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Der Fabrikant arbeitet eben nur für den momentanen Gewinn, nicht für die Zukunft; mitunter hat er das Geschäft schon aufgegeben, ehe noch aus dem Innern die ersten ver⸗ läßlichen Berichte eingetroffen.
Er ist keineswegs abgeneigt, Waaren, um sie auf den Markt zu bringen, in Konsignation zu versenden — er kon⸗ signirt überhaupt viel zu viel — der Zweck solcher Konsig⸗ nationen ist jedoch in erster Linie nicht, seine Waare in dem Lande einzuführen und sich damit einen dauernden Absatz zu schaffen; er konsignirt in der Regel vielmehr nur, weil er mehr fabrizirt, als er auf feste Rechnung absetzen kann und deshalb schon zufrieden ist, wenn er konsignationsweise seinem Fabrikate einen vorläufigen Abzug und damit sich selbst einen Vorschuß sichert, welcher seine Selbstkosten annähernd deckt. Dergleichen Versendungen, welche den Anforderungen des betreffenden Absatzgebietes selten entsprechen, weil der Fabri⸗ kant bei der Anfertigung häufig das Land, nach welchem sie definitiv versendet werden, selbst noch nicht kennt, seinen An⸗ forderungen und Bedürfnissen also nicht Rechnung tragen kann, stören ganz besonders die Entwicklung einer gedeihlichen Geschäftsverbindung, indem der Importeur in der Regel nur darauf sieht, sie baldmöglichst und zu jedem Preise loszu⸗ schlagen, sofern durch diesen nur seine Vorschüsse und sonsti⸗ gen Auslagen wie die Kommission gedeckt werden. Die Leicht⸗ fertiakeit, mit welcher deutsche Kaufleute und Fabrikanten Konsignationen nach überseeischen Ländern zu machen pflegen, hat denselben — zwar weniger in China, wohl aber, wie ich aus langjähriger Ersahrung weiß, in Egypten — schon die empfindlichsten Verluste eingetragen.
In der Annahme, daß die Konsignation von Waaren, in⸗ sofern sie dem Kommittenten das Eigenthumsrecht der Waare im Besitze des Kommissionärs (Consignatairs) sichert, weniger riskant sei, wie in Verbindung damit, daß Offerten, Waaren in Konsignation zu nehmen, sich weit häufiger präsentiren, als feste Kaufsanträge, pflegen deutsche Exporteure im ausgedehn⸗ testen Maße Waaren zu konsigniren, ohne dabei die Vorsicht anzuwenden, die sie einem Verkaufe auf feste Rechnung mit Kredit zu widmen pflegen.
Es ist aber die Zahlungsfähigkeit des ausländischen Kauf⸗ manns als Kommissionärs nicht allein, welche den heimischen Kommittenten in Verlust bringen kann, viel wichtiger ist die Ehren⸗ und Gewissenhaftigkeit desselben, und an solchen, welche daran Schiffbruch gelitten, fehlte es in Egypten und resp. Cairo keineswegs.
Sobald ein junger Mann einige Jahre als Commis in Egypten thätig gewesen, hält er sich für berufen und befähigt, sich auf eigene Füße zu stellen, ein eigenes Haus zu etabliren. Ohne das ersorderliche Kapital und den nöthigen Kredit wirft er seine Thätigkeit auf die Geschäftsbranche, die dieser Bedin⸗ gungen eines soliden Geschäfts sich am leichtesten entschlagen kann, auf das Kommissionsgeschäft. Auf seine, mit den groß⸗ artigsten Verheißungen einer ausgedehnten und dauernden
Geschäftsbeziehung ausgestattete, auf genaue Kenntniß des
Landes, seiner Verhältnisse und zahlreiche Beziehungen mit den bedeutendsten Abnehmern in renommirender Weise sich stützende, mit einigen zweifelhaften Referenzen unterstützten Offerten, gegen eine mäßige Kommission häufig mit einer be⸗ sonderen für das del credere Waaren in Konsignation zu nehmen, geht der heimische Fabrikant, namentlich solche aus kleineren Fabrikstädten, um so leichter ein, als die offerirte Geschäftsverbindung ihm in seinen sanguinischen Ideen ein großes Absatzfeld und die hohen von dem Kommissionär an⸗ standslos acceptirten Preise einen beträchtlichen Gewinn in Aussicht stellen.
Vielleicht, daß das erste Geschäft noch befriedigend abge⸗ wickelt wird — um so schlimmer, wenn der Fabrikant dadurch verleitet wird, neue und größere Konsignationen zu machen.
Der junge Kaufmann, der nicht nur das Bedürfniß, zum Chef einer eigenen Firma zu avanciren, sondern auch der Pflicht fühlt, der neuen Stellung entsprechend zu leben und
deshalb in steter Geldverlegenheit zu sein pflegt, sucht vor Allem seine Frachtauslagen und Kommission zu decken. Er verkauft die Waaren, ohne viel nach der Kreditfähigkeit des Abnehmers zu fragen — für seine Auslagen und die Kom⸗ mission, die er für die gesammten, auch die nicht verkauften Waaren berechnet, weiß er sich schon zu decken; — die von
dem Käufer ausgestellten Wechsel zieht er für den Kommit⸗
tenten ein, statt zu remittiren, schreibt er den Betrag ihm gut, nicht selten verpfändet er die Waaren oder versteigert sie und giebt dem Komittenten fingirte Käufer auf, aber auch wo er dem Ersteren die Verkäufe überschreibt und die Wechsel remittirt, wird sich in den meisten Fällen ergeben, daß der Käufer zahlungsunfähig oder doch kreditlos, jedenfalls der Kaufpreis nur unter schweren Verlusten einzubringen ist.
Für Geschäfte auf Kredit mit Egypten dürfte also dem deutschen Fabrikanten die größte Vorsicht anzuempfehlen und namentlich vor Konsignationen außer an bewährte und zuver⸗ lässige Firmen eindringend zu warnen sein.
Um auf China zurückzukommen, so besteht eine weitere Kurzsichtigkeit vieler deutschen Fabrikanten darin, daß sie so⸗ fort nach Empfang einer Ordre die sämmtlichen Details, Muster ꝛc. an alle Häuser einsenden, um auf solche Weise weitere Ordres zu erhalten, zuweilen sogar gleiche Konsigna⸗ tionen zu gleicher Zeit an verschiedene Häuser desselben n⸗ delsplatzes machen. Die Folge ist, daß in dem ersteren Falle Niemand seine Rechnung findet und weitere Aufträge aus⸗ bleiben, während in dem letzteren Falle das Bestreben der ver⸗ schiedenen Häuser, schnellere Abrechnung zu liefern, für den be⸗ treffenden Artikel eine künstliche Konkurrenz schafft, in Folge deren die Waare niedere Preise erzielt, als wenn sie einer Hand anvertraut gewesen wäre. Auf solche Weise die Recht⸗ schaffenheit, Befähigung oder Geschäftspraxis einzelner Firmen prüfen zu wollen, ist meist sehr kostspielig und sichert trotzdem keine zuverlässige Beurtheilung. 1
Es verdient weiter gerügt zu werden, daß ein Theil der Fabrikanten statt sich an die genauen Vorschriften ihrer über⸗ seeischen Geschäftsfreunde zu halten, deren Beurtheilung des Marktwerthes und der Absatzfähigkeit des betreffenden Artikels sie anerkennen und befolgen sollten, Konsignationen lediglich als eine passende Gelegenheit betrachten, mit altem, fehler⸗ haften oder sonst unverkäuflichem Lager aufzuräumen. Der⸗ gleichen eigenmachtige Versuche haben sich stets schlecht bezahlt und durch hohe Frachtspesen, Kommissionen, Lagermiethe ꝛc. bei relativ sehr niederen Verkaufspreisen empfindliche Verluste für den Absender, und durch die Unterschwemmung des Marktes mit mangelhafter Waare und Diskreditirung der deutschen Industrie nicht minder große für das heimische Exportgeschäft zur Folge gehabt. 1u1“
Das Uebersetzen der Preise in Konsignationsfakturen ist ein weiterer Uebelstand, der zu häufig vorkommt, um hier nicht ebenfalls Erwähnung zu finden.
Konsignationswaaren, aus deren Verkauf kaum die Hälfte des Fakturenwerths erlöst wird, werden anstandslos in dop⸗ pelter Quantität erneuert und erzielen in der Regel noch weit ungünstigere Resultate. Wenn es auch die Pflicht des Kom⸗ missionärs ist, die Verkaufsinteressen des Kommittenten nach besten Kräften zu wahren, aus den Fakturenpreisen allein ist er nicht in der Lage zu beurtheilen, ob und daß ein niederes Angebot dem Fabrikanten noch immer einen Nutzen läßt.
So tritt denn häufig der Fall ein, daß der hiesige Kom⸗ missionär einer solchen Preisdifferenz wegen den Verkauf ab⸗ lehnt und später durch die Mittheilung des Fabrikanten über⸗ rascht wird, daß er zu dem Angebote hätte losschlagen sollen. Der Käufer hat inzwischen seinen Bedarf anderweit bezogen, statt des aus den hohen Preisen erwarteten Gewinnes treten durch die vermehrten Lagerspesen Verluste und im weiteren Verlaufe Auktionsverkäufe ein, deren Ergebniß den Fabrikan⸗ ten erst recht nicht befriedigt.
So wenig glaubhaft es scheinen mag, der Fall kommt doch nicht selten vor, daß der heimische Fabrikant erwartet, der überseeische Konsument solle sich darnach richten, was er zu fabriziren gewohnt ist.
Auf gewünschte, selbst ganz geringfügige Aenderungen, die verlangt werden, pflegt dann die Antwort einzutreffen auf diese Appretur, jene Mischung, oder um was es sich sonst handeln mag, sind wir nicht eingerichtet, die Chinesen werden schon einsehen, daß unser Fabrikat viel besser ist; oder meine Methode ist besser und wenn sie das dem Chinesen zeigen
wollen, wird er sehr bald meiner Waare den Vorzug geben 22
und dergleichen. Werden dann gleichwohl die Waaren ohne die gewünschte Abänderung hierhergesandt und treten daraus Verluste ein, so zieht sich der Fabrikant zurück, als ob der Handel mit China ein riskantes und unberechenbares Geschäft sei, ohne daß er begreifen kann oder will, daß der Verlust
nur der Unkenntniß des Geschmacks und den Anforderungen
des Konsumenten und beziehungsweise der Abneigung den⸗ selben Rechnung zu tragen einzig und allein zuzuschreiben ist.
Es ist die dem deutschen Fabrikanten anhaftende Schwer⸗ fälligkeit, der Hang zum Hergebrachten, der daran Schuld trägt und der ihn nicht selten dazu veranlaßt, selbst kontraktliche Bedingungen bei der Fabrikation zu ignoriren.
Der Chinese — wie ich bereits in dem anliegenden Aus⸗ zuge zu bemerken Gelegenheit gehabt — ist sanguin, er ist rasch entschlossen auf Grundlage der derzeitigen Preislage große Lieferungsgeschäfte abzuschließen; tritt dann eine andere Konstellation ein, die statt des erhofften Gewinnes, Verlust in Aussicht stellt, so wird er die geringste Abweichung vom Muster;
der der Lieferzeit oder welch sonstiger Kontraktsbedingung dazu
benutzen von dem letzteren zurückzutreten. Bei einer Lieferung von Anilinfarben hatte der deutsche Fabrikant — zweifellos von der besten Absicht geleitet — eine Farbe geliefert, welche im trockenen Zustande der Farbe des Musters zwar nicht ganz entsprach, flüssig und aufgestrichen dagegen die Musterfarbe gediegener und intensiver darstellte als die Probe. Trotzdem atte die Abweichung einen unverhältnißmäßigen Abzug zur olge, welcher bewilligt werden mußte, um die Aufgabe des ganzen Kontrakts und damit der weiteren Lieferungen zu ver⸗ meiden. .
Daß der Chinese demjenigen Fabrikanten sich zugewendet, der seinen Wünschen und Anforderungen ohne Weiteres Rech⸗ bö der in seinen Augen vernünftiger denkt, ist selbst⸗ redend.
(Fortsetzung folgt.)
Die letzte Sitzung des Kuratoriums der Königin⸗Augusta⸗ Stiftung für die Berliner Feuerwehr brachte zum ersten Male einen Antrag zur Berathung, der wegen Mangel an dispo⸗ niblen Fonds die Herabsetzung der Unterstützungen für die
1 1 . 8 b 1 invaliden Feuexwehrmänner bezweckte. Das Kuratorium aufzutreten, d. h. in der Regel über seine Mittel lebt und
konnte sich zwar der Ueberzeugung nicht verschließen, daß die Ansprüche an das Stiftungsvermögen in Folge zunehmenden Alters der Mann⸗ schaften, zahlreicher bedauernswerther Unglücksfälle ꝛc. gestiegen, da⸗ dagegen die Einnahmen in letzterer Zeit erheblich nachgelassen und in Folge dessen schon sür das laufende Jahr ein Defizit unvermeidlich sei; dennoch konnte es sich nicht entschließen, für eine Herabsetzung der Unterstützungen zu stimmen, und lehnte den Antrag ab. — Obwohl man schon mit dem Entwurf eines Pensionsreglements beschäftigt sein soll, werden unsere Mitbürger doch dafür Sorge zu tragen haben, daß die Königin⸗Augusta⸗Stiftung nicht wieder in die Lage komme, über ähnliche Anträge zu berathen, und es bedarf wohl nur dieser Anregung, um den Wohlthätigkeitssinn der Berliner von Neuem auf diese Stiftung hinzulenken, denn die Stiftung wird auch nach Erlaß einess Pensionsreglements für die Feuerwehr als alleinige Unterstützungskasse der Wittwen und Waisen von Feuerwehrmannschaften noch segensreich zu wirken haben; als solche gewährt sie heute schon an 32 Wittwen laufende Unterstützungen bis zu 30 ℳ pro Monat.
In Wien findet zur Zeit eine Krugausstellung statt, bei welcher sich auch mit großem Erfolge Berlin betheiligt hat. Die „Presse“ schreibt darüber: Eine außerordentliche Ueberraschung hat den Freunden der Keramik die Königliche Porzellan⸗Manu⸗
faktur in Berlin bereitet. Es ist heute wohl keine Indiskretion
mehr, zu erzählen, daß im Jahre 1876 in München ernste Zweifel bestanden, ob man die einst so berühmte Fabrik noch in die Reihe der ersten ihrer Art stellen dürfe, und daß man sich nur vor der Ver⸗ antwortlichkeit scheute, durch ein bei solcher Gelegenheit ausgesproche⸗ nes Urtheil möglicherweise über die Berliner Anstalt dasselbe Ge⸗ schick heraufzubeschwören, welches ein Jahrzehnt früher die Wiener erreicht hatte. Die „Opportunisten“, welche sich damals zu einer Konzession verstanden, brauchen das nicht zu bereuen, denn seit der Münchener, ja selbst seit der Berliner Ausstellung von 1879 hat die dortige Manufaktur geradezu ungeheuere Fortschritte gemacht. Masse, Formen und Dekorationen sind gleich vorzüglich und zum Theil ganz eigenthümlich. Die Gefäße von Elfenbeinmasse mit zartem Decor, welcher allerdings an den japanischen Styl anklingt, aber nicht dessen Extravaganzen nachäfft, und die prachtvollen rothen olivengrünen ꝛc. Glasuren sind ganz geeignet, allgemeines Aufsehen zu erregen. Die glücklichen koloristischen Effekte werden von Jeder⸗ mann empfunden; aufmerksam zu machen braucht man nur auf zwei technische Fortschritt: an verschiedenen Exemplaren ist nämlich, wie das auch in Japan geschieht, das Ornament in die far⸗ bige Glasur derartig gravirt, daß der weiße Grund wieder zum Vor⸗ schein gekommen ist und dann wieder mit anderen Farben bedeckt werden konnte. Es entsteht also eine Art Mosaik, 17 den Vor⸗ theil hat, daß der Decor nicht erhaben auf dem farbigen Grunde liegt, der letztere nicht durch dicken Auftrag der lichteren Farben ge⸗ deckt zu werden braucht, auch durchscheinende Farben verwendet werden konnen. Ferner sind einige Stücke mit vielfarbiger Malerei unter der bleifreien Glasur ausgestellt, welche das böcste Frerese der Tech⸗ niker erregen und auch das Publikum insofern interessiren werden, als dies ja aus Erfahrung weiß, daß die Malerei über der Glasur an Gebrauchsgegenständen keine lange Dauer hat.
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Das im Auftrage der Stadt Berlin von Anton von Werner gemalte Bild des Berliner Kongresses im Jahre 1878, das während einiger Wochen im Festsaal des Rathhauses öffentlich aus⸗ gestellt war, wird demnächst auch in photographischer Reproduktion allgemein zugänglich werden. Eine zutreffende Vorstellung der Ge⸗ sammtanordnung sowohl wie der Auffassung und Charakteristik der in dem Gemälde vereinigten Porträts der Theilnehmer des Kongresses gewährt indeß schon jetzt ein im Verlag von Paul Bette erschienenes, nach einer Federzeichnung A. von Werners in vorzüglichem Licht⸗ druck ausgeführtes Blatt, das überdies als eine in sich selbständige und interessante Komposition des Künstlers auch neben jener Photo⸗ seaphie seinen eigenartigen Werth nicht verliert. Ursprünglich dazu bestimmt, als Erläuterungstafel des Oelgemäldes zu dienen, zeigt es in genau entsprechender Anordnung die ganze obere Hälfte desselben mit den Köpfen und Halbfiguren der porträtirten Personen und darunter auf der breiten Fläche eines Vorhangs, der den unteren Theil des Gemäldes verdeckt, die Namen der Dar⸗ gestellten. Die Umrahmung dieser Tafel aber, in ihren ornamentalen Motiven an den für das Kongreßbild hergestellten Rahmen erinnernd, bildet eine beziehungsreiche allegorische Komposition, in deren Erfin⸗ dung und Vortragsweise der Künstler sich nach längerer Pause wieder einmal auf dem Gebiet der Illustrationszeichnung bewegt, auf dem er zuerst seinen Ruf begründete. Zwei hohe, mit Renaissance⸗Ornamenten verzierte Säulen, in Form und Dekoration denen entsprechend, die in reicher Holzschnitzerei dem Bilde selber als Träger dienen, ragen, mit Kränzen und Palmzweigen geschmückt, beiderseits als äußerste Ein⸗ fassung auf. Ihre Kapitäle werden durch Querstäbe verbunden, an welchen die Konferenz⸗Protokolle in Gestalt siegelbeschwerter Per⸗ gamentrollen herabhängen und zwischen ihnen flattern Tauben mit dem Oelzweig und dem Friedensgruß „Pax vobiscum“ im Schnabel umher. Ueber dem Inschriftfeld der Mitte erscheint, wie in der Umrahmung des Bildes, als oberste Bekrönung zwischen zwei Sphinrgestalten ein Januskopf, der hier aber das zürnende und das lächelnde Profil des Fürsten Bismarck zeigt, und auf den beiden Ecken sind in gleicher Weise als Wappenhalter sitzende Bären angebracht, die sich indeß nicht in heraldischer, sondern in humoristisch⸗natürlicher Haltung dar⸗ stellen. Am Fuße der beiden Säulen endlich mühen sich zwei Figuren, die an die wilden Männer des preußischen Wappens erinnern, den an einer Querstange befestigten Vorhang mit den Namensinschriften in die Höhe zu ziehen, und zwischen ihnen, in der Mitte des Blattes, findet die allegorische Hauptgruppe der ganzen Komposition ihren Platz. Um den in den Wolken schwimmenden Globus jagt hier der wüthende Kriegsgott den mit der Sense erschreckt fliehenden Land⸗ mann vor sich her. Dem Gewaltigen aber wehrt bereits die be⸗ flügelte weibliche Gestalt des Friedens, die mit dem Palmzweig in der Hand sich wieder auf die Erde niedergelassen hat, und während auf der einen Seite als Repräsentant gewerblicher Arbeit ein Schmied im Arbeitsanzuge, halb noch von dem schützenden Vorhang verdeckt, den Hammer drohend gegen den Kriegsgott schwingt, taucht auf der anderen auch Merkur als Vertreter des friedlichen Handels wieder aus seinem Versteck hervor. Wenn dem Oelgemälde gegenüber einerseiis der Mangel einer eigentlich malerischen Wir⸗ kung und eine in manchen Accessoires allzu uninteressante Behand⸗ lungsweise bemerkt, andererseits aber in den Figuren selber trotz aller äußeren Aehnlichkeit doch die von dem Porträt als solchem zu fordernde Feinheit und Schärfe in der Erfassung des individuellen geistigen Ausdrucks vermißt werden duürfte, so ist das im Charakter der Illustration gehaltene Blatt eine in ihrer Art um so ansprechendere Arbeit. In den Köpfen der Haupt⸗ figuren von einer für den kleinen Maßstab außerordentlichen Porträt⸗ ähnlichkeit und in der Erfindung des Uebrigen ebenso frisch und geist⸗ reich wie in der trefflichen Behandlung der Federzeichnung, wird es in seiner erfreulichen Wirkung kaum dadurch beeinträchtigt, daß die Gestalt der Friedensgöttin wie von der Psyche in der Merkurgruppe von R. Begas inspirirt erscheint, während die Figuren der beiden wilden Männer etwas mehr als es in dem phantastischen Zusammen⸗ hange wünschenswerth ist, an das lebende Modell erinnern.
Nach der „Petersb. Ztg.“ hat der Präsident der 2 nationalen Polarkommission“, Akademiker Wild, ein Cir⸗ kular versandt, in welchem er erklärt, daß die Ausführung des Wey⸗ prechtschen Projekts simultaner phvsikalischer, insbesonderer meteoro⸗ logischer und erdmagnetischer Beobachtungen auf einer Reihe von Sta⸗ tionen in der arktischen Zone nunmehr gesichert ist und zwar mit Beginn der mindestens einjährigen Observationen im Herbst 41882. Folgende sechs Staaten haben nämlich bereits ihre Betheiligung an dem Unternehmen definitiv zugesagt: Dänemark, Nor⸗ wegen, Oesterreich⸗Ungarn, Rußland, Schweden, Vereinigte Staaten von Nord⸗Amerika. Diese Staaten werden, wenn nicht durch eine weitere Betheiligung anderer Länder eine bezügliche Modifikation ein⸗ treten sollte, in folgenden Punkten der arktischen Zone Observatorien errichten: Dänemark in Upernivik, Norwegen im nördlichen Finnmarken, Oesterreich⸗Ungarn auf Jan Mayen oder, wenn möglich, an der Ostküste Grönlands, Rußland auf Nowaja⸗ Semlja und an der Lenamündung, Schweden auf Spitzbergen, die Vereinigten Staaten bei Point Barrow und in der Lady Franklin Bai. Es sind das die acht Punkte im arktischen Gebiete, deren Besetzung die erste Polarkonferenz in Hamburg im Oktober 1879 als mindestens nothwendig für die Ausführung des Unterneh⸗ mens bezeichnete, und woran auch die zweite Konferenz in Bern im August 1880 als Bedingung zur Lösung der gestellten Aufgabe festhalten zu müssen glaubte. Nach den eingegangenen Nachrichten ist aber weiter⸗ hin ziemlich sicher zu erwarten, daß gemaß dem auf der Hamburger Kon⸗ ferenz ausgesprochenen Wunsche zugleich auch an einigen Punkten der antarktischen Zone Beobachtungen werden gemacht werden. Zur definitiven und genaueren Vereinbarung über die zu besetzenden Punkte, über den Umfang und den Modus der gemeinsamen Beob⸗ achtungen sowie über den Beginn und die Termine der simultanen Observationen ist es nöthig, bald noch eine dritte internationale Polarkonferenz abzuhalten. Es ist dafür als Ort St. Petersburg und als Termin der 1. August (n. St.) dieses Jahres in Aussicht genommen.
Die Sommeroper im Krollschen Theater hat während ihrer kurzen Dauer bereits die mannigfachste Abwechselung geboten. Außer den besprochenen Aufführungen von „Margarethe“ und „Lucia“ sind „Fra Diavolo“, „Martha“, „Der Freischütz“, „Der Troubadour“ und „Die weiße Dame“ zur Aufführung gekommen. Gestern ging die „Regimentstochter“ von Donizetti in Scene. Frl. Alt bewährte sich in der Titelrolle wieder als ebenso gut beanlagte wie trefflich geschulte Sängerin, welche sich denn auch schnell die Sympathien des Publikums ge⸗ wonnen hat. Reich mit Beifall ausgezeichnet, mußte die Künstlerin eine hübsche Einlage im 3. Akt, „Die Nachtigall“ von Alieneff, auf Ver⸗ langen wiederholen. Der Darsteller des Tonio, Hr. Schmidt, ist ein wohl ausgebildeter Tenor von etwas spitzer, näselnder Klangfarbe, der aber bei größerer Selbstbeachtung seines Erfolges stets sicher sein dürfte. Die Partien der Marchesa und des Sulpice wurden durch Frl. Schwarz Sund Hrn. Baumann ansprechend ausgefüllt. — Nach Schluß der Oper bot der brillant erleuchtete prächtige Garten mit dem zahlreichen, bei den Klängen der Hauskapelle promenirenden Publikum, wie all⸗ abendlich, einen glänzenden Anblick. Hr. Kapellmeister Kéler⸗Bela wiederholte auf Verlangen sein zündendes großes Walzer⸗Potpourri „Oesterreich⸗Ungarn“, einen seiner ungarischen Tänze und den Rakoczy⸗ Marsch, wofür ihn das Publikum mit lautem Beifall lohnte.
Im Flora⸗Etablissement zu Charlottenburg findet morgen, Donnerstag, die zweite Auffahrt der Hrn. Eugène Godard und Pierre Crommelin statt.
Redacteur: Riedel.
Verlag der Expedition (Kessel). Fünf Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage)
Berlin:
darin bestehe, daß ein
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8⸗Anzeiger und Königlich Preußisch
Berlin, Mittwoch, den 25. Mai
Nichtamtliches.
Preußen. Berlin, 25. Mai. Im weiteren Ver⸗ laufe der gestrigen (48.) Sitzung begann der Reichstag die erste Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Reichshaus⸗ halts⸗Etat für das Etatsjahr 1881/82. Derselbe fordert zur Gewährung von Diäten für die Mitglieder des Deutschen Volkswirthschaftsraths 84 000 ℳ, für die Besoldung des Vor⸗ sitzenden des Patentamts, dessen Stelle künftig nicht mehr als Nebenamt verwaltet werden solle, 12 000 ℳ nebst 1200 ℳ Wohnungsgeldzuschuß, für die Betheiligung des Reiches an der internationalen Ausstellung für Elektrizität zu Paris 60 000 ℳ und für die Wiederherstellung der in St. Avold durch Feuer zerstörten Kasernements nebst Kammerbeständen 305 000 ℳ (S. gestrige Nummer des Blattes unter Reichs⸗ tagsangelegenheiten.)
Der Präsident eröffnete die Generaldiskussion, in welcher das Wort nicht genommen wurde. Vor Eintritt in die Spezial⸗ diskussion beantragte der Abg. von Bennigsen, die Vorlage, betr. den Volkswirthschastsrath, einer besonderen Kommission von 14 Mitgliedern, eventuell die ganze Vorlage der Budget⸗ kommission zu überweisen.
Ueber diesen Antrag erhob sich eine längere Geschäfts⸗ ordnungsdebatte, da die Annahme des Antrages ohne Dis⸗ kussion die Gegner der Kommissionsberathung an der Dar⸗ legung ihrer Gründe verhindern würde. In diesem Sinne sprachen die Abgg. Dr. Braun (Glogau), Stumm, Dr. Lasker, Dr. Windthorst und Richter (Hagen); der Abg. von Bennigsen zog darauf seinen Prinzipalantrag zurück und behielt sich vor, denselben im Laufe der Spezialberathung wieder einzu⸗ bringen.
In der nunmehr über die Position: „Deutscher Volks⸗ wirthschaftsrath“ (84 000 ℳ) eröffneten Spezialdiskussion be⸗ merkte der Abg. Sonnemann: als er gehört habe, daß die Frage des deutschen Volkswirthschaftsraths im Reichstage er⸗ örtert werden solle, habe er eine ausführliche Vorlage über die Organisation, den Zweck und die Kosten dieser Institution erwartet; statt dessen werde dem Reichstage diese wichtige or⸗ ganisatorische Aenderung in der Form eines Nachtrags⸗Etats mit einigen erläuternden Bemerkungen vorgelegt in einer Form, wie man sonst etwa die Mittel für eine Kaserne oder eine Speise⸗Anstalt vom Reichstage verlange. In Preußen habe man doch wenigstens bei der Einrichtung des Volks⸗ wirthschaftsraths ein Königliches Dekret erlassen und durch die Gesetz⸗Sammlung veröffentlicht. Der vor⸗ liegende Entwurf beanspruche 84 000 ℳ, welche zur Zahlung von Diäten bewilligt werden sollten von einer Versammlung, die aus dem allgemeinen Wahlrecht hervorgegangen sei, aus Mitgliedern aller Stände sich zusammen⸗ setze und selbst keine Diäten erhalte, während der Volkswirth⸗ schaftsrath vorzugsweise aus Mitgliedern der Großindustrie zusammengesetzt sei, unter denen der Mensch mit dem Kom⸗ merzienrath eigentlich erst anfange. Es sei doch eine starke Zumuthung für den diätenlosen Reichstag. Dem Reichskanzler sei vielleicht neben dem Deutschen Reichstage, der obersten Ver⸗ tretung des deutschen Volks, so ein kleines Nebenparlament erwünscht; andere Gründe für die staatswirthschaftliche Noth⸗ wendigkeit solches Organs ließen sich wenigstens kaum auffinden. Die Erfahrungen anderer Länder lehrten mit zwingender Ueberzeugung die Ueberflüssigkeit, ja Schädlichkeit eines soge⸗ nannten Volkswirthschaftsraths. Frankreich habe seit 1703 unter Ludwig XIV. durch Colbert seinen Conseil supérieur de commerce eingerichtet, die Revolution habe ihn hinweg⸗ geschvwemmt. Erst der erste Konsul habe denselben, und zwar nunmehr ungefähr ebenso wie es jetzt hier geschehen soll, rekonstruirt, durch Berufung auf Praäͤsentation der Handelskammern und landwirthschaftlichen Vereine. Die Julirevolution habe dieser Institution abermals ein Ende gemacht, und seitdem sei eine ganze Reihe von Dekreten und Gesetzen über die Organtsation derselben erschienen. Auch der jetzt in Frankreich bestehende Volkswirthschaftsrath, dessen Mitglieder aus den Handelskammern gewählt würden, sei viel freisinniger zusammengesetzt als der deutsche; gewirkt habe der französische Volkswirthschaftsrath immer nur in dem Sinne, daß derselbe sich allen reaktionären Bestrebungen auf wirth⸗ schaftlichem Gebiete angeschlossen habe. Zwei Drittel seiner Mitglieder gehörten der Großindustrie an; deshalb seien alle Prohibitivmaßregeln von demselben I⸗ angen, und noch
ute bei der Zollreform in Frankreich Keh ein lebhafter
mpf zwischen den Bestrebungen des Parlaments und denen des Volkswirthschaftsraths, wobei freilich die reaktio⸗ nären Anschauungen des letzteren Seitens der Kammer nahezu ganz unbeachtet geblieben seien. Man habe denselben nur beibehalten als alte historische Reliquie ohne irgend eine Be⸗ deutung für die Entwickelung des Landes. Mit dieser Insti⸗ tution wolle man jetzt Deutschland beglücken. Ueber die Zu⸗ sammensetzung des preußischen Volkswirthschaftsraths wolle er sich hier nicht näher äußern. Allerlei Kuriosa seien dabei vorgegangen. So hatten z. B. die Handelskammern von Frankfurt, Wiesbaden, Cassel und Hanau 3 Mitglieder vor⸗ zuschlagen; da nun aber das Sheeserr. nach Maß⸗ gabe der Gewerbesteuerzahlung habe festgestellt werden sollen und Frankfurt mehr Gewerbesteuer als die drei anderen Handelskammerbezirke zahle, so hätte der Frankfurter Dele⸗ girte allein die Entscheidung über die 3 vorzuschlagenden Mit⸗ glieder gehabt. Derselbe sei natürlich so entgegenkommend gewesen, nur einen Frankfurter und zwei aus anderen Be⸗ zirken vorzuschlagen, sei aber vollständig berechtigt gewesen, füͤr diese Bezirke allein drei Frankfurter vorzuschlagen. Aehn⸗ lich möge es auch anderwärts gegangen sein. Insbesondere sei sehr über die ungerechte Vertheilun petlagt worden, die es herbeigeführt habe, daß aus den Seca ten außerordentlich wenig Delegirte in den Rath gekommen seien. In Bezug auf die Frage der Innungen hätten ihn die Debatten des Reichstags zehnmal mehr belehrt, als die Verhandlungen des Volkswirthschaftsraths, und was das Unfallversicherungsgesetz betreffe, so habe der letztere nur zwei wesentliche Aenderungen in den Entwurf hineingebracht, von denen die erste, we⸗ che Prittel der Prämien vom Reich bezahlt
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werden solle, in der Reichstagskommission kaum eine oder
zwei Stimmen zur Unterstützung gefunden habe. Die zweite Aenderung betreffe die Bestimmung, daß die Versicherungs⸗ anstalt anstatt einer Rente, auch em Kapital bezahlen dürfe, da habe der Volkswirthschaftsrath die großartige Weisheit entdeckt: eine Kapitalabfindung sei untersagt. Das sei seine ganze Arbeitsleistung gewesen. Für eine solche Institution habe man wirklich keinen Raum; wünsche die Regierung zur Ausarbeitung solcher Gesetzentwürfe sich zu informiren, so solle sie spezielle Sachverständige berufen, die genau mit der Materie, um die es sich handele, ver⸗ traut seien. Wenn sie wolle, so möge sie sich mit einem be⸗ sonderen Staatsrath umgeben, der die Form der Gesetze zu untersuchen habe, in wie weit sie mit anderen Gesetzen kollidiren könnten, aber zur volkswirthschaftlichen Vorprüfung sei der Reichstag die richtigste Instanz. Die ganze Institution des Volkswirthschaftsraths habe offenbar keinen andern Zweck, als die Thätigkeit des Reichstages noch weiter lahm zu legen und zu erschweren. Der einzige Erfolg, daß das Unfallver⸗
sicherungsgesetz erst dem Volkswirthschaftsrath vorgelegt wor⸗
den, sei der gewesen, daß der Reichstag den Gesetzentwurf 5 Wochen später erhalten habe, und um so lange Zeit in seinen Berathungen verzögert worden sei. Der Reichstag könnte viel⸗ leicht schon zu Hause sein, während derselbe jetzt über Pfingsten hier sitzen müsse. Wolle man eine solche Institution schaffen, so möge man die Sache gesetzmäßig organisch in das Deutsche Reich einführen; in dieser Weise aber den Weg des Nachtragsetats zu wählen, das scheine ihm der Würde der Versammlung nicht angemessen zu sein, ebenso wenig wie die Forderung, daß der Reichstag Diaten bewilligen solle für ein anderes Parlament, während er selbst keine Diäten bekomme. Das scheine ihm ein Akt der Selbstverstümmelung, auf den der Reichstag nicht eingehen könne. Er empfehle, die Vor⸗ lage abzulehnen oder ihr durch Ueberweisung an eine Kom⸗ mission ein anständiges Begräbniß zu geben.
Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath Staats⸗Minister von Boetticher das Wort:
Meine Herren! Nicht um eine neue politische Institution ein⸗ zuschmuggeln, wie der Herr Vorredner sich auszudrücken beliebte, son⸗ dern um ein gutes und nützliches Werk zu thun, ist die Reichsregie⸗ rung dazu übergegangen, die Frage in Erörterung zu ziehen, ob die in Preußen seit dem 17. November v. J. bestehende Institution des Volkwirthschaftsraths auch auf das Reich auszudehnen sein möchte, und sie hat diese Frage bejahen müssen, theis aus sachlichen Gründen, die in der Frage selbst liegen, theils um den aus allen Theilen des Reiches hervorgetretenen Wünschen entgegenzukommen. Der Herr Vorredner hat gemeint, es handle sich hier darum, ein Parlament gegen das andere auszuspielen, eine Institution zu schaffen, die der Reichsregierung oder den verbündeten Regierungen eine bequeme Handhabe biete, um gegen den Reichstag, wenn er sich auf eine dem wirthschaftlichen Standpunkt der Regierungen entgegen⸗ stehende Seite stelle, ausgespielt zu werden. Weit entfernt sind wir davon gewesen, solche Ziele aufzustellen. Was allein in Preußen den Gedanken der Einrichtung eines Volkswirthschafts⸗ raths zu Tage gefördert hat, das ist die Erscheinung gewesen, daß unsere wirthschaftlichen Gesetze und die Verordnungen, die auf wirth⸗ schaftlichem Gebiete erlassen worden sind, sehr häufig um deswillen einer mißliebigen Kritik ausgesetzt würden, weil man ihnen vorwarf, daß sie nicht in ausreichendem Maße und nicht mit völlig zutreffen⸗ dem Urtheile die wahren Bedürfnisse der wirthschaftlichen Interessen⸗ gruppen und die wahren Zustände von Handel und Gewerbe berück⸗ sichtigten. Das allein ist der Grund gewesen, der Frage näher zu treten, in welcher Weise man für die Vorbereitung unserer Gesetze, für die Vorbereitung der Verordnungen, die auf wirthschaftlichem Gebiete zu erlassen sind, eine bessere Vorbereitung treffen könne. Und, meine Herren, wenn ich von einer abfälligen Kritik gesprochen habe, so sollte ich meinen, Jeder von uns wüßte, daß auch die Wände dieses Saales wiedergehallt haben von Vorwürfen, dahin, daß die Vorlagen, die an den Reichtag kommen, nicht immer mit der erforderlicher Gründlichkeit und Sachlichkeit vorbereitet waren. Meine Herren, wenn nun also die Reichsregierung dazu übergegangen ist, das, was auf preußischem Boden sich bereits im gewissen Grade bewährt hat (oho! links), .. . ja, meine Herren, ich werde die Ehre haben, Ihnen nachher zu sagen, weshalb ich der Meinung bin, daß es sich bewährt hat. Ich weiß ja von vornherein, daß diese Meinung nicht überall getheilt wird. — Also, wenn die Reichsregierung dazu übergegangen ist, eine Institution in Aussicht zu nehmen, die, wie ich wiederholt behaupte, auf preußischem Boden sich in gewissem Grade bewährt hat, so sollte ich meinen, daß sie weit davon entfernt wäre, Vorwürfe zu verdienen. Jeder solcher Schritt sollte doch gerade den Herren, die an die Vorlagen der Reichsregierung eine abfällige Kritik angelegt haben, willkommen sein, wenn er darauf abzielt, bessere Vorlagen an den Reichstag zu bringen. Und, meine Herren, sind wir es denn allein, die das Ge⸗ fühl haben, daß wir eine bessere Information brauchen. Sind nicht aus allen Theilen des Reichs, ist nicht von einer Reihe großer Korpo⸗ rationen, sind nicht vom Landwirthschaftsrathe, sind nicht von Handels⸗ tagen, sind nicht vom Centralverbande der deutschen Industriellen Resolutionen gefaßt und Petitionen gestellt, die dem Wunsche Aus⸗ druck geben, gerade diese Einrichtung für Deutschland zu schaffen?
Und nun glaube ich, Ihnen dargethan zu haben, daß jeder poli⸗ tische Hintergrund — und ich weise ihn wiederholt zurück — jeder politische Gedanke, ein Parlament zu schaffen, welches gegen den Reichs⸗ tag ausgespielt werden soll, uns fern gelegen hat. Meine Herren, dieser Gedanke würde auch mit sehr wenig Glück auf dem beabsichtigten Wege zu realisiren sein. Denn warum handelt es sich denn? Es handelt sich um eine Institution, die einfach eine berathende Stimme haben soll, deren Mitglieder einfach sagen sollen, was sie über eine gegebene wirthschaftliche Frage für das richtige halten. Und wenn die Reichsregierung wirklich in ihren Plänen, die sie vor den Reichs⸗ tag bringt, dadurch sachlich gestärkt wird, so ist das etwas Gutes, daraus aber folgt noch nicht, daß sie auch politisch ein unzulässiges Uebergewicht erhält. 2
Nun, hat der Herr Vorredner gesagt, es wäre doch eine wunder⸗ bare Sache, daß der Reichstag Diäten bewilligen soll an eine andere Korporation, während er selbst keine Diäten bezieht. Ja, meine Herren, aus der Begriffsbestimmung, die ich Ihnen gegeben habe für die Institution, folgt von selber, daß diese Korporation nothwendiger⸗ weise für ihre Mühwaltung entschädigt werden muß, denn sie ist ein begutachtender Körper, sie wird aufgefordert, eine sachverständige Meinungsäußerung abzugeben, wenn es Se. Majestät der Kaiser oder der Bundesrath oder die Reichsregierung wünscht, und daß diese Arbeit nicht ohne Lohn bleiben darf, das versteht sich ganz von selbst.
Berechtigt ist das Verlangen des Herrn Vorredners, darüber Auskunft zu erhalten, wie die Komposition des deutschen Volks⸗ wirthschaftsraths gedacht ist, und ich bin sehr gern bereit, hier bereits die Skizze zu geben, die vom Bundesrath beschlossen ist und welche auch die Genehmigung Sr. Majestät des Kaisers erhalten hat.
Meine Herren! ir haben in Preußen den Volkswirthschafts⸗
2 ich bereits bemerkte, auf Grund einer Verordnung vom 17. November v. J. gebildet. Wir sind dort davon ausgegangen, daß es sich empfehlen möchte, den im Lande bereits konstituirten Korporationen
5 Hio Mort† . 9 erzeHoens & 5 2₰ 4 für die Vertretung der verschiedenen Interessengruppen für die Ver⸗
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tretung an Handel und Gewerbe und Landwirthschaft ein bestimmtes Präsentationsrecht zu geben. Den preußischen Herren Mitgliedern ist ja die Verordnung vom 17. November bekannt. Danach setzt sich der preußische Volkswirthschaftsrath, der aus 75 Mitgliedern besteht, zusammen zu 45 aus solchen Mitgliedern, die präsentirt sind von den Handelskammern, den kaufmännischen Korporationen und den landwirthschaftlichen Vereinen, und aus 30 Mit⸗ Man hat es nun im Bundesrathe für nützlich gehalten, an diese In⸗ stitution sich anzulehnen, nicht eine neue Grundlage für die Bildung diesen preußischen Volkswirthschaftsrath bestehen zu lassen und ihn auszudehnen zu einem deutschen Volkswirthschaftsrath in der Weise, daß auf die übrigen deutschen Bundesstaaten nach Masßgabe ihrer Bevölkerungsziffer eine entsprechende Anzahl von Mitgliedern des deutschen Volkswirthschaftsraths zu entfallen habe. Dabei ist es jedem einzelnen Staate überlassen, in ähnlicher Weise, wie die Sache für Preußen geordnet ist, oder in einer seinen Verhältnissen mehr entsprechenden Art die Präsentation oder Berufung der Mitgliede des deutschen Volkswirthschaftsraths zu Wege zu bringen. deutsche Volkswirthschaftsrath würde sich nun nach diesem Plane zusammen 125 Mitglieder belaufen. Es würden entfallen Preußen 75, auf Bayern 15, auf Königreich Sachsen auf Württemberg 6, auf Baden 4, auf Hessen 3, auf beiden Großherzogthümer Mecklenburg zusammen 2, auf Oldenburg 1, und die kleineren Staaten würden zusammengefaßt in 3 Gruppen, welche 3 resp. 2 Mitglieder zu stellen haben. Auf Elsaß⸗Lothringen endlich entfallen 4. §. 1 der Kaiserlichen Verordnung, die für Er⸗ richtung des Volkswirthschaftsraths in Aussicht genommen ist, schreibt vor in ähnlicher Weise, wie dies in der preußischen Verordnung ge⸗ schehen ist, daß Entwürfe von Gesetzen und Anordnungen, welche wichtige Interessen von Handel, Gewerbe und Landwirthschaft be⸗ treffen, bevor sie dem Bundesrathe zur Beschlußfassung vorgelegt werden, in der Regel von dem nach den Bestimmungen dieser Ver⸗ ordnung zu bildenden deutschen Volkswirthschaftsrath zu beautachten sind, und daß Entwürfe, welche gelangt sind, der Volkswirthschaftsrath zu begutachten hat, sofern der Bundesrath dies beschließt. Es ist in Aussicht genommen, daß der deutsche Volkswirthschaftsrath in ähnlicher Weise, wie das beim preußischen geschieht, in drei Sektionen, für Handel, für Gewerbe und für Landwirthschaft zerfällt. Den Vorsitz im deut⸗ schen Volkswirthschaftsrath soll der Reichskanzler führen, welcher sich durch einen geeigneten Beamten vertreten lassen kann, und es soll jeder Landesregierung die Befugniß gegeben sein, an den Berathungen des deutschen Volkswirthschaftsraths, Sektionen und Ausschüssen, durch Bevollmächtigte oder Kommissare theilzunehmen. Die Ge⸗ schäftsordnung für den Volkswirthschaftsrath soll durch den Bundes⸗ rath festgestellt werden. Meine Herren, ich habe vorhin schon daran erinnert, daß uns die Erfahrungen, welche wir mit dem preußischen Volkswirthschaftsrathe gemacht haben, keineswegs bedenklich machen konnten, diese Institution auf das Deutsche Reich auszudehnen. Ich persönlich habe die Ehre gehabt, dem preußischen Volkswirthschafts⸗ rath vorzusitzen, und ich kann versichern — und ich habe dies den Herren am Schlusse der Berathungen nicht als eine facon de parler oder Höflichkeit ausgesprochen, sondern es ist mir vom Herzen gekommen, — daß ich mich über die Sachlichkeit und Objek⸗ tivität der Berathungen, über das eingehende Verständniß, was von jedem Mitgliede des Volkswirthschaftsraths bei diesen Berathungen gezeigt wurde, ganz absonderlich gefreut habe. Es ist ja ganz richtig, was der Herr Vorredner gesagt hat, daß man sich nicht vollständig von seinem politischen Standpunkte emanzipiren kann, nun das ver⸗ langen wir auch nicht, aber das wünschten wir allerdings, daß die Mitglieder nach Maßgabe ihrer Kenntniß und Erfahrung in den wirthschaftlichen Zuständen ihres Berufskreises objektiv und sachlich urtheilen über Fragen, die ihnen vorgelegt werden, und das haben sie gethan, und bei mir ist die Ueberzeugung sehr fest gewurzelt, daß diese Institution eine recht heilsame werden wird. Meine Herren, die Parallele mit der Entwickelung des franzö⸗ sischen Conseil supérieur paßt doch nicht ganz, es ist aber noch weniger zutreffend die Behauptung des Herrn Vorredners, daß der Conseil supérieur in beständigem Kampfe mit dem Parla⸗ ment sich befinde und daß er gleichwohl — ich mache auf den Widerspruch aufmerksam, der darin liegt — eine sehr schwache Rolle spiele und eigentlich schon dem Verscheiden nahe sei. Ich möchte mir in dieser Beziehung einen mir heute Morgen vorgelegten Passus aus einem Werk eines unserer deutschen Volkswirthe vorzulesen erlauben, in welchem es heißt:
Die historische Entwickelung der französischen Institution er⸗ scheint um so mehr von Interesse, als sie einen greifbaren Beweis liefert für das Verständniß, mit welchem in unserem Nachbarlande seit Hunderten von Jahren Handel und Gewerbe gepflegt wurden, indem man ein Organ schuf, das geleitet von den höchsten Spitzen der Staatsverwaltung die Summe der gewerblichen und finanziellen Bedürfnisse des Landes, die theoretische und praktische Ueber⸗ wachung und Förderung der bedeutendsten Gruppen der Volks⸗ wirthschaft unter sorgsamster Pflege der Solidarität und Kon⸗ tinuität derselben darstellte und von dem Vertrauen der Regierung sowohl, als des Volkes getragen ist.
Nun, meine Herren, was die Franzosen können, das können wir auch; lassen Sie uns einen deutschen Wirthschaftsrath schaffen und er wird, von dem Vertrauen der Regierung und ebenso, wie ich fest hoffe, von dem Vertrauen des Volkes getragen sein.
Der Abg. Dr. Rentzsch erklärte, der Abg. Sonnemann habe das Bedürfniß zum Volkswirthschaftsrath geleugnet; ihm gehe für diesen Sonnemannschen Ausspruch jedes Verständ⸗ niß ab. Was die Regierung mit dem Volkswirthschaftsrath einführen wolle, sei nichts anderes, als daß der Regierung, der so viel der Vorwurf der oberflächlichen Sachkenntniß des grünen Tisches gemacht werde, der Einblick in das praktische Leben hinein gegönnt werden solle. Allerdings habe ja die Regierung die Möglichkeit, sich auf andere Weise zu orienti⸗ ren. Sie habe dies ja auch bereits bei den Enqueten gethan. Damals habe der Abg. Sonnemann emphatisch gerufen: man brauche Sachverständige, die die Sache ganz genau kennten. s sei bei der Eisen⸗ enquete gewesen. Man habe die besten Sachverständigen zu⸗ sammengerufen, nämlich die Eisenindustriellen, wie es der Abg. Sonnemann verlangt habe. Wie diese aber ihr Resultat vor⸗ gelegt hätte, habe es dem Abg. Sonnemann nicht gepaßt, und derselbe habe gesagt: das sei eine Interessenvertretung. Die⸗ selbe Erfahrung habe man mit den übrigen Enqueten gemacht, die von der Regierung ins Leben gerufen seien, namentlich über Baumwolle und Leinen. Man habe immer Interessen⸗ vertretung vorgeworfen. Der Regierung ständen aber auch noch andere Mittel zu Gebote. Er erinnere nur an den deut⸗
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schen Landwirthschaftsrath, der so zusammengesetzt sei, daß sein
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