweichend von
gierungen,
einer Zeit ausgedrückt zu sehen, wo, wie Alle wüßten, die Ab⸗ n pr damaligen Minister⸗Präsidenten, des jetzigen Reichskanzlers, noch wenig
des Entschlusses, zur Umgestaltung der deutschen Verfassung Die Stelle laute: „Das Parlament, welches berufen ist, die Sonderinteressen der einzelnen Staaten im Interesse der Ge⸗ sammtheit Deutschlands zur Einheit zu vermitteln, wird wesentlich nur in der Vertretung der deutschen Nation ge⸗ Um die Institution der letzteren in fruchtbringenden zu machen, wird sein, sie mit entsprechenderen Attri auszustatten, als dies nach dem Frankfurter Entwurf der Fall sein könnte“. Wenn das damals richtig gewesen sei, so sei das in dem jetzigen Augenblick in noch viel höherem Grade der Fall. So viel sei doch wohl sicher: wenn es gelungen sei, in den ersten Anläufen in der
diesem Sinne zu einer es nothwendig
d — en Fall. norddeutschen Bundesverfassung und in der deutschen Reichs Die Unsicherheit aber in der Veranschlagung und die nicht be⸗ 1 8 urtheilen könne, würden nach Annahme der Vorlage noch ge⸗ und einheitlicher Regierungsthätigkeit, der zentrifugalen und Das öffentliche Interesse könnte auch da⸗
verfassung alle Gegensätze zwischen den verschiedenen deutschen Staaten und Stämmen, den Gegensatz zwischen Partikularismus zentripetalen Kräfte in irgend ein Gleichgewicht zu bringen, so daß das Spiel der Funktionen sich nicht gegenseitig gestört habe, sondern sich gefördert habe, so sei es natürlich gar nicht anders möglich, als daß von Zeit zu Zeit Rückschlag eintrete, wo einsach der Ge anke des Partikularismus oder des Einheitsstaates immer wieder zum Vorschein komme. Nun, das Streben nach dem Einheitsstaat werde jent wohl von keiner Partei und keinem ernsthaften Politiker in Deutschland mehr als Aufgabe be⸗ Dagegen seien die partikularistischen Strömungen für Deutschland stets efährlicher und verhängnißvoller gewesen
und es sei keineswegs ausgeschlossen, daß dies auch in Zu⸗ Befugnisse einen großen Theil derselbe selbst oder seine Aus⸗ schüsse. Es handele sich also um eine Veränderung in dem
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kunft der Fall sein könne. Man sollte daher diejenigen Or⸗ gane, die den einheitlichen Gedanken verfassungsmäßig zu wahren berufen seien, nicht zuschüttern suchen. Wenn der Reichstag nur alle zwei Jahre auf 3 oder 4 Morate zusam⸗ men käme, so wäre dem Partikularismus wieder Thor und Thür geöffnet. Dem Reichstag müsse sein Einfluß auf die Gesetzgebung im Interesse des Gesammtwohles gewahrt blei⸗ ben, dadurch, daß er alljährlich auf einige Monate sich ver⸗ sammle.
Der Abg. Freiherr von Marschall bemerkte, man habe schon bei der ersten Berathung des Etats dem Reichskanzler einen Vorwurf daraus gemacht, daß derselbe ein Gesetz wieder eingebracht habe, welches in der schroffsten Form 765 fei, und der Abg. von Bennigsen habe diesen Tadel heute wiederholt. Die Herren, die die Regierung in dieser Be⸗ ziehung tadelten, hätten aber ihren Widerwillen gegen das Gesetz zu sehr verallgemeinert und seien dabei mit den That⸗ sachen in Widerspruch getreten. Denn das Gesetz sei nur des⸗ halb im vorigen Sommer nicht erledigt worden, weil bei den dringenden Aufgaben der vorigen Sessionsperiode die so⸗ fortige Erledigung dieses Gesetzes nicht nothwendig gewesen sei. Es enthalte ja zweifellos einen nicht unerheblichen Ein⸗ riff in das Verfassungsrecht und seine Freunde und er ätten es um so gewissenhafter geprüft, weil die Ver⸗ fassung gefeit sein sollte gegen die Stroömungen der Zeit, und nur wegen sehr dringender Bedürfnisse geändert werden dürfe. Er erkenne im ugemeinen die Tendenz dieses Gesetzes insoweit für berechtigt an, als es eine Vereinfachung des varlamentarischen Apparates bezwecke. Er und seine poli⸗ tischen Freunde stimmten dieser Tendenz zu, nicht weil sie dem versassungsmäßigen Recht kühler gegenüberständen — denn was der Lideralismus in seiner klassischen Zeit erstritten
be gegenüber dem absoluten Staat, die Theilnahme des olkes an der Gesetzgebung, das müsse der konservativen Partei der unverrückbare Boden für ihr Streben sein — sondern weil seine Partei das Streben derjenigen nicht billigen könne, welche, geblendet von den Erfolgen des konsequent durchgesüͤhrten parla⸗ mentarischen Systems im Auslande, die Weiterbildung und Krönung desselben darin sähen, daß mehr und mehr der Schwer⸗ unkt der Regierung in die Parlamente verlegt werde. Seine artei trete dem entgegen in der Ueberzeugung, daß ebenso wie die Bundesstaatsform, so auch diese Form des parlamen⸗ tarischen Lebens mit der Eigenart des deutschen Volkes in Widerfpruch stebe, und es dieser sremden Pflanze auf deut⸗ chem Boden an Lebensfäahigkeit fehlen würde. Die sicherste arantie für eine gesunde Weiterbildung des parlamentarischen Systems erblicke seine Partei darin, dasselbe in Einklang zu bringen mit den Anschauungen des deutschen Volkes. Es sei doch unzweifelhaft, daß die bestehende Theilung der staatlichen Funktionen, wurzelnd auf historis Entwickelung, w ederum eine Arbeitstheilung bedinge auch in Beziehung auf den Parlamentarismus, und diese Theilung es 8 mache, unbedingt das Beispiel anderer Länder nachzu⸗ ahmen. Man könne doch deshalb nicht den; Vorwurf des