1881 / 288 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 08 Dec 1881 18:00:01 GMT) scan diff

Schlußkapitel ist den englischen, dänischen, spanischen, franzö⸗ sischen, niederländischen und portugisischen Kolonien und ihren Ver⸗ fassungen nach deren Stande am 1. Januar 1880 gewidmet. Das umfangreiche Werk ist sicherlich das Resultat einer langen und mühe⸗ vollen Arbeit. Das bekundet schon die lange Reihe der am Schlusse aaufgeführten Schriften, welche die Verfasserin zu ihrer Arbeit studirt

und verwerthet hart. Es ist ihr gelungen, mit großer Sorgfalt

und gründlichem Wissen auf einem Gebiet, das im Allgemeinen der

Thätigkeit der Frau fern liegt, ein sehr nützliches Werk zu schaffen, das Vielen als Nachschlagebuch willkommen sein und viel⸗ fältige Erleichterung bei staatsrechtlichen Arbeiten gewähren wird. Nicht unerwähnt auch dürfen wir die reiche Ausstattung lassen, durch welche sich der mächtige Folioband auszeichnet. Zur besonderen Zierde gereichen demselben die 37 trefflich ausgeführten Bild⸗ nisse in Medaillenform, mit welchen er geschmückt ist. Als Titel⸗

bild erscheint das Porträt der Verfasserin. An der Spitze der den einzelnen Stagaten gewidmeten Kapitel befinden sich fol⸗ gende Bildnisse von: Kaiser Wilhelm, Kaiser Franz Joseph,

Großherzog Friedrich Wilhelm von Baden, den Königen Ludwig I. von Bayern, Leopold I. und II. von Belgien, Christian IX. von Dänemark, Alphons XII. von Spanien, einer alle⸗ gorischen Figur der französischen Republik, dem Kaiser Napoleon III., der Königin Victoria, dem Könige Georg von Griechenland, dem Könige Victor Immauel von Italien, dem Prinzen Heinrich der Niederlande, Statthalter von Luxemburg, den Königen Wilhelm III. der Niederlande und Don Pedro V von Portugal, dem deutschen Kronprinzen, dem Könige Karl von Rumänien, dem Kaiser Alexan⸗ der II. von Rußland, den Päpsten Pius IX. und Leo XIII., einer Allegorie der Republik San Marino, dem Her⸗ zoge Ernst II. von Sachsen⸗Coburg⸗Gotha, dem König Oscar II. von Schweden und Norwegen, einer allegorischen Figur der Schweiz, dem Sultan Abdul⸗Medjid und dem Könige Karl I. von Württem⸗ berg. Dem zweiten Theile sind beigegeben die Porträts von dem Kaiser Pedro II. von Brasilien, dem Präsidenten Grant und die allegorischen Figuren der Vereinigten Staaten und der Republiken von Mexiko, von Mittel⸗Amerika, der Insel Haiti, der südamerika⸗ nischen Republiken, des egyptischen Vize⸗Königreiches und der Kolonien.

Unter dem Titel „Die deutschen Landsknechte“ erscheint bei C. A., Starke in Görlitz ein Kulturbild aus dem Zeitalter der Reformation, von Dr. Friedr. Blau, in welchem die Entstehung und Entwickelung des deutschen Landsknechtswesens, die originelle Zunft⸗ verfassung, das Gerichtswesen, die Kriegsthaten, das Lagerleben, die Trachten der Landsknechte sowie ihre Verherrlichung in Bild, Sang und Schwank anschaulich dargestellt sind. Die sehr elegant ausge⸗ stattete Schrift bringt gegen 60 Illustrationen in Holzschnitt und

hotolithographie nach Bildern zeitgenössischer Künstler, wie A. Dürer,

ans Holbein, Jost Amman u. A., Dichtungen von G. von Frunds⸗ erg, Hans Sachs, Burkard Waldis ꝛc. Es eignet sich, da alles An⸗

Seeas und Rohe vermieden ist, zum Weihnachtsgeschenk für die reifere ugend.

Karl Emil Franzos' Roman „Ein Kampf um’'s Recht (Verlag von S. Schottlaender in Breslau) hat eine so freundliche Aufnahme gefunden, daß die erste, sehr starke Auflage, welche Mitte Oktober d. J. ausgegeben wurde, bereits vergriffen ist. Die Verlagshandlung hat mit der Herstellung eines Neudrucks be⸗ gonnen, den sie bis Anfang Dezember cr. in den Buchhandel zu bringen hofft. .

Von Ferd. Raabe'’'s Nachfl., Eugen Heinrich, welcher ein Antiquariat und eine Buchhandlung in Königsberg i. Pr. besitzt, ist vor Kurzem ein Verzeichniß einer „Bibliotheca historica“, die in seinem antiquarischen Bücherlager vorräthig ist, aus⸗ gegeben worden. Dasselbe erscheint in 7 Abtheilungen (8000 Werke), welche folgenden Inhalt haben: 1. Abthl., Kat. 52: Numismatik, Genealogie, Heraldik, Ordenswesen, Freimauerei, Jesuitica, Mvysti⸗ cismus, Militärwissenschaft. 2. Abth., Kat. 53: Allgem. Geschichte und Geographie, alte Geschichte, Kirchengeschichte, Kulturgeschichte,

Encexyklopädien, Zeitschriften, Atlanten und Karten. 3. Abth.,

Kat. 54: Deutsche Geschichte. 4. Abth., Kat. 55: Bibliothek Joh. Jacoby’s. Schriften zur politischen Geschichte Deutschlands und Preußens; Demokratie, Kommunismus und Sozialismus. 5. Abth., Kat. 56: Prussica. Geschichte Ost⸗ und Westpreußens und des deut⸗ schen Ordenslandes nebst altpreußischer, lithauischer, lettischer und

ruthenischer Sprachwissenschaft. 6. Abth., Kat. 57: Außerdeutsche und außereuropäische Geschichte, mit Ausschluß des Orients.

7. Abth., Kat. 58: Bibliothek Nesselmann. Orientalia Geschichte und Sprache Die vorstehende „Bibliotheca historica“ enthält ein reichhaltiges Verzeichniß einer Menge wichtiger und interessanter

Werke aus den genannten Gebieten und dürfte jedem Historiker, ins⸗ besondere Jedem, der sich für deutsche Geschichte interessirt und sich mit derselben eingehender beschäftigt, willkommen sein. Wir machen besonders auf die 3. Abth. (Deutsche Geschichte) aufmerksam. Die⸗ selbe umfaßt 1216 Nrn. unter folgenden 6 Rubriken: Allgemeine deutsche Geschichte (280. Nrn.); Luther, die Reformation und die Re⸗ formatoren (73 Nrn.); die Kriege gegen Frankreich (123 Nrn.); das Königreich Preußen mit Hannover, Hessen, Frankfurt, Nassau, Schleswig⸗Holstein (521 Nrn.); die übrigen deutschen Staaten (105 Nrn.); Oesterreich mit den Kronländern; Schweiz (im Ganzen 114 Nrn.) Die Rubr. „das Königreich Preußen ꝛc.“ bringt nament⸗ lich viele Schriften zur Geschichte Friedrichs des Großen, sowie der Könige Friedrich Wilhelm III. und Friedrich Wilhelm IV. von Preußen; die Rubr. „die Kriege gegen Frankreich“ aber besonders viele Schriften über den letzten Krieg mit Frankreich. Die 5. Abth. (Prussica), im Ganzen 749 Nrn. umfassend, ist für Jeden wichtig, der sich mit der Geschichte der beiden Provinzen Ost⸗ und West⸗ preußens, namentlich Ostpreußens, beschäftigt; es sind hier ca. 730 Schriften zusammengestellt, die theils die Geschichte der beiden Provinzen überhaupt, theils die Geschichte einzelner preuß. Land⸗ schaften und einzelner Städte (besonders Stadt und Universität Königsberg), die Geographie des Landes, das Kirchenrecht Preußens, einzelne Ereignisse u. s. w. betreffen.

„— K. F. Köhlers Antiquarium in Leipzig hat kürzlich die Nr. 357 seiner Kataloge veröffentlicht. Dieselbe enthält ein Ver⸗ zeichniß von 1715 Schriften über Literatur und Kunst und zer⸗ fällt in folgende Abtheilungen: Aeltere und neuere deutsche Literatur (alle bekannteren deutschen Dichter, Romane, wissenschaftliche Werke,

allerhand Zeitschriften, verschiedene historische Schriften; im Ganzen 386 Nrn.); holländische und Fefische Literatur (30 Nrn.); englische Literatur (92 Nrn.); skandinavische Literatur (44 Nrn.); fran⸗ 8 zösische Literatur (234 Nrn.); italienische Literatur (68 Nrn.); catalanische, spanische, portugiesische Literatur (37 Nrn.); Bi⸗ GHliographie Buchdruck und Buchhandel (102 Nrn. dar⸗ unter das Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels Bd. 1— 6); Kunstgeschichte, Kupfer⸗ und Holzschnitzwerke (412 Nrn., viele interessante Werke enthaltend); Theater und Musik (127 Nrn.); Schachbücher (38 Nru.); vermischte Schriften, Kuriosa, Nachträge (145 Nrn. des verschiedenartigsten Inhalts, z. B. Schriften über Freimaurer, Grimmelshausens Simplicianische Schriften, Alex. Humboldts Briefwechsel mit Berghaus, Murrs Journal zur Kunstgeschichte, Peschels Abhandlungen zur Erd⸗ und Völkerkunde, allgem, deutsche Biographie u. A.) Köhlers Antiquarium kauft ganze Bibliotheken und einzelne werthvolle Werke, insbesondere aus den Fächern der Sprachwissenschaft, der Geschichte und der Natur⸗ wissenschaften.

Die in Leipzig am 10. Dezember erscheinende Nr. 2006 der „Illustrirten Zeitung“ enthält vlxm⸗ Abbildungen: Graf Gustav Kaͤlnokv, österreichischeungarischer Minister der Auswärtigen Fasflegenbetten. Das Nationalmuseum in Amsterdam nach seiner BVollendung. Prof. Karl Fortlage, am 8. November. Prof. CEhr. Gottfried Giebel, †am 15. November. Das neue Schwimm⸗

dock der Kriegsmarine im Kieler Hafen. Nach einer Feichnung von

C. Waap. Im deutschen 1.58 Schreiender Hirsch, mit dem Rudel zu Holze ziehend. riginalzeichuung von Chr. Kröner. ZJüdische Lumpensammler in Masuren. Nach einem Gemälde von Ernestine Friedrichsen. Darwins neueste Forschungen über die Thätigkeit der Regenwürmer. 2 Abbildungen. Deutsche Schlosser

und Burgen: Schloß Muskau. Originalzeich von B. Mann⸗ feld. Amerikanische Skizzen: Ein „Kängurugericht“ in Texas. Mme. Albani. Kuriositäten aus den Gebieten der Heraldik, Sphragistik, Numismatik ꝛc.: Ein altes französisches Pfarrersiegel. Polptechnische Mittheilungen: Geigers Drehbank für Dilettanten, sowie für gewerbliche Zwecke. Makart⸗Bouquet. Nach einem im Etablissement des Hoflieferanten N. L. Chrestenen in Erfurt ange⸗ fertigten Exemplar. Patent⸗Pianinolampe. 2 Figuren. Koch⸗ maschine für die Puppenküche. Neue Kinderspiele: Fig. 1. Bom⸗ bardementspiel. Fig. 2. Rennspiel. Weihnachtsbüchertisch: Das Haldenthor in Aarau. Gezeichnet von Gustav Bauernfeind. Nach einem Blatt aus den „Handzeichnungen deutscher Meister“ (Stuttgart, J. Engelhorn). Holzschnitt aus Wold. Kadens „Schweizerland“. Friedrich Wilhelm I., König von Preußen, besucht eine Schule. Aus dem Werk „Die Hohenzollern und das deutsche Vaterland“ von Dr. R. Graf Stillfried⸗Alcäntara und Prof. Dr. B. Kugler (Mün⸗ chen, Fr. Bruckmanns Verlag).

Wiesbaden, 4. Dezember. Um die Aufstellung des Natio⸗ naldenkmals auf dem Niederwalde zu fördern, ist die be⸗ kannte Firma H. Gladenbach in Berlin zum Guß des Reliefs „Der Abschied der Krieger“ herangezogen worden. Es sind somit jetzt fünf deutsche Erzgießereien mit Aufträgen für das großartige Denkmal betraut.

Inden, 3. Dezember. (Cöln. Ztg.) Auf einer nördlich von unserem Orte gelegenen, rings von Höhen umschlossenen und gegen Osten sich steil zur Inde⸗Niederung absenkenden Feldflur stieß man seit undenklichen Zeiten beim Pflügen beständig auf hinderliches unter⸗ irdisches Mauerwerk, ein Umstand, der einem hiesigen Freunde der Alterthumskunde zu Nachforschungen Anlaß gab. Demselben gelang es in kurzer Zeit, ein wohlerhaltenes römisches Bad nebst Hy⸗ pokaustum bloßzulegen. Stücke von Mosaikböden, Marmor⸗ und Glasreste, welche in dem Schutt vorkamen, und die Entdeckung, daß sich noch sehr weitläufiges Mauerwerk unter dem Boden hinzieht, lassen darauf schließen, daß man es hier mit einer nicht geringen rö⸗ mischen Ansiedlung zu thun hat, wenn sich dieselbe nicht gar als das Standquartier der ala Indiana ausweist, die den ehrenden Bei⸗ namen „pia fldelis“ trug und bei dem Dorfe Inden stationirt ge⸗ wesen sein soll.

Gewerbe und Handel

Durch eine Verordnung der Kaiserlich russischen Regierung ist zur Verhütung einer Einschleppung der Reblaus die Einfuhr von Komposten, Gaxrtenerde, Weinreben, Pfeifenrohren, Stäben und Blättern nach Rußland*) gänzlich verboten, und hinsichtlich der Häfen des Asowschen und Schwarzen Meeres so⸗ wie der südlichen und südwestlichen Landesgrenze bis einschließlich Wolotschisk jenes Verbot außerdem auch auf sämmtliche lebenden Pflanzen erstreckt worden.

„Bei Einführung der Letzteren an den übrigen Grenzpunkten ist, eingezogenen Erkundigungen zufolge, die Beibringung eines Ursprungs⸗ oder sonstigen Zeugnisses nicht erforderlich, vielmehr genügt die Bei⸗ fügung eines von dem Absender zu unterzeichnenden Reverses darüber, 8. die betreffenden Pflanzen nicht zur Kategorie der Weinstöcke ge⸗ hören.

—, Dem Geschäftsbericht der Schloßbrauerei Oranien⸗ burg über das Betriebsjahr 1880/81 entnehmen wir folgende Mit⸗ theilungen: In dem abgelaufenen Betriebsjahre hat der Umsatz die Ziffer des Vorjahres nicht erreicht; es ist ein Minderumsatz von circa 1000 t zu verzeichnen. Die Lage des Geschäftes war aber im Allgemeinen günstig; die Gerste hatte bei reicherem inneren Ge⸗ halt den gleichen Preis wie im Vorjahre, Hopfen notirte ganz erheblich billiger; durch die Verwaltung sind Gespann und andere Unkosten auf das niedrigste Maß herabgemindert, so daß die Gesell⸗ schaft trotz des geringeren Umsatzes zum ersten Male wieder (nach

vn Fübschreibungen einen Nettogewinn von circa 10 000 er⸗ übriate. 2*

Der Geschäftsbericht der Dortmunder Aktienbrauerei pro 1880/81 weist einen günstigen Jahresabschluß auf. Der Absatz betrug 6 840 857 1 gegen 5 648 363 1 im Vorjahre. Die Hypothek hat sich um die am 1. Februar d. J. erfolgte Ratenzahlung von 24 000 vermindert, so daß dieselbe noch 132 000 beträgt. Wie die Bilanz nachweist, beträgt der in 1880/81 erzielte Ge⸗ winn 201 490 Von demselben ist zunächst ein Be⸗ trag von 26 261 dem Reservefonds überwiesen, um diesen auf die runde Summe von 100 000 zu bringen und ferner ist beschlossen, als außerordentliche Reserve für die im Bau begriffene Eismaschine, welche einen Kostenaufwand von ungefähr 100 000 erfordern wird, 50000 zu bestimmen. Nach Abzug der statutgemäßen Tantième für Aufsichtsrath, Direktion und Ange⸗ stellte der Gesellschaft mit 18 995 verbleibt ein verfügbarer Rein⸗ gewinn von 106 233 ℳ, von dem der Aufsichtsrath vorschlägt, eine Dividende von 10 % mit 105 990 unter die Aktionäre zur Ver⸗ theilung zu bringen und den Rest von 243 auf neue Rechnung vorzutragen.

Dessau, 6. Dezember. (L&pz. Ztg.) In der Herfzoglichen Saline zu Leopoldshall hat vor einigen Tagen wieder ein Zu⸗ sammenbruch stattgefunden, wie ein solcher bereits wiederholt und auch in diesem Falle nicht unerwartet vorgekommen ist. Gluͤcklicher⸗ weise Ubeltrleben. Die „Cöth Ztg.“ berichtet: Ich kann Ihnen auf Grund der Anzeige der Herzoglichen Salzwerksverwaltung mittheilen, daß der sich über eine horizontale Erstreckung von muthmaßlich (her⸗ angehen und Genaueres konstatiren kann natürlich Niemand, wenig⸗ stens nicht früher, als bis sich Alles beruhigt hat) 150 200 m ausdehnende Bruch auf dem Seitenflügel der I. und II. (nicht fünften) Etage, also in einer Tiefe von über 700 Fuß unter der Erdoberfläche vor sich gegangen ist, sich auch schon seit einigen Ta⸗ gen gemeldet hatte, so daß man auf das Eintreten der Katastrophe ziemlich genau vorbereitet war. Menschenleben sind nicht zu bekla⸗ gen, auch ist mir nicht bekannt, daß überhaupt Arbeiter gefährdet ge⸗ wesen sind. Eine Verbreiterung und Vertiefung der schon früher an einer bestimmten Stelle der Tagesoberfläche beobachteten Spalten soll stattgefunden haben, doch sprechen viele Gründe dagegen, daß diese Spalten in ursächlichem Zusammenhange mit dem oben erwahnten Bruche in der Tiefe stehen; ich halte dieselben mehr für sekundäre

olgen, verursacht durch die Einwirkung der Erschütterungen auf ein enachbartes altes Steinbruchsterrain, an dessen muthmaßlichen früheren Rändern auch stets die beobachteten Spalten auslaufen.

London, 7. Dezember. (W. T. B.) In der gestrigen Wollauktion waren Preise unverändert.

8 1 Verkehrs⸗Anstalten. 8* Breslau, 7. Dezember. (W. T. B.) Der Verwaltungsrath der Oberschlesischen Eisenbahngesellschaft vertagte in seiner heutigen Sitzung die Beschlußfassung über den Lokalaus⸗ nahmetarif fuür Steinkohlen und Koks auf die nächste Sitzung. Srsen422. 7. Dezember. (W. T. B.) Dampfer des Norddeut chen Lloyd „Mosel“ ist hier eingetroffen. New⸗York, 7. Dezember. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Neckar“ ist hier eingetroffen.

*) efr. Reichs⸗Anzeiger Nr. 266 de 1881.

Berlin, 8. Dezember 1881.

Morgen, Freitag, den 9., findet Königliche Parforce⸗ Jagd statt. Rendezvous: Mittags 1 Uhr zu Jagdschloß

ind die Berichte über die Katastrophe auch dieses Mal sehr 4

Die Reichs⸗Postverwaltung hat durch das am Montag Abend erfolgte Hinscheiden des Geheimen Ober⸗Post⸗ raths Günther einen sehr schmerzlichen Verlust erlitten. Der Verewigt., am 3. August 1828 geboren, trat 1847 in den Postdienst, wurde 1863 in das General⸗Postamt berufen und gehörte seit dieser Zeit demselben mit geringen Unterbrechun⸗ gen an. Vom Jahre 1870 ab hat er das Referat für die inter⸗ nationalen Postbeziehungen wahrgenommen. Die persönliche Lie⸗ benswürdigkeit des Verstorbenen, die vorzüglichen Eigen⸗ schaften seines Charakters, sowie seine umfassenden Kenntnisse im Bereiche des Auslandsverkehrs nnd in den neueren Sprachen befähigten ihn ganz besonders zu dieser wichtigen Stellung, welche ihn häufig in persönliche Beziehungen zu den Vertretern fremder Länder brachte. Mit seltenem Geschick und großem Erfolge hat er die ihm auf diesem schwierigen Ge⸗ biete zugefallenen Aufgaben gelöst. Er hat zahlreiche Post⸗ und Telegraphenverträge abgeschlossen und war einer der Mitbegründer des Weltpostvereins. Ein Muster echten Beamtenthums, in treuester Pflicht⸗ erfüllung ausharrend bis zum letzten Athemzuge, hat er sich durch seine lautere Gesinnung, wie durch sein biederes Wesen die allgemeine Liebe und Werthschätzung weit über seinen Berufskreis hinaus erworben. In der großen und folgen⸗ reichen Entwickelungsperiode des deutschen Postwesens wird Günthers Name stets einen ehrenvollen Platz einnehmen, und sein Andenken als das eines edlen Menschen von Tausenden in Dankbarkeit bewahrt bleiben!

* 82*

In der am Mittwoch abgehaltenen Sitzung des Ausschusses des Centralvereins für Hebung der deutschen Fluß⸗ und Kanalschiffahrt legte der Präsident Mulvany aus Düssel dorf Zeichnungen zum Modell eines Schiffes vor, das sowohl zur Fahrt auf offenem Meere als auch für bedeutendere Ströme, soweit die⸗ selben die nöthige Tiefe des Fahrwassers besitzen, sich eignet. Hr. Dr. Landgraf⸗Mannheim sprach alsdann über den Stand der Ar⸗ beiten der Rheinschiffahrts⸗Interessenten in Betreff der Gesetzgebung für die Binnenschiffahrt. Referate erstatteten Ministerialdirektor a. D. Weishaupt über „Meyer, Kosten der Binnenschiffahrt“ und Prof. Schlichting über „v. Wagner, hydrologische Untersuchungen.“ Frankfurt g. M., 6. Dezember. Die Lotteriekommis⸗ sion der Patent⸗ und Musterschutz⸗Ausstellung ist zur Zeit mit Ankauf der Gewinne für die zweite Serie der Ausstellungs⸗ lotterie beschäftigt. Als erster Preis wurde ein aus Diadem, Ohr⸗ ringen und Riviere bestehender Brillantschmuck erworben. Das Diadem, einen Rosenzweig in naturgetreuer Ausführung darstellend, läßt sich in drei kleinere Zweige zerlegen, welche alsdann eben so viele Brochen von reizender Form bilden. Die Ohrringe stellen kleine Rosenknospen mit Blättern dar, und die Riviere besteht aus einer Schnur von 48 Brillanten, von welchen die kleinsten kaum weniger wie Erbsengröße haben. Das in tausend Farben funkelnde Geschmeide ist im Schaufenster seiner Verfertiger, der Herren Schürmann u. Co⸗ auf der Zeil ausgestellt.

Aurich, 5. Dezember. (Neue Hannoversche Ztg.) In der heutigen Sitzung der außerordentlichen Synode der evangelisch⸗reformirten Gemeinden der Provinz Hannover wurden die der Kommission zur Vorberathung überwiesenen Paragraphen der Synodalordnu ng bis inkl. §. 57 nach dem Vorschlage der Kommission unverändert angenommen.

Elm, 5. Dezember. (Bund.) Beschießung des Risi⸗ kopfes. Nachdem der Sonntag zu möglichst genauer Untersuchung der beschossenen Stelle benutzt wurde, so konnte nun definitiv fest⸗ gestellt werden, daß der am ersten Tag mit 40 Schüssen bearbeitete Angriffspunkt als der richtigste bezeichnet werden muß. Allein es zeigte sich hierbei auch, daß das leichte Feldgeschütz sich doch als zu schwach erwiesen hat und das 15 Cm.⸗Geschütz mit seiner Geschoß⸗ sprengladung wohl am geeignetsten wäre, um einen hori⸗ zontalen Strich von 2—3 m Tiefe und 25 30 m Länge mit eirca 500 Schüssen zu erschießen. Nach Ansicht aller Betheiligten wäre dann mit ziemlicher Sicherheit auf einen Absturz der Massen zu rechnen. Das Aufstellen dieses schweren Geschützes könnte an der Straße Matt⸗Elm stattfinden und es würde dadurch der schwierige Transport über die Schutthalde ver⸗ mieden. Die betheiligten Herren begnügten sich aber nicht allein mit der Prüfung dieses neuen Versuches, sondern sie untersuchten neuerdings die Frage, ob nicht doch noch die Sprengung ohne Gefährdung für Elm und ohne allzu großes Risiko für die Mineurs in Szene gesetzt werden könnte. Es wurde in Folge dieser Besprechung dann be⸗ schlossen, die Frage einem im Minenwesen erfahrenen Spezialisten zu übergeben.

Won Interesse ist wohl noch, daß die Einwohner von Elm immer mehr Vertrauen zu dem Gelingen des Versuches erhalten und den In die Gefahr zu beseitigen, in anerkennender Weise ge⸗ neigt sind.

St. Petersburg, 7. Dezember. (W. T. B.) Der Prozeß gegen General Mrowinski, Furssorff und Tjaegleff hat unter Zuziehung von Geschworenen heute Vormittag 11 Uhr unter Ausschluß der Oeffentlichkeit der Verhandlungen begonnen. Als An⸗ kläger fungirt Murawieff; als Vertheidiger sind Spassowitsch, Gerard und Passower zugezogen. Die Zahl der vorgeladenen Zeugen be⸗ trägt 50. Die gerichtliche Verhandlung wird voraussichtlich zwei Tage dauern.

Im Königlichen Opernhause eröffnete gestern Abend vor einem distinguirten Publikum Madame Albany vom Coventgarden⸗ Theater in London ihr Gastspiel als „Lucia“. Die Sängerin be⸗ währte den ihr vorausgegangenen Ruf einer der hervorragendsten Vertreterinnen des Kunstgesanges der Gegenwart in vollem Maße und wurde namentlich nach dem zweiten Akte oftmals hervorgerufen und mit Beifall eneeichncs Der Vorstellung, in welcher Hr. Betz als Lord Heinrich Asthon und Hr. Crnst als Sir Edgar mitwirkten, wohnten Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin und die Kron⸗ prinzlichen Herrschaften bei.

Millöckers „Apajune“, welcher am Sonnabend im Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater, von Hrn. Direktor Fritzsche inscenirt, zur ersten —2 gelangt, ist die dritte Ope⸗ rette, mit welcher der Wiener Komponist vor dem Berliner Publi⸗ kum erscheint. Sowohl die „Gräsin Dubarry“ wie noch mehr „Das beruasaen Schloß“ haben ihrer Zeit Erfolg gehabt. Die Libret⸗ tisten Zell und Genée lehnen sich in der Handlung, die uͤbrigens in der Gegenwart spielt, an romantische Motive der Sagenwelt Ru⸗ mäniens an, so daß dem Komponisten Gelegenheit wurde, der Musik einen aparten nationalen Charakter aufzuprägen.

Die 25. Aufführung der Posse „Kyvritz⸗Pyritz“ im Belle⸗ Alliance⸗Theater, welche gestern vor fast ausverkauftem Hause stattfand, brachte den Hauptdarstellern, Frl. Schwarz und Hrn. Wil⸗ ken, die prachtvollsten Bouquets und Lorbeerkränze, den übrigen hervorragenden Darstellern die lebhaftesten Beifallsbezeugungen ein.

Redacteur: Riedel. 8 8 Verlag der Expedition (Kessexh). Druck: W. Vier Beilagen

Berlin:

J1

Reichs⸗Anz

zum Deutscher

No. 288.

r ste Beilage

Berlin, Donnerstag, den 8. Dezember

eiger und Königlich Preußischen

Verlaufe

was sie nicht absolut thun muß. J

Kommunallasten allgemein in den in Wilhelmshaven, wo die

8 sich vortheilhaft entwickelt. Etablissements in einem Orte sich entwickeln und groß werden und

1 Arbeiter eingeführt und . waltung erzielt. Die Kaiserlichen Wersten hätten unbedingt

der Staat mit den großen Mitteln in die Fixirung der

Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 8. Dezember. Im weiteren der gestrigen (12.) Sitzung setzte der Reichstag die zweite Berathung des Entwurfs eines Ge⸗ setzes fort, betreffend die Feststellung des Reichshaushalts⸗ Etats für das Etatsjahr 1882/83 mit den der Budget⸗ kommission zur Vorberathung überwiesenen Kapiteln und Titeln des Etats der Verwaltung der Kaiserlichen Marine (Kap. 60 Werftbetrieb 11 706 558 ℳ). Nach dem Abg. Dr. Hirsch ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath Staats⸗Minister von Stosch, wie folgt, das Wort:

Dem Herrn Vorredner will ich in den einzelnen Sachen folgen, aber vorweg bemerken, daß die vorhandene Unterstützungskasse, die eben schon ein paar Jahre existirt, und angelegt ist auf das Bedürf⸗ niß, was sich geltend machte zur Unterstützung und Erhaltung des vorhandenen Arbeiterstandes, also daß diese Anstalt nicht in Vergleich gezogen werden darf mit idealen Forderungen, die in der neueren Zeit

in Bezug auf die Unterstützung aller arbeitbedürftigen oder die alter⸗

versorgungverdienenden Leufe gehegt und ausgesprochen wird. So wie das Gesetz in dieser Beziehung neue Normen aufstellt, werden die Kaiserlichen Werften natürlich denselben folgen, so lange dies aber nicht der Fall ist, müssen wir uns innerbalb der an Ort und Stelle vorhandenen Bedürfnisse halten.

Was nun die einzelnen Abzüge betrifft, so mache ich darauf auf⸗ merksam, daß die Fixirung des Lohnes nicht hier Gegenstand der Firxi⸗ rung ist, wie etwa die Gehälter, sondern daß der Lohn eine wechselnde Höhe hat, je nach den Marktverhältnissen der Arbeiter und daß der Lohn in Bezug auf etwaigen Abzug von jedem Arbeiter nach dem berechnet wird, was er in die Hand bekommt und ihm allmonatlich zweimal ausbezahlt wird. Das, was an Abzügen oder Zuschlägen in die Unterstützungskasse fließt, rechnet keiner von den Arbeitern, die sich dort engagiren lassen. Ich kann sagen, die vorhandenen Privatwersten bestimmen die Höhe des Lohnes und wir haben in dieser Beliehung in der Regel etwas höhere Löhne und außerdem noch etwas Zuschlag, weil wir im Ganzen ältere Arbeiter haben. 1

Was das Recht der Arbeiter anbetrifft, so glaube ich, daß bei der, wie die Statuten angeben, nur maßvollen Unterstützung, die ich im Vergleich mit den bestehenden Verhältnissen als allein zulässig er⸗ achte daß Jeder sich hilft und Einer dem Andern hilft, aber nur so viel gegeben wird, als gegeben werden muß und die Etatmittel aus⸗ werfen, und daß es dem gegenüber unmöglich ist, den Arbeitern die Verwaltung dieser Kasse zu überantworten, da können wir sicher sein, daß wir nicht auskommen und die staatliche Verwaltung hat vor Allem diesen Standpunkt festzuhalten. .

Was die Kommunalverhältnisse anbetrifft, so ist die Werft eine

Sctaatsanstalt, die bekanntlich von den Kommunallasten ausgeschlossen

ist, und ist sie in dieser Beziehung nicht im Stande, etwas zu thun, In keinem Etat finden Sie irgendwo

Mittel, auch nur einen Groschen, um damit in dieser Beziehung etwas zu geben. 3 1 8 3 8 Hier mache ich aufmerksam auf den einen Titel der Extraordi⸗

narien, wo ein Schulhaus bei Wilhelmshaven gebaut wird auf Kom⸗ munalforderung.

Es ist dies ein Gegenstand, der in der Kommission aufgefallen ist. Wir sind hier genöthigt, hierfür Kommunallasten in den Etat aufzunehmen da wir aber im Allgemeinen nicht zu den verpflichtet sind, können wir sie auch nicht Etat aufnehmen. Nur bei der Gemeinde ganze Kommune eigentlich durch die Werft entstanden ist, sind wir genöthigt, zum Schulbau beizutragen und sind uns dort eine Menge Kommunallasten zugefallen,

aber auch im Etat und in unseren sonstigen Verhältnissen vorge⸗

sehen. In Kiel sind Forderungen in dieser Beziehung in neuerer

Zeit auch viel stärker geworden, weil die Privatwerften auch in viel größerer Zahl sich Arbeiter zuziehen und auf derselben Seite von Kiel liegen, wo die Kaiserliche Werft liegt. at üürlich zunächst von der Kaiserlichen Werft besondere Unterstützung zu bekommen, das ist etwas, was wir dem Gesetz gegenüber nicht

Die Kommune hat na⸗

können. Ich gebe zu, daß die Kommune für den Anfang, nachdem sie auf einmal so auffallend gewachsen ist ich glaube von 300 400 Menschen auf 4000 daß da für die Kommune ein Nothstand eintritt, aber wir müssen auch berücksichtigen, daß diese gut beschäftigten Ar⸗ beiter ein gewisses Element der Wohlhabenheit der Kommune bilden, daß diese mit der Zeit aus solchen Verhältnissen herauskommt und Es hat noch nie geschadet, wenn so große

wie gesagt SSs 85 Kaiserlichen Werft befinden sich noch ver⸗ biedene große Privatwersten. 9 8 Le 9hs voe Hirsch erklärte, der Minister habe, soviel er verstanden habe, die Thatsache der bedeutenden Lohnreduk⸗ tion im Oktober nicht in Abrede gestellt. Auch er sei nicht der Ansicht, daß die Reichsbehörde außer Zusammenhang mit dem privaten Arbeitsmarkt die Löhne willkürlich feststellen solle. Allein bei der Beschäftigung von über 8000 Arbeitern, welche an den drei Werstorten die überwiegende Mehrzahl in ihren Berufen bildeten, sei das Reich der größte, also aus⸗ schlaggebende Arbeitgeber und sollte jedensalls auf eine an⸗ gemessene Regulirung der Löhne, auf Milderung der ex⸗ tremen Schwankungen hinwirken. Daß dies nicht ge⸗ schehen, sei zu bedauern, da die Lage der Arbeiter und der in Mitleidenschaft gezogenen Kommunen ohnehin eine ungünstige sei. Bezüglich der Unterstützungskassen handele es sich nicht um „ideale“ Zwecke, sondern um sehr praktische Aufgaben; sehr viele andere Etablissements, sowohl private als staatliche, hätten seit Jahren bei wesentlich höheren Unter⸗ stützungen die Rechtsansprüche und die volle Mitwirkung der gerade hierdurch eine sparsame Ver⸗

die Aufgabe, die Zukunft ihrer Arbeiter sicher zu stellen und deshalb spreche er nochmals, gewiß im Sinne der großen Mehrheit des Hauses, den dringenden Wunsch aus, daß be⸗ reits für den nächsten Etat eine Abstellung dieser Uebelstände

angebahnt werde. .

8 Hierauf nahm der Staats⸗Minister von Stosch das

Wort: 1 Ich will nur den Standpunkt der Verwaltung in Betreff der Bestimmung der Löhne hier klar stellen. Ich halte es für meine icht, als an der Spitze einer Staatsverwaltung stehend, für die 2 der Löhne keine leitende, sondern eine den Privatverhält⸗ nissen solgende Stellung einzunehmen. Ich halte es für falsch. 625— die Privatverhältnisse anders bestimmen, eingreifen will, und

handeln.

erdf aen Uheltnahme der Arbeiter au der Bestimmung der Unter⸗ stützung betrifft, so glaube ich, daß die reane die auf den Werften vorhanden sind, zu den Sachen vollständig gehört werden und glaube, daß die Stimmen ganz die Berücksichtigung erhalten, die sie finden können. Ich habe wenigstens in dieser Beziehung noch keinerlei

Klagen vernommen.

Darauf wurde auch das Extraordinarium der Marine⸗ verwaltung, 8 728 800 ℳ, ohne Diskussion genehmigt.

Es folgte der Etat der Reichspost⸗ und Telegraphen⸗ verwaltung. 1 8

Kap. 3 fixirt die Einnahmen in 10 Titeln auf 145 128 000 ℳ, darunter Titel 1 Porto und Telegramm⸗ gebühren 130 000 000, Titel 2 Personengeld 3 000 000 ℳ, Titel 9, Wittwen⸗ und Waisengeldbeiträge 1 600 000 ℳ, Titel 10, Absatz der Zeitungen ꝛc. 3 300 000 .

Ohne Diskussion wurden die Einnahmen genehmigt.

Bei dem Ordinarium der Ausgaben (Centralverwaltung), Kap. 3 wurde Titel 1, Staatssekretär 24 000 ℳ, desgleichen Titel 2, „Direktoren 239 400 ℳ“, ohne Debatte genehmigt.

Bei Tit. 3 „geheime expedirende Sekretäre, Registrato⸗ ren 2ꝛc. 386 400 ℳ“ ging der Abg. Stoecker auf die Frage der Sonntagsruhe ausführlich ein, deren Erörterung gerade beim Postetat angebracht sei. Der Staatssekretär habe sich freilich einmal beschwert, daß man diese große prinzipielle Frage gerade beim Postetat immer diskutire, daß man die Schmerzen in dieser großen Angelegenheit gerade immer nur hier ausschütte. Im Grunde sei das jedoch nicht verwunder⸗ lich. Hier sei in der That der Punkt, an dem die Stellung des Staates zur Sonntagsfrage zum klaren Ausdruck komme und in der jetzigen sozialpolitisch so bewegten Zeit habe diese Frage die allergrößte Bedeutung. Vor wenigen Monaten erst sei man in diesem Hause über eine Petition in dieser Ange⸗ legenheit zur Tagesordnung übergegangen; aber die große Frage der Sonntagsruhe stelle sich immer wieder von selber auf die Tagesordnung. Trotz der damaligen Erklärungen der Vertreter der Postbehörde sei es doch ein allgemein ver⸗ breitetes Gefühl, daß die Thatsachen denselben nicht ganz ent⸗ sprochen hätten. Die Sonntagsruhe gehöre zu den sittlichen Fun⸗ damenten des christlichen Volkslebens, von denen die Kaiserliche Botschaft geredet habe, sie gehöre auch zu den Bedingungen eines gesunden persönlichen, sozialen und Familienlebens. Es sei darum in der letzten Zeit von manchen Seiten gerade in dieser Richtung eine Reaktion eingetreten, die auch die linke Seite dieses Hauses gewiß für berechtigt halten werde. Diese Frage habe in neuester Zeit sehr an Bedeutung ge⸗ wonnen, die Bestrebungen eines internationalen Vereins zu Genf, zur Herstellung der Sonntagsruhe würden von den Provinzialsynoden unterstützt. Es liege ihm fern, hier Unzu⸗ friedenheit säen zu wollen, aber drei Punkte seien es, welche er der Aufmerksamkeit des General⸗Postmeisters unterbreiten möchte: 1) die Thäͤtsache, daß die Beamten der Post⸗ und Telegraphenverwaltung keinen freien Sonntag von Rechtswegen hätten; 2) die Besorgung der Packetbeförderung an den Sonn⸗ tagen und 3) die Einführung der regelmäßigen Briefbestellung an den Sonntagen auf dem Lande. Namentlich durch letzteres werde etwas völlig Neues geschaffen, wodurch lebhafte Unruhe hervor⸗ gerufen werde. Das Bedürfniß liege meist in den industriellen Instituten und diese könnten ihr Bedürfniß durch eigene Boten befriedigen. Die Sonntagsruhe sei eine nothwendige Bedingung des Wohlverhaltens. Daß den Beamten die Sonntagsruhe gewährt werde, sei eine Nothwendigkeit für die Beamten der Verkehrsanstalten. Er wolle nichts Anderes als für diese große, gute, gerechte Sache eintreten und er glaube, daß er sich an keinen Anderen mit mehr Zuversicht wenden könne, als an den Staatssekretär Dr. Stephan selbst, zu dem er das Zutrauen habe, daß, wenn derselbe sich davon über⸗ zeugen würde, daß die Bitte um Verbesserung der Sonntags⸗ ruhe durch weite Kreise des Volks gehe, derselbe Mittel finden werde, mit seiner Energie die Sache durchzuführen. Das Unsterbliche im Menschen, seine Seele anzuregen, sie den Umsturzgedanken zu entfremden, diese Aufgabe müsse an allen Ecken angefaßt werden. Er wolle der Postverwaltung keineswegs irgend welches Uebelwollen zuschreiben. Man habe hier einen großen Konflikt zwischen den immer höher an⸗

chwellenden Forderungen des Verkehrs und dem kirchlichen Bewußtsein. Wenn indessen das Publikum selber sich be⸗ mühen werde, zu seinem Theil an der Lösung dieses Kon⸗ fliktes mitzuarbeiten, dann werde auch ein wohlthätiger Rück⸗ schlag auf die Postverwaltung nicht ausbleiben. Die Haupt⸗ aufgabe liege indessen doch der Behörde ob. Ueber die großen Leistungen der deutschen Postverwaltung herrsche gewiß all⸗ gemeine Anerkennung; er könne aber nicht verschweigen, daß in den Kreisen ihrer Beamten das Gesühl einer großen Anstrengung, ja einer zeitweisen Ueberbürdung lebhaft sei. Wenn die Beamten aber für die Interessen des Dienstes 6 Tage lang ihre ganze Kraft einsetzen müßten, dann sei es unbedingt geboten, ihnen in regelmäßiger Wiederkehr das Ge⸗ sühl zu gewähren, daß sie einen Feiertag hätten, um sich er⸗ holen, ihre Leibes⸗ und Seelenkräfte stärken zu können. Es liege in der Luft, P. vermehren. Die Feojn⸗ igkeit, mit welcher dieses Thema aufgenommen werdern 5 —— vest nalch davon ab, daß innerhalb des Staatsbetriebes auch für die Bedürfnisse des Menschen im Interesse eines Christen würdigen Daseins genügend gesorgt würde, daß ein auskömmlicher Lohn vorhanden sei, daß sie pensions⸗ fähig angestellt würden und ihnen die nöthige Nuhe⸗ zeit zur Verfügung stehe. Er wolle keine Uebertrei⸗ bungen. Auch in streng kirchlichen Kreisen sei die Anschauung lebendig, daß man sich in die Ansprüche des Verkehrs finden müsse. Einen puritanischen Sonntag verlange er nicht, aber auch keinen egyptischen. Er und seine politischen Freunde wollten den guten deutschen Sonntag zurückhaben, einen Tag der Erquickung und der Erholung. Er wolle, daß auch den Angehörigen dieser Betriebe die Morgenglocke, die zum Gottes⸗ dienst rufe, mehr sei, als die Pfeife der Lokomotive und das Posthorn. Darum richte er im Namen des deutschen Volkes, der sozialen Frage, der Gemüthsruhe und des Familienlebens die herzliche Bitte an den Staatssekretär, daß derselbe thun möchte, was er könne, um diesem Bedürfniß Geltung zu ver⸗ schaffen. Derselbe werde seinen großen Verdiensten um die Hebung des Postwesens das größte hinzufügen, wenn es ihm gelungen sein werde, die Sache so zu regeln, daß die Be⸗ denken verstummten und se ten, jetzt hätten sie 1 s Gefühl, einen Sonntag zu haben! is Ireeneeee Drektor im Richs⸗Postamt Dr. Fischer erwiderte, die Verwaltung sei ihrerseits von der

Nothwendigkeit der Sonntagsruhe überzeugt, soweit eben die Verkehrsverhältnisse damit zu vereinbaren seien. Was die vom Vorredner hervorgehobenen drei Punkte betreffe, so müsse er dem ersten widersprechen. Die Reichs⸗Postverwaltung sei von Alters her darauf bedacht gewesen, ihren Beamten am Sonntag freie Zeit für die Wahrnehmung des Gottesdienstes zu verschaffen, und dieselbe habe sich alle Zeit bestrebt, dieses Stre⸗ ben mit den Anforderungen des Verkehrs in Einklang zu bringen Den Beamten bleibe sodann mindestens der dritte Sonntag immer dienstfrei. Betreffs des zweiten Punktes konstatire er, daß im ganzen Lande und auch hier am Sonntag eine wesent⸗ liche Einschränkung der Packetbestellung bestehe. Es sei noch neuerdings in Erwägung gezogen worden, ob diese für Berlin bestehende Einschränkung noch weiter ausgedehnt werden könne. Der ihm hierüber vorliegende Bericht der hiesigen Ober⸗Post direktion erkläre dieselbe indessen aus räumlichen Gründen für unzulässig. Die zu 3) erwähnte Einrichtung endlich sei keineswegs neuen Datums. Es bestehe vielmehr schon seit längerer Zeit in einer großen Zahl der dem Reichspostgebiet neu zugefügten Bezirke, namentlich in Elsaß⸗Lothringen, ein ausgedehnter Sonntagsbetrieb für die Landbriefbestellun Als nun im Vorjahre die vom Reichstage und im Lande be fällig begrüßte Reform des Landpostdienstes in Angriff genom⸗ men sei, sei eine Sonntagsbestellung für die verkehrsreicheren Landorte in Aussicht genommen worden. Daß die Verwa tung dabei mit großer Schonung verfahren sei, könne er dem Vorredner nur bestätigen. Der Konflikt, von dem der Vorre ner gesprochen, werde nicht dadurch gelöst, daß man sich aus schließlich auf den kerchlichen Standpunkt stelle. Es sei doch unbedingt nöthig, daß neben den kirchlichen Gesichtspunkten auch die des Verkehrslebens in Betracht gezogen werden müßten Der Abg. Dr. Lingens bemerkte, die Erklärungen des Bundeskommissars würden gewiß freudig begrüßt werden; über die wohlwollende Gesinnung der Postbehörde herrsche auch kein Zweifel, nur sei zu beklagen, daß den Anordnungen derselben nicht immer in der richtigen Weise entsprochen werde. Aus den Reihen der Postbeamten seien ihm vielfache Klagen geführt worden, daß es ihnen absolut unmöglich sei, in zureichendem Maße dem Gottesdienste beizuwohnen. So sei ihm bekannt, daß an einem Orte der Schalter am Sonntage zwar geschlossen, hinter demselben aber weiter gearbeitet werde. Es sei sehr bemerkenswerth, daß den Postbeamten der dritte Sonntag ganz freigegeben werde. Umsomehr sei es zu bedauern, daß diese Anordnungen nicht hinausgedrungen seien in alle Postämter. Die ganze Sache spitze sich zu der Frage, was sei ausschlag⸗ gebend, die Bedürfnisse des Verkehrs oder Gottes Gebot. Er stehe nicht an, sich für das letztere zu entscheiden, und er habe auf seiner Seite die Postbeamten, welche die Sonntagsruhe und Heiligung dringend wünschen; diese Sonntagsruhe werde dem öffentlichen Verkehr gewiß ebenso wenig schaden, wie die Sonntagsheiligung in Ameria, wo in der Oeffentlich⸗ keit vollkommene Ruhe am Sonntage herrsche. 8 Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, es sei richtig, daß in Amerika am Sonntage in der Oeffentlichkeit Ruhe herrsche, dafür sehe es aber hinter den Läden um so unerfreulicher aus, und in der Beziehung halte Amerika mit Deutschland keinen Vergleich aus. Die Klagen der Postbeamten in Bezug auf nicht genügende Sonntagsfeier verschwänden gegenüber ihren anderweitigen Wünschen. Indessen halte er diese Frage für sehr wichtig, und der Staat hätte alle Ursache, zunächst gegenüber seinen eigenen Beamten zu zeigen, was de selbe als guter Arbeitsgeber leisten könne. Die Sonn⸗ tagsseier hänge nicht zusammen mit einer religiösen, auch nicht mit einer spezifisch christlichen oder kirchlichen Richtung. Wäre der Sonntag resp. der Sabbath nicht schon vorhanden, so müßte man ihn vom allgemeinen humanen Standpunkte aus schaffen. Als man in Frankreich Gott habe abschaffen wollen, habe man sich zur Beibehaltung des zehntägigen Sonntags entschließen müssen. Selbst vom rein materiellen Standpunkte aus sei es wünschenswerth, daß nach angestrengter Arbeit eine Ruhepause eintrete. Dies sei also keine Frage für Pastoren und Synoden, sondern interessire jeden Menschen gleichmäßig. Er meine, daß sie rein praktisch und mit nüchternem Verstande gelöst werden müsse. Eine absolut beschauliche Ruhe am Sonntag sei unmöglich. In allen Familien müsse gekocht werden. Das wäre schon eine gewisse Anforderung an Arbeit. Dann wolle man Geselligkeit haben, man mache Reisen, es finde also am Sonntag ein Verkehr, ja mitunter ein geste gerter Verkehr statt. Wenn die Gutsbesitzer zum Sonntags⸗ gottesdienste führen, so verursache das an den Orten, wo der Gottesdienst stattfinde, vielmehr Unruhe, als wenn ein ei facher Landbriefträger über die Felder gehe. Vor zwei Ja ren habe der Reichstag die einmalige Briefbestellung, die bis 1½10 Uhr erledigt sei, beschlossen, das genüge dem Bedürf⸗ niß; aber auf dieser einmaligen Bestellung müsse man bestehen. Er halte es für möglich, daß den Po beamten öfter als am dritten Sonntag ein freier Ta gegönnt werde. Aber es sei unmöglich zu erreichen, daß Alles um 10 Uhr die Kirche besuche. Das gehe selbst in einem bürgerlichen Haushalt nicht. Wenn die evangelischen Pastoren sich beklagten, daß der eingerichtete Sonntags⸗Abend⸗ gottesdienst seinen Zweck nicht erreiche, warum machten sie es nicht wie die katholischen Geistlichen, welche um 5 Uhr Mor⸗ gens den Gottesdienst abhielten? Für die Herren Geistlichen wäre das sreilich etwas weniger bequem, aber sie würden 8 ihren Zweck erreichen. Der Abg. Stöcker wolle nicht, daß die Landbriefträger am Sonntage die Briefe bestellten, derselbe wünsche, daß Jeder seinen eigenen Boten zur Post nach den Briefschasten schicke. Würde das nicht viel mehr Sonntagsunruhe hervorbringen, wenn die Leute den ganzen Sonntag uüͤber am Schalter erscheinen würden, und würde dadurch nicht den übrigen Postbeamten der Sonntag entzogen? Wenn aber di Packete nicht am Sonntage, sondern erst am Montage bestellt wuͤrden, so wüͤrden die Büreaus und Comtoire eine viel stärkere Neigung empfinden, am Sonntag Vormittag zu arbeiten. Es würde also das absolute Gegen⸗ theil erreicht. Er müsse sagen, er habe in dem Vortrage des Abg. Stöckers sehr schöne klangreiche Worte gesunden, aber nichts, was praktisch zur Lösung der Frage verwerthet 8 ens