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raths Dr. Dyckhoff die Prüfung der Abiturienten statt.
führte Geschichte, doch jedenfalls einen interessanten und durchaus nicht unwichtigen Beitrag „Zur Geschichte des vorm. König⸗ lichen Appellationsgerichts in Frankfurt a. O.“, das bekanntlich seit dem 1. Oktober 1879 nach über 300jährigem Bestehen mit dem Kammergerichte in Berlin vereinigt wurde, vom Amts⸗ gerichts⸗- Rath F. Bardt in Frankfurt a. O. Diese, wenngleich furze, Darstellung ist um so wichtiger, als es an einer Zusammen⸗ stellung geschichtlicher Nachrichten über die Entwickelung dieses zweiten Provinzia’⸗Gerichtsbofes der Mark bisber noch gänzlich gefehlt hat. Der Verfasser handelt in der vorstehenden Skizze über die Ent⸗ stehung des Gerichts, das aus dem Hofgericht bervor⸗ gegangen, über die Gründung des Hofacrichts in Cüstrin durch Markaraf Jobann von der Neumark, seine weiteren Schicksale, Verhältnisse und Entwickelung unter dem genannten Markgrafen, nach dem Tode desselben im Jabre 1571 unter den Kurfürsten von Brandenburg und nachfolgenden Königen von Pren⸗ ßen im 16., 17., 18. und 19. Jahrh. bis zu seiner Aufhebung im Jahre 1879, über die Verlecung des Ober⸗Landesgerichts von Cüstrin nach Soldin im Jahre 1809, über seine spätere nochmalige Ver⸗ legung von Soldin nach Frankfurt a. O. im Mai 1815, seine Schicksale in Frankfurt a. O. und seine endliche Auflösung im Jahre 1879. Am ausführlichsten, interessantesten und zugleich auch am wichtigsten sind der 2. und 3. Abschnitt, welche über die zwei⸗ malige Verlegung des Ober⸗Landes⸗ bezw. Appellationsgerichts und von seinen Schicksalen während der Zeit von 1806—1815 berichten, denn diese beiden Abschnitte aründen sich auf die Generalakten des vormaligen Franksurter Appellationsgerichts (Gen. Sect. II. Nr. 24, 25 u. 27), deren Einsicht vor ihrer Abgabe an das Kammer⸗ gericht in Berlin dem Verfasser der vorstehenden Abhandlung ge⸗ stattet worden war.
— Die Buch⸗ urd Antiquariatshandlung von J. A. Stargardt hierselbst (Jägerstraße 53) hat vor Kurzem über die von ihm ange⸗ kaufte Bibliothek des vor einem Jahre verstorbenen Professors Aug. Hagen in Königsberg einen Katalog in 2 Abtheilungen veröffent⸗ licht. Die erste Abtheilung enthält in 822 Nummern ein Verzeich⸗ niß von geschichtlichen Werken, und zwar betreffen die ersten 416 Nummern besonders die Geschichte von Ost⸗ und Westpreußen, unter denen sich eine Menge wichtiger und zum Theil seltener Schriften befindet; die darauf folgenden 150 Nummern die Geschichte von Ruß⸗ land, Polen, Schweden, Ungarn und der Türkei. Ein Anhang ver⸗ zeichnet in 255 Nummern verschiedene geschichtliche Werke (betreffend die allgemeine Geschichte, die deutsche Geschichte, Preußen, einzelne Städte, den Adel, Wappen u. s. w.) Eine Menge kleinerer Schriften, namentlich Dissertationen, sind hier in Sammelbänden vereinigt. — Die zweite Abtheilung bietet in 1688 Nummern ein Verzeichniß von Schriften, welche zunächst in 454 Nummern das Theater (die Schau⸗ spielkuust im Allgemeinen, das Drama im Allgemeinen, einzelne Dramen und dramatische Dichter und deren Werke, Theaterzettel, Texthücher zu Opern, die Musik und ihre Geschichte, Hymnolpgie, einzelne berühmte Musiker, das Theater des Auslandes, insbesondere Shakespeare. Calderon, Goldoni u. s. w), sodann in einem 2. Ab⸗ schnitt von Nummer 455 an die deutsche Sprache und die Literatur im Allgemeinen, sowie literarische Seltenheiten betreffen. Viele Schriften beziehen sich auf Goethe und Schiller.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Cleve, 28. März. An der hiesigen Landwirthschafts⸗ schule fand heute unter dem Vorsitze des Regierungs⸗ und Schul⸗ Es batten sich 7 Schüler dieser Prüfung unterzogen, und erhielten dieselben sämmtlich das Zeugniß der Reife und hiermit zugleich die Qualifi⸗ kation für den einjährig⸗freiwilligen Militärdienst.
Gewerbe und Hanbel.
Der Kommerzienrath Louis Sy, zur Zeit alleiniger Ja⸗ baber der durch ihre künstlerischen Leistungen berühmten Silber⸗ waaren⸗Firma Sy u. Wagner, ist gestern auf seiner Besitzung in Charlottenburg gestorben.
— Die Mecklenburgische Hypotheken⸗ und Wechsel⸗ bank veröffentlicht soeben die Liste der am 28. März cr. ausgeloosten 5 %Rigen und 4 ½ %igen Pfandbriefe, deren Beträge am 1. Juli resp. 1. Oktober d. J. fällig werden. Mit dieser Verloosung ist der Rest der noch cirkulirenden 5 % igen Pfandbriefe gekündigt worden, die also mit dem 1. Juli aus dem Verkehr verschwinden. Die Direktion des Instituts theilt zugleich die Restantenliste solcher Pfandbriefe mit, welche früher verloost, aber seither zur Einlösung nicht präsentirt sind; wir weisen diesbezüglich noch besonders auf das Inserat hin.
Dortmund, 28. März. (Ess. Ztg.) Die Lage des Eisen⸗ geschäfts ist in der verflossenen Woche so ziemlich unverändert geblieben. Die Hochofenindustrie leidet noch immer unter dem Drucke der Schwankungen und Preisrückgänge des Englischen und Schottischen Robeisens, sowie unter dem in letzterer Zeit wieder stärker hervortretenden Angebot Seitens der englischen Konkurrenz. In Stabeisen hat der schleppende Geschäftsgang der letzten Wochen angehalten, doch sind die größeren Werke darin im Ganzen gut besetzt und darum auch in der Lage, die Preise hoch zu halten. So fordert der Hörder Verein noch pro II. Quartal 118 ℳ pro 1000 kg (Grundpreis) und die Dortmunder Union, die sehr stark in Stakeisen beschäftigt ist, noch mehr, während kleinere Werke, die noch gut neue Aufträge placiren können, billiger ab⸗ geben. Das Ehrenfelder Walzwerk zu Ehrenfeld bei Cöln offerirte z. B. bei der vor einigen Tagen abgehaltenen Submission der Rheini⸗ schen Eisenbahn Stabeisen, flach, rund und Quadrat, schon zu 114,75 ℳ pro 1000 kg (Grundpreis), wobei freilich in Betracht kommt, daß es sich dabei um das ansehnliche Quantum von 1 000 000 kg handelte und der Preis netto gegen Kassa gilt. In Fagoneisen urd Trägereijen hat sich der Bedarf ctwas ver⸗ größert, ersteres in Folge seiner Verwendung bei den in letzter Zeit erfolgten Bestellungen auf Brückenkonstruktsonen und letzteres wegen der wieder beginnenden Bauthätigkeit. Bleche sind noch immer etwas vernachlässigt, doch haben die renommirten Blechwalzwerke recht lebhaft zu thun, um die ihnen früher zugegangenen Aufträge zu erledigen. Walzdrabt bat andauernd guten Verkehr aufzuweisen. Am bästen sind abernech immer die Schienenwalzwerke beschäftigt.
ür die Maschinenfabriken hat die Einführung des Thomas Gil⸗ christschen Verfahrens zur Entphoephorung des Roheisens bedeutende Aufträge zur Folge gehabt, indem die betreffenden Werke theils zu großartigen Neubauten, theils zum Umbau bestehender Werke mit gröttentheils neuen maschinellen Einrichtungen übergegangen sind. — Auch die in der Anlage oder im Umbau begriffenen Aufbereitungs⸗ anstalten der Zechen führen den Maschinenfabriken bedeutende Auf⸗ träge zu. — In der Kohlenindustrie dauert die Geschäftöstille 2 Uund auch in Kokes hat eine Abschwächung des Verkehrs statt⸗ gefunden.
Nürnberg, 30. März. (Hopfenmarktbericht von Lropold Held, Hopfenkommissionsgeschäft.) Seit Beginn dieser Woche wur⸗ den am Markt ca. 150 Ballen umgesetzt. In dieser Ziffer sind einige Posten alte Hopfen, welche zum Preise von 40 — 60 ℳ ver⸗ kauft wurden, mit einbegriffen. Die Zufuhren bleiben belanglos und erreichen selbst die minimale Größe der obengenaanten Verkaufszahl nicht. Slimmung und Preisstand sind unverändert fest.
Berlin, 31. März 1881.
Zum Verkehrsleben Berlins.
Seitdem Berlin die Hauptstadt des Deutschen Resches ge⸗ worden ist, hat sich sein Verkehr in ungewöhnlichem Maße ehoben. Es ist interessant, dies an der Entwickelung des erliner Post⸗ und Telegraphenverkehrs, als eines sicheren Barometers des allgemeinen Verkehrs, während des letzten Jahrzehends zu verfolgen
Zum allgemeinen Ueberblick wird vorausgeschickt, daß während von 1870 bis 1880 die Bevölkerung der Reichs⸗ hauptstadt sich von 702 437 auf 1 122 385 Seelen, also um 59 Proz., vergrößert hat, die Gesammtziffer des Berliner Post⸗ und Telegraphenverkehrs eine Steigerung der Sendun⸗ gen von 115 ½ Millionen auf 258 ½ Millionen oder von 123 Proz. aufweist, und daß die Einnahmen aus diesem Verkehr sich von 6 624 166 ℳ im Jahre 1870 auf 14 487 613 ℳ im Jahre 1880, oder um 118 Proz., erhöht haben. An dem auf 1366 Millionen Sendungen zu beziffern⸗ den Gesammt⸗Post⸗ und Telegraphenverkehr des Reichs⸗Post⸗ gebiets im Jahre 1880 hat Berlin sich mit 19 Proz. bethei⸗ ligt; sein Antheil an den auf 136 042 684 ℳ sich belaufenden Gesammteinnahmen der Reichs⸗Post⸗ und Telegraphenverwal⸗ tung während dieses Jahres beträgt 10 Proz.
Unter den 258 ½ Millionen Sendungen des Jahres 1880 befanden sich, nach Gattungen getrennt, 160 ½ Millionen Briefe und Postkarten, 83 ⅛ Millionen Zeitungen, 11 ⁴¼ Mil⸗ lionen Paket⸗, Gelt⸗ und Werthsendungen, und 3 Millionen Telegramme.
Die Summen des durch die Berliner Postanstalten ver⸗ mittelten Geldverkehrs haben sich von 1638 Millionen Mark im Jahre 1870 auf 2814 Millionen, also nahezu 3 Mil⸗ liarden Mark im Jahre 1880 erhöht.
Die Zunahme betrug 71 Proz. Die Zahl der durch die bestellenden Boten in die Häuser gebrachten Sendungen hat sich von 28 1 Millionen im Jahre 1870 auf 83 ¾ Millionen im Jahre 1880, mithin um 195 Proz. vermehrt. Diese außer⸗ ordentliche Steigerung erklärt sich zum Theil aus dem Um⸗ stande, daß seit 1871 die Bestelleinrichtung auch auf Geld⸗ briefe, Werthpackete und Postanweisungen ausgedehnt worden ist, zum anderen Theile aber aus dem Anwachsen des räum⸗ lichen Umfanges der Stadt. Beide Ursachen haben auch die erstaunliche Zunahme der Stadtsendungen, d. h. der in Berlin selbst an Berliner Adressaten eingelie serten Sendun⸗ gen, hervorgerufen. Im Jahre 1870 gab es 9 ⅞ Millionen solcher Sendungen, 1880 dagegen 39 ½ Millionen, was einer Zunahme von 324 Proz. entspricht. ahrhaft überraschend ist die Steigerung der im Stadtverkehr vermittelten Werth⸗ summen, welche von 4 Millionen Mark im Jahre 1870 auf 114 Millionen Mark im Jahre 1880 gestiegen sind, so daß eine Zunahme von 2768 Proz. vorliegt.
Dieser gewaltigen Verkehrszunahme in allen Zwei gen entspricht die Vermehrung und vielseitigere Ausbildung der Betriebsmittel.
Die Zahl der Verkehrsanstalten bezifferte sich 1870 auf 39 Post⸗ und 18 Telegraphenanstalten, im Ganzen auf 57 Betriebsstellen. Im Jahre 1880 bestanden dagegen 170. Betriebsstellen, nämlich 97 Postämter, 50 Telegraphenämter und 23 Rohrpostämter. Die Vermehrung beträgt mithin 198 Proz. Zur Ergänzung der Verkehrsanstalten behufs Er⸗ leichterung des Verkaufs von Postwerthzeichen sind im Jahre 1872 amtliche Verkaufsstellen ins Leben gerufen, deren es 1880 eine Anzahl von 112 gab. Zur Einsammlung der Briefe waren 1870 im Weichbilde von Berlin 281 Briefkasten vor⸗ handen, 1880 aber 477 Stück, also 69 Proz. mehr.
Das Personal der Berliner Verkehrsanstalten setzte sich 1870 aus 2664 Beamtken, Unterbeamten und Postillonen zu⸗ sammen, 1880 dagegen aus 5215 solchen Personen. Hiervon waren 1870 im Bestelldienste 561 Personen, 1880 aber in dieser Weise 1282 Personen beschäftigt.
Zur Verbindung Berlins dienten nach Außen im Jahre 1870 täglich 118 Postbeförderungs⸗Gelegenheiten — Eisenbahnzüge, Personenposten, Güterposten, Privatfuhrwerke und Pferdebahnen mit regelmäßiger Postsachenbeförderung —, während 1880 die Anzahl dieser täglich benutzten Beförde⸗ rungsgelegenheiten 311 betrug, oder 163 Proz. mehr. Zur Unterhaltung der Verbindungen zwischen den Post⸗ anstalten untereinander und den Bahnhöfen wurden 1870 täglich 499 Fahrten und Botengänge verrichtet. Im Jahre 1880 belief sich die Zahl dieser Verbindungen auf 1264 täglich, was eine Vermehrung von 153 Proz. ergiebt. Die tägliche Zahl der Fahrten zur Bestelluug der Packete in 38„ bezifferte sich 1870 auf 61 und 1880 auf 140 ahrten.
Die Postfuhrleistungen in Berlin bedingen die Unter⸗ haltung von 503 Pferden mit 370 Postillonen und 791. Wagen. Die Posthalterei verrichtet gegenwärtig jährlich 50 800 Packetbestellungsfahrten und 317 811 Bahnhofs⸗ und Stadtpostfahrten.
Wesentliche Fortschritte sind hinsichtlich der Tele⸗ graphenanlagen gemacht worden. Während im Jahre 1870 sich in Berlin 72 Leitungen und 120 Apparate im Be⸗ triebe befanden, hat bis zum Schlusse des Jahres 1880 eine Vermehrung der Leitungen auf 164 und der Apparate auf 366 stattgefunden. Durch unterirdische Telegraphenlinien ist Berlin gegenwärtig mit 80 Städten, darunter alle großen Handels⸗ und Industrieplätze, sowie alle Kriegshäfen, wich⸗ tigen Festungen, in unmittelbare gesicherte Verbindung gesetzt. Für den Verkehr der Telegramme und schleunigen Sen⸗ dungen innerhalb der Stadt ist Berlin seit 1876 mit einer verzweigten Rohrpostanlage versehen worden. Die Ausdehnung derselben beträgt 38 km. Zur Bedienung sind sechs Maschinenstationen mit je 2 Dampfmotoren nebst Luftpumpen angelegt worden. Im Ganzen sind 30 Rohrpostapparate in Be⸗ trieb. Mit 14 seiner Vororte steht jetzt ferner Berlin durch Fernsprechleitungen in Verbindung. Die Errichtung des za, ehnh innerhalb der Stadt, wird zum I. April d. J. vollendet sein. Hand in Hand mit diesen Er⸗ weiterungen mußten umfassende Bauten ausgeführt werden in der Leipzigerstraße, der Königs⸗ und Spandauerstraße, der Oranienburgerstraße, der Jägerstraße, der Möckern⸗, Palissa⸗ den⸗, Ritter⸗ und Köpenickerstraße, welche meistens vollendet sind oder ihrer Vollendung entgegengehen.
Neben den Porträts von Knaus ladet gerade gegenwärt die Permanente Ausstellungdes Vereins Berliner Künstler noch durch eine statlliche Anzahl anderer neuer Arbeiten der verschiedensten Art zu einem Besuche ein. Unter ihnen sei an erster Stelle einer großen histo⸗ rischen omposition, der „Taufe Kaiser Maximilians“ von lüggen gedacht. Der durch bohe Schranken gegen den übrigen
der Kirche abgesperrte Chor eines Gotbischen Domet bildet die Seene der feierlichen Handlung, die vor dem Altar von Kardinal und Bischöfen an dem ihnen dargereichten Kinde vollzogen wird, während Fuüͤrsten und hohe Würdenträger als Zeugen in dem Chor⸗ gestühl längs der Wand in feierlicher Haltung dasitzen, die nur leider mehrfach einen unfreiwillig grotesken Anflug erhalten hat, und im vor⸗ deren Plan des Bildes sich andere Figuren stehend und knieend gruppiren. Namentlich in den Frauen⸗ und averhestalken bekundet der Maler
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hier dasselbe Gefühl für reiche und zarte Anmuth der Bildung und des Ausdrucks, durch welche er in der vor einigen Jahren in Berlin ausgestellten „Darbringung der Brautgeschenke an Regina Imhof⸗“ fessein wußte, damit gepaart aber auch dieselbe Hinneigung zu einer ungesunden, sentimentalen Verschwommenheit in Zeichnung, Farbe und Tonstimmung, die bier durch das den Raum erfüllende goldige Dämmerlicht eine außerordentliche Feinheit gewinnt, dabei jedoch nur um so mehr einer gesunden Kraft und Frische entbehrt, und zumal in den Figuren des Hintergrundes die bestimmte plastische Form völlig ins körperlos Schemenhafte verflüchtigt zeigt.
Als ein seltener Gast erscheint ferner der von Berlin nach München übergesiedelte Treidler mit zwei Bildern, in denen er sich von seiner früheren Art vollständig emancipirt und dafür mit bestem Erfolg der Koloristik der Piloty⸗Schule bemächtigt hat. Das „Motiv aus dem Palazzo Rospigliosi“ mit der statuen⸗ geschmückten, von den dunklen Schatten hoher Pinien gestreiften Marmorbalustrade am Rande des Bassins, an dem, von Tauben umflattert, eine junge Dame dasitzt, beweist in der gediegen durch⸗ gebildeten landschaftlichen Scenerie zugleich eine glückliche Erweiterung seines bisherigen Darstellungsgebietes. In der ziemlich großen Figur einer jungen Frau in grünem Atlaskleide im Schnitt des Empire, die ihr Guitarrenspiel eben unterbrochen hat und sich träumerisch der in ihr erweckten Stimmung überläßt, fesselt Amberz durch feine und poetische Charakteriftik bei breitem, frischem Vortrag, deli⸗ kater Zeichnung und durchaus gelunder, farbiger Wirkung, welche malerischen Vorzüge einem zweiten Bilde, der Gestalt eines jungen Mädchens, die sich am stillen Waldbach zum Bade bereitet, nicht minder zu eigen sind. Sehr erfreulich ist sodann noch eine Kinder⸗ gruppe von Kay in einer bei dem Maler ungewohnten festbestimm⸗ ten Zeichnung und in der unverwaschenen Klarheit des darum nicht minder warmen und kräftigen Kolorits, — von liebenswündigster, anspruchsloser Anmuth die Figur eines jungen, schwarzgekleideten Mädchens in schlichter grüner Landschaft, die eine Aquarelle von
Kraus unsg vorführt.
Ein männliches Brustbild von G. Graef, zwei tüchtige Kinder⸗ porträts von Frau Büchmann, mehrere zierliche Kabinetsbilder von Ehrentraut, ein Thierstück „Aus dem Graditzer Gestüt“ von G. Koch, eine Aquarelle von Skarbina und eine treffliche Kopie nach dem Holbeinschen Bildniß des Kaufmanns Georg Eisze von Bublitz sind als noch weitere bemerkenswerthe Arbeiten hervorzu⸗ heben. Den weitaus größten Theil der Ausstellung aber bildet eine ansehnliche Reihe tüchtiger Landschaften, unter deren Malern nur C. Graeb, Th. Weber, H. Eschke, Hermes, Jacob, Hal⸗ latz, Tübbecke, Flickel, Ch. Wilberg mit einer auch durch den Gegenstand besonders interessanten „Straßse aus Pergamon“ und Schen⸗ ker mit einem meisterlichen niederländischen Kanal genannt sein mögen. Daju gesellt Ed. Fischer eine ganze Reihe von Ostseeskizzen und von Gleichen⸗Rußwurm eine noch reichere und interessantere
Kollektion landschaftlicher Aquarellstudien von durchweg glei ver
Frische der Beokachtung und Wiedergabe der mannigfaltigsten Mo-⸗ tive. Die bedeutendste Wirkung erzielen indeß O. Achenbach mit dem durch die größte koloristische Feinheit in der Wiedergabe der Lufttöne und der eigenartigen Lichtstimmung fesselnden Bilde einer dunklen Waldschlucht, durch die eine Prozession dahinzieht, und Kon⸗ rad Lessing mit einer großen, vornehm gezeichneten Gebirgsland⸗ schaft von vollendeter Kraft. Ruhe und Klarheit des Tons.
In der kleinen Vorhalle des Salons, in welcher sie leicht über⸗ sehen werden mag, präsentirt sich endlich noch eine große dreitheilige Federzeichnung von Max Klinger, eine Illustration oder vielmehr freie Nachdichtung der ovidischen Erzählung von Narcissus und der Echo, der eine schönheitsvolle südliche Landschaft als Scenerie dient, während sockelartig angeordnete originelle Arabesken das Ganze wie eine Variation üͤber das gegebene Thema begleiten. Es fehlt der Darstellung nicht an barocken Einfällen von der Art derer, die uns in zahlreichen früheren Kompositionen des Malers begegnet sind; aber sie athmet zugleich in jedemZuge Poesie und trägt nicht blos das immer wieder fesselnde Gepräge einer selbständigen, 8 durchaus eigenartige Begabung an sich, sondern ist auch ein ent⸗ schiedenes Zeugniß dafür, daß die weit schweifende Phantasie des Künstlers sich selber mehr und mehr durch Maaß und Gesetz zu bändigen strebt. 8
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Dem uns zugesandten Bericht für das Jahr 1880 (das 62,. des Bestehens der Anstalten) über die Rettungsanstalten zu Düssel⸗ thal, Overdyk und Zorpenbrück, erstattet vom Pfarrer Imhaeußer, entnehmen wir Folgendes: Bis zum Schlusse des Jahres 1880 sind in diesen Rettungsanstalten 3519 Kinder aufgenommen worden; angemeldet wurden im Jahre 1880 221, aufgenommen 79. Konfirmirt wurden 29 Knaben und 20 Mädchen. Erstere wurden, wenn sie nicht zu den Ihrigen zurückkehrten oder von den verschiedenen Verwaltungen in die Lehre gegeben wurden, zu Handwerksmeistern gebracht und dann Seitens der An- stalten in Aufsicht gehalten und regelmäßig besucht. Die Mädchen blieben in der Regel noch 2 Jahre in den Anstalten, um in den ge⸗ wöhnlichen Haushaltungsarbeiten angeleitet zu werden um mäßigen An⸗ sprüchen der Herrschaften genügen zu können. Die in den Anstalten befindlichen Kinder sind während des Jahres 1880 vor schweren Krankheiten bewahrt geblieben. Um allen Ansprüchen genügen iu können, wurden im Jahre 1880 an 16 benachbarte Familien Kinder zur Verpflegung übergeben, denen je ein Erzieber respektive Erzieherin vorstanden, die mit den Pflegebefohlenen einen Haushalt bildeten. Das gesammte Per⸗ sonal der 3 Anstalten zählte 350 Köpfe. Verpflegung, Bekleidung, Wohnung, Beaufsichtigung und Unterricht verursachten bedeutende Ausgaben; am Ende des Jahres 1880 war ein Kassenbestand von 511 ℳ 77 ₰. Es ist bisher noch immer durch die Mildthätigkeit der Freunde der Anstalt gelungen, die bedeutenden erforderlichen Zu⸗ schüsse zum Bestehen der Anstalten zu leisten. Die Direktion ver⸗ traut, daß die Freunde der Anstalten sich auch im Jahre 1881 durch das Wort leiten lassen werden: „Wer reichlich säet, wird auch reich⸗ lich ernten.“
“ 8 1 Der der Vollendung harrende Prachtbau der „Germania“ in Westend mit seinen großartigen Hallen und der weiten Rundschau von seiner Kuppel über Berlin und fünfmeiligen Umkreis ist jetzt wieder täg⸗ lich zur Besichtigung geöffnet, gegen einen Eintrittspreis von 20 ₰ für Erwachsene und 10 ₰ für Schüler pro Person. Der letztere Minimal⸗ satz kommt auch Militärs ohne Charge zu Gute. In der in der Germania geplanten Ausstellung von Modellen hat zuletzt die Statue des Fürsten Bismarck (Driginalmodell von Professor Schaper für Cöln) einen hervorragenden Platz gefunden. Auf der anderen Seite wird das Standbild des Grafen Moltke iun stehen kommen, und zwar wie in Cöln als Pendant, sobald Professor Schaper das Original freigeben kann. udere Künstler haben ihre Modelle zur Ausstellung und Dekoration schon zugesagt, so daß die Germania bald nicht nur allen — nach dem angrenzenden Grunewald,
auch den Fremden reges Interesse bieten dürfte. Die
ondern
Feeise cmn des Erust⸗Moritz⸗Arndt⸗Denkmals, welches außerhalb der
kräftig in die Hand genommen werden koͤnnen, da die nächsten Ein⸗ trittsgelder für diesen Zweck reservirt werden.
Redacteur: Riedel.
Verlag der Expedition (Kessel). Druch 1. GlItatr. (cinschliezlich Börsen⸗Beilage).
ermania seine Aufstellung gefunden, wird nächstens hoffentlich
MNichtamtliches.
Preußen. Berlin, 31. März. Im weiteren Ver⸗ lauf der gestrigen (25.) Sitzung des Reichstags, welcher der Reichskanzler Fürst von Bismarck, sowie mehrere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kommisearien desselben beiwohnten, setzte das Haus die Berathung der Denkschrift über die Anordnungen fort, welche von der Königlich preußi⸗ schen und von der hamburgischen Regierung auf Grund des ersten Absatzes des §. 28 des Gesetzes gegen die gemein⸗ gefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878 unter dem 28. Oktober 1880 mit Ge⸗ nehmigung des Bundesraths getroffen worden sind, in Ver⸗ bindung mit den Bemerkungen zur Uebersicht der vom Bundes⸗ rath gefaßten Entschließungen auf Beschlüsse des Reichstags, und zwar: zur Entschließung des Bundesraths auf die Reso⸗ lution des Reichstags, betreffend die Petitionen von Julius Hahn, Rudolph Tiedt und Genossen. 1
Der Abg Auer erklärte im weiteren Verlaufe seiner Rede, man habe die Sozialdemokratie mit dem Nihi⸗ lismus in Verbindung zu bringen gesucht und auf die Sympathie⸗Erklärung verwiesen, die auf Schloß Wyden
eschlossen worden sei. Zwar sei der deutschen Sozial⸗ demokratie jede Bewegung sympathisch, deren Ziel die Be⸗ freiung des Volkes vom sozialen und politischen Druck sei, aber die von den Nihilisten befolgte Talktik sei nicht für Deutschland geeignet. Wenn der Reichskanzler selbst er⸗ klärt habe, daß für Frankreich die Republik die
ste Regierungsform sei, könne man ihn deshalb als einen Republikaner bezeichnen? Das Ausnahmegesetz erzeuge Haß und sei nur geeignet, den Fanatismus zu vermehren; ungetreu mache es der sozialdemokratischen Sache Niemand. Wenn die Sozialdemokraten derartige Reden ge⸗ halten hätten, wie der Reichskanzler in der letzten Zeit, dann
hätte man von der Aufreizung verschiedener Gesellschaftsklassen
egen einander gesprochen. Jetzt halte man es für etwas ganz
Natürliches, daß das sozialistische Element in die Gesetzgebung
eingeführt werde.
Redner wies ferner darauf hin, daß jetzt
in Berlin viele Personen und Vereine in Sozialismus machten;
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seien denn die Herren Stöcker, Ruppel und Henrici in ihrer Agi⸗
tation nicht so weit gegangen, daß man sie in jedem Augenblicke
auf Grund des Sozialistengesetzes ausweisen könnte?
Man
verbünde sich, um den Juden die Kundschaft zu entziehen, eine Maßregel, die die Sozialdemokraten im heftigsten politischen
Kampfe nicht gebilligt hätten.
Redner besprach alsdann das
Vorgehen der Polizei gegen einzelne Personen und kam dann
Ausgewiesenen hätten 215 unversorgte das sei eine ungeheuerliche Härte, wenn
auf die Ausdehnung des Belagerungszustandes auf Hamburg
und Altona. Auch die Abgg. Dr. von Schlieckmann und Dr. von Schwarze hätten sich früher dahin ausgesprochen, daß der
diesbezügliche §. 28 des Sozialistengesetzes nur in Anwendung kommen dürfe, wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet sei. 1 Hamburg und Altona sei dies nicht der Fall gewesen.
arin stimmten alle Hamburger Blätter überein, selbst der
„Hamburger Correspondent“ konstatire, daß absolut kein Grund für die Verfügung des Belagerungszustandes vorhanden sei. Der §. 28 sei nicht anwendbar, höchstens könne eine Pression der
preußischen Regierung auf den Senat bestimmend sein, es
könnten höchstens handgreifliche Opportunitätsgründe Ham⸗ burg zu dieser Maßregel drängen; als hier selbe nur als ein Akt der Staatsraison hingestellt.
also auch hier werde die⸗ Seit Erlaß des Gesetzes seien nun 128 Ausweisungen erfolgt, die Kinder hinterlassen, man dabei bedenke, daß sich die Bürgerschaft in ihrer Mehrzahl gegen diese Maß⸗ regel erklärt habe. as nun die enge Beziehung der Ham⸗ burger Sozialdemokraten zu England betreffe, so konstatire er hier, daß die englische „Freiheit“ in Hamburg keine Ver⸗ breitung gesunden habe, sondern im Gegentheil die dortigen Sozialdemokraten eine ablehnende Stellung dieser Richtung egenüber eingenommen hätten. Es würden außer der von er Polizei gehaltenen Nummer nicht 5 Exemplare der „Frei⸗ heit“ in Hamburg gehalten. Es sei ferner nicht wahr, daß revolutionäre Flugschriften in Hamburg verbreitet seien, er glaube das so lange nicht, als bis ihm der Beweis geliefert werde. Er habe gesatzt, daß der Belagerungszustand mit großer Härte gehandhabt werde. Man habe nicht blos als Führer bekannte Männer ausgewiesen, sondern auch an⸗ dere Ausweisungen vollzogen, über die Einem die Haare zu Berge ständen. Der todtkranke Graßnick sei, eben von schwerer Brustkrankheit genesen, vor Schreck über die Auswanderungs⸗ ordre von einem Blutsturz befallen, dennoch zur Auswande⸗ rung gezwungen. Der Colporteur Rabe sei ausgewiesen, trotz⸗ dem derselbe mit Rücksicht auf seine Gesundheit schon lange von aller sozialdemokratischen Thätigkeit sich ferngehalten habe. Einer sei ausgewiesen, weil derselbe Ausgewiesenen Billets nach Amerika verschafft habe, ohne Gebühren dafür zu berechnen. Schneider Eckstein, selbst kein Sozialdemokrat, sei ausgewiesen, weil er eine Waise, ein Kind eines Sozialdemokraten, auf⸗ gezogen habe. Einer, Kistenmacher, sei gar mit seinem Bru⸗ der verwechselt, und der ÜUnrichtige sei auch, trotz aller Re⸗ monstrationen, ausgewiesen worden. Und dabei sei auch der eigentlich Bedrohte seit dem Sozialistengesetz von aller agitatori⸗ schen Thätigkeit zurückgetreten; aber als das dem Polizei⸗Rath Engel vorgehalten sei, habe derselbe gesagt: „Das glaube er, aber eben für seine frühere Thätigkeit solle er jetzt estraft und gequält werden. gährend seine Partei aber so ver⸗ folgt sei, sei der in Altona bestehende „Allgemeine deutsche Arbeiterverein“ unbehelligt geblieben, ja sein Organ lebe ruhig weiter. Und dieses DOrgan enthalte Artikel, die er ruhig unterschreiben könne. Allerdings stehe dies Organ mit Hrn. von Fechenbach⸗Leudenbach in enger Verbindung. Schon im Jahre 1871 habe der Mi⸗ nister Bitter als Ober⸗Präsident diesen Verein wegen sozial⸗ demokratischer Tendenzen verboten, derselbe sei aber jetzt wieder zum Leben erwacht. Daß die Hamburger Be⸗ hörde in Bezug auf. Ausführung des Soözialisten⸗ esetzes weit rcnger sei, als das Gesetz selbst wolle, öoͤnne er beweisen. Die Versammlungen einzelner Gewerbe zum Zweck der Berathung gewerblicher Angelegenheiten seien z. B. verboten worden.
Er st e Beila ge
zeiger und Königlich Preußis
Berlin, Donnerstag, den 31. März
aeAnb
keit des Abg. Bei der vorjährigen Reichstagswahl
in Hamburg sei es den Sozialdemokraten effektiv unmöglich gemacht, Stimmen abzugeben. Und Alles dieses sei nicht vor⸗ gekommen unter dem Minister von Puttkamer, von dem man freilich besorgt habe, daß derselbe mit dem Sozialistengesetz ein wenig schlimm spielen würde. So habe der vielgelobte Minister Eulenburg gehandelt, und derselbe hätte nicht so handeln können, wenn die linke Seite dieses Hauses ihr Wort gehalten und dafür gesorgt hätte, daß das Gesetz loyal durchgeführt würde. Aber die Zeit sei nicht fern, wo man die Bestimmungen des Sozialistengesetzes schwer empfinden werde. Was er gesagt habe, habe er hier vorbringen müssen, denn man habe dafür gesorgt, daß es keine andere Stelle gebe, wo man solche Klagen vorbringen könne. Die Sozial⸗ demokraten aber würden sich nicht beirren lassen, thue man, was man für das Rechte halte: Die Sozialdemokraten seien auf Alles gefaßt.
Nach dem Abg. Auer ergriff der Bundeskommissar Staats⸗Minister von Puttkamer das Wort. (Wir werden morgen diese Rede wörtlich bringen.)
Der Abg. von Kardorff erklärte, der Bundesrat svertreter habe darauf aufmerksam gemacht, daß das Sozialistengesetz vielleicht nicht die Erwartungen Aller erfüllt habe. In dieser Beziehung erinnere er an einige Worte, die sein Freund Stumm bei der Berathung dieses Gesetzes ausgesprochen habe. Derselbe habe darauf hingewiesen, daß die Wirksamkeit des Gesetzes vor Allem darauf beruhe, daß die Arbeitgeber selbst sich die Bekämpfung der Sozialdemokratie angelegen sein lassen sollten. (Redner verlas die betreffende Stelle jener Rede.) Diese Ausführung sei von einem sehr aufmerksamen Hause mit fast allseitigem Beifall auf⸗ genommen, nur Fortschritt und Sozialdemokraten hätten sich natürlich von demselben ausgeschlossen. Der Abg. Stumm habe ausgeführt, es wäre eine falsche Toleranz der Arbeit⸗ geber, wenn sie nicht Alles mögliche aufböten, um die Ar⸗ beiter von den sozialdemokratischen Agitatoren zu befreien. Derselbe habe ausgeführt, daß im Saargebiete der Verein der Arbeitgeber sich nicht gescheut habe, den Arbeitern mit Ent⸗ lassung zu drohen, nicht allein wenn sie selbst sozialdemo⸗ kratische Ideen hätten, sondern auch wenn sie Lokale besuchten, in welchen sozialdemokratische Blätter auslägen, oder in welchen sozialdemokratische Versammlungen stattfänden. Der Abg. Stumm habe gesagt, wenn die Arbeitgeber nur an ihre Geld⸗ interessen dächten, so würden sie schwer zu solchen extremen Schritten kommen, wenn sie aber von der Verantwortung durchdrungen seien, die auch sie dafür hätten, die Arbeiter von der Pest der Sozialdemokratie zu be⸗ freien, dann würden sie zu solchen Schritten kommen. Der Abg. Hasselmann habe schon im Fahse 1878 den Abg. Stumm hier angegriffen, daß derselbe diese Maßregel ergriffen habe; der Abg. Hasselmann habe gesagt, es wäre gegen die Ehre der Arbeiter, sich solchen Ukasen zu fügen. Der Abg. Stumm habe dagegen gesagt, seine Arbeiter hätten eine andere Idee von Ehre, als der Abg. Hasselmann. Kürzlich sei nun der⸗ selbe Fall wieder zur Sprache gekommen, und zu seinem Er⸗ staunen sei der Abg. Stumm von einer Seite heftig ange⸗ griffen worden, von welcher die Billigung des Sozialdemo⸗ kratengesetzes erfolgt sei. Der Abg. Bamberger habe schon in der letzten Verhandlung zu dieser Sache einen ganz anderen Standpunkt eingenommen, als der Abg. Rickert. Auch die Wahl⸗ prüfungskommission habe sich auf den Standpunkt gestellt, daß Wahlbeeinflussungen der Arbeitgeber mit solchen durch Behörden nicht gleichzustellen seien. Die Arbeitgeber hätten bekanntlich damals einen Verein zu gemeinsamem Vorgehen gegen die Sozialdemokratie gegründet; diesem Vereine habe sich die Königliche Bergdireklion angeschlossen und zwar mit Autorisation des damaligen Handels⸗Ministers. Wenn man gelten lassen wolle, was der Abg. Rickert ausgeführt habe, daß die staatlichen Betriebsverwaltungen sich von solchen Vereinen ganz ausschließen müßten, so würde man dazu kom⸗ men, alle fiskalischen Betriebe einzustellen. Der Abg. Stumm habe daranf aufmerksam gemacht, daß man auf diesem Wege dahin kommen müsse, alle fiskalischen Unter⸗ E“ für Behörden zu halten. Die Bergwerksdirektion sei eine Betriebsanstalt und keine Behörde. Er (Redner) mache darauf aufmerksam, daß der Abg. Stumm dieses Ver⸗ bot gar nicht erlassen habe, sondern ein Verein, zu welchem Mitglieder aller Parteien gehörten. Das Verbot sei vom Vor⸗ stand einstimmig erlassen und mehrere Großindustrielle seien erst danach dem Verein beigetreten. Er glaube also, daß die Auffassung des Abg. Rickert einer anderen Platz machen müsse. Die Königliche Bergwerksdirektion sei vom früheren Handels⸗ Minister autorisirt gewesen, sich der Verfügung anzuschließen. Nachdem das Verbot verhängt worden sei, habe sein Freund Stumm mit Sicherheit geglaubt, daß er in dieser Beziehung nicht desavouirt werden würde und nichts habe ihn schmerz⸗ licher berührt, als dieses Desaveu der Regierung. Das sei eine unverantwortliche Schwäche derselben. Die Absicht des Abg. Stumm sei es gewesen, das Saargebiet vor dem kleinen Belagerungszustand zu behüten, der jedenfalls schlimmer sei, als die Maßregeln der Arbeitgeber. Der Erfolg der Zurücknahme des Verbots sei eine Schwächung der Auto⸗ rität der Arbeitgeber; die Gefahr des kleinen Belagerungs⸗ zustandes sei nähergerückt und der Abg. Stumm werde nicht wiedergewählt werden. Darüber brauche sich der Abg. Rickert nicht zu freuen, denn der Kandidat, welcher die meiste Aussicht
ve, gewählt zu werden, dürfte nicht zu den Freunden des
bg. Rickert gehören. Der Abg⸗Rickert habe nun gesagt, die ganze gebildete Welt habe das Vorgehen des Abg. Stumm verurtheilt; derselbe häͤtte doch den Mund nicht so voll nehmen sollen. Wohabe sich denn diese Verurtheilung kundgegeben? In der Presse. Man⸗ werde ihm doch zugeben, daß nur ein geringer Theil der Redacteure wirklich auf der 9 der sittlichen, wissenschaft lichen und Herzensbildung stehe; man könne also eine solche Uübea von dem Urtheil der gebildeten Welt doch nicht an, wenden. Wenn der Abg. Stumm ein antisemitisches Blatt verboten hätte, um diesen Zündstoff nicht in die Arbeiterkreise gelangen zu lassen, dann würde die „ganze gebildete Welt ihre Verwunderung üͤber die Herzhaftigkeit und Mannhaftig⸗ Etumm geäüßert haben. Das „Neun⸗ kirchener Tagebatt“ sei aber ein Blatt sozialdemokratischer
kr. 1881.
1ö1u..“
Tendenz. (Redner suchte dies durch einige Citate zu beweisen.) Man bedenke nur, was im Saargebiete und namentlich von dem Abg. Stumm für die Arbeiter gethan sei! Was hätten die Abgg. Richter und Rickert für die Arbeiter gethan, daß sie sich hinstellen und über den Abg. Stumm in solcher Weise aburtheilen könnten? Er erkenne ausdrücklich an, daß das Gesetz in loyalster Weise gehandhabt worden sei. Man dürfe nicht vergessen, daß es sich hierbei um einen Kampf um die höchsten sittlichen Güter der Nation handele.
Nach Annahme eines Vertagungsantrags bemerkte der
Abg. Dr. von Schlieckmann persönlich, er bestreite dem Abg. Auer gegenüber, daß er in der angezogenen Rede die Verhängung des Belagerungszustandes von dem Vorhandensein einer Er⸗ schütterung der allgemeinen Rechtssicherheit abhängig gemacht habe. — Der Abg. Auer hielt die betreffende Behauptung aufrecht und erklärte sodann dem Minister von Puttkamer gegenüber, daß er die von demselben als unbegründet bezeichneten Beschwerde⸗ fälle mit Ausnahme eines einzigen aufrecht erhalte und kon⸗ statirte schließlich, daß ihm auf seine Frage, wann von den Hamburger Sozialdemokraten Flugblätter revolutionären In⸗ halts verbreitet worden seien, keine Antwort zu Theil gewor⸗ den sei.
2 Abg. Dr. von Schlieckmann bat den Abg. Auer, ihm in seiner Rede die betreffende Stelle, die er nicht finden könne, zeigen zu wollen.
Hierauf vertagte sich das Haus um 43
Uhr auf Donnerstag 12 Uhr.
— Die in der gestrigen (25.) Sitzung des Reichs tages bei der Diskussion über den Antrag der Abgg. Grad, Dr. Karsten und von Wedell⸗Malchow:
Der Reichstag möge beschließen, den Reichskanzler zu ersuchen, die erforderlichen Maßregeln zu treffen, um einen billigeren und rascheren Bezug der Depeschen für Witterungsberichte zum prak⸗ tischen Gebrauche der Landwirthschaft und Industrie im Deutschen Reiche herbeizuführen;
vom Staatssekretär des Reichs⸗Postamts Dr. Stephan ge⸗ haltenen Reden haben folgenden Wortlaut (s. gestrigen Sitzungs⸗ bericht):
Meine Herren! Ich habe schon jetzt um das Wort gebeten, weil ich mir mit der Hoffnung schmeichle, daß das, was ich zu sagen habe, vielleicht zur Abkürzung Ihrer Berathungen beizutragen geeignet sein wird. Wir sind gewiß alle dem Hrn. Abg. Grad dankbar dafür, daß er weitere Exkurse in das Gebiet der eigentlichen Meteorologie vermieden hat, so sehr er auch nach der Rede, die er im Landtsausschuß für Elsaß⸗Lothringen gehalten hat und die ich mit Intertsse gelesen habe, dazu be⸗ rufen erscheint, und so nahe auch hier die Versuchung dazu lag. Der Antrag hat ja eine ganz praktische Seite und im Fereasa⸗ zu den Erscheinungen am Himmel, mit denen sich die Meteorologie onst zu beschäftigen pflegt, faßte er eine leider nur zu häufige Erscheinung auf der Erde ins Auge: nämlich das Bezahlen. Ich glaube, wir werden wohl thun, wenn wir uns auf diese Seite der Sache be⸗ schränken. Nun, meine Herren, bei aller Sympathie für die Wetter⸗ kunde und bei der Neigung, in dieser Geldsache die Gemüthlichkeit nicht aufhören zu lassen, möchte ich mir doch die Gegenfrage er⸗ lauben: was ist denn eigentlich das Objekt, um welches es sich hierbei handelt, wie denkt man sich die Verbreitung dieser Depeschen, an wie vielen Stellen, bei Tag oder bei Nacht, in welchem Umfange, an welche Behörden, mit einem Worte, wie soll die Organisation der ganzen Einrichtung sein? Alle diese Fragen müßte man doch erst vor sich klar liegen haben, um sich darüber schlüssig machen zu können, in⸗ wieweit und ob überhaupt eine Ermäßigung der Telegraphengebühren, die immer auf eine direkte Beisteuer aus der Reichskasse zu diesem Zweck im Effekt hinauskommen würde, Platz greifen kann. In dieser Beziehung ist der Antrag eigentlich ein 6re½ον τοτε und er macht mir den Eindruck, als ob, wie man es im Festungekriege nennt, nicht die richtige Angriffsfront gewählt sei. Denn die obige Seite der Frage wird entschieden beherrscht von den Grundsätzen, wie sie in der Reichsgesetzgebung über die Portofreiheit in dem Gesetz vom 5. Juni 1869 aufgestellt sind, welches seinerseits wieder die Grundlage bildet für das Regulativ über die Telegraphenfreiheit. In diesem Gesetze nun ist mit unzweideutiger Klarheit der Grund⸗ satz zum Ausdruck gebracht, daß nur solche Gebührenfreiheiten an⸗ Uhhsen werden, welche sich auf Reichsdienstangelegenheiten und Reichsbehörden beschränken, und der §. 6 dieses Gesezzes sagt mit wenigen, aber gewichtigen Worten: Alle übrigen Portofreibeiten und Ermäßigungen sind aufgehoben. Also auch fuͤr alle Angrlegenheiten, welche den Dienst der Einzelstaaten, der Kommunen und aller übri⸗ gen Organiemen unserer Staats und gesellschaftlichen Verfassung betreffen. Es ist das einer der wichtizsten Grundsätze, der ohne Gefahr der Ueberfluthung mit einer Unmasse anderer Anspruͤche nicht verletzt werden kann; denn wenn Sie für diesen ge⸗ meinnützigen Zweck Telegraphenfreiheit in Anspruch nehmen wollen, so ist nicht abzusehen, warum nicht für eine Mv⸗ riade anderer gemeinnütziger Zwecke ebenso die Telegrapben⸗ freiheit verlangt werden sollte und damit würde der Damm eingerissen werden, welchen gegen den g der desfallsigen Ansprüche im Jahre 1869 die verbündeten Regierungen im Gesetzgebungswege errichtet haben. Es befindet sich ein verehrtes Mitglied unter Ihnen, das enau weiß, welche großen Schwierigkeiten es verursacht hat, diesen
rundsatz damals durchzusetzen, was seiner Energie zu verdanken ge⸗ wesen ist. Ich möchte also davon abrathen, und vor allem die Vor⸗ frage stellen; wie denkt man sich die ganze Organisation der für die Wetterkunde wirksam sein sollenden Behörden und Anstalten, soll sie dem Bereich der Einzelstaaten angehören, soll sie ganz auf das Reich übergehen? Und nur im letzteren Falle wäre die Frage wegen der Gebührenfreiheit gelöst, die dann Kraft des Gesetzes ein⸗
ten würde. vr Nun, meine Herren, bitte ich das nicht so aufzufassen, ales ob die Reichzs⸗Telegrapbenverwaltung etwa unspmpathisch oder auch nur kuͤhl dieser neuen Wissenschaft gegenuüher tände; es find speziell auf meine Veranlassung seit mehreren Jahren gevaue Beobachtungen eingeleitet worden über den Einfluß der Erdströme auf die Telegrapbenleitungen, somohl die unterirdischen, als die ober⸗ irdischen, es werden darüber regelmäßige Aufzeichnungen gemacht und Berichte an die Zentralbeheͤrde erstattet. Ferner werden erferscht die Einwirkungen der polaren Lichterscheinunzen auf die Maznetnadeln der Falvanoskope und auf die Drahtleitungen; auch die Einfluüͤsse 8 der Gewitter und der vulkanischen Erscheinungen auf die Apparate und vLeitungen werden, so weit es moöglich ist, genau beobachtet; wir haben bei ca. 150 Telegrapbenstationen Seiemochronographen auf⸗ gestellt; freilich haben wit das Erdbeben von Casamscciola auch icht vor zussehben können. . e En aber unausgesetzt die Bestrebung dabin gerichtet, diesen Erscheinungen näher zu kreten. An ecinem best minten Tage in jeder Woche werden regelmäßig Messungen an den Telgraphenleitungen