1881 / 58 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 09 Mar 1881 18:00:01 GMT) scan diff

Partikularismus gegen den erheben, der an den bestehenden Grundlagen der eigenartig entwickelten Staatsverfassung Deutschlands festhalten wolle. Es werde häufig über die Theilnahmlosigkeit des Volkes am öffentlichen Leben geklagt, bald weil die Parlamente nicht genügend mit Rechten aus⸗ gestattet seien, bald weil man einer parlamentarischen Regie⸗ rung entbehre, ja sogar der Reichskanzler solle eigentlich daran schuld sein, weil derselbe nicht mehr liberal sei. Wer einen Blick auf die zahlreichen alljährlich in Deutschland tagenden parlamentarischen Körperschaften werfe und sehe, wie häufig das Volk zu den Wahlen berufen sei, der müsse sich fragen, ob man gegenwärtig nicht Anforderungen an die Theilnahme des Volkes stelle, welche in vollem Umfange nicht zu erfüllen seien und seiner Ueberzeugung nach liege der Grund für diese Apathie in einer gewissen Uebersättigung von Par⸗ lamentarismus. Denn man werde doch im Volke Vergleiche anstellen zwischen der verwendeten Arbeitskraft und den er⸗ kennbaren Leistungen, und nichts wäre geeigneter, das An⸗ sehen der Parlamente zu schädigen und zu untergraben, als ein dauernd ungünstiges Facit dieses Vergleichs. Es gebe keinen größeren Feind des deutschen Verfassungslebens als diese Apathie, und das seien nicht die schlechtesten Freunde des verfassungsmäßigen Lebens, die ein größeres Maßhalten im Parlamentarismus empföhlen, zumal die heutige Ent⸗ wickelung desselben an die Kräfte der Staatsverwaltung sehr große Anforderungen stelle. Es sei neulich von der Beschrän⸗ kung der Theilnahme der Beamten an der Volksvertretung gesprochen worden. Gerade die Aufrechterhaltung des Feger würtihsn Zustandes sei am allerwenigsten geeignet, diesen Bunsch seiner Erfüllung nahe zu bringen, denn man werde bei dem Mangel geeigneter Volksvertreter wieder auf sie zurück⸗ kommen müssen, die noch eher für Monate abkömmlich seien als Privatleute, denen man nicht zumuthen könne, ihr Geschäft einfach dem Parlamentarismus zu opfern. Was nun die Ver⸗ längerung der Legislaturperiode betreffe, von der der Abg. von Bennigsen überhaupt nicht gesprochen habe, so handele es sich dabei nicht um hochpolitische Fragen, sondern einfach darum, Fürsorge zu treffen gegen gewisse Erscheinungen, die mit der Wahl⸗ agitation verknüpft seien und deren häufige Wiederholung gewiß nicht wünschenswerth sei. Bei den vielen Klagen aus dem Volke wegen der häufigen Wahlen besorge er bei Verlängerung der Legislaturperiode eine entgegengesetzte Klage, in keiner Weise. Je größer ferner auf der einen Seite die Apathie sei, um so drastischer müßten natürlich die Mittel sein zur Beseitigung derselben und es trete dann häufig an deren Stelle eine ungesunde fieberhafte Erregung, die noch Monate lang nach den Wahlen anhalte. Diese Wahl⸗ mittel möge man beklagen, aber man könne sie nicht hin⸗ dern. Man sehe, welche Rolle dabei persönliche Verdächtigungen und Verläumdungen spielten, wie persönliche und lokale Streitig⸗ keiten geführt würden, wie die Tagespresse zu keiner Zeit ihrer höheren Aufgabe, der Versittlichung und Bildung der Menschheit, ferner stehe, als gerade in den Tagen der Wahlagitationen. Nicht nur das deutsche Volksleben, auch das Parlament selbst werde in Mitleidenschaft gezogen durch die Art dieser Wahl⸗ agitationen. Es hieße doch die menschliche Natur verkennen, wollte man in Abrede stellen, daß ein Volksvertreter, der nach einen, heftigen Wahlkampf in das Parlament eintrete, sich so⸗ fort des Eindrucks der Dinge erwehren könnte, die bei dem Wahlkampf vorgegangen seien, und daß nicht in kurzer Zeit die Voraussicht auf die kommenden Wah⸗ len wieder einen Einfluß übe. Je näher diese bei⸗ den Punkte an einander seien, um so mehr drohe einer wirklichen und gedeihlichen Behandlung der parla⸗ mentarischen Geschäfte Gefahr. Aus diesen Gründen würden seine politischen Freunde und er dem Vorschlage der verbün⸗ deten Regierungen zustimmen, nämlich die Legislaturperiode auf vier Jahre zu verlängern, und er lasse dahingestellt, ob nicht noch eine weitere Verlängerung zweckmäßig erscheine. erner müßten aber die beiden Fragen getrennt von einander ehandelt werden, nämlich die der zweijährigen Etatsperioden und die weitere, ob der Regierung zustehen solle, nur alle wei Jahre den Reichstag einmal einzuberufen. Diese beiden ragen hingen durchaus nicht so eng miteinander zusammen, wie dies der Abg. von Bennigsen behauptet x28 Man könne entschiedner Gegner der zweijährigen Berufung des Reichstags sein und in dieser Beziehung sämmtliche Gründe des Abg. von Bennigsen billigen, ohne daß dadurch der Frage der zweijährigen Etatsperiode präjudizirt wäre. Man könnte im Gegentheil gerade darin das Richtige finden, daß der Reichstags in dem einen Jahre sich vorzugsweife mit der Etatsberathung und in dem andern Jahre mit andern legis⸗ lativen Aufgaben beschäftige. Daß man sich in Deutschland jedenfalls gegenwärtig in großen Mißständen befinde, sei sogar ganz unumwunden vom Abg. von Bennigsen und gleichfalls

überstellen, die sich für die Durchführbarkeit der zweijährigen Etats entscheide, womit sich auch seine politischen Freunde, die mit den preußischen Verhältnissen vertraut seien, völlig ein⸗ verstanden erklärt hätten. Man habe es hier aber vor Allem mit dem Reich zu thun; und hier verweise er auf die Be⸗ rathung der Reichsverfassung, wo der Abg. Miquel gegen die in Vorschlag gebrachten dreijährigen Etatsperioden namentlich das Argument angeführt habe, daß damals die Bedürfnisse und Anforderungen der Reichsverwaltung noch zu wenig übersichtlich gewesen und sich noch nicht genügend gesetzt hätten, um längere Etatsperioden eintreten zu lassen, ein Argument, das damals gewiß seine volle Berechtigung gehabt habe. Aber heute sei das anders. Die Möglichkeit, zweijährige Etatsperioden ein⸗ zuführen, hänge nicht sowohl von der Größe der Zahlen ab, als von der größeren oder geringeren Sicherheit, womit man für die Zukunft die Bedürfnisse und Anforderungen feststelle. Uebrigens rechne man bei dem Reichshaushalts⸗Etat viel mehr mit festen Fhählen als in den Etats der einzelnen Staaten. Und er denke, nachdem es den Einzelstaaten möglich gewesen sei, unter kleineren Verhältnissen zweijahrige Etats durchzu⸗ führen, so müsse auch das im Reichshaushalts⸗Etat möglich sein. Die Vortheile, die sich mit der Einführung zweijähriger Etatsperioden für die Verwaltung der Einzelstaaten und der Reichsfinanzen ergäben, lägen so klar auf der Hand, daß die Befürchtungen des Abg. von Bennigsen nicht dagegen auf⸗ kommen könnten. Gegen diese letzteren möchte er geltend machen: Wenn auch auf der einen Seite die Voraussicht der einzelnen Pofitionen für zwei Jahre etwas schwieriger sein möge als für ein Jahr, dann müsse doch auch die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit vorhanden sein, daß die Irrthümer des einen Jahres sich mit denen des anderen Jahres ausglichen und man in der Hauptsache zu einem richtigen Etat komme. Bezüglich des wichtigsten Punktes der Vorlage könne er endlich persönlich erklären, daß er in vielen Aus⸗ führungen dem Abg. von Bennigfen Recht geben müsse und in der That selbst Zweifel habe, ob es nicht noth⸗ vene sei, denjenigen gesetzgebenden Körper, der recht eigentlich das Sinnbild der deutschen Einheit sei, alle Jahre zusammen zu berufen. Seine politischen Freunde und er hätten diese prinzipielle Frage einer genauen Erörterung nicht unterworfen und zwar deshalb nicht, weil seine Partei zu der Ueberzeugung gekommen sei, daß in absehbarer Zeit über⸗ haupt davon nicht mehr die Rede sein könne, den Reichstag nur alle zwei Jahre zusammenzuberufen. Man sehe, welche Aufgaben dem Reichstage noch auf allen Seiten bevorständen. Die wirthschaftliche Gesetzgebung sei von Neuem in Fluß ge⸗ kommen. Man stehe vor einer sozialen Reform im großen Stil. Man erwarte noch den weiteren Ausbau der deutschen Justizgesetzgebung. Man verlange die Reform der Aktien⸗

esetzgebung. Und recht viele Reichstagsmitglieder ver⸗

angten auch eine gründliche Reform der Armen⸗ gesetzgebung und des Gesetzes über den Unterstützungswohn⸗ sitz. Wohin man sehe, böten sich der Aufgaben genug, und seine politischen Freunde und er hätten nicht die Absicht, der Regierung eine Fakultät zu geben, von der sie aller Wahr⸗ scheinlichkeit nag in absehbarer Zeit keinen Gebrauch machen könne. Seine Partei habe diesen Standpunkt um so eher für den richtigen gehalten, als auch bei seinen politischen Freunden sich politische Bedenken gegen die Gewährung dieser Fatultat geltend gemacht hätten. Es könne wohl nicht die

ufgabe der Gesetzgebung sein, derartige prinzipielle Streit⸗ fragen in nur akademischer Weise festzustellen, eine Streit⸗ frage zu entscheiden, wenn im Voraus feststehe, daß in abseh⸗ barer Zeit eine praktische Wirkung dieser Entscheidung nicht ein⸗ trete. Er habe dem Haufe damit die Stellung gekennzeichnet, die seine politischen Freunde diesem Gesetzentwurfe gegenüber ein⸗ nähmen. Seine Partei halte die Einführung zweijähriger Etatsperioden im Reichstag für wünschenswerth und ebenso die Verlängerung der Legislaturperioden. Er glaube, indem man auf diese Weise den Einzelstaaten die Möglichkeit ge⸗ währe, sich aus den Schwierigkeiten der inanzverwaltung herauszuwinden, in denen fie sich heute befänden, ihnen damit einen sehr wesentlichen Dienst zu leisten. Er glaube ferner, daß durch die Vereinfachung des parlamentarischen Apparats besonders dafür Sorge getragen werde, daß das deutsche Volk sich mehr und mehr wohl fühle im Verfassungsleben und gern und freudig theilnehme an den Rechten und Pflichten, wie die Verfassung sie dem Reichstage zutheile.

Der Abg. Dr. Reichensperger 82 erklärte, der eigent⸗ liche Schwerpunkt des vorliegenden Gesetzentwurfs liege in der Abänderung des Artikels 13, und die Absicht dabei scheine ihm dahin zu gehen, das geflügelte Wort des Reichskanzlers, daß es Zeiten gebe, wo eine diktatorische Regierungsgewalt nothwendig sei, Wahrheit werden zu lassen. Gegen die Eventualität einer Abänderung des Etatsjahres könne er sich nicht so kategorisch erklären, wie es der Abg. Bennigsen

vom Abg. Rickert anerkannt worden. Wie rre der Antra des Letzteren formulirt sei, so könnte man glauben, daß es si eigentlich nur um das Wollen handle, während das Können gar keine Frage sei. Die Sache liege doch aber anders. Die gegenwärtigen Mißstände würden nämlich nicht erst heute empfunden, da sie ,— seit vielen Jahren vorhanden seien, in denen es auch nicht an Bemühungen zu ihrer Beseitigung efehlt habe. Er wisse nun nicht, warum in diesem Jahr ohne enderung der Gesetzgebung das gelingen solle, was bisher nicht gelungen sei. un man ins Auge fasse, wie trotz aller bisherigen 1 es unmöglich gewesen sei, denjenigen Zu 56 ohne Aenderung der Gesetzgebung herbeizuführen, den der Abg. Rickert mit seiner Partei für den wünschens⸗ werthen erachte, dann könne man sich der Ueberzeugung nicht verschließen, daß das einfachste und durchgreifendste Mittel in den zweijährigen Etatsperioden zu finden sei. An⸗ genommen, daß der Vorschlag des Abg. Rickert durchführbar wäre und der Reichstag jedes Jahr seinen Etat vor den s der einzelnen Länder feststellen könnte: dann müßte, der Abg. von Bennigsen zugegeben habe, der Reichstag Okto usammentreten zur Etatsfeststellung, also Monate vor Beginn der Etatsperiode. Der Etat werde nun aber im Sommer festgestellt, wo kaum die Abschlüsse des letzten Jahres vorhanden seien, so⸗ daß die Schwierigkeiten, die der Abg. von Bennigsen in den zweijährigen Etats⸗ erioden gefunden habe, in vollem Maße vorhanden sein würde, wenn es nöthig sei, den Etat zu einer Zeit festzustellen, wo der vorsährige kaum abgeschlossen sei, zumal man doch von ter Voraussetzung ausgehen müsse, daß eine richtige und sorgfaltige Etatsseststellung nicht zu einer stattfinden dürse, wo man die Verhältnisse des laufen⸗ den Jahres noch nicht übersehen könne. Dem Urtheil des Abg. von Bennigsen über die Schwierigkeit der 248 der —, Etats in Preußen könne er nur das gewi fachkun ge Urtheil der preußischen Finanzverwaltung gegen⸗

ethan habe; wohl aber glaube er, daß der hier vorgeschlagene eg keine Besserung, fondern eher eine Verschlechterung der Zu⸗ stände herbeiführen werde. Er maße sich kein kompetentes Urtheil darüber an, ob man auf zwei Jahre im Voraus alle Bedürfnisse eines so großen Staatsverbandes, wie des Deutschen Reichs, sicher stellen könne, er sei aber überzeugt, ar ne unter allen Umständen Nachtragsetats erhalten werde. Könnte ihm Sei⸗ tens der Reichsregierung das Gegentheil versichert werden, so wäre er der erste, der mit beiden Händen zugriffe. Der Weg, den er eingeschlagen wissen möchte und für den er seit einer Reihe von Jahren stets plädirt habe, sei der einer getrennten Behandlung des Ordinariums und des Extraordinariums des Etats. Er wisse sehr wohl, daß die Liberalen gegen diesen Weg eine vbnehaß empfänden. Vergegenwärtige man sich indessen die Bestimmungen der preußischen Ver⸗ fessara die zwar im rtikel 99 die jährliche Feststellung der Einnahmen und Ausgaben vorschrei demgegenüber aber im Art. 109 das Korrektiv enthalte, da die bestehenden Steuern und Abgaben bis zu deren gesetz⸗ licher Abänderung forterhoben würden. Ohne diesen Art. 109 bezw. ohne ein festgestelltes Ordinarium würde die Majorität einen Druck auszuüben in der Lage sein, den er für inkon⸗ stitutionell halte, einfach durch eine Beschneidung des Budgets zum Zwecke eines System⸗ oder gar eines Personen⸗ els. Damit wäre denn die Omnipotenz einer präten⸗ tibösen Majorität sicher gestellt. Die Motive 8* eten mit Recht das Zusammentagen von un 5—2 tagen als einen Grund, der zahlreiche Mitglieder des Reichstags an der Ausübung 9n Mandats hindere; ein nicht zu unter⸗ schätzender Umstand sei aber auch die Düätenlosigkeit, die faktisch

einer Beschränkung der passiven Wahlfähigkeit

Dem Zusammentagen müßte gleichfalls mit Ener

e entgegen⸗ earbeitet werden, da es schließlich Rechte und

esen dieser

örperschaft verwirre und die Majoritätsverhältnisse auf den

Vorlage in keiner Weise. Ich kann ens Ihnen akt

Kopf zu stellen geeignet sei. Seines Erachtens müßte diese Zusammentagen eventuell durch ein Reichsgesetz direkt ver boten werden, falls die Reichsregierung nicht stark genug sein sollte, auf die Regierungen der Einzelstaaten in dieser Hin⸗ sicht einzuwirken. Durch Schaffung zweijähriger Etatsperiodern für das Reich würde das Zusammentagen nicht vermieden werden. Man habe bereits jetzt in vielen deutschen Staaten mehrjährige Etatsperioden, ohne daß dadurch jenem Uebelstande abgeholfen wäre. Bezüglich des in der Vorlage bekämpften Prinzips der jährlichen Berufung des Reichstags sei schon von dem Abg. von Bennigsen darauf hingewiesen worden, daß dasselbe bereits durch die commniis opinio omnium in positivem Sinne entschieden sei. Unitarisch⸗ oder föderalistische Interessen könnten zwar bei Beurtheilung dieser Frage nicht in Betracht kommen; von ausschlaggebender Bedeutung sei dagegen die Wahrung des dem Reichstag ver⸗ fassungsmäßig zustehenden Rechts der Initiative in der Geset⸗ gebung. Andererseits würde der Grundsatz der zweijährigen Berufung zur nothwendigen Folge haben, daß dem Bundes⸗ rath ein gewisses Oktroyirungsrecht gegeben würde, woran doch wohl von keiner Seite gedacht werde.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrat Staats⸗Minister von Boetticher das Wort: Meine Herren! Ich habe zunächst das Bedauern des Herrn

wohnen.

Meine Herren! Der Vorlage, wie sie Ihnen bereits im ver⸗ gangenen Jahr gemacht worden ist und welche die verbündeten Re⸗ gierungen Ihnen in diesem Jahr von Neuem haben zu⸗ gthen laffen, wohnt meines Erachtens eine so hoch⸗ politische Bedeutung, wie ihr dieselbe die Herren Abgg. von Bennigsen und Reichensperger beigelegt haben, nicht bei. Wenn der Hr. Abg. von Bennigfen damit begonnen hat, daß es ein mindestens auffallendes Verfahren der verbündeten Regierungen sei, eine Vorlage zu wiederholen, welche im vergangenen Jahre im Ein⸗ verständniß aller Parteien und im Einverständniß des Bundesrathe nicht zur Berathung gezogen worden ist, so habe ich darauf zu er⸗ widern, daß mir zwar die Vorgänge des vergangenen Jahres aus eigener Wahrnehmung nicht bekannt sind, daß aber ein Einverständniß der verbündeten Regierungen, die Vorlage unter den Tisch fallen zu⸗ lassen und zu begraben, jedenfalls nicht vorgelegen hat.

Meine Herren! Der Gegenstand, mit dem sich die Vorlage beschäftigt, ist in der gegenwärtigen Session des Bundesraths einer erneuten, sehr sorgfältigen Berathung unterzogen und von keiner Seite ist die Behauptung aufgestellt worden, daß man eine Vorlage, die im vergangenen Jahr die Zustimmung der verbündeten Regie⸗ rungen in ihrer überwiegenden Mehrzahl gefunden hat, heut um deswillen zurüͤckstellen müffe, weil sie nach der Behandlung, die sie im vergangenen Jahr im Reichstag gefunden, nicht auf einen unge⸗ theilten Beifall der Reichsvertretung rechnen könne.

Miene Herren! Die Gründe, welche die verbündeten Regierungen im vergangenen Jahr bestimmt haben, dem hohen Hause die Vor⸗ lage zugehen zu lassen, sind durch die Erfahrungen des letzten Jahres in keiner Weise widerlegt. Die Klagen über das Zusammentagen von Reichstag und Landtag, die Klagen über eine zu große Inan⸗ spruchnahme der Kräste der Landes⸗ und Reichsvertretung füt die parlamentarischen Geschäfte sind im letzten Jahre unver⸗ mindert hervorgetreten. Meine Herren, konnten denn die ver⸗ bündeten Regierungen irgend welche Bedenken tragen, ein Mittel vor⸗ zuschlagen, was in fröͤheren Jahren von hervorragenden Führern zweier Parteien dieses Hauses selbst empfohlen worden ist? Die Frage, wie das Zusammentagen des Reichstags mit den einzelnen Landtagen zu vermeiden sein möchte, hat das hohe Haus wiederholt beschäftigt; schon im Norddeutschen Reichstag hat man nach Mitteln gesucht, um dieses Zusammentagen zu vermeiden, und im Jahre 1873 hat ein hervorragendes Mitglied des Centrums im 75b2 mit einem hervorragenden Mitgliede der deutschen Reichspartei sich dahin ausgesprochen, daß das wirksamste ittel die Einführung zweijähriger Etatsperioden sei. Meine Herren, wo solche Aussprüche vorliegen, da werden Sie doch unmöglich jetzt den verbündeten Regie⸗ rungen einen Vorwurf daraus machen können, daß sie dieses Mittel nunmehr zur Diskusston stellen, und nachdem alle anderen Mittel, die vorgeschlagen und angewendet sind, den Dienst versagt haben, da werden Sie doch umfoweniger sich darüber beklagen können, v. man nun ernsthaft daran geht zu erwägen, ob das jetzt vorgeschlagene

Mittel besser hilft.

Meine Herren! Der Hr. Abg. Reichensperger hat den Schwerpunkt der Gesetzesvorlage darin gefunden, daß dem Kaiser die Befugniß eingeräumt werden soll, den Reichstag nicht häufiger alt alle zwei Jahre zu berufen, hierin liegt indessen der Schwerpunkt der eenmäßig nachweisen, daß der Grundgedanke und der Ausgangspunkt der Verles⸗ lediglich die Erwägung gewesen ist: wie helfen wir den ißständen ab, die durch die gleichzeitige Inanspruchnahme der Landet⸗ vertretungen und der Reichsverkretung hervorgehen. Erst spüler, nachdem man sich ursprünglich darauf beschränkt hatte, einen Gesetzentwurf auszuarbeiten, der darauf abztelte, die wei⸗ jährige Budgetperiode einzuführen und konsequenter Weise vierjährige Legislaturperioden in Aussicht zu nehmen, ging man dazu über, zu erwägen, ob nicht der Art. 13 von einer solchen Maßregel auch be⸗ rühr! werden würde, und es ist ganz zutreffend, wenn die Motire sagen, daß für den Vorschlag einer Abänderung des Art. 18 aus⸗ schließlich der Grund maßgebend gewesen ist, daß man sich sagte: der Art. 13 dängt zusammen und verdankt feine Entstehung der ein⸗ jährigen Budgetperiode; man würde kaum die jährliche Bers sarf ee Reichstags vorgeschrieben haben, wenn man nicht zum Zweck der Feehrne des Budgets die jährliche Berufung nothwendig ge⸗

ätte.

Also, meine Hevren, ich wiederhole 28, der Art. 13 ist nach der Auffassung der verbündeten Regierungen in keiner Weise der Schwer⸗ punkt der Vorlage; ich bin sogar überzeugt, daß, wenn die Mehrheit dieses bohen Hauses sich gegen die Abänderung des Art. 13 erkläten sollte, die verbüͤndeten Regierungen sehr gern bereit sein werden, in Erwägung zu nehmen, ob sie bei der Forderung, wie sie hier in dem neuformulirten Art. 13 „eclaaen ist, beharren sollen.

Meine Herren, der Schwerpunkt der üe.g also, wie gesagt, in der Annahme zweijähriger Budgetperioden. Ich enthalte mich einer näheren Ausführung darüber, ob eje ehros Budget⸗ pverioden finanziell möglich und Fnanziell vortheilhast snd. ob sie Rachtheile mit sich führen, wie sie von Hrn. von Bennigsen ange⸗ deufet sind, und ob man deshalb besser thut, es bei den einzährige Budgetperioden zu belassen; es wird diese Seite der Frage noch von anderer Seite beleuchtet werden. Das aber darf ich doch nicht unerwähnt lassen, daß sämmtliche Finanzautoritäten der Reicht“ und

eußischen Staatsverwaltung, die über diese Frage fehart worden ün. die Möglichkeit, Durchführbarkeit und Zweckmäßigkeit nicht ir rage 5 ogen haben. 8

Meine Herren, ich kann mich 215 wenigen Aus führunger beschränken. Absicht und Wunsch der Reichsregierung und der ver⸗ bündeten Negierungen ist es eben, die Mißstände, die ja von alle Se ten betont sind und die von Niemandem verkannt werden, zu ke⸗ seitigen. Das Mittel, was Ihnen der Abg. Rickert in ser⸗ nem Antrage vorschlägt, wird nicht zum Ziele führen; 8ng. von Marschall hat ganz mit Recht bhervo daß es nahezu unmöglich sein wird, das Reichsbudget se sorgfältig und an der Hand so gründlicher Ersahrungen bit zun Okiober jeden Jahred vorzubereiten, wie es leßt bei Pnn Zusammentritte des 42 möglich ist; die frühere fu des Reichstags, die ja für die Budgetverhandlungen der einzel

Staaten von sehr großem Werih sein würde, wird gerade mit sicht auf die Aeh Kohe des Etats sich kaum lassen. 8f.⸗ 4ℳ

Reichskanzlers auszusprechen, daß er durch seinen Gesundheitszustand b verhindert ist, der heutigen ersten Berathung der Vorlage beizu⸗

8 (Abg. Rickert: für zwei Jahre aber!) 2 8 2 Für zwei Jahre gewiß, dann haben wir wenigstens die Erfah⸗ xungen des ganzen laufenden Jahres vor uns.

Meine Herren, wie gesagt, ich bitte Sie, die bochpolitischen Be⸗ denken, die die Vorlage bei einzelnen der Herren Vorredner erregt hat, etwas in den Hintergrund treten zu lassen; ich bitte Sie, stellen Sie sich hierbei auf den Standpunkt des praktischen Interesses und auf den Standpunkt des Interesses, wie es an die Hand gegeben wird, wenn man das Ziel der Beseitigung von Mißständen verfolgt.

Meine Herren! Wenn ich noch auf eine Aeußerung des Hrn. von Bennigsen mir ein Wort der Erwiderung erlaube, so wünsche ich, dadurch dazu beizutragen, daß die politischen Bedenken zerstreut werden. Die verbündeten Regierungen wissen sich durchaus frei von der Absicht, die Rechte dieses hohen Hauses, die Rechte der Reichs⸗ vertretung überhaupt zu schmälern. Wie könnte der Mann, der nach den Worten, welche Hr. von Bennigsen vorgelesen hat, damals bei der Gründung des Norddeutschen Bundes darauf aus war, den Reichstag mit möglichst weiten Attributen zu versehen, wie könnte dieser Mann heute geneigt sein, diese Attribute zu schmälern! Es ist dies ein Gedanke, der unmöglich ist. Ich empfehle Ihnen die Annahme der Vorlage.

Der Abg. Stumm bemerkte, es sei ihm eine besondere Freude, heute hier den Standpunkt seiner politischen Freunde zu vertreten. Denn wenn etwas zeige, daß die Vorlage prak⸗ tisch sei, so sei es das Schicksal derselben in voriger Session. Er habe ja wiederholt darauf hingewiesen, wie unrecht es sei, daß man sich im Hause mit Dingen ohne eigentliche praktische Bedeutung beschäftige, während wichtige Vorlagen der Regie⸗ rung nicht zur Verhandlung kämen. Damals habe der Abg. Windthorst erklärt, daß er sehr gern den Antrag berathen würde, daß es aber Angesichts

9 Nachsession des preußischen Landtages physisch unmöglich sei; daraus folge unmittelbar, daß diejenigen Mit⸗ glieder des Hauses, die zugleich dem preußischen Landtage an⸗ gehörten, nicht prinzipiell gegen die Berathung des Gesetzes gewesen seien. Natürlich habe nach diesen geschäftsordent⸗

Auseinandersetzungen die Regierung auf Berathung

verzichtet, materielle Gründe habe dieselbe aber dazu nicht ge⸗ habt. Die Vorlage sei im vorigen Februar mit acht anderen Vorlagen an das Haus gelangt und alle zu erledigen sei rein physisch unmöglich gewesen. Die Ueberbürdung der Parla⸗ mentarier sei so bekannt, daß es hieße, Eulen nach Athen

tragen, sie zu beweisen. Man könne ja und das wäre für⸗ ihn der einzige Grund, die Vorlage abzulehnen da⸗

gegen einwenden, daß durch diese Ueberbürdung endlich das

Vereinigen von Mandaten für Reichstag und irgend einen deutschen Landtag in einer Person aufhören würde. Aber dieses sei nicht der Fall, denn in der That vermehre sich auch bei jetziger Geschäftslage die Zahl der mit zwei Mandaten Betrauten; es sei damit auch mancher Vortheil verbunden. Die einfachste Methode, diese Uebelstände zu be⸗ seitigen und die Beschlußfähigkeit herbeizuführen, die man am

Ende der Session so schmerzlich vermisse, hange nicht zusammen

mit den Diäten. Man werde zuͤgeben (der Abg. Richter habe es wenigstens vor einiger Zeit gethan), daß für die Berliner Abgeordneten die Diätenfrage keine Bedeutung habe; es sei ja bekannt, daß die fortschrittlichen Abgeordneten zum größten Theil Berliner seien, und daß die Fortschrittspartei, so viel er wisse, ihren Abgeordneten Diäten zahle und dennoch lehre eine statistische Zusammenstellung aus voriger Session, die allerdings nur bis zur 40. Sitzung reiche, daß durchschnittlich 61,3 Proz. der Fortschrittsmänner anwesend, 19 Proz. unentschuldigt abwesend gewesen seien, während von den Deutschkonservativen, die am wenigsten Berliner zu Mitgliedern habe, 84,5 Proz. anwesend gewesen seien, 2,1 Proz. unentschuldigt Fefehl⸗ hätten. Nun handele es sich bei dieser Frage aber ni t um die Frequenz des Haufes, auch nicht um die Gesundheit der Mitglieder, sondern um das Ansehen des Hauses im Reiche. Dies sei ein wesentlicher Faktor für seine Bedeutung, und da müsse er glauben, daß durch die jetzige Dauer der Sessionen das Publikum so ermüdet werde, daß es selbst wichtige Verhand⸗ lungen zu lesen sich nicht die Mahs gebe. Er habe, nicht nur in der Provinz, sondern auch in Berlin, oft bemerkt, daß man eine antisemitische Rede von Henrici, oder eine Rede vom Abg. Richter in irgend einer oppositionellen Versammlung mit größe⸗ rem Interesse lese, als die Verhandlungen des Reichstags, das liege nicht an der Lust am Skandal, sondern an der durch die Dauer der Sessionen hervorgerufenen Uebermüdung, und das könne für die Würde des Hauses nicht vortheilhaft sein. Wenn man nun zugebe, daß eine Aenderung der bestehenden Zustände eintreten müßte, so könne das nur auf dem Wege zweijähriger Etatsperioden geschehen. Darin habe der Abg. von Bennigsen Recht, wenn derselbe sage, daß darin die deutschen Landtage folgen müßten. Aber wer seien denn diese Einzellandtage? Nur Preußen! Die anderen hätten ja zwei⸗ oder gar dreijährige Etatsperioden. Es handele sich also nur um preußischen Partikularismus, denn wenn Preußen auch die größere Abgeordnetenzahl habe, so sei doch die Zahl der Parlamente mit zweijährigem Etat die Majorität. Der A von ge- Sr sage, die lange preußische Etatsberathung liege am Kulturkampf; aber schon vor diesem habe der —,— Zopf bestanden, bei Etatsberathungen die Klagen jedes Kreises anzunehmen, und es sei Zeit, diesen Zopf abzuschneiden. r kenne andere deutsche Parla⸗ mente nicht genaue, glaube aber, daß ihre Etatsberathungen föopesender seien als die in Preußen. Auch in dieser Hin⸗ sicht seien zweijährige Etats besser, weil man bei ihrer Be⸗ raihung vorsichtiger sei, während bei einjährigen Etats ein Lapsus leichter unterlaufe da man ihn ja im nächsten Fahre redressiren könne. Der Staatssekretär habe nachgewiesen und er gebe ihm darin ganz Recht, daß der Antrag Rickert alle Nachtheile des jetzigen Zustandes und des durch die Re⸗ emerenao⸗ zu schaffenden in sich vereinige, ohne ihre ortheile zu haben. 891 einer Ansicht sei es für die Einzelstaaten sehr wichtig, sie auf einem aufgestellten Reichsetat basirten, den die Regierungsvorlage biete. behaupte also, daß die preußische Verwaltung sich in dem einen Jahre an den Reichsetat anlehnen könne, in dem & ahre werde sie in der Lage sein, die der Ri für immer herbeiführen wolle. Seit dem Jahre 1870 habe man häufig den Antrag gestellt, daß der Reichstag vor dem Landtag zusammenberufen werden solle, und zu seiner Freude sei dieser Antrag nie angenommen worden. Man sei den Mitgliedern des größten deutschen Par⸗ laments schuldig, daß man sie zusammenberufe zur Zeit, wenn es ihnen am angenehmsten sei, und das sei die Zeit nach Neusahr. Im engen Zusammenhange mit der Vorlage stehe die Verlängerung der Legislaturperiode auf vier Jahre, das ei eine selbstverständige Konsequenz und darum sei kein gort darüber zu verlieren. Nur möchte er dann die Legis⸗ laturperiode von 3 auf 6 Jahre ausgedehnt sehen. Zwar habe er mit diesen Vorschlägen bei der jjetzigen Zusammen⸗

setzung der Majorität keine Aussicht auf Erfolg, aber er habe allein schon manches Gesetz 14 Jahre lang bekämpft und er⸗ lebe jetzt die Satisfaktion, daß die große Mehrheit ihm zu⸗ stimme, hoffentlich werde es ihm, wenn seine Vorschläge zu diesem jetzt abgelehnt würden, mit diesen ebenso gehen.

Der Abg. Dr. Lasker bemerkte, es 8g. zu den Ueber⸗ raschungen, die er schon mehrfach in dieser Session gehabt habe, daß diese Vorlage, die er für eine der politisch bedeut⸗ samsten halte, die je an den Reichstag gelangt seien, in ihrer politischen Bedeutung von allen Freunden dieses Gesetzes so herabgemindert werde, als ob es sich in der That nur um einen technischen Vorschlag handle. Dabei habe man doch erst vor wenigen Tagen erlebt, daß Gesetzesvorlagen von mi⸗ nimalster Bedeutung hier behandelt worden seien, als ob das Wohl des Deutschen Reiches von denselben abhinge. Die Vorlage sei in der That von der größten politischen Bedeutung, und sie sei nicht nur von den Gegnern nicht genügend gewürdigt worden, sondern sie sei auch technisch in unzutreffender Weise unter Verleugnung aller bisherigen Vorgänge, der bekannten That⸗ sachen und der sich sofort darbietenden logischen Momente be⸗ gründet worden. Er glaube den Vertreter der Regierung so verstanden zu haben, daß der Art. 13, d. h. die jährliche Ein⸗ berufung des Reichstages nur bedingt worden sei durch den Art. 69, wonach jährlich ein Budget vorgelegt werden müsse. Der Vertreter der Regierung habe sich nicht die Mühe ge⸗ geben auf die Entstehung der Art. 69 und 13 zurück zugehen. Nämlich in dem Entwurfe der Regierung zur norddeutschen Bundesverfassung habe es keinen Art. 69. gegeben, da sei gar kein jährliches Budget in Aussicht ge⸗ nommen, sondern umgekehrt; Art. 65 habe vorgeschlagen, daß die außerordentlichen Ausgaben alljährlich durch ein Gesetz, die ordentlichen für die Dauer der Legislaturperiode festgestellt werden sollten. Art. 13 aber habe in diesem. Entwurfe gestan⸗ den. Wie sei es also möglich, daß ein Vertreter der Regierung erkläre, daß Art. 13 bedingt gewesen sei durch den Art. 69, der bekanntlich erst später auf den Antrag des Reichstags in die Verfassung hineingekommen sei. Eine gründliche Vorbereitung auf ein 2 gesetz könnte den Vertretern der Regierung doch wir ich

ugetraut werden. Dann solle es nicht viel auf sich haben, ob der Reichstag alle Jahre oder nur alle 2 Jahre zusammenkomme. In allen Kämpfen um konstitutionelle Rechte habe der Schwerpunkt in der Frage gelegen, wie oft die Vertretung zusammenkommen sollte. Diejenigen, die den Schwerpunkt der Regierung in die Volksvertretung verlegen wollten, erstrebten und das erkenne er als ein revolutionäres Prinzip an die Permanenz der Volksver⸗ tretung. In denjenigen Staaten, in denen die Regierung noch sehr mächtig gewesen sei, habe die E derselben eine Periodizität abgerungen, die wesentlich die jähr iche sei. Wisse man, welcher Unterschied zwischen einer jährlichen und einer zweijährigen Einberufung sei; In Wahrheit: der Reichstag werde degradirt von einem gleichberechtigten Faktor der Ge⸗ setzgebung zu einem untergeordneten. Gegenwärtig stehe der Reichstag parallel mit dem Bundes⸗ rath, der jährlich berufen werde, gegenwärtig habe die Regierung jährlich Verwendungen zu machen, der Reichstag bewillige jährlich. Was werde jetzt ge⸗ fordert? Der Bundesrath solle jährlich zusammen kommen, ob derselbe aber blos als ein verborgen lebender Faktor oder in Aktualität sein solle, das solle abhängen vom Beschlusse des Bundesraths; das nenne man keine hochpolitische Frage? Wenn man wirklich nur auf Grund eines geschicht⸗ lichen Irrthums, weil man geglaubt habe, Artikel 13 sei bedingt gewesen durch Artikel 69 der erfassung, sich so leichten Herzens entschlossen 88 dem Feicsa, die Hälfte seiner Aktualität zu nehmen, dann sei allerdings diese schwerwiegende Gesetzes⸗ vorlage sehr schlecht vorbereitet worden. Die Sache sei nicht nur formell, sondern guch materiell von Be⸗ deutung. Was sei aus dem Bundeskanzler⸗Amte von 1867 ge⸗ worden? Habe man nicht selbst die 12 des Kaisers und die Stellung des Kanzlers innerhalb der Verfassung lediglich durch Mitwirkung des Reichstages in die Höhe wachsen sehen? vor zwei Jahren habe der Reichskanzler ent⸗ wickelt, er (der Reichskanzler) sei nichts als das ausführende Organ des Bundesraths, eine Vorlage, die der Bundesrath angenommen, müsse er an den Reichstag bringen, vor wenigen Tagen dagegen habe der Reichskanzler entwickelt, daß er einer Bundesrathsvorlage durch ʒ eto entgegentreten könnte. Diese Entwickelung sei nicht durch Aenderung der Gesetze, son⸗ dern lediglich durch Ausbildung in der Praxis erfolgt. Wenn der Reichstag nur alle 2 Jahre zusammentrete, dann sei derselbe so gut wie eliminirt, seine aktive Thätigkeit sei beseitigt. Selbst in mit zweijährigen Legislaturperioden finde jetzt doch eine alljährliche Berufung der Kammern statt, um den Etat auszugleichen. Was dächten sich die Herren dabei, wenn sie verlangten, der Reichstag solle zwar jährlich 12ꝗꝙ—ö werden, aber nur alle zwei Jahre ein Budget berathen. Ent⸗ weder 1452 die Regierung gewissenhaft nach dem Geiste der Verfassung und dann habe sie keine Erleichterung, son⸗ dern eine Erschwerung für den Reichstag erwirkte, weil die Nothwendigkeit, Nachtragsetats und Etatsüberschreitungen vorzulegen und zu berathen, dazu führe, daß man, wenn der Reichstag dieselben eben so wie die Budgets be⸗ r. derselbe drei bis vier Mal so lange damit zu thun abe als jetzt. Die 1vàe. Bayern und in den kleine⸗ ren Staaten bestätige dies. der die Regierung rufe den Reichstag jedes Jahr zusammen, ungefähr in derselben Weise, wie in England das geistliche Parlament jedes Jahr bis neuerdings zusammenberufen werden müsse; nachdem die mn zusammengekommen seien, werde durch Botschaft der önigin erklärt, es sei in diesem Jahre nichts für sie zu thun; und dann seien die Herren nach Hause gereist. Und diese Vollmacht lege man in die Hände einer Regierung, deren Vertreter, wie man wisse, durchaus nicht blöde sei in dem Gebrauche der Rechte, die in seine Hände gelegt 32₰ Und nun frage er, sei es wirklich möglich, ein zweijähriges Budget für das zweite Jahr anders als fiktiv vhnasen⸗ r Reichstag selbst habe das ““ in die indirekten Einnahmen verlegt, und nichts sei bekanntlich schwerer als indirekte Einnahmen für das nächste Jahr zu immen. In Bayern habe man sich mit Mühe von einer fünfjährigen auf eine zweijährige Periode vencgedamh das habe die Vorlage vollständig ignorirt. Nach den Berechnungen des Abg. Stumm scheine es ihm, als ob derselbe ein guter Kal⸗ kulator, aber ein schlechter Politiker sei. Komme der Reichs⸗ tag in dem Jahre zusammen, wo kein Budget da sei 4. werde demselben die Regierung vielleicht, wie es ihre Pfli t wäre, alle Etatsüberschreitungen vorlegen und dann würde die

man in Bayern, da verhalte es sich genau so, wie er her⸗ vorgehoben habe. Zudem sei es unmöglich, Etatsbestimmun⸗ gen 2 Jahre im Voraus zu machen. Nun sage der Abg. Stumm, daß der Antrag Rickert den Reichstag zwinge, in einer ungünstigen Jahreszeit zu tagen, so daß derselbe nur ein Scheinbudget zu Stande bringen würde. Gerade im No⸗ vember⸗März seien Bauten nicht im Gange, die Ernte sei vor⸗ über, die Handelskonjunktur lasse sich leichter übersehen. Seien allein die Momente, wie Jagdvergnügen und Badereisen, maß⸗ gebend, um Verfassungsänderungen vorzunehmen? Durch die Annahme dieses Gesetzes proklamire man ein persönliches Regiment des Reichskanzlers. Gerade durch den Antrag Rickert werde den einzelnen Landtagen ein ungenirtes Tagen garan⸗ tirt. Das zu lange Tagen solle das Gefühl für Parlamentaris⸗ mus abstumpfen. In allen andern Ländern tage jedes Par⸗ lament ebenso lange wie in Deutschland Reichstag und Landtag zusammen. Daß dem Abg. von Marschall die Thätigkeit als eine unfruchtbare erscheine, komme daher, daß derselbe während der Reaktionsperiode ins Haus gewählt worden sei. In keinem andern Staat sei in so kurzer Zeit eine so ungemein große Arbeitslast bewältigt worden, wie in Deutschland nach Erstehung des Deutschen Reichs. Daß jetzt weniger hervorragende Er⸗ gebnisse geschaffen würden, liege nicht an dem Reichstag, son⸗ dern an der Regierung. Nicht wenig trage dazu auch bei die systematische Zersetzung der Parteien. Könnte die Regierung sich hier auf eine feste Majorität stützen, selbst wenn sie gegen sie wäre, so würde das dem Ansehen des Parlaments mehr nützen, als das gegenwärtige Spiel des Mißtrauens. Er habe z. B. seun vom Centrum erwartet, daß es nicht mit der Regierung stimmen würde, er habe geglaubt, daß es auch dies Gesetz als einen Appendix für seine Bestrebungen gegen die Maigesetze ansehen würde. Das Gefährliche liege darin, daß die vorgeschlagene Aenderung nicht für die gegenwärtige Majorität, sondern in perpetuum gemacht werden solle. Die konservativ⸗klerikale Mehrheit werde bald zerfallen und dann das Ansehen des Reichstags sich wie⸗ der mehren. Eine Verlängerung der Legislaturperioden sei gefährlich wegen der Auflösungen, die man zu erwarten haben werde. Nehme man jetzt die Steuerpläne der Regierung nicht an, so habe man die Auflösung vor sich. Man wisse aber überhaupt nicht, bei welchem Gesetze die Auflösung erfolgen könne, weil man die Vorlagen gar nicht nach ihrer Wichtigkeit beurtheilen könne. Habe man doch vor Kurzem noch erlebt daß das unwichtig erscheinende Gesetz über die Besteuerun der Dienstwohnungen, bei welchem es sich um 1200 % Miethssteuer weniger handele, so behandelt sei, al wenn es die wichtigste hochpolitische Vorlage sei. Je länger di Legislaturperioden seien, desto mehr flösun gen häufen. Wenn längere, so gebe man dam . e einen ihm ungünstigen Reichstag in dem ihm passenden Mo mente nach Hause zu schicken oder einen ihm günstigeren Reichstag noch länger zu behalten. Der Abg. Stumm habe gesagt, Deutschland sei das einzige Land, welche zweierlei Budgets festzustellen habe. England habe das Budget für England und für Indien, Oesterreich das für den Gesammtstaat und für die einzelnen Staaten fertig zu stellen; das Gleiche gelte für Amerika. Warum solle Deutschland allein die veegk. Etatsperioden einführen? Der Abg. Stumm habe auf das Verderbliche der häufigen direkten Wahlen u Er sei der Ueberzeugung, daß das allgemeine Wahlrecht zum Verderben der Kulturentwicke⸗ lung der betreffenden Staaten ausschlage, wenn nicht alle ernsten Männer sich vereinigten, das allgemeine Wahlrecht nicht zu bearbeiten nach der Art, wie man die meisten Säe⸗ men gewinnen könne, sondern im Bewußitse⸗ whrer eveies etet ees. Wenn man Seitene oer Regierung und der Par⸗ teien die Waheren, venutze, um ddie Interessen der einzelnen Kreise anzuregen, dann werde das allgemeine Wahlrecht kein Bildungsmittel, sondern ein Verderben. Die Schuld liege 8 nur an den Parteien. Die zweijährige Einberufung des Reichstags würde lediglich zu Gunsten einer absolutistischen Regierungsweise, aber zum vecehen für die der Geschäfte und das Ansehen des Reichstags wirken. Die jähr⸗ liche Einberufung des Reichstags bei zweijähriger Etats⸗ periode würde noch viel größere Nachtheile mit sich bringen, die Arbeiten in dem budgetlosen Jahr würden schwieriger sain als die jährliche Berathung des Er bitte des⸗ alb, den Gesetzentwurf abzulehnen.

Der Präsident theilte mit, daß vom Abg. Stumm ein Antrag eingegangen sei, welcher den Gesetzentwurf mit dem Antrage Rickert an eine Kommission von 21 Mitgliedern überweisen wolle.

Die Diskussion wurde darauf vertagt.

Nach kurzen persönlichen Bemerkungen der Abgg. Stumm, Frhr. von Marschall und Dr. Lasker vertagte sich das Haus 4444444““

udgets.

Statistische Nachrichten.

Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund⸗ heits⸗Amtes sind in der achten Jahreswoche von je Bewohnern, auf den Jahresdurchschnitt berechnet, als gestorben emeldet: in Berlin 23,9, in Breslau 32,6, in Könisgeberg 35,4, in öͤln 25,9, in Frankfuri a. M. 20,9, in Hannover 17,8, in Cassel 24,9, in Magdeburg 21,4, in Stettin 22,7, in Altona 21,1, in Straßburg 38,4, in Metz 24,9, in München 37,1, in Nürnberg 38,1, in Angaburg 28,3, in den 26,4, in Leipzig 22,0, in Stuttgart 23,0, in Braunschweig 21,7, in Karlsruhe 21,8, in Hamburg 23,3, in Wien 30,3, in Budapest 37,4, in Prag 43,5, in Krakau 41,1, in Triest —, in Basel 29,5, in Brüssel 29,4, in Paris 29,3, in Amster⸗ dam 25,7, in Kopenhagen 27,0, in Stockholm 29,3, in Christiania 16,5, in St. Petersburg 54,8, in Warschau —, in Odessa 31,3, in Bukarest 27,8, in Rom 29,6, in Turin 35,1, in Madrid 43,2, in Lon⸗ don 21,5, in Glasgow 23,3, in Liverpool 28,6, in Dublin 38,3, in Edinburgh 21,2, in Alexandria (Egypten) 35,8. Ferner aus e⸗ ren Wochen: in 1& 33,4, in Philadelphia 24,6, in 6*, 22,3, in St. Louis 20,7, in Cincinnati 17,7, in San Francisco 19,1, in Calcutta 33,7, in Bombay 31,6, in Madras 48,4.

Während der ersten Hälfte der Berichtswoche herrschten an den deutschen Beobachtungsst een meist südöstliche, in Karlsruhe und Bremen nordöstliche, in letzterem Orte mit südöstlichen wechselnde Luftströmungen, die an den meisten Stationen am 25. in Cöln schon am 24. nach Nordost, an den Oststationen und in München nach West, in Karleruhe nach Südwest, am Schluß der Woche jedoch

fast allgemein wieder nach Ost (und Nordost) vecngen. —. Die Temperatur der Luft war eine mäßig und überstieg in Mittel⸗, West⸗- und Süddeutschland das onats mittel. iederschläge

waren selten. Der schon beim Beginn der Woche hohe Luftdruck be⸗ hauptete seinen Standpunkt in München, an den ost⸗ und mitteldeut⸗

Sitzung viel länger dauern wie jetzt. Mhas Beispiel habe! schen Stationen bis zum 24., und sank dann rasch und tief. In