1881 / 75 p. 9 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 29 Mar 1881 18:00:01 GMT) scan diff

nur die unverschuldete Bewußtlosigkeit bezwo. Verwirrung der Sinne als Strafausschließungsgrund; da aber nicht festgesetzt war, daß bei verschuldeter finnloser Trunkenheit die Strafe des dolosen Deliktes einzutreten habe, nahm die Doktrin an, daß regelmäßig nur die Strafe der Fahrlässigkeit, soweit letztere strafbar, eintreten könne. Das Strafgesetzbuch von Preußen (1851) und das demselben nach⸗ gebildete von Oldenburg (1858) gedenken der in bewußtloser Trunkenheit begangenen Handlungen nicht, gaben aber durch eine offenbar unvoll⸗ ständige Aufzählung der die Zurechnungsfähigkeit 1“ Geistes⸗ zustände der Rechtsprechung Anlaß, in ausdehnender Auslegung die verschuldete volle Trunkenheit als Strafaufhebungsgrund gelten zu lassen. Dagegen bringen die Strafgesetzbücher von Sachsen (1838, 1855, 1868), Wäuͤrttemberg (1839), Hessen (1841), Nassau (1849), Baden (1845), Thüringen (1850), Baxern (1861), Lübeck (1863) und Hamburg (1869) die Grundsätze der neuen Theorie, wenngleich nicht ohne Abweichungen im Einzelnen, zum Ausdrucke. Einzelne der Kodifikationen (Sachsen 1838, Braunschweig 1840, Thüringen 1850) weisen zugleich darauf hin, daß in den hier in Rede stehenden Fällen die etwa nöthigen Sicherheitsmaßregeln zur Verhütung weiterer Ge⸗ setzwidrigkeiten nicht ausgeschlossen seien, unterlassen jedoch die nähere Bezeichnung dieser Maßregeln. Die neueren Strafgesetzbücher Sach⸗ sens stellen eine Vermuthung für die Zarechnungsfähigkeit von Per⸗ sonen im Alter von mehr als 14 Jahren auf. Andere Landesrechte (Bayvern, Baden, Hessen, Braunschweig, Hannover) verhängen Polizei⸗ strafen gegen die Trunkenheit, falls solche die Sicherheit anderer Personen oder fremden Eigenthums oder die öffentliche Ruhe stört, bezw. öffentliches Aergerniß erregt oder mit Unfug verbunden ist. Fremde Gesetzgebung.

Was die Gesetzgebung des Auslandes anbetrifft, so dürften sich in Europa nur wenige Rechtsgebiete von einiger Ausdehnung nach⸗ weisen lassen, deren Gesetze die Trunkenheit und die in dem Zustande derselben verursachten Rechtsverletzungen in einem gleichen oder wei⸗ teren Umfange straffrei ließen, wie das in Deutschland geltende Recht. Nur wenige der fremden Gesetzgebungen nähern sich der deutschen Rechtsanschauung, die meisten stehen zu ihr im diametralen Gegensatz, einzelne nehmen einen vermittelnden Standpunkt ein.

I. Gesetzgebungen, die sich der deutschen Rechts auauscha

Ungarn.

Beinahe vollständig auf dem Boden der deutschen Theorie steht die Gesetzgebung Ungarns. Der §. 76 des dort geltenden Straf⸗ gesetzbuchs vom 15. Juni 1880 stimmt im Wesentlichen mit §. 51 des unsrigen überein. Ob die ungarische Praxis sich die Konsequenzen der deutschen Doktrin voll aneignen wird, steht freilich dahin. Immerhin bleibt hier insofern eine Abweichung vom deutschen Recht zu konstatiren, als das dortige Polizei⸗Strafgesetzbuch vom 12. Juni 1879 eine, wenngleich sehr geringe, Strafe für den Fall androht, daß Jemand an öffentlichem Orte in Aergerniß erregender Weise be⸗ trunken erscheint.

Dänemark.

In Dänemark läßt das Strafgesetzbuch vom 10. Februar 1866 die in sinnloser Trunkenheit verübten Rechtsverletzungen straffrei.

II. Gesetzgebungen, deren Grundanschauung de deutschen Doktrin entgegensteht. Frankreich.

er Artikel 64 des französischen Code pénal kennt nur démence als einen die Strafbarkeit ausschließenden Geisteszustand. Doktrin und Rechtsprechung sind darin einverstanden, daß unter démence Trunkenheit, selbst im höͤchsten Stadium nicht verstanden werden könne. Demgemäß hat der französische Kassationshof wiederholt den Grundsatz ausgesprochen, daß freiwillige Trunkenheit niemals als Strafausschließungsgrund in Betracht kommen dürfe. Die Schrift⸗ steller, welche de lege ferenda diese Auffassung bekämpfen, welsen die Richter und Geschworenen darauf hin, daß sie gleichwohl den Zustand der Trunkenheit berücksichtigen können, indem sie aus diesem Grunde die Thatfrage verneinen. Daß letzteres in der Praxis geschieht, wird schon von Mittermaier konstatirt. Durch ein neueres Gesetz (vom 24. Januar 1873) ist ferner die 5 de Oeffentlichkeit tretende Trunkenheit allgemein mit Strafe

Belgien. Luxemburg. 8

Bezüglich der Nichtberücksichtigung der Trunkenheit bei den im Zustande derselben begangenen Handlungen haben sich die Strafgesetz⸗ gebungen Belgiens und Luxemburgs dem französischen Cede pénal angeschlossen.

Niederlande.

Letztere ist in den Niederlanden von der Zeit der Fremdherrs

her in Kraft geblieben. Bei den Versuchen, ein selbständiges Straf⸗ recht zu schaffen, hat die niederländische Regierung noch in dem Ent⸗ wurse von 1859 an dem dargelegten Grundsatze des französischen Ge⸗ setzbuchs festgehalten, der Entwurf von 1875 aber giebt die An⸗ schauungen der deutschen Rechtsentwickelung wieder. Die Regierung hat sich jedoch veranlaßt gesehen, den im Herbst 1880 eröffneten Kammern der Generalstaaten eine Gesetzvorlage zur Bekämpfung der Trunksucht zu machen, und die Zweite Kammer hat bei der Berathung des Strafgesetzentwurfs die Bestimmurg, nach welcher selbstverschul⸗ dete Trunkenheit die Strafe auesschließt, gestrich

Spanien.

Das Strafgesetzbuch Spaniens vom 18. Juni 1870 entspricht dem Standpunkte des französischen Rechts, welchen auch der Entwurf von 1880 festyält, nur -2 letzterer die Trunkenheit als Milderungs⸗ grund gelten, falls sie nicht eine gewohnheitsmäßige ist 6 verbrecherischen Entschlusse nachfolgt.

Den Anschauungen des französischen Code pénal folgen auch die meisten Kodifikationen der schweizerischen Kantone, mit Ausnahme einzelner aus jüngster Zeit. Auch hier finden sich polizeiliche Maß⸗ regeln gegen die Trunkenheit angeordnet.

Schweden.

Die ausführlichsten Vorschriften über Bestrafung der Trunken⸗ heit enthält das schwedische Gesetz vom 16. November 1841. Nach dem Strafgesetzbuch vom 16. Februar 1864 kommt als Strafaus⸗ hebungsgrund nur die unverschuldete Trunkenheit in Betracht; bei versculdeter Trunkenheit treten für die in diesem Zustande begangenen Verbrechen neben den ordentlichen Strafen außerdem noch die Stra⸗

fen der Betrunkenheit ein; nur die Todesstrafe absorbirt letztere Strafen.

v111.“

Rußland.

Das russische Gesetzbuch vom 5. Mai 1866 jgnorirt die Trunken⸗ heit in ähnlicher Weise wie der französische Code pénal.

Großbritannien.

Nach englischem Recht gilt als Regel, daß freiwillige Trunken⸗ heit die Strafbarkeit der Handlung nicht aufhebt. Nur wenn eine .— Willensrichtung ein nothwendiges Moment des That⸗ bestandes bildet (if the exrlstenco of a specide intention is essential to the cowmiesion of a crime), kann der Beweiz der freiwilligen Truakenheit höchsten Grades Straflosigkeit herbeiführen. Bei dem Versuch einer Kodifikation des enaliscgen Strafrechts hat man es nicht für angemessen erachtet, auf diesen G

waltete aber nicht die Absicht ob, dern.

egenstand einzugehen; es den bestehenden Rechtezustand zu

92 Irland und Schottland üe überdem Strafgesetze

gegen die Trunkenheit und ein Gesetz, betressend die Asple zur Unter⸗

bringung von Gewohnheitstrinkrrn, die Habitual D unkards Act. vom 3. Juli 1879, 42 et 43 Vict. ch. 19.

III. Gesetzgebungen, welche einen vermittelnden Standpunkt einnehmen.

Die Gesetzgebungen, welche nachfolgend in Betracht gezogen wer⸗ den, stimmen insofern mit dem deutschen Recht überein, als sie die in voller Trunkenheit verübten Strafthaten den ordentlichen Straf⸗ vorschriften entziehen; sie weichen aber darin von jenem ab, daß sie das Versetzen in Trunkenheit in Verbindung mit dem in derselben herbeigeführten strafrechtswidrigen Erfolg, in größerem oder geringe⸗ rem Umfange, mit besonderen Strafen ahnden.

Portugal.

Den einfachsten Ausdruck hat diese Auffassung in dem portu⸗ giesischen Strafgesetzbuch vom 10. Dezember 1852 gefunden. Dasselbe verhängt pena de prisao correccional (annähernd gleich unserer Ge⸗ sängnißstrafe, im Höchstbetrage von 3 Jahren) und unter Umständen Polizeiaufsicht, falls im Zustande vollständiger Trunkenheit eine im Strafgesetz bedrohte Handlung verübt wird. ““

Oesterreich.

Das österreichische Strafgesetzbuch vom 27. Mai 1852 schließt in §§. 1, 2 für die Delikte, welche in einer ohne Absicht auf das Verbrechen zugezogenen vollen Berauschung begangen werden, die Strafen des vorsätzlichen Deliktes aus, bestraft aber unter der bezeichneten Voraussetzung die Trunkenbeit als Uebertretung mit Arrest von einem bis zu drei Monaten. War dem Trunkenen aus Erfahrung bewußt, daß er in der Berauschung heftigen Ge⸗ müthsbewegungen ausgesetzt sei, so soll der Arrest verschärft, bei größeren Uebelthaten aber auf strengen Arrest bis zu sechs Monaten erkannt werden. Außerdem wird die „eingealterte“ Trunkenheit in verschiedenen Fällen, wo sie gefährlich werden kann, mit geringeren Strafen bedroht.

Im Prinzip stimmt hiermit noch der gegenwärtig der Berathung unterliegende Entwurf überein, beschränkt aber den Kreis der Straf⸗ barkeit und ermäßigt die Strafe.

Für Galizien und Lodomerien sammt Krakau und für die Bu⸗ kowina hat sich die Gesetzgebung genoͤthigt gesehen, eingehende Vor⸗ schriften zur Hintanhaltung der Trunkenheit zu erlassen. Das Gesetz vom 19. Juli 1877 bedroht insbesondere die an die Oeffentlichkeit tretende und Aergerniß erregende Trunkenheit mit Strafe. Das Haus der Abgeordneten hat unter dem 8. Mai 1877, desgleichen das Herren haus in der Sitzung vom 27. Juni 1877 die Regierung aufgefordert, nach Einvernehmen der Landtage in Erwägung zu ziehen, „ob das Gesetz, womit Bestimmungen zur Hintanhaltung der Trunkenheit ge⸗ troffen werden, nicht auch auf andere im Reichsrathe vertretene König⸗ reiche und Länder auszudehnen sei“. Aus den Verhandlungen ist folgende Aeußerung eines Abgeordneten bemerkenswerth:

8 als ich konstatiren muß, daß unsere Gesetzgebung von der Trunkenheit nur insofern Notiz nimmt, als sie selbe bei Verbrechen für einen Milderungsumstand, ja in manchen Fällen sogar für einen Entschuldigungsumstand gelten läßt.

Das, was meiner Ansicht nach vom Gesetze verpönt werden sollte, wird also vom Gesetze sogar in Protektion genommen

Italien.

Ungleich strenger sind die Vorschriften des italienischen Straf⸗ ehescnce über die Bestrafung der in völliger Trunkenheit begangenen strafbaren Handlungen. Gegen Gewohnheitstrinker und bei absicht⸗ lich herbeigeführter Trunkenheit tritt die sonstige Strafe des Diliktes ein. In anderen Fällen wird die nach ihren objektiven Merkmalen strafbare Handlung mit Gefängniß bis zu 10 Jahren bestraft. Wenn jedoch das Gesetz andere Zuchtpolizeistrafen, als Gefängniß oder Haft, androht, so ist auf die angedrohte Strafe unter Herabsetzung der⸗ selben um einen bis zu drei Graden (nach der dem italienischen Recht eigenthümlichen Abstufung) zu erkennen.

„Auf derselben Grundanschauung, wenngleich im einzelnen ab⸗ weichend, beruhen die Vorschriften des neuen italienischen Strafgesetz⸗ entwurfs. Ist die Trunkenheit in der Absicht herbeigeführt, die straf⸗ bare Handlung zu begehen oder um sich einen Entschuldigungsgrund zu verschaffen, so tritt die volle Strafe des Reats ein. In den übrigen Fällen wird bei einer bis zur Bewußtlosigkeit gesteigerten Trunkenheit das Verbrechen mit Gefängniß von einem bis zu fünf Jahren, das Vergehen mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft; bei sonstiger Trunkenheit hohen Grades wird die Strafe um einen Grad gemindert.

Der einzuschlagende Weg.

„Vorstehende Betrachtung weist von selbst auf den Weg, welchen die deutsche einzuschlagen hat.

Bei einem Vergleiche des deutschen Rechts mit dem auslän⸗ dischen springt zunächst in die Auzen, daß im Allgemeinen der Trunkenheit mit weit umfassenderen Strafandrohungen entgegen⸗ tritt, als, von elazelnen Partikulargesetzen abgesehen, die deutsche Gesetzgebung. Es wird daher zu prüfen seln, ob die in Deutschland geltenden Vorschriften dem Bedürfnisse genügen und etwa nach dem 198 des ausländischen Rechts zu ergänzen sind (siehe die Motive zu §. 1).

Was die im Zustande siunloser Trunkenheit verübten Straf⸗ thaten anbetrifft, so erscheint es nicht rathsam, den Standpunkt der⸗ senigen Gesetzgebungen einzunehmen, welche sich damit beguügen, iesen Zustand einfach zu igneriren. Das zeigt vor allem das Vei⸗ spiel Frankreichs. Aus den Darstellungen der französischen Rechtslehrer ergiebt sich ein nach keiner Beziehung hin befriedigender Zustand. Die sinn⸗ lose Trunkenheit verschwindet zwar aus den Wahrsprüchen der Geschwo⸗ renen und den richterlichen Entscheidungen, gelangtaber durch eine Hinter⸗ thür wieder in die Rechtsübung und das praktische Ergebniß ist, daß das Gesetz scheinbar gewahrt wird, in Wirklichkeit aber un⸗ beachtet bleibt und der Vertheidigung die Frfsab⸗ zufällt, ein Ein⸗ 56 des zur Wahrung des 15 bestellten höchsten Gerichts⸗

ofs zu hindern. Man sieht: das bestehende Gesetz steht im Wider⸗

spruche mit den Rechtsanschauungen der Nation und unterliegt im Kampfe. Hätte man nur die Wahl zwischen den Un vträglichkeiten dieses und des bei uns bestehenden echess canden, o würde man sich zu Gunsten des letzteren entscheiden müͤssen.

Allein es lassen sich beiderlei Unzuträglichkeiten vermeiden, wenn man dem Wege folht, welchen die zuletzt besprochenen neueren Ge⸗ setzgebungen eingeschlagen haben.

Dieser Standpunkt, nach welchem für Feftsetzung der Strafsaͤtze neben dem objektiven Momente der eingetretenen Rechtsverletzung ugleich das Maß der subjektiven Verschuldung, welche in der Her⸗ e Zustandes vorliegt, in Betracht kommt, erscheint auch als prinzipiell richtige.

Das Rechtsgefühl wird, falls der Thäter nicht ohne sein Ver⸗ chulden in den Zustand gerathen ist, wenn die in Rede

ehenden Handlungen straflos bleiben, denn su sektiv liegt eine Ver⸗ schuldung, objektiv eine Rechtsverletzung vor, welche auf den Vorsatz oder eine Fabrlaffigkeit des Thäters zurückzuführen ist.

Andererseits besteht eine Kluft zwischen einem in höchster Trunkenheit und einem im Zustande freier Willensbestimmung ge⸗ aßten vesagf. Die Geseßgebungen, welche diesen Unterschsc gnoriren afen die in sinnloser Trunkenheit begangenen Delikte so, als gingen sie aus dem gleichen verbrecherischen Willen hervor, wie ihn in anderen Fällen die Feeafbeemensan über vorsätzliche Delikte 12 en. Diese Filtion widerstreitet in der Mehrzahl der Fälle der ur der Dinge und führt in ihrer Anwendung zu Konsequenzen, welche dem Rechtsgefühl ebensowenig entsprechen, als die nach der entgegengesetzten Anschauung solchen Handlungen ge⸗ währte Straffteibege

Die deutsche Strafrechtewissenschaft ging sonach von einer als

unterschiedslose Anwendung der Strafe des vorsätzlichen Delikts auf die in sinnloser Trunkenheit berbeigeführten Rechtsverletzungen bekämpfte. Daß im Meinungsstreite die berechtigte Grenze nicht inne⸗ gehalten wurde, kann nicht auffallen. Nachdem aber die Gesetzgebung sich die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung angseignet hatte, hat sich insofern eine Lücke im System des Strafrechts durch die Praxis berausgestellt, als sich die Straflosigkeit von Handlungen trgeben hat, die zwar nicht nach den Anschauungen des alten Rechts mit der vollen Strafe des vorsätzlichen Delikts, aber doch mit Strafe belegt werden müssen. Entwurfs.

Besonderer Theil.

Die im Eingange der allgemeinen Begründung erwähnte Vor⸗ schrift des §. 361 Nr. 5 des Strafgesetzbuchs soll nach den Motiven dazu beitragen:

„die Neigung zum Trunke, dem Spiel, dem Müßiggange und die damit verbundene Arbeitsscheu zu brechen und damit, wenn möglich den Rückfall in jene Laster zu verhüten.“

Nach sachkundigem Urtheil hat sie nach dieser Richtung hin keinen Erfolg geäußert, und zwar deshalb, weil die Strafe erst ein⸗ tritt, wenn die Trunksucht ein Einschreiten der Behörde zur Be⸗ schaffung des Unterhalts für den Trunksüchtigen und seine Angehöri⸗ gen zur Folge gehabt hat, dieses Stadium aber einen solchen Grad vorgeschrittener Trunkfälligkeit und sittlicher Verkommenheit voraus⸗ setzt, daß eine Besserung nicht mehr erhofft werden kann.

Die Gesetzgebung, wenn sie überhaupt gegen die Trunksucht ein⸗ schreitet, muß ihre Repressirmaßnahme in einem früheren Stadium eintreten lassen.

Wenn die Folgen der Trunksucht sich auf den diesem Laster Er⸗ gebenen beschränkten, könnte der Gesetzgeber dieselbe unbeachtet lassen. Sis schädigt aber auch die Familien, die Gemeinde und den Staat und zwar in so verderblicher Weise, daß jedes zulässige Mittel der Abwehr angewendet werden muß.

„Es genügt darauf hinzuweisen, daß die Trunksucht die Krank⸗ heitsursachen und die Sterblichkeit mehrt, daß ein großer Theil der Selbstmorde (in Deutschland 8 bis 16 %) und ein noch größerer Theil der Geistesstörungen auf den übermäßigen Alkobolgenuß zurück⸗ geführt wird, daß dieser sich auch als die ergiebigste Quelle des Pau⸗ perismus darstellt, das Familienglück vernichtet, die Prostitution för⸗ dert, den Sinn für öffentliche Ordnung und Rechtssitte untergräbt, und daß seine Wirkungen auf das phbysische und pspchische Leben sich auf die Nachkommenschaft vererben und somit eine Degene⸗ ration herbeiführen. Mit der Zunahme der Trunkenheit steigt die Zahl der Verbrechen, während, wo sich eine Abnahme des Alkohol⸗ tonsums konstatiren läßt (. B. ia Irland in Folge der Bestrebungen des Pater Mathew, in Schweden nach energischen Repressivo⸗ maßregeln der Staatsgewalt), sich sofort eine auffallende Vermin⸗ derung dieser Zahl bemerkbar macht. Die Zahl der Gefangenen, welche mittelbar oder unmittelbar als Opfer des Trunkes anzusehen sind, ist 1877 in verschiedenen Anstalten Englands auf 60, 75, 80, ja 90 % der Jasassen ermittelt. In Deutschland sind nach den dankenswerthen von Dr. Bär gemachten beziehungsweise veranlaßten Erhebungen unter 32 837 Gefangenen 13 706 (41,7 %) Trinker, und zwar 7269 (22,1 %) Gelegenheitstrinker und 6437 (19,6 %) Gewohn⸗ heitstrinker gefunden.

Nach diesen Ermittelungen sind der Mord in 46,1 %, der Todt⸗ schlag in 63,2 %, Körperverletzungen schwererer Art in 74,4 %, solche leichterer Art, die mit Gefängniß bestraft sind, in 63 %, Wiberstand gegen die Staatsgewalt in 76,5 %, Hausfriedensbruch in 54,2 %, Nolhzucht in 60,2 %, Vergehen gegen die Sittlichkeit in 77 % der Fälle im Zustande der Trunkenheit verübt.

„In jüngster Zeit ist mehrfach von Personen, deren Unbefangen⸗ heit und Sachkunde nicht in Zweifel gezogen werden kann, eine Zu⸗ nahme der Trunksucht behauptet worden. Ein zahlenmäßiger Beweis läßt sich bierfür nicht geben, mehrfache Gründe sprechen jedoch für eine solche Annahme.

„Mehrfache Beobachtungen lehren, daß plötzlich eintretende Lohn⸗ erhöhungen die Unmäßigkeit steigern. Als nach dem letzten Kriege die Arbeitslöhne in Deutschland eine zum Teil schwindelhafte Höhe erreichten, wurde notorisch ein großer Theil des Erwerbes in Völlerei verpraßt; es mag dam mitgewirkt haben, daß gewissenlose Agitatoren die Sparsamkeit als ein der allgemeinen Volksbeglückung entgegen⸗ stehendes Hinderniß bekämpften.

Die Zahl ferner der Fälle einer polizeilichen Festnahme Be⸗ trunkener, welche für mehrere größere Städte Preußens auf Veran⸗ lassung der rheinisch⸗westfälischen Gefängnißgesellschaft durch die städtischen Behörden ermittelt, worden ist, zeigt seit 1870 bis 1876 (bis wohin die Ermittelungen gehen) eine erhebliche Steigerung. In Berlin wurden im Jahre 1879 wegen Trunkenheit 7377 Personen sistirt, von denen 6890 dem männlichen, 487 dem weiblichen Ge⸗ schlechte angehörten.

Bemerkenswerth ist auch, daß die Zahl der Todesfälle am deli- rium tremens in Berlin von 1835 bis 1870 in stetiger Abnahme sich befand, von 1871 ab in starker Progression steigt.

„Ein wichtigeres Anzeichen für die Znnahme der Trunksucht ist die Vermehrung der Verkaufzstellen geistiger Getränke im ganzen Gebiete des Reichs. Sie beträgt:

für Preußen von Ende 1869 bis Anfang 1877 . für Bayern von Anfang 1872 bis Anfang 1877. 36 für Sachsen von Ende 1869 bis Anfang 1878. 35 für Württemberg von Anfang 1872 bis Mitte 1878 44 JEe2151515“ für Hessen von Ende 1869 bis Anfang 1878 . 8 für Meckleaburg⸗Schwerin, desggl... . . für das Großherzogthum Sachsen, dekgl..

für die übrigen Bundesstaaten, deggl.. S

Bei dem zweifellos bestehenden Zusammenhange zwischen Trunk⸗ sucht und Verbrechen hat man endlich aus der Zunahme der letzteren auf die Vermehrung der ersteren schließen zu koͤnnen geglaubt. „Es dürfte diese Folgerung auch nicht ganz von der Hand zu weisen sein, wenn berücksichtigt wird, daß vorzugsweise dsejenigen Vergebhungen eine auffallende Steigerung nachweifen, bei welchen die Trunkenheit erfahrungsmäßig einen unmittelbaren Einfluß üdt, als Widerstand gegen die Staatsgewalt, Verbrechen und Vergehen gegen die öffentliche Ordnung, wider die Sittlichkeit, Beleidigung, Todt⸗ schlag, Körperletzung und Sachbeschädigung. Nach der Kriminal⸗ statistik Preußens z. B. beträgt im Vergleiche mit den Ergebnissen des Jahretz 1872 die Zunahme bei den Delikten der bezeichneten Art 1873 = 12,55 %, 1874 = 33,98 %, 1875 = 38,60 %, 1876 = 51,23 %, 1877 = 73,55 %, 1878 = 83,59 %. Ein ausschlaggebendes Gewicht dürfte indeß auf die Frage, ob im Allgemeinen für Deutschland eine Zunahme der Trunksucht an⸗ zuerkennen sei, nicht zu legen sein. Denn darüber ist kein Zweifel, daß an einzelnen Orten und in einzelnen Gegenden des Reschs die Trunksucht einen gefahrdrohenden Grad erreicht hat, und gegenüber olchen Erschemungen darf die Gesetzgebung nicht erst abwarten, bis ch die verheerenden Wirkungen des Lasters in allgemeiner Zunahme nachweisen lassen. Als eines der Mittel zur Bekämpfung der Trunk⸗ ba bietet sich die Bestrafung des Trinkers dar. Schon der Um⸗ and allein, daß das geleß die Unmäßigkeit im Genusse geistiger Getränke als strafwürdig hinstellt, wird auf Manche nicht ohne Eindruck bleiben. Andere wird die erste, wenn auch mäßige, Strafe auf dem Wege zum Laster aufhalten. Zum Wenigsten wird die Trunkenbeit aus der Oeffentlichkeit bis zu einem gewissen Maße —2 werden können, und schon dies wäre im Interesse der oral und Rechtssicherheit ein nicht zu unterschätzender Gewinn. Daß die Handhabung von Strafbestimmungen, welche sich gegen den Trinker richten, nicht zu Unzuträglichkeiten führt, zeigt das Beispiel auch der deutschen Länder, in welchen solche Gesetze bestehen.

vollberechtigt anzuerkennenden Grundanschauung aus, als sie die vom alten deutschen und vom römischen Recht her überkommene,

Wenn es aus allen diesen Gründen gerechtfertigt und geboten erscheint, der Trunksucht durch Strafmittel entgegenzutreten, so kann

v“

Die Lücke auszufüllen, ist die Aufgabe des

ben dem Strafmaße nur noch die Grenze in Frage kommen, in deren die Strafbarkeit eintreten soll. b Unzweifelhaft haben unter dem Laster der Trunksucht in erster Linie die Angehörigen des Urmäßigen zu leiden. Gleichwohl wird davon abzustehen sein, die Trunksucht innerhalb des häuslichen Kreises mit den Mitteln des Strafrechts zu bekämpfen, weil ein solches Eingreifen das Familienleben unter Umständen gefährden könnte. Es wird daher nur die an die Oeffentlichkeit tretende Trun⸗ kerheit unter Strafe zu stellen sein. Aver auch bei dieser Beschrän⸗ kung lassen sich Verhältnisse denken, unter welchen ein Emschreiten der Strafgewalt zu fühlbaren Härten und Unzuträglichkeiten führen würde. . . Dieser Uebelstand wird vermieden, wenn die Strafbarkeit noch an 11 geknüpft wird, daß die Trunkenheit das allgemeine Anstands⸗ und Sittlichkeitsgefühl kränke. Desbalb will der Entwurf nur denjenigen bestrafen, welcher in einem Zastande ärgernißerregender Trunkenheit an einem öffentlichen Orte be⸗ troffen wird. eraselben Standpunkte stehen wesentlich auch die in der b1“ e die Trunkenheit gerichteten Strafvor⸗ schristen. Wenn das erglische Gesetz vom 10. August 1872 in ein⸗ zelnen Spezialbestimmungen über die bezeichnete Grenze hinausgeht. so ist doch der tbatsächliche Zustand der, daß der Angetrunkene, so lange er sich ruhig hält (quiet drunkard) unbehelligt bleibt. Und

2 - s 99 ;. 1 i den Verhandlungen über das französische Gesetz vom 23. Ja⸗ nes Sen⸗ ein Antrag, welcher den Worten „en 6tat d'ivresse mani-

1 *„ hinzufügen wollte „et faisant scandale“ abgelehnt wurde, so Ee““ geführt, daß die „ivresse manifeste“ in sich selbst ein öffentliches Aergerniß bilde, weil die Akte, durch welche sie sich manifestire, die öffentliche Ruhe und Ordnung zu stören ge⸗ e die Art der Strafe, so wird man unterscheiden messen, ob die Trankenheit eine gelegentliche oder ob sie eine wiederholt rück⸗ fällige und gewohnheitsmaͤßige ist. Im ersteren Falle kann unter Um⸗. ständen eine mäßige Geldstrafe ausreichend erscheinen, im letzteren

dagegen wird ausschließlich Freiheitsstrafe gekoten sein. Gegen Mili⸗

zersonen ist in beiden Fäͤllen die Strafe des Arrestes in der nach Rhersteget; seainesegbec⸗ zulässigen Dauer angedroht, und soll diese Strafe im Disz plinarwege verhbängt werden können. Bestimmung bezweckt die Aufrechterhaltung des bestehenden Rechts. zustandes, wonach Trunkenheit außer Dienst einen Exzeß getzen die militärische Zucht und Ordnung bildet. Aus Rücksichten der mili⸗ tärischen Disziplin erscheint es geboten, daß der Soldat fü⸗ kinen solchen Exzeß auch eine militärische Strafe erleide, und daß die Strase der Uebertretung möglichst auf dem Fuße folge.

Daß die Vorschrift des §. 1 eine günstige Wirkung ausznuͤben

ie Bei nkreichs und Englands. Hier bat mag, zeigen die Beispiele Frankreichs und Englan Einflusse der bezüglichen Gesetze die öffentliche Trunkenhei sich vermindert, und noch nirgends ist gegen die Ausführung derselben eine Klage laut geworden.

Wie in der allgemeinen Begründung ausgeführt ist, soll das in die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand von Trunkenheit für den Fall mit Strafe belegt werden, daß in dem Zustand eine Handlung begangen wird, welche, wenn von dem Mangel der freien Willensbestimmung abgesehen wird, nach sonstigen Vorschriften zu bestrafen sein würde. Demgemäß schafft §. 2 ein neues Vergehen eigener Art, modifizirt aber damit zugleich die Vorschrift in §. 51 des Strafgesetzbuchs, soweit letztere sich auf eine die Willensfreiheit ausschließende Trunkenheit bezieht. b Voraussetzung der Bestimmung im §. 2 ist zunächst eine bis zur Ausschließung der freien Willensbestimmung gesteigerte Trunkenheit. Nicht darunter fällt eine durch Trunksucht her⸗ beigeführte Geisteskrankheit, auch nicht wenn zu dieser, so⸗ weit sie die Willensfreiheit ausschließt, Trunkenheit hinzutritt. Ebensowenig fällt darunter, soweit nicht Fabhrlässigkeit in Frage kommt, der bis zu einem solchen Grade der Bewußtlosigkeit gesteigerte Zufagn⸗ der Trunkenheit, in 8. 1u“““ und ndlungsfähigkeit überhaupt keine Rede sein kann.

üe E Pals9 F EEE solchen Zustand der Beschuldigte versetzt haben. Diese Wortfassung schließt in Uebereinstimmung mit den allgemeinen Grundsätzen des Strafrechts den Fall aus, daß Jemand ohne sein Verschulden in den Zustand gerathen ist.

Außerdem ist zum Thatbestand erforderlich, daß der Beschuldigte

in dem bezeichneten Zustand eine begeht, welche, wer n in

freier Willensbestimmung begangen, einem sonstigen Strafgesetz unter⸗

liegen würde. Der Ausdruck „Handlung' ist hier wie im §. 51 des Strafgesetzbuchs im weitesten Sinne des Wortes zu verstehen.

Zufolge der Voraussetzung, daß die Handlung an sich einem

sonstigen Strafgesetz unterliegt,

Diese

Strafbarkei

bleibt das letztere sowohl bezüglich

en in freier Willensbestimmung begangenen derartigen Vergehen gleich. Die auf letztere angedrohten Strafe müssen daher auch hier zur n. w dies Seitens einer vernünf⸗ tigen Praxis schon bisher geschehen ist. 9 * 1 2P eeie [chen biscen Vergehen. Unter diesen ist zunächst der besprochene Fall auszuscheiden, daß der Thäter den Zustand, welcher die freie Willensbestimmung ausschließt, in einer auf Be⸗ gehung der Handlung gerichteten Absicht herbeigeführt hat. In diesem Falle ist, wie schon in der Doktrin fast allgemein anerkannt ist, die in diesem Zustand eingetretene Rechtsverletzung die Wirkung eines in freier Willensbestimmung gefaßten und ausgeführten regelmäßig sogar mit Ueberlegung ausgeführten Entschlusses; es rechtfertigt sich daher die Anwendung der auf das vorsätzliche Ver⸗ bre en oder Vergehen, bezw. auf das mit Ueberlegung ausgeführte Verbrechen angedrohten Strafe. Abgesehen von diesem seltenen Falle bestimmt sich die Strafwürdigkest des in dem nach §. 2 vorausge⸗ setzten Zustande begangenen vorsätzlichen Verbrechens oder Vergehens, ebenso wie bei dem in freier Willensbestimmung begangenen Reate, in erster Linie nach der Schwere der eingetretenen Rechtsverletzung. Es können also auch hier die sonst auf das vorsätzliche Verbrechen oder Vergehen angedrohten Strafen ium Maßstabe diener; es muß jedoch eine Herabsetzung derselben eintreten, weil sie einen ungleich höheren Grad von Gesetzwidrigkeit des Willens voraussetzen, als für diese Fälle des §. 2 zutrifft. Die vorgeschlagene Abstufung sichert für die schwereren Fälle eine der eingetretenen Rechtsverletzung an⸗ gemessene Ahndung und läßt zugleich hinreichenden Raum zur Berücksichtigung des größeren oder geringeren Maßes der Ver⸗ schuldung. b 3

Anlangend das Verhältniß der Vorschriften in den 8§. 1 und 2 zu einander, so umfaßt § 1 keineswegs alle Fälle des §. 2, letztere Vorschrift enthält daher nicht eine bloße Qualifikation der im §. 1. bezeichneten Uebertretung. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Strafgesetzbuchs (§§. 73 ff.) wird sonach zu bestimmen sein, inwie⸗ weit beide Vorschriften nebeneinander zur Anwendung zu bringen seien. In vielen Fällen wird Realkonkurrenz anzunehmen sein.

Die Vorschrift in §. 361 Nr. 5 des Strafgesetzbuchs bleibt vom Entwurf unberührt. .

Daß neben den Vorschriften des Entwurfs die Spezialvorschriften des Militär⸗Strafgesetzbuchs und der Seemannsordnung sowie die auf den Gebieten des Civilrechts, der Präventivpolizei und deral. liegenden landesherrlichen Vorschriften in Geltung bleiben, bedarf einer weiteren Ausführung. 1 b 8 be Andererseits vee nach Artikel 2 der Reichs⸗ verfassung die Strafbestimmungen der Landesgesetze, welche unter ge⸗

wissen Bedingungen die Trunkenheit bestrafen, außer Kraft treten.

Mit der Vorschrift, daß in den noch zu erörternden Fällen auf Verschärfung der Freiheitsstrafe, soweit dieselbe in Haft oder Ge⸗ fängnißstrafe besteht, durch Schmälerung der Kost erkannt werden muß oder kann, greist der Entwurf auf früheres Recht zurlck. Seitdem durch das kanonische Strafrecht bei Bestimmung der Strafe eine größere Rücksicht auf die Ursachen des einzelnen Vergehens ge⸗ nommen und deren Beseitigung als Hauptziel der Strafe betrachtet wurde, findet sich die Anwendung der Kostschmälerung besonders bei solchen Ausschreitungen, welche durch ein Uebermaß des Sinnen⸗ genvsses herbeigefüͤhrt waren. Gerade für die Trunkenheit und Völlerei sind in den kirchlichen Bußordnungen die Formeln: „poeniteat cum pane et aqua per mensuram et abstineat se a vino t a carnibus“ aufgestellt. 8 *Die Strafschärfung trat namentlich hervor, als die Entziehung der Freiheit das hauptsächliche Strafübel wurde und es gegenüber gewissen Gattungen strafbarer Handlungen an⸗ gemessen erschien, auch in mehr sinnlicher Weise auf den Uebel⸗ fhäter einzuwirken. Von den zahlreichen Schärfungsarten, wie sie bis in die neueste Zeit eine in Bezug auf die Zwecke des Gefängniß⸗ wesens im allgemeinen planlose Gesetzgebung ersonnen hatte, het sich besonders die Schärfung der Strafe durch Schmälerung der Kost erhalten. Fast ausnahmslos findet sich in deutschen wie außer⸗ deutschen Staaten die Schmälerung der Kost als eines der wirk⸗ famsten Disziplinarmittel in den Strafanstalten. Aber auch als ein allgemeines Strasfschärfungsmittel der Freiheitsstrafen war sie in Sachsen (Kriminalgesetzbuch vom 30. Maͤrz 1838 Art. 8. und 12, Strafgesetzbuch vom 11. Audgust 1855 Art. 12 ff., 16 und 18) sowie in Würktemberg (Strafgesetzbuch vom 1. März 1839 Art. 25, Gesetz vom 14. April 1855 Art. 8) und Baden (Strafgesetzbuch vom 5. Februar 1851 §. 54) in Uebung; in Württemberg kam nach dem Polizeistrafgesetz vom 2. Oktober 1839 Art. 24, 99 die Schärfung der Strafe durch Kostschmälerung, besonders gegen rückfällige Trun⸗ kenbolde in Anwendung. Nach dem noch t in Geltung befind⸗ lichen österreichischen Strafgesetzͤbuch vom 17. Mai 1852 kann so⸗

der objektiven als bezöglich der subjektiven Thatbestandsmomente wohl die Kerker⸗ wie die Arrestrafe durch Fasten geschärft werden;

maßgebend. Insbesondere gilt dies auch von der Willensrichtung des vasgehe L eine hiernach zum Thatbestand erforderliche be⸗ stimmte Willensrichtung im einzelnen

iüh*b ist für den Thatbestand ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Versetzung in den Zastand der Willensunfreiheit und der in diesem Zustande begangenen Handlung nicht erforderlich. Ebensowenig wird vorausgesetzt, daß der Thäter im Zustande der freien Selbstbestimmung die eingetretene Rechtsverletzung vorher⸗ gesehen habe oder hätte vorhersehen können. In dem hiernach durch⸗

1 f e lichen 25, 26). Fstrten Seeedsag. n Sn V

d versetzt, für alle in demsel 1 R vö. zu tragen habe, liegt eine Unbilligkeit nicht, weil

die Möglichkeit eines AAeseesehe Erfolgs der Trunkenheit in

keinem Falle unbedingt ausgeschlossen ist.

Indem die Bestrafung an die Voraussetzung geknüpft ist, daß Schärfungen, die sich

die i ezeichneten Zustande begangene Handlung, von letzterem ab⸗ Vorschriften eine strafrechtliche Verurtheilurg zur Folge haben wuͤrde, so ergiebt sich hieraus, ef. falls die frag⸗ lichen Vorschriften zur Strafverfolgung einen Strafantrag oder eine Ermächtigung erfordern, dies auch für eine auf Grund des §. 2 ein⸗ tretende Strafversolgung gilt. Der Entwurf hält an diesem Er⸗ forderniß fest, weil die Gründe, welche die Gesetzgebung veranlaßt haben, die Bestrafung von dem Willen des Verletzten abhängig zu machen, auch in den Fällen des §. 2 zutreffen.

Was die Festsehung der Strafe anbetrifft, so ist zu unterschri⸗

den, ob in dem die freie ausschließenden Zustande it b. en sind:

sn SI Hier liegt kein Bedenken vor, die Strafe

2 6 freier Willensbestimmung

zu lassen.

2) Vergehen aus Fahrlässigkeit.

bezüglich dieser Verschärfung bei der Kerkerstrafe ist bestimmt, daß

alle ungeachtet der Trunken. beit des Handelnden anzunehmen ist, bleibt dem Ermessen des Richters

Sträfling wöchentlich nicht mehr als drei Tage und nur an 8— bei Wasser und Brod gehalten werden soll (§. 20), bei der Arreststrafe darf diese Einschränkung nicht über zrei⸗ mal in einer Woche geschehen (§. 254). Nach dem schwedischen Straf⸗ gesetzbuch vom 16. Februar 1861 §. 10 wird die an Stelle der nicht einziehbaren Geldstrafe tretende Freibeitestrafe bei Wasser und Brot verbüßt. Endlich darf noch ee.; werden, daß auch dem deutschen Reichtrecht diese Verschärfung nicht fremd ist, indem die⸗

begangenen Handlungen eintreten fkeit als ein Strafübel ist.

selte gegen Soldaten bei Verbüßung von mittlerem und strengem b drrest cntritt (Militär⸗ Strafaesetbuch vom 20. Juni 1872, Art.

Wiederbelebung der gedachten Strafschärfung durch den vene ene Seebentwerf dürste sich aus demselben 22g rechtsertigen, nach welchem das kagsn se. ech ge 2 eee⸗ bold Buß Wasser und Bro etzte. weniger bold eine Buße bei den ehen his a 1 ich des Besserungszwecks der Strafe eignen, ie erce b Kost eines der berzorrazendsten und wirksamsten Mittel. Sie ist aber für die hier in Betracht kommenden Fälle um so notbwendiger, als in einer voraue sichtlichen Mebrheit dersel⸗ ben die bloße Verküßung einer Freiheitsstrafe nicht oe, erscheinen dürfte. Denn wenn man auch nicht Geib, Reform S. g. darin zustimmen kann, „daß die Gefängnisse bei uns so ein⸗ gerichtet sind, daß sie ihre Bewohner in eine Lage versetzen, wie sie jedenfalls neun Zehntheile derselben sich bis dahin kaum in . kühnsten Phantasien zu erträumen gewagt hatten“, so wird *†%¹. in Abrede gestellt werden können, daß für die überwiegende Fete⸗ zahl der nach den Se nle, Zaee In Verarebenles.

9 1 ängni el e 1 * den der bloße Anfenthalt vübe EIe““ andlung

Noth des täglschen Lebens herauszukommen, eine strafbare

Diese stehen in Ansehung der degeht, sind, nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte, nicht mehr

selten. Es wäre zu befürchten, daß sich diese Fälle vermehren wür den, wenn die nach dem Entcurf strafbaren Handlungen nicht auf eine für den Verurtheilten empfindliche Weise bestraft würden. Der Entwurf geht von dem durch vielfältige Erfahrung bestätigten Satze aus, daß gerade bei Trunksucht und den in ihrem Gefolge befindli⸗ chen Lastern die Schmälerung der Kost als ein Uebel empfunden wird, welches am wirksamsten dem Rückfall vorbeugt und verhindert, daß der Uebelthäter den Aufenthalt im Gefängnisse als angenehme Abwechselung betrachte. Solchen Personen gegenüber muß die Strafe, um eine heilsame Wirkung zu äußern, einen vorzugsweise dis plinä⸗ ren Charakter haben und deshalb erschien es ebenso angemessen, wie geboten, das disziplinäre Element der Kostschmälerung hier als ge⸗ setzliches Strafschärfungsmittel aufzunehmen. b

Der Entwurf unterscheidet zwei Fälle; in dem einen tritt die Schärfung kraft Gesetzes ein, in dem anderen ist die Verhängung derselben dem richterlichen Ermessen aaheimgegeben.

Kraft Gesetzes tritt die Schmälerung der Kost im Falle des §. 1 Absatz 2 ein; sie richtet sich hier gegen den rückfälligen oder gewohn⸗ heitsmäßigen T-unkenbold, welcher in ärgernißerregender Trunkenheit an öffentlichen Orten betroffen wird. Die Anwendung der verschärf⸗ ten Strafe ohne weitere Prüͤfung durch den Richter wiecd hier einem ernstlichen Bedenken nicht unterliegen können.

Bei anderen im Zustande von Trunkenheit verübten strafbaren Handlungen soll der Richter im einzelnen Falle unter Berücksichtigung der Thatumstände und der Persönlichkeit des Thäters zu prüfen haben, ob sich bei der Verurtheilung zu einer Gefängniß⸗ oder Haft⸗ strafe die Schmälerung der Kost zur Anwendung eignet. Es leuchtet ein, daß die wegen Trunkenheit zu verhängende Strafschärfung ebenso angezeigt sein kann, wenn die Trunkenheit nicht bis zur Ausschließung der freien Willensbestimmung gesteigert war, und daß eine Unterscheidung nach dieser Richtung nicht gerechtfertigt sein würde. Die Schärfung ist daher allgemein zugelassen, einerlei, ob eine Verurtheilung nach diesem Gesetz (§. 2) oder nach sonstigen strafgesetz!ichen Vorschriften eintritt, in beiden Fällen (§§. 3, 4) jedoch nur dann, wenn die Ver⸗ urtheilung auf Gefängnißstrafe oder Haft lautet. Bei der Zucht⸗ hausstrafe erschien die Schärfung entbehrlich, bei der Festungs haft erschien sie nicht zweckmäßig. Hinsichtlich des militärischen Arrestes finden die Bestimmungen der §§. 25, 26 des Militär⸗Strafgesetz⸗ buchs Anwendung.

Die Art und Weise der Schmälerung ist entsprechend den letzt⸗ erwähnten Bestimmungen geregelt. Es bedarf kaum der Eewäh⸗ nung, daß die Schmaͤlerung der Kost, wie sie im Entwurf vorge⸗ schrieben ist, eine Schädigung des Gesundheitszustandes des Ver⸗ urtheilten nicht herbeiführen soll; sie kommt daher insoweit in Weg⸗ fall, als sein körperlicher Zustand dieselbe nicht zuläßt.

8

Nach §. 362 des Strafgesetzbuchs können Personen, welche nach Vorschrift des §. 361 Nr. 3 bis 8 (wegen Landstreichens, Bettelns, gewerbsmäßiger Unzucht und dergl.) verurtheilt werden, zu Arbeiten, welche ihren Fähigkeiten und Verhältnissen angemessen sind, innerhalb und, sofern sie von anderen freien Arbeitern getrennt gehalten werden, auch außerhalb der Strafanstalt angehalten werden. Bei der Ver⸗ urtheilung zur Haft kann zugleich erkannt werden, daß der Verurtheilte nach verbüßter Strafe der Landespolizeibehörde zu überweisen sei. Letztere erhält dadurch die Befugniß, die verurtheilte Person in ein Arbeitshaus unterzubringen oder zu gemeinnützigen Arbeiten zu ver⸗ wenden, Ausländer auch aus dem Bundesgebiet zu verweisen.

Die Ausdehnung dieser Vorschriften auf die nach §. 1 Absatz 2 zu Verurtheilenden wird einem Bedenken nicht unterliegen, erscheint aber auch für die Fälle der §§. 2, 4 insofern ein dringendes Be⸗ dürfaiß, als dadurch die erwünschte Möglichkeit gegeben wird, im Interesse der öffentlichen Sicherheit solche Personen, wenn auch nur zeitweise, unschädlich zu machen, welche ihre Unmäßigkeit im Genusse zeistiger Getränke und ihre Neigung zu Exzessen im Zustande des Rausches, somit ihre Gefährlichkeit an den Tag gelegt haben. Insoweit die Vorschriften in den Hausordnun⸗ gen für Arbeitshäuser eine passende Anwendung auf ein⸗ zelne der nach den Bestimmungen des „Entwurfs zu ver⸗ urtheilenden Personen nicht zulassen, würde eine Modifikation der Vorschriften eintreten müssen. Die Bestimmung des §. 362 des Strafgesetzbuchs, wonach die Verurtheilten bei Außenbeschäftigung von freien Arbeitern getreunt gehalten werden sollen, ist in den Ent⸗ wurf nicht mit aufgenommen worden, weil der dort bestimmend ge⸗ wesene Grund hier nicht zutrifft.

In neuerer Zeit hat man besondere Asyle zur Heilung oder auch zur zwangeweisen Verwahrung von Trinkern errichtet; so in den Vereinigten Staaten von Amerika, in Britisch⸗Amerika, Australien, England und Schottland. Ja Großbritannien hat ein besonderes Gesetz, die Habitual Drunkards Act vom 3. Juli 1879, 42 und 43 Vict. ch. 19, den Eintritt in diese Asyle und die Entlassung aus denselben geregelt. Für das Großherzogthum Olbdenburg gestattet das Gesetz vom 14. März 1870 Trunkenbolde, welche in Folge des Lasters des Trunkes entweder wiederholt öffentliches Aergerniß erregt haben oder den Hausfrieden ihrer Familien zerstören, in der Z vangs⸗ arbeitsanstalt zu Vechta unterzubringen. Auch besteht nach Bär eine Anstalt zu Lintorf, Regierungsbezirk Düsseldorf, welche eigentlich für entlassene Gefangene errichtet in den letzten Jahren hauptsächlich zur Aufnahme von Trunksüchtigen benutzt wird. 1

Es läßt sich annehmen, daß in Deutschland noch andere derartige Anstalten errichtet werden, wenn der Entwurf Gesetzeskraft erhält, und daß es sich dann als zweckmäßig empfehlen könne, auf Grund der Vorschriften des Entwurss Verurtheilte in solche Anstalten zu bringen. Möglicherweise wird die Errichtung von öffentlichen An⸗ stalten der Art in Frage kommen. Der Entwurf will nach der einen wie nach der anderen Richtung hin freie Hand gewähren, indem er die Unterbringung der nach seinen Vorschriften Verurtheilten in die sogenannten Trinkerasyle an Stelle der Unterbringung in ein Arbeits⸗ baus für zulässig erklärt. Selbstverständlich wird damit den auf

Grund der weiteren Erfahrungen zu fassenden Entschließungen nicht

präjudizirt. 8.,6 er §. 6 bedroht denjenigen mit Strafe, welcher bei Verrich⸗ 80 welche zur Verhütung von Gefahr fur Leben oder Gesund⸗ heit Anderer oder von Feuersgefahr besondere Aufmerksamkeit erfor⸗ . dern, sich betriakt oder solche Verrichtungen betrunken vornimmt, ohne Räuͤcksicht darauf, ob dabei die Trunkenheit öffentlich und in ärgernißerregender Weise (vergl. §. 2 zu Tage tritt. Eine solche Bestimmung empfiehlt sich im Iateresse der allgemeinen Sicherheit und findet sich beinahe gleichlautend in den Poltzeistrafgesetzen von Bavern und Basel⸗Stadt sowie in dem niederländischen Ent⸗ wurfe eines Gesetzes zur Uaterdrückung des Mißbrauchs geistiger ür N. dem Entwurf keim Vorhandensein eines Nothfalls ge⸗

machte Ausnahme entspricht dem Vorgange des bayerischen Gesetzes.

NR feJnserate für den Deutschen Reichs⸗ und Königl. Preuß. Staats⸗Anzeiger und das Central⸗Handels⸗ register nimmt an: die Köultgliche Expedition

des Deutschen RNeichs-Anzeigers und Königlich Prenßischen Stuats-Anzeigern: 2 Berlin SW., Wilhelm⸗Straße Nr. 82. 1'

(Steckbrief. Der in dem nachstehenden Sianale⸗ ment näher bezeichnete Kürassier Hennig der unter⸗ habenden 4. Eecadron hat sich am 23. d. M. Abendsz beimlich enkfernt und liegt gegen denselben der drin⸗ gende Verdacht der Fahnenflucht und des Diebstahls vor. Alle resp. Militär⸗ und Civilbehörden werden

wollen. Ludwig

1. Stechbriofe und Unterzuchungs-Sachen.

2. g-E-nn Aufgebote, Vorladungen n. dergl.

3. Vverlaev „— ete.

Verloosung, Amortisation, Z

8 u. 8. w. 82* öffentlichen Papieren.

——

—— ————C—ÿxxÿj—— 3 . Steckbriefe und Untersuchungs⸗Tachen. demnach dienstergebenst ersucht, den Genannten im Setresne sane „.2n;

abliefern ung 1 25 Eignalement. Vor⸗ und Zuname Heinrich Johann Hennig, geboren den 7. Sep⸗ tember 1858, Geburtsort Garz, D-f Aufenthalteort vor dem Diensteintritt Göricke, Kreis

Deffentlicher Anzeiger.

5. Industrielle Etablissementa, Fabriken

und Grosshandel.

7. Literarische Anzeigen.

inszahlung 8. Theater-Anzeigen.

6. Verschiedene Bekanntmachungen.

In der Börsen- 9. Familien-Nachrichten.’“s . beilage.

„Invalidendank“, Rudolf Mosse, Haasenstein

& Dogler G. 9. Daube & Co., E. Schlotte,

Büttner & Winter, sowie alle übrigen größeren Annonceu⸗Bureaus.

,— 2

——

beiter

Militär⸗ an die nächste P r beite.

hierher Nachricht geben zu 1,69 m,

Religion

ark, Kinn breit, Nase klein,

Kreis Ostpriegnitz,

Bekleldet ist kerselb

storiegnitz, Stand und Wohnort des Vaters: Ar⸗ O 21 in Schön hagen, 2 Ostpriegnitz, evangellsch, ’1 it seit 5. November 1878, Statur

gnete Dienütait Mund gew, Haar lond, Bart fehlt. 4— ]

Joppe und Hose, sowie Arbeitsmütze. Branden a. 08 den 26. März 1881. Königlich Drandenburgisches Kurassier⸗Regiment K⸗ ser Rikolaus 1. von Rußland) Nr. 6. J. V.: (gez) von Schoenfeldt, Major und etatsmäßi er

Stabsoffizier. 3

Profession

Keine. it bräunlicher