1881 / 81 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 05 Apr 1881 18:00:01 GMT) scan diff

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, v“ WI ü; weisung von Fremden, welche die Sicherheit des rumä⸗

nischen Staates gefährden. Die Regierung hatte ihre Zustim⸗ mung hierzu erklärt. England hat ebenfalls das König⸗ reich Rumänien anerkannt.

Serbien. Belgrad, 4. April. (W. T. B.) In der Skupschtina wurde heute das Budget vorgelegt. Nach demselben betragen die Einnahmen 25 Mill., die Ge⸗ sammtausgaben einschließlich der Eisenbahn⸗Annuität 24 766 745 Dinars.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 4. April. (W. T. B.) Fürst Suworow ist heute mit der Notifikation der Thronbesteigung des Kaisers Alexander III. nach Berlin abgereist.

Der Kaiser empfing heute die Mitglieder des dem Stadthauptmanne beigegebenen Beirathes in der huldvollsten Weise. Jedem einzelnen Mitgliede reichte der Kaiser die Hand.

Amerika. New⸗York, 5. April. (W. T. B.) Nach einem Telegramm aus San Francisco von gestern hat die Partei des Königs Malietoa auf den Samoa⸗ Inseln die Oberhand gewonnen; jeder organisirte Wider⸗ stand habe aufgehört.

Statistische Nachrichten.

Das Kaiserliche Statistische Amt veröffentlicht in seinen Monats⸗ heften weitere Bearbeitungen zur Gewerbestatistik des Deutschen Reichs. Die im Jannarheft enthaltene Besprechung der allge⸗ meinen Bestandsverhältnisse der deutschen Gewerbe ergiebt, daß von den gezäöhlten 2 927 955 Gewerbebetrieben, welche eine Person ausschließlich oder hauptsächlich beschäftigen, 2 136 086 oder 72,95 % ohne Gehülfen, 722 319 oder 24,67 % mit 1 bis 5 Gehülfen und nur 69 550, also nur 2,38 % mit mehr als 5 Ge⸗ hülfen betrieben wurden, und daß unter letzteren 27 414 oder 0,94 % der Gesammtzahl weniger als 10, 33 657 oder 1,15 % 11 bis 50 und 8479 oder 0,29 % mehr als 50 Personen verwendeten.

Auf je 10 000 Einwohner sind 87,58 Personen in der Schuh⸗ macherei, 69,96 in der Schneiderei, 53,93 in Tischlereien, 50,99 in Wersnäherei, 47,62 in Baumwollen⸗, Zeug⸗ und Bandweberei und 45,30 in Steinkohlenbergwerken und Koksanstalten thätig. Alle⸗ anderen Gewerbe bleiben hinter diesen Zahlen erheblich zurück. Im Ganzen waren im Handwerk, Industrie und Handel (Landwirthschaft ausgeschlossen) im Deutschen Reich auf je 10 000 Einwohner 1514,4 Pers in 756 Betrieben erwerbsmäßig thätig.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Die Baugesetze für den preußischen Staat. Handbuch nebst Erläuterungen, herausgegeben von C Zander, Kreis⸗Sekretär. Preis geb. 4 Verlag von R. Eisenschmidt in Berlin. Der Verfasser hat in vorliegendem Buche alle für Bauten und bauliche Anlagen geltenden Bestimmungen aufgenommen und dieselben mit leicht faßlichen Erläuterungen versehen. Da über die Baugesetze keine neuere praktisch kommentirte Ausgabe existirt, so wird die Zandersche Bearbeitung sämmtlichen Bauunternehmern, Behörden und Allen, die mit bauliche Angelegenheiten zu thun haben, willkommen sein. Der Verleger hat das Buch in handlicher Fern und geschmackvollem, haltbarem Einbande in den Handel ge⸗ racht.

Die Gesellschaft für Schleswig⸗Holstein⸗Lauen⸗ burgische Geschichte hat den X. Band ihrer Zeitschrift publizirt (Kiel, 1881. Kommissionsverlag der Universitätsbuchha nd⸗ lung). Derselbe bringt an der Spitze einen Beitrag vom Professor Dr. H. Handelmann über vorgeschichtliche Befestigungen, und zwar neben dem Dannewerk, in Polabien und Wagrien und sonst in Schleswig⸗Holstein. Besonders interessant sind die Beschreibungen der Olde burg, der Hohburg oder sog. Markgrafenburg und der sog. Tlyraburg (nach einer verwünschten Prinzessin) bei Klein⸗Dannewerk, sämmtlich im Kirchspiel Haddeby Im Ganzen werden einige dreißig verartiger Befestigungen beschrieben und von der Thyraburg, dem Kaninchenberg bei Praijan und dem Wall bei Jasdorf Pläne beigefügt. Untern den dann folgenden „Antiquarischen Miscellen“ von demselben Verfasser verdienen namentlich die Beiträge zur Hochäckerfrage, die Mittbeilungen über die Salz⸗ gewinnung an der Nordseeküste in alten Zeiten und mehrere werth⸗ volle Münzfunde Erwähnung. Ein interessanter rechtsgeschichtlicher Beitrag ist der Aufsatz vom Prof. Hasse, dem derzeitigen Sekretär der Gesellschaft, über das älteste Fehmarnsche Landrecht. Dasselbe ist in einem Roenlus erbalten, welcher der ersten Hälfte oder der Mitte des XIV. Jahrhunderts angehört und sich jetzt im Geheimen Archiv zu Kopenhagen befindet. Eine Kopie dieser Handschrist ist der Arbeit zu Grunde gelegt. Dann solgen archivalische „Beiträge zur Geschichte der letzten Schauenburger“, von G. von Buchwald, und eine Biographie des Gencralsuperintendenten in Schleswig⸗Holstein, Dr. Adam Struen⸗ see (geb. den 8. Septbr. 1708 zu Neu⸗Ruppin, gest. den 20. Juni 1791 zu Rendsburg, des Vaters des bekannten Leibarztes und däni⸗ schen Ministers Joh. Friedr. Struensee, welcher am 28. April 1772 auf dem Schaffot endigte), vom Propst L. Er. Carstens. Sehr dankens⸗ werth ist die wörtliche Mittheilung der drei im Besitze der Gesell⸗ schaft befindlichen Kieler „Burspraken“ aus dem Anfange des XV. Jahrhunderts, von Aug. Wetzel, gesammelter Vorschriften poli⸗ zrilichen Inbalts, welche öffentlich zu bestimmten Zeiten des Jahres in Verbipdung mit der Verkündigung der Ratheneubesetzung verlesen wurden. Noch interessanter fast ist eine hand⸗ schriftliche Mirtheilung desselben Verfassers aus der Königlichen Universitätsbibliothek in Kicl. Dieselbe besteht in einem Briefe dee Statthalters Heinrich Ranzau, aus welchem hervorgeht, daß kein Anderer als dieser selbst der Verfasser der bekannten Ge⸗ schichte des ditmarsischen Krieges vom Jahre 1559 und der Name Christianus Cilicius Cimber unter der an seine eigene Adresse gerichteten Vorrede des Werls sein eigenes Pseudonym ist. Die bercits früher vielfach ausgesprochene Vermuthung, daß Heinrich denselben erfunden und seine Autorschaft dahinter verborgen habe, hat sich damit nunmehr bestätigt. Außer einer von Carstens versaßten Biographie des Magister Thomas Knudsen, dee ersten Verkündigers des Erangeliums nach lutherischer Lehre in Schleswig⸗Holstein, finden wir weiter die wörtliche Re⸗produktion des „Der kelboks“ der St. Nicolai⸗Kirche zu Kiel von 1487 bis 1601, welches for die Geschichte dieser Stadt manches Verwerthbare entbält. Den Schluß des sauber ausgestatteten Bandes bilden: eine Uebersicht der die Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg hetreffenden Literatur aus den Jahren 1879 und 1880, zusammengestellt von Dr. Ed. Albertt. Nachrichten aus der Gesellschaft und (in einem Anhange) die 4. Reihe der Repertorien zu schleswig⸗holsteinischen Urkunden⸗ sammlungen (Archive der Städte Neustadt und Eutin, verzeichnet von Dr. G. rvon Buchwald). Der XI. Band der Zeitschrift soll ebenfalle noch in diesem Jahre ausgegeben werden.

Ein gewiß Vielen willkommenes Werkchen, ein „Katechismus des Klavierspiels“ veon Franklin Taylor, aus dem Eag⸗ lischen übertragen von Mathilde Stegmaver, ist soeben im Verlage von J. J. Weber in Leipzig erschienzn. Dieses kleine Buch enthält vi les für Klarierspieler Wissentwerthe und Interessante, das sonst nur getrennt in größeren, mehr oder weniger theueren Werken zu finden ist. Gegen 200 Notenbeispiele illnstriren diesen Katechis⸗ mue und erleichtern das Verständniß. Preis in Originaleinband 1 50 ₰.

Die am 31. v. M. eröffnete diesjährige Ausstellung der NRopen hagener Kunstakademie umfaßt 278 Gemälte, 21 Bild⸗

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Abends 8 Uhr, im Deutschen Vereinthause, Wilhelmstr. 118.

1 11A1A1A1A“A“ hauer⸗, 2 Architektur⸗ und 3 dekorative Arbeiten, 21 Zeichnungen, Aquarellen, Radirungen, Holzschnitte und Lithographien. Von aus⸗ ländischen Künstlern (Bracony, Delaplanche und Dubois) sind 6 Bildhauerarbeiten eingesandt. Die Kunstakademie zählt im gegen⸗ wärtigen Quartal 290 Schüler. 88

Vom Berliner Pfandbrief⸗Institut sind bis Ende März 1881 8 478 000 4 %ige, 44 305 200 4 ½ %ige und 9 181 500 5 % ige, zusammen 61 964 700 Pfandbriefe ausgegeben, wovon noch 8478 000 4 %ige, 40 523 100 4 ½ %ige und 7 945 200 5 %ige, zusammen 56 946 300 Pfandbriefe verzins⸗ lich sind. Es sind zugesichert, aber noch nicht abgehoben 1 485 300 ℳ, im Laufe des Monats März 1881 angemeldet: 5 Grundstücke mit einem Feuerversicherungswerthe von 444 075

Dem Geschäftsabschluß der Deutschen Allgemeinen Versicherungs⸗Aktien⸗Gesellschaft für See⸗, Fluß⸗ und Landtransport pro 1880 entnehmen wir Folgendes: Ein⸗ „ahmen: Schädenreserve aus 1879 67 400 (aus 1878 44 000 ℳ), Prämienreserve aus 1879 36 658 (aus 1878 13 459 ℳ), Prämien in 1880 431 421 (in 1879 560 656 ℳ), Zinsen 13 911 (14 773 ℳ), zusammen 549 389 (632 888 ℳ). Ausgaben: Rückversicherungsprämie 67 450 (55 663 ℳ), Ristorni, Rückgaben, Strom⸗Rabatte, Agentur⸗Provision und Makler⸗ Courtagen 38 258 (59 027 ℳ), bezahlte Schäden 370 715 (491 898 ℳ), Schadenreserve pro 1881 53 000 (67 400 ℳ), Prämienreserve pro 1881 18 500 (36 658 ℳ), Verwaltungs⸗ und Geschäftsunkosten 24 483 (25 851 ℳ), Abschreibung auf Utensilien 100 (100 ℳ), zusammen 572 506 (736 596 ℳ), Verlust des Geschäfts 23 116 Der Kapitalreservefonds, welcher am 1. Januar 1879 130 186 betrug und nach Abzug des Verlustes von 103 708 in 1879 26 478 ℳ, ist durch den Geschäftsverlust in 1880 auf 3361 zurückgegangen.

Die Landwirthschaftliche Feuerversicherungs⸗ Genossenschaft im Königreiche Sachsen trat in das Jahr 1881 mit einem Versicherungsbestande von 10 014 Verträgen über 92 174 275 mit Prämien, berechnet bis Ende Dezember 1881 (reservefrei), von 128 620 und vollen Jahresprämien (reserve⸗ pflichtig) von 8987 Im Laufe des I. Quartals 1881 traten hinzu 780 neue Verträge über 8 044 701 mit einer Jahresprämie von 9015 ℳ, so daß das I. Quartal l. J. abschloß mit 10 794 Ver⸗

trägen über 100 218 976 mit einer bis Ende Dezember 1881 be⸗-

rechneten reservefreien Prämie von 128 620 und einer reserve⸗ pflichtigen vollen Jahresprämie von 18 002 Der Gewinn⸗ überschuß aus dem Jahre 1880 beträgt 26 770 ℳ, über dessen Ver⸗ Füerhc die bevorstehende Generalversammlung zu beschließen haben wird.

Breslau, 4. April. (W. T. B.) Wie der „Schlestschen Presse“ aus Beuthen gemeldet wird, ist die dortige Steinkohlen⸗ grube „Florentine“ gestern Abend in Brand gerathen. Ein Verlust von Menschenleben ist nicht zu beklagen, dagegen sollen 150 Grubenpferde erstickt sein. Die Gebäude der Rebenelic⸗Schächte sind vollständig ausgebrannt.

Breslau, 5. April. (W. T. B.) Die Dividende der Rechten⸗Oder⸗Ukfer⸗Bahn ist auf 711/12 % festgesetzt.

Verkehrs⸗Anstalten.

Triest, 4. April. (W. T. B.) Der Lloyddam turno“ ist heute Morgen mit der ostindisch⸗chinefischen U aus Alexandrien hier eingetroffen. 11““

Berlin, 5. April 1ͤ1. Cöln,

5. April, 12 Uhr 30 Min. früh. (Tel.) Die englische Post vom 4. April früh, planmäßig in Verviers um 8 Uhr 21 Min. Abends, ist ausgeblieben. Grund: Sturm im Kanal.

Verviers, 5. April, 9 Uhr 25 Min. Vorm. (Tel.) Die englische Post vom 4. April Abends, planmäßig in Ver⸗ viers um 8 Uhr 49 Min. Vormittags, ist ausgeblieben. Grund: Sturm im Kanal. 8

In der 25. zwanglosen Sitzung des Vereins für deutsches Kuanstgewerbe sprach der Direktor J. Lessing über die ornamen⸗ talen Thiere und ihre Verwendung im Kunstgewerbe. Redner zeigte, wie die Bilder der animalischen Welt in der Dekoration weit schwieriger zu benutzen sind als die der Pflanzenwelt; einfach die verkleinerte Kopie eines beliebigen Thieres plastisch oder gemalt oder gestict an Gegenständen des Gebrauchs anzubringen, würde in den meisten Fällen widersinnig erscheinen, wofern nicht eine besond ere Symbolik zu Grunde liegt. Das Richtige ist, sich hier ganz an die a der antiken Kunst zu halten, und nicht voll⸗ tändige Thiergestalten, einzelne Theile derselben ornamental zu verwenden, und zwar speziell Kopf und Beine. Klauen und Krallen benutzte das Alterthum darch⸗ weg zur Verzierung der Füße an Tischen, Stühlen und Dreifüßen, und zwar so, daß oberhalb des Knöchels der Fuß in ein Blatt⸗ ornament überging, welches oft oben wieder in einen Kopf endigte. Thierköpfe verwendete man in der Antike zahlreich; der Löwenkopf dient: allgemein alb Ausguß an Quellen und Wasserröhren; der Stierkopf als Ornament zunächst an den Gesimsen der Tempel und anderer Gebäude; in Folge des uralten Gebrauches, nach statt⸗ gehabtem Opfer die Köpfe der geschlachteten Rinder außen am Tempel zu befestigen, verzierte man letzteren mit steinernen Nach⸗ bildungen der Schädel. Aehnlich wurden Widderköpfe zuerst in natura, später modellirt an den Ecken der Al⸗ täre befestigt. Als die ursprünglich zu Grunde liegende Idee längst vergessen war, ornamentirte man auch Becher und sonstige Geräthe in dieser Weise. Auch andere Thiere verstanden die Alten für ihre Arbeiten zu verwerthen: die ringelnde Schlange für Armbänder und Ringe, den Schwanenhals für Löffel u. s. w. Alein zu einem wirklich dekorativen Ornament genügten die Vorbilder der Natur nicht; um animalische Motive mit einem solchen organisch verbinden zu können, bedurfte man phantastischer Gebilde und erfand die Sphinx, den Greifen und ähnliche fabelhafte Geschöpfe, welche sowohl in der antiken Ornamentik als in der der Renaissance eine so große Rolle spielen. Eine ausführliche Besprechung hierüber be⸗ hielt sich Redner für eine spätere Gelegenheit vor. Der Professor Burger hatte den von ihm gemalten Hochzeitszug, welcher unlängst die Tribüne am Pariser Platz schmückte, aufgestellt und gab sowohl Erläuterungen über die Entstehung und Bedeutung des prächtigen Gemäldes welches bekanntlich eine Hochzeitsfeier aus der Zeit der Quitzowe darstellt als auch kulturhistorische Notizen über die betreffenden mittelalterlichen Gebräuche. Von dem Professor Dr. v. Weißenbach zu Würzburg war ein Theil seiner einzigartigen Sammlung von Initialen aus Manuskripten und Druck⸗ werken des 14. bis 19. Jabrhunderts ausgestellt; die Herren Professor Burger und Baumeister Schͤfer erklärten diese bemmem und schilderten die Schreibweise des Mittelalters.

rsterer hatte außerdem eine große Anzahl kunstvoller Initialen, Viagnetten. Buchtitel ꝛc., rsgtesnfenhe eigene Kompositionen, aus⸗ gestellt. Non Hrn. Bildhauer Kirchmair wurde ein im Geschmack des 15. Jahrhunderts von ihm ausgefünhrtes s. g. Leuchterweibchen gezeigt, wie solche neuerdings wieder zu großer Beltebtheit gelangen. Die Firma Sy & Wagner legte einen kostbaren Galadegen vor mit ganz in Handarbeit hergestelltem Griff aus massivem Golde.

Die nächste Sitzung des Vereins findet am Mittwoch, den 6. April.

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in derselben wird der Direktor Grunow, über eingelegte Arhbeit sprechen; auch sind eine Reihe von Vorlagen angemeldet. Gäste können eingeführt werden.

Von der Kunsthandlung von Amsler und Rutbardt hierselbst wird am 26. April im Berliner Kunstauktionshause mit der sorg⸗ fältig vorbereiteten, in den Kreisen von Sammlern und Liebhabern seit längerer Zeit schon mit Spannung erwarteten Versteigerung der kostbaren Kupferstichsammlung des verstorbenen Fürsten Alexander Lobanow Rostowsky begonnen werden. Der genann⸗ ten Firma, der es gelang, die werthvolle Sammlung, die unter sämmtlichen im Privatbesitz befindlichen eine hervorragende und in mancher Hinsicht einzige Stelle einnimmt, dem deutschen Kunst⸗ markte zuzuführen, ist zugleich auch der musterhaft gearbeitete, mit zwei Facsimiledrucken nach dem ersten und dritten Zustande von Rembrandts „barmherzigen Samariter“ gesierte Katalog zu denken, der durch manche seiner eingehenden Angaben einen dauernden Werth für die Kupferstichkunde gewinnt Die Sammlung, die, ab⸗ gesehen von den zugehörigen Handbüchern ꝛc. 783 Nummern umfaßt, imponirt nicht durch die Quantität des Dargebotenen, desto mehr aber dadurch, daß sie nur Arbeiten der größten Schönbeit und Seltenheit enthält, und zwar in Bezug auf den rein künstlerischen Werth sowohl wie in Bezug auf die tadellose Erhaltung der Blätter. In ihrer ersten Abtheilung nmfaßt sie Kupferstiche, Radirungen und Holzschnitte vom 15. bis zum 18. Jahrhundert. Hier sind es unter den Deutschen vor allem Martin Schongauer und Dürer sowie die Kleinmeister und unter den letzteren wieder in erster Linie H. S. Beham, die das Beste ihrer Schöpfungen beisteuern. So ist Dürer allein mit 40 Nummern vertreten, unter denen sich von den Stichen fast sämmtliche Hauptblätter in erlesensten Abdrücken und von den Holzschnitten so seltene Stücke wie der „Pestkranke“ mit vollem Text vorfinden. Unter den Niederländern ragt sodann Rembrandt mit 68 Nummern hervor, unter denen neben Seltenheiten, wie sie seit Dezennien auf dem Kunstmarkt nicht vorgekommen sind, die be⸗ rühmtesten Kapitalblätter des Meisters, dabei auch ein prachtvoller Abdruck des Hundertguldenblatts, Beachtung fordern. An seine Schüler Bol und Livens reihen sich weiterhin die Bega, Du⸗ jardin, Ostade, Berghem, Potter, Everdingen, Ruis⸗ dael, Waterloo zꝛc. mit zum Theil ganzen Folgen der vorzüglichsten ersten Drucke an, während unter den Stechern der niederländischen Schule Lucas van Leyden die Reihe eröffnet und Dirk van Staren, Goltzius, Pontius, Cornelis de Visscher und A. van Dyck, sowie des letzteren Iconographie sich mit mehrfach nahezu einzig dastehenden Drucken an ihn anschließer. Marcantonio Raimondi mit einem der kostbarsten Abdrücke des „Kindermords“ sowie Man⸗ tegna und Jacopo Francia vertreten ferner den älteren italieni⸗ schen, Bervie, Drevet, Massard, Wille und Strange den französischen und englischen Kupferstich. Ausschließlich der Grab⸗ stichelkunst ist die zweite Abtheilung der Sammlung gewidmet, die aus Stichen vom Ende des 18. Jahrhunderis bis auf unsere Tage besteht. Sie enthält in etwa 160 Nummern, die der Mehrzahl nach Reproduktionen von Schöpfungen der klassischen italienischen, zum Theil aber auch der sranischen und der niederländischen Malerei sind das Vorzüglichste, was der neuere Kupferstich erzeugt hat. Müllers „Sixtina“ im ersten Abdruck, Raphael Morghens Transfiguration“ und „abend⸗ mahl“, Longhis „Sposalizio“, Richomme’'s „Thetis und Gala⸗ thea“, die Stanzen Raffaels von Volpato, die besten Arbeiten von Anderloni, Garavaglia, Desnoyers, Lefsvre, Steinla, Mandel, Keller, Felsing u. A. in ausgesuchten Remark⸗ und Künstlerdrucken bilden hier eine unvergleichliche Ver⸗ einigung der geschätztesten und seltesten Blätter. Ein nicht blos künstlerisches, sondern zugleich auch geschichtliches Interesse ge⸗ währt endlich noch eine kleine Serie russischer Porträts ꝛc., wie sie gerade auf dem deutschen Kunstmarkte ebenfalls zu den Seltenheiten gehören.

„Göttingen, 31. März. In der am 7. d. M. stattgefundenen Sitzung der Gesellschaft für Kirchenrechtswissenschat bielt Professor Dr. R. Pauli einen Vortrag über die kirchenpolitische Wirksamkeit des Johannes Sarebberiensis, des Freundes Thomas

Beckets und des Genossen seiner Kämpfe gegen das Königthum, des von Haß geen die Deutschen erfüllten Geogners des Barbarossa, des klassisch gebildeten Vorkämpfers der politischen Ideen der geistlichen Universalmonarchie im Zeitalter Alexanders III. Consistorialrath Professor Dr. Ritschl behandelte den Gegensatz von Kirche und Sekte mit be⸗ sonderer Beziehung avuf die geschichtliche Entwickelung des Protestan⸗ tis mus. Von eingegangenen Abhandlungen lagen u. A. vor:eine Arbeit det Geheimen Justiz⸗Raths Professors Dr. F. von Schulte in Bonn über die bisber einigermaßen dunkeln, nunmehr aber urkundlich aufgehell⸗ ten Lebensumstände des Magister Johannes Teutonicus (des Dom⸗ herrn, später Dompropstes Johann Zemeke zu Halberstadt), der in Bologna (lange vor Accursius) die Glossen zum Decret Gratians und zur Compilatio IV. verfagt hat; ferner eine Abhandlung von Professor Dr. F. Thaner in Innsbruck über venetianische Ehe⸗ schließungen im 15. Jahrhundert, welche den urkundlichen Nachweis führt, daß damals bereits Civilehen vor dem Dogen in Venedig ge⸗ schlossen wurden und darthut, daß das „Zusammensprechen“ in den Trauritualen nicht an die altdeutsche vormundschaftliche Trauung (wie Sohm behauptet bhatte), sondern vielmehr an die nach dem Untergang der Trauung durch den Mundwalt von den Fäaͤrsprechern bei den Laientrauungen gehaltenen Ansprachen anknüpft. Die Abhand⸗ lungen von Pauli, v. Schulte und Thaner werden (wie auch die in der 1. Sitzung vorgelegte des Geheimen Justiz⸗Ratho Mejer über resor⸗ matorisches Eherecht) im 16. Bande des Organs der Gesellschaft, der Zeitschrift für Kirchenrecht veröffentlicht, welche vom genannten Bande ab als Neue Folge (Band I., dessen erstes Heft soeben aus⸗ gegeben wird) im Verlage der J. C. B. Mohrschen Buchhandlung (P. Siebeck) in Freiburg i. B. erscheint. Zum Schluß sei ecrwähnt, daß der Vorsitzende, Geheime Justiz⸗Rath Professor Dr. Dove u. A. Schreiben an die Gesellschaft mittheilte, nach welchen der vormalige Präsident des evangelischen Ober⸗Kirchen⸗Raths Dr. E. Herrmann in Heidelberg, Stiftspropst Dr. J. von Döllinger in München, G. Waitz in Berlin, Kanzler Wasserschleben in Gießen und andere Gelehrte die auswärtige Mitgliedschaft der Gesellschaft angenommen haben. Zahlreiche eingegangene literarische Geschenke (Nr. 55 137) lagen in der Sitzung vor.

englische

Frankfurt a. M. Die erste Nummer der „Auestellungs⸗ Zeitung“, welche während der Dauer der Allgemeinen deutschen Patent⸗ und Musterschutz⸗Ausstellung beraus⸗ gegeben wird, ist soeben erschienen. Dieselbe ist von dem Ingenieur

ranz Graf redigirt und bringt auf 10 Seiten einea reichen Inhalt.

er Leitartikel, nenn man so sagen darf, enthält eine Darlegung des angestrebten Zweckes des Unternehmens, während in einem zweiten Artikel eine übersichtliche Beschreibung der hauptzsächlichsten Aus⸗ stellungsbauten Platz gefonden hat. Ein beigegebener Situations⸗ plan dient diesem zur besseren Erläunterung. An dritter Stelle werden „die Erfindungspatente, ihr Werth und ihre Verwerthung“ von sach⸗ kundiger Feder behandelt. Den Schluß bilden kleinere Mittheilungen gemischten Inhalts. Die zweite Nummer der Zeitung wird kurz vor Ostern erscheiven, während vom 1. Mai ab wöchentlich zwei Num⸗ mern vorgesehen sind. Der Akonnementepreis beträgt für die ganze Dauer des Erscheinens, also für etwa 46 Nummern, 7 50

—5. Redacteur: Riedel. Verlag der Erpedition (Kessel). Druck: W. Glener 8 (einschließlich Börsen⸗Beilaac).

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Berlin, Dienstag, den 5. April 8

Nichtamlliches.

Preußen. Berlin, 5. April. In der gestrigen (29.) Sitzung des Reichstages, welcher der Reichskanzler Fürst von Bismarck mit mehreren Bevollmächtigten zum Bundesrath und Kommisearien desselben beiwohnle, wurde die erste Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend

die Unfallversicherung der Arbeiter, fortgesetzt. Der

Bundeskommissar Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Lohmann bemerkte, als Aufgabe der Gesetzgebung in der vorliegenden Materie sei in den Motiven bezeichnet die Sicherung der Arbeiter gegen die wirthschaftlichen Folgen der Unfälle ohne Schädigung der Interessen der Industrie und ohne nachtheili⸗ gen Einfluß auf das Verhältniß zwischen Arbeitgeber und Arbeiter. Mit diesem Ziele hätten sich bisher die Redner einverstanden erklärt, aber der vorgeschlagene Weg werde nur von Wenigen als der richtige anerkannt. Ein Theil wolle eine kurze Strecke mitgehen, aber nachher wichen sie ab. Nach der Auffassung der verbün⸗ deten Regierungen sei das System der Vorlage aber gegenüber den bisherigen Einwendungen das richtige. Am abfälligsten über den Weg hätten sich die Abgg. Dr. Bam⸗ berger und Richter ausgesprochen. Der Abg. Dr. Bamberger habe gesagt, der Entwurf habe so sehr die falsche Richtung eingeschlagen, daß es nicht schwer sei, die richtige Richtung zu erkennen, als welche derselbe mit dem Abg. Richter die Erweiterung und Verschärfung des Haftpflichtgesetzes bezeichnet habe. Den Motiven werfe der Abg. Bamberger zu Unrecht vor, daß sie kurzweg den praktischen Erfolg des ebengenannten Gesetzes gleich Null setzten. Sehr gründlich im Gegentheil besprächen die Motive die Wirksamkeit des Gesetzes und am Schlusse ihrer Erörterung werde das Resultat gezogen, daß der §. 2 des Gesetzes vom 7. Juni 1871 der Absicht, den Arbeiter gegen die wirthschaftlichen Folgen der im Betriebe drohenden Gefahren sicher zu stellen, nur unvollkommen entspreche, da unter Umständen der Arbeitgeber übermäßig belastet werde, und daß das Verhältniß zwischen Arbeigebern und Arbeitern nicht gebessert sei, sondern den entgegen⸗ gesetzten Erfolg gehabt habe, und daß im Ganzen eine Situa⸗ tion vorliege, deren Beseitigung die Interessen beider Klassen als wünschenswerth erscheinen ließen. Dagegen berufe sich der Abg. Bamberger auf die Mittheilungen in den Petitionen der Unfallversicherungsgesellschaften, die derselbe als die Nächst⸗ betheiligten bezeichnet habe. Das seien sie in der That in dem Sinne, daß sie für ihre Geschäfte von dem Erlasse dieses Gesetzes die allerbedenklichsten Folgen fürchteten. Diese Mit⸗ theilungen aber beruhten keineswegs auf Dokumenten; es seien einfache Zahlenangaben, die sich nicht kontroliren ließen. Dennoch wolle er sie einer Prüfung unterziehen. Die Zahl der Versicherungen nur gegen Haftpflicht solle sich auf 8680 Policen mit 403 424 Arbeitern belaufen, die der Versicherun⸗ gen gegen Haftpflicht und gegen alle Unfälle auf 19 471 mit 458 437 Arbeitern. Das sähen die Petenten als eine außer⸗ ordentlich hohe Leistung an und behaupteten, daß sich daraus ergebe, daß zwei Drittel aller Unternehmer durch sie veranlaßt seien, ihre Arbeiter weit über ihre Verpflichtung hinaus zu versichern. Das klinge so, als ob jene 8600 sämmtliche Arbeitgeber und jene 458 000. Arbeiter ⅛⁄ der Gesammtzahl ausmachten. Indessen handele es sich hierbei nur um diejenigen Unternehmer, die überhaupt mit den Gesellschaften in Beziehung getreten seien. Was be⸗ deuteten aber diese 458 000 gegenüber der Gesammtzahl derer, welche überhaupt unter das Gesetz fielen? Nach der Gewerbe⸗ statistik von 1875 könne man die Zahl der Arbeiter in Be⸗ trieben mit mehr als fünf Arbeitern 8 2 100 000 schätzen; außerdem falle unter das Gesetz die Zahl der Arbeiter in Be⸗ trieben unter fünf Gehülfen; gering angeschlagen im Ganzen 2 500 000. Von dieser Zahl betrage die Zahl der gegen alle Unfälle Versicherten kaum ein Fünftel, die der gegen Haft⸗ pflicht Versicherten kaum ein Drittel. Nach dem Berichte eines Fabrikinspektors seien von der Gesammtzahl von 170 000 Ar⸗ beitern in Westfalen nur 10 000 versichert gewesen und dabei seien die Summen, zu welchen die Leute gegen alle Unfälle ver⸗ sichert seien, in der Regel so klein, daß sie mit der Vorlage gar nicht verglichen werden könnten. Auch bezüglich der Pro⸗ zesse stehe es nach den Petitionen nicht so schlimm; 138 323 Anmeldungen seien im Laufe der Zeit erfolgt, und nur 1962, also 1—2 Proz. hätten zu Prozessen geführt. Aus diesen Daten habe der Abg. Richter gegen die Motive den Vorwurf der Unwahr⸗ heit geschleudert, weil sie von der Häufigkeit der Prozesse sprächen. Nun fehle aber in der Zahl der Anmeldungen die Scheidung in Haftpflichtige und auf andere Unsälle Bezug habende. Die Zahl der ersteren 2 gegenüber der Gesammtzahl sehr gering. Aus einer Arbeit des Gewerberaths in Aachen entnehme er, daß von 155 im Jahre 1878 bei der Regierung angemeldeten Unfällen nur 14, also 9 Proz. so lägen, daß das Haftpflicht⸗ gesetz überhaupt in Betracht komme; da aber nur bei schweren Unfällen eine Geltendmachung der Haftpflicht einzutreten pflege, so blieben nur 8 Fälle oder 5 Proz. Es handele sich also rund gerechnet um 10 oder 5 Proz. aller Unfälle, dem⸗ nach betrage ebenfalls die Zahl der Prozesse nicht 1—2, son⸗ dern 15 30 Proz. Daß uͤbrigens die Motive mit ihrer Auf⸗ fassung nicht allein ständen, bewiesen die jahrelangen Klagen der Unternehmer, die das Haftpflichtgesetz als einen Krebs⸗ schaden bezeichneten sür das gute Verhältniß zwischen Arbeitern und Arbeitgebern. Endlich könne er auf das Zeugniß zweier Männer Bezug nehmen, die der Geschäfte der Unfallversicherungs⸗ gesellschaften kundig seien. Das erste rühre von dem Direktor einer solchen Gesellschaft her, die sich bei der Petition aller⸗ dings nicht betheiligt habe; derselbe sage in einem gedruckten Exposé (welches der Redner verlas), daß durch das Haft⸗ pflichtgeset am Wenigsten eine allgemeine Versorgung der verletzten Arbeiter, dafür aber eine trotzdem immer wachsende Velaͤstteng der Arbeitgeber eingeführt würde; durch den neuen Gesetzentwurf werde zur Freude aller Betheiligten den Ar⸗ beiterprozessen ein Ende bereitet werden. Die zweite Aeußerung stamme von einem Subdirektor einer ähnlichen Gesellschaft:

Die Arbeitgeber ärgerten und wunderten sich darüber, daß o viel, die Arbeiterführer und Arbeiter ärgerten und wun⸗ derten sich darüber, daß so wenig Prozesse anhängig gemacht

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würden“; die Verurtheilten begriffen meistens das Urtheil nicht, die Arbeiter verständen niemals, weshalb sie ihre Pro⸗ zesse verloren hätten, und das Publikum könne nicht begreifen, warum so viele Verunglückte nichts bekommen hätten. Dem Juristen sei kaum eine Materie widerwärtiger, als die Haftpflichtklage; den Gesellschaften sei der Prozeß einfach ein Gräuel. Nach dieser Sachlage hätten die Regierungen wohl genügenden Grund, das alte System zu verlassen und eine mit weniger üblen Folgen be⸗ gleitete Regelung zu versuchen. Durch Ausdehnung des Haft⸗ pflichtgesetzes auf alle Unfälle könnten die Streitigkeiten ge⸗ mindert, aber nicht beseitigt werden, weil bei den meisten Un⸗ fällen eine Konkurrenz von Ursachen statthabe. Nach der Arbeit des oben zitirten Gewerberaths in Aachen seien von jenen 155 Unfällen 64 gewesen, wo die absolute 8 nicht festgestanden habe, während 46 Fälle den Arbeitern durch eigenes Verschulden, aus Leichtsinn, Trunkenheit u. s. w. zur Last gefallen seien. Durch Ausdehnung der Haftpflicht auch auf die letzteren Unfälle, wo Zufall und Selbstverschuldung des Arbeiters vorlägen, würde aber das Rechtsgefühl verletzt werden. Selbst der, Abg. Lasker habe anerkannt, daß für diese nur durch eine Versicherung unter Heranziehung des Arbeiters Abhülfe geschafft werden könne. Nach den bisherigen Erfahrungen reiche die Furcht vor den Folgen der Haftpflicht keineswegs aus, die Arbeitgeber zur Versicherung zu veran⸗ lassen; die sehr große Mehrzahl und gerade die am wenigsten leistungsfähigen ließen es darauf ankommen. Häufig ür sie dann insolvent und dann sei der Anspruch des Arbeiters nur noch eine Illusion. Das Ergebniß dieser Betrachtungen sei nach seiner Ueberzeugung dieses: die Sicherung der Arbeiter sei nur durch Adoptirung des Versicherungszwanges erreichbar. Einige Redner wollten ja auch letzteren, perhorres⸗ zirten aber die Reichs⸗Versicherungsanstalt. Der Abg. Bam⸗ berger verneine seinerseits prinzipiell den Zwang darum, weil in ihm ein gewisses compelle für eine Reichsanstalt liege. Der Abg. Lasker sei anderer Meinung und berufe sich dabei auf die Immobiliar⸗Feuerversicherung, wo Zwang ohne Staatsanstalt schon jetzt bestehe. Aber sobald einmal der Zwang eingeführt sei, müsse auch jeder Einzelne Gelegenheit zur Versicherung haben. Wie wolle man das ohne öffentliche Anstalten machen? Könne man die Privatgesellschaften zwingen, jede Versicherung anzunehmen, ihnen die Bedingungen für dieselbe vorschreiben? Nun wolle man auf anderen Seiten zwar eine Reichsversicherungs⸗Anstalt, aber daneben auch die privaten beibehalten. Nun müßten doch aber für den Fall des Zwanges die Versicherten auch un⸗ bedingte Sicherheit haben. Sie zu finden halte der Abg. Oechel⸗ häuser für möglich auf dem Wege der Gesetzgebung, indem den Privatgesell⸗ und Genossenschaften Normativbesti mmun⸗ gen für ihre, noch dazu widerrufliche Zulassung zum Ver⸗ sicherungsbetriebe gegeben werden sollten. Damit aber würde den Gesellschaften und dem Staate Undurchführbares zuge⸗ muthet, namentlich, wenn jenes Sysftem der Kontrole einge⸗ richtet werden solle, welches der Abg. Richter ebenso als einen Rattenkönig bezeichnet habe, wie der Abg. Oechelhäuser die Reichs⸗Versicherungsanstalt als einen solchen bezeichnet habe. Bei der Freiheit, ob Privat⸗, ob Reichs⸗Versicherungsanstalt könne der Zwang nicht durchgeführt werden, was auch das gewiß unverdächtige Zeugniß jenes Subdirektors be⸗ weise. Die gegen den Entwurf im Einzelnen ge⸗ machten Ausstellungen kämen besser in der Kommission zur Erledigung; nur einige müsse er vorwegnehmen. Was nun den Vorwurf der Abgg. Bamberger und Oechel⸗ häuser anbetreffe, daß die Regelung (§. 6 der Vorlage) der Höhe der Prämien der Gefahrenklassen und der Versicherungs⸗ bedingungen dem Bundesrath überlassen werde, so sei es ihm überraschend gewesen, daß gerade von zwei der Herren, die auf diesem Gebiete vielleicht besonders sachkundig seien, derselbe erhoben worden sei. Solche Bestimmungen finde man nirgends in dem Statute irgend einer Versicherungsgesellschaft und zwar deswegen nicht, weil die Eintheilung der Gefahren und die Feststellung der Prämiensätze eine ganz ausschließlich technische Operation sei und dieselbe unter allen Umständen eine beweg⸗ liche sein und bleiben müsse. Diejenige Stelle aber, welche

ait dieser rein technischen Operation betraut werde, habe ma⸗ teriell mit der Sache weiter nichts zu thun, als daß tüchtige und zuverlässige Sachverständige ausgewählt würden und daß ihnen die Möglichkeit gegeben werde, sich ausreichen⸗ des und zuverlässiges statistisches Material zu verschaffen. Das aber scheine ihm nicht Aufgabe für den gesetzgebenden Körper zu sein, sondern fur die Verwaltung. Würden aber dem Reichsta die Arbeiten der Sachverständigen vorgelegt worden sein, so hätte derselbe ein Gutachten neuer Sachverständigen wegen Prüfung der Richtigkeit jener Arbeiten zu erfordern gehabt und bei etwaigen Differenzen in den beiden Urtheilen würde die Sache wieder so zweifelhaft sein wie vorher. Die Probe auf die Richtigkeit derartiger Feststellungen könne immer nur durch die Praxis gemacht werden. Aber auch die Klassen⸗ eintheilung sei nach Grundsätzen zu machen nicht möglich, da dieselbe stets das Ergebniß einer genauen Vergleichung einer großen Menge von thatsächlichen Verhältnissen sei. Man könnte höchstens Grundsätze für eine bestimmte Vertheilung aufstellen, von der Feststellung einer Maximalprämienhöhe könne aber über⸗ haupt nicht die Rede sein, zumal zweifelhaft sei, was darunter verstanden werde, ob es sich um eine solche für jede Gefahr⸗ klasse oder um eine absolute Maximalhöhe handele, uͤber die kein Betrieb hinausgehen dürfe, in welchem Falle die Vorlage auch nur einen Werth für die allergefährlichsten Betriebe haben würde. Wenn aber bezüglich der Versicherungsbedingungen auf eine parteiische Behandlung hingewiesen sei, so wisse er nicht, ab⸗ gesehen davon, die Regierungen für so gewissenlos zu halten, wie dieselben das machen sollten. Denn diese Bedingungen würden nicht individuell, sondern allgemein nach Klassen ge. stellt, und bei dem Umfang der Verwaltung, den Millio⸗ nen von Arbeitern möchte es auch schwer möglich sein, den Einen schlechter als den Andern zu behandeln. Was dann die Annahme betreffe, daß in diesen Bedingungen die Sicherheitseinrichtungen festgestellt würden, die jede

einzelne Klasse von Unternehmungen zur Ahwehr der

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Unfallsgefahr zu treffen hätte, und daß dadurch vielleicht der

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Betrieb aufs Aeußerste erschwert würde, so habe man in der Gesetzgebung schon jetzt eine Bestimmung über die Art und Weise, wie die Sicherheitsvorrichtungen in gewerblichen An⸗ lagen bestimmt würden. Der §. 120, Abs. 3 der Gewerbe⸗ ordnung schreibe vor, daß der Bundesrath solche Bestimmungen treffen könne, von welcher Befugniß derselbe jedoch noch keinen Gebrauch gemacht habe und die hervorgehobene Befürchtung sei daher wohl nicht zu erwarten. Das gebe er zu, daß die Reichsanstalt nicht so individualisiren könne, wie Privatanstal⸗ ten. Das liege einfach in dem Charakter der Zwangsversiche⸗ rung. Sie könne deshalb auch im Einzelnen nicht so wie die Privatanstalten darauf hinwirken, daß die Betriebe zur Ver⸗ ütung der Unfallsgefahr verbessert würden. Wohl aber önne sie diesen Zweck erreichen durch Bearbeitung und Ver⸗ öffentlichung des reichen ihr zufließenden Materials und durch den Erlaß von Schutzvorschriften. Aber auch für eine Geltend⸗ machung individueller Thätigkeit biete der Entwurf einen Weg, indem derselbe durch §. 56 es möglich mache, daß sich in dem Rahmen der Reichsversicherungsanstalt Genossenschaften bilde⸗ ten. Wenn auch die Befugnisse und Funktionen dieser Ge⸗ nossenschaften zunächst sich darauf beschränken müßten, der Reichsanstalt statt der Prämien die Deckungskapitalien aus⸗ zuzahlen, so hätten sie doch durch das Interesse, diese Deckungs⸗ kapitalien möglichst herunterzudrücken, ein Kompelle, die Zahl der Unfälle möglichst zu vermindern. Sie würden in dieser Richtung besonders dadurch wirken können, daß sie allen solchen Unternehmungen den Zutritt zu ihrem Verbande verweigerten, welche einen bestimmten Grad der Betriebssicherheit ihrer Anlagen noch nicht erreicht hätten. Auch werde man später die Befugnisse dieser Genossenschaften erweitern können und ihnen, wenn auch die Arbeiter in ihrer Verwaltung eine Ver⸗ tretung fänden, die Befugniß geben dürfen, selbst Vorschriften über das Verhalten der Arbeiter zur Verhütung von Un⸗ fällen zu erlassen und die Uebertretung dieser Vorschriften mit Strafe zu belegen. Vielleicht könne man ihnen in Zu⸗ kunft auch die Schadensregulirungen und die direkten Aus⸗ zahlungen der Entschädigungen, sofern es sich nicht um fort⸗ dauernde Rente handle, überlassen, bis man auf diesem Wege zu dem erwünschten Ziele gelangt sei, daß das Unfallversiche⸗ rungswesen überhaupt mehr in die Bahn des Genossenschasts⸗ wesens übergeleitet werde. Dies Ziel lasse sich nicht auf den ersten Wurf erreichen, es bedürfe dazu zunächst einer sicheren Grundlage und eines leicht zu verfolgenden Weges. Und in diesem Sinne empfehle er dem Hause die Vorlage.

Der Präsident theilte mit, daß vom Abg. Stumm der Antrag eingebracht sei, die Vorlage einer Kommission von 28 Mitgliedern zu überweisen.

Der Abg. Dr. Gneist sprach sich für die Vorlage vom Standpunkte der deutschen Vereinsthätigkeit aus, die sich nicht überall mit den politischen Standpunkten decke, aber um die wohlwollende Beachtung des Hauses bitte. Zur Abwehr des Vorwurfs eines Staatssozialismus dürfe er vor Allem daran erinnern, daß eine Unfallversicherung für ganz Deutschland bereits bestehe. Anders als in Frankreich gewährleiste das Deutsche Reich schon heute dem Arbeiter und seiner Familie den nothwendigen Unterhalt in jedem Falle der Tödtung, Verstümmelung oder Arbeitsunfähigkeit. Die deutsche Reichs⸗ und Landesgesetzgebung habe seit 4 Jahrhunderten diese Staatspflicht als Armenlast auf die Gemeinden vertheilt und dem höheren Verband nur ein ergänzendes Eintreten vorbe⸗ halten. Die öffentliche Unterstützung gewähre auch nur das Nothdürftige. Nichtsdestoweniger bleibe es wahr, daß der Staat eine allgemeine Unfallversicherung bereits übernommen habe und daß derselbe damit eine allgemein menschliche Pflicht der Gesammtheit erfülle, die man nicht durch neue Theorien vom sog. Rechtsstaat in Frage stellen sollte. Es handele sich jetzt nur darum, die schon bestehende öffentliche Pflicht um das drei⸗ oder vierfache zu erhöhen, das Almosen in eine Lebens⸗ versorgung zu verwandeln, das dazu erforderliche Mehr aber von den Kreisen der Industrie aufbringen zu lassen, denen es zu gut komme. Es habe das wenig gemein mit den sozia⸗ listischen Utopien. Es falle nun dabei die Beschränkung auf eine begrenzte Klasse der Arbeiter auf. Nach den früheren Bestimmungen habe man den verunglückten Maurer, Ber mann, Fabrikarbeiter und Ackerknecht auf gleiche Weise beha delt. Die seit einem Menschenalter auch in Deutschland ins Leben getretene Industrie, so weit sie die Massenerzeugung der Güter durch mechanische Arbeit berühre, begründe nothwendig einige Unterschiede. Jeder durch die Industrie hervorgerufene Unfall erzeuge vor allen Dingen das un⸗ heimliche Gefühl des Unterliegens des Menschen unter elemen⸗ tarer Macht. Hekatomben an Menschenopfern würden, so scheine es, gebracht zu Gunsten weniger Reicher, die der Ar⸗ beiter als die Glücklicheren zu betrachten pflege. Nun ver⸗ lange man allgemeine Altersversorgung der Arbeiter; dem könne er nicht so unbedingt beistimmen, denn das führe zu nichts. Es gäbe keine gesährlichere Art, die sozialistischen Lehren zu fördern, als wenn man die allgemeiner Gleichheit und von der Gleichheit Aller vor dem Gesetz dazu benutze. Ackerbau, Gewerbe, sie könnten nicht alle dasselbe thun für ihre Arbeiter, man könne ihnen nicht dasselbe zumuthen. Die Reichsgesetzgebung sei einen Schritt weiter gegangen; das Neichsgeset gehe zuerst heraus aus den Kreisen der Industrie: die Unfälle, die bei den Eisenbahnen vorkämen, und die Ver⸗ sorgung der im aktiven Dienst verunglückten Beamten. Die Gesetzgebung gehe noch einen gewaltigen Schritt weiter auf dem Wege des Privatrechts, den Arbeitgeber haft⸗ bar zu machen für alle Unfälle, die bei ihm vorkämen. An dieses Gesetz habe sich sofort eine gesunde Thatigleit der Privat⸗Versicherungsgesellschaften angereiht, eine Privatver⸗ sicherung, die sich auf sämmtliche Unfälle ausdehne. Diese Thatigkeit sei eine sehr dankenswerthe, und es wärer gut, wenn man weiter könnte auf dem Wege des Privatrechts; aber es stellten sich dem unüberwindliche Hindernisse entgegen. Diese Hindernisse seien folgende: die Unmöglichkeit, die privat⸗ rechtliche Hastung auf völlig unverschuldete Fälle auszudehnen. Die wirklich einseitige Schuld des Arbeitgebers finde man nur in den allerseltensten Fallen; sie köͤnne vielleicht Ein Zehntel betragen oder kaum noch so viel. Diese Minorität werde glückl eise von Jahr zu Jahr noch kleiner werden. Man

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