1882 / 51 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 28 Feb 1882 18:00:01 GMT) scan diff

8

Päpste und Fürsten). Ein ganz besonderes Interesse beansprucht je⸗ doch der vorläufige Bericht über die Ergebnisse der zweiten Cam⸗ pagne der Ausgrabungen zu Pergamon (1880— 1881), erstattet von den Herren A. Conze, C. Humann und R. Bohn, am Schlusse des Hefts. Derselbe beginnt mit dem lebendig geschriebenen, die zu über⸗ windenden großen Schwierigkeiten sehr anschaulich schildernden Arbeits⸗ bericht von Carl Humann. Eine statistische Uebersicht am Schlusse stellt die materielle Ausbeute der zweiten Campagne wie folgt zu⸗ sammen: 1 ganze Reliefplatte der Gigantomachie und 1 Torso der Gigantomachie, ferner 1000 und einige kleinere Fragmente der letzte⸗ ren; dazu wichtige Architekturstücke vom Altare, theilweise mit Inschriften; 1 ganze Reliefplatte des kleinen Frieses, 2 halbe Platten und viele Fragmente; 1 Reliefplatte und andere Bruchstücke einer kleineren Gigantomachie, 1 Kolossalstatue der Athena (2,60 m hoch), 2 Statuen von etwas über Lebensgröße, eine davon Athena darstellend und inige fragmentirte Frauenstatuen; 1 unversehrter Frauenkopf und 2 beschädigte Athenaköpfe, 4 halblebensgroße Statuen, einige Torsen und einzelne Gliedmaßen, welche alle zu derselben Gruppe gehören dürften; 6 kleine Reliefs verschiedener Darstellung und einige Hundert Skulpturfragmente verschiedener Art; 198 grie⸗ chische Inschriften oder Bruchstücke solcher (die jedoch nicht zum Transport nach Europa bestimmt wurden), 2 große und mehrere kleine Architekturstücke (Friese) mit Blumenorna⸗ mentik sowie Tischfüße, Greifenklauen ꝛc.; 20 marmorne Relief⸗ platten mit Waffendarstellungen von den Brüstungen der Halle um den Athenatempel nebst dazu gehörigen Unterlags⸗ und Deckplatten sowie Zwischensäulen, 3 Nischenmonumente in Stücken, endlich Kupfermünzen, Bronze⸗ und Mosaikfragmente, Stücke von gemaltem Verputz, einige gestempelte Thonröhren und Ziegel. Dazu kommt ein zweisäuliger Ausschnitt vom Aufbau des Tempels der Athena polias und seiner Hallenanlage sowie viele vereinzelte Architekturstücke. Diese Fundstücke füllten im Ganzen 260 Kisten und wogen mit 8 dunkelgrünen in Pergamon angekauften Marmorsäulen zu Postamenten gegen 2500 Ctr. Ueber die Architektur referirt sodann Richard Bohn. Das Haupt⸗ ergebniß für diese bestand in der Aufdeckung des Tempels und des von einer doppelgeschossigen Säulenhalle umschlossen gewesenen heiligen Bezirks der Athena polias aus einer Periode, die vor die pergame⸗ nische Königszeit hinaufreicht. Die mit reichem Relief geschmückten Schranken, welche das Obergeschoß zwischen den Säulen abschlossen, sind nebst zwei ionischen Säulenfragmenten bekanntlich seit Kurzem im ersten langen Saale des Museums aufgestellt. Die Ausbeute an Einzelfunden endlich bespricht Alexander Conze. Die reichlich tausend neu hinzugekommenen Bruchstücke haben die weitere Ergänzung der Giganto⸗ machie ermöglicht. Unter den Inschristen verdient die jetzt ebenfalls im Museum aufgestellte, vollständig erhaltene Weihung des Hülfscorps des achäischen Bundes, welches Eumenes II. in der Entscheidungs⸗ schlacht bei Magnesia (190 v. Chr.) oder, wie es in der Inschrift elbst genauer heißt, am Phrygios⸗Flusse in Lydien zur Seite stand, Hervor⸗ ebung. Unter den statuarischen Funden stehen zwei Athenastatuen und eine andere weibliche Figur (vielleicht Hera) schon durch Größe und Er⸗ haltungszustand obenan. Besonderes Interesse erregten ferner bei ihrer Auffindung die Stücke einer kleineren Reliefdarstellung der Gigantomachie, auf welcher gerade die Gestalt des Zeus ganz und links von ihm die der Athena zum Theil erhalten ist. Dieses Relief soll in der Rotunde des Museums neben den großen Gruppen, die ihr als Vorbild dienten, aufgestellt werden. Den besten Gewinn der zweiten Campagne repräsentiren jedoch jene schon erwähnten Brüstungsplatten der Halle vom Athenatempel. Derb gearbeitet, wie ihr Platz hoch am Gebäude es fordern mochte, zeigen

ssie in buntem Gemisch Waffenstücke, Kriegsgeräthe aller Art für den Land⸗ und Seekrieg, Schiffsschnäbel, Streitwagen, Feldzeichen, Pferde⸗

schmuck, Helme, Schilde, Panzer, Schwerter verschiedener Form, Arm⸗ stulpen und Beinschienen, einen Visirhelm und sogar eine Pfeil⸗ schleudermaschine. Sie werden sonach für das Studium der Kriegs⸗ alterthümer hellenistischer Zeit ein unverächtliches Material bieten. Von einer der Platten ist dem Aufsatz eine Lichtdruckabbildung beigegeben. Ihrer Aufstellung, so schließt der Bericht, harrt auch noch die ganze Exedra Attalos des Zweiten, vor Allem aber der große Altarbau. Dessen Rekonstruktion ist jetzt bereits sammt der Herstellung großer Zusammenhänge der Relief⸗Komposition so weit gesichert, daß die Wiederaufrichtung des ganzen Wunderwerks in einem eigens dafür herzustellenden Lichtraume gefordert werden muß und gewiß als eine einzig dastehende Erscheinung auch zur Durchführung kommen wird. Außer der schon erwähnten Lichtdrucktafel sind dem Bericht Pläne von der Akropolis und der Anlage des Athena⸗Tempels sowie eine radierte Rekonstruktion des letzteren, nach Zeichnung von R. Bohn, beigegeben.

Unter dem Titel „Bibliotheca catholico-theologica quarta, Catalogue XXXIV. de la Librairie ancienne de Ludwig Rosenthal à Munich (Bavière); Supplé- ment des catalogues XXII., XXVIII. et XXXI. etc.“ hat die Buchhandlung von L. Rosenthal in München vor Kurzem eine reichhaltige katholisch⸗theologische Bibliothek oder ein Verzeichniß von 2740 Werken theils zur katholischen Theologie, theils zur Scholastik, als Ergänzung zu ihren 3 Katalogen 22, 28 u. 31, die unter gleichem Titel erschienen und gleichen Inhaltes waren, veröffentlicht. Die im

vorstehenden Kataloge 34 aufgeführten Schriften sind größtentheils in

italienischer, französischer und eng⸗ datiren aus dem 15., 16., 17. dem 19. Jahrhundert, und sind des verschiedenartigsten Inhalts. Theils betreffen dieselben die Kirchengeschichte im Allgemeinen, die katholische Dogmatik im Allgemeinen, die Bibel im Allgemeinen und einzelne Theile derselben, die Werke der Kirchenväter, einzelne Päpste und Bischöfe, verschiedene Konzilien, die Heiligen, das Hussitenthum, den Calvinismus, das Lutherthum, theils die Scholastiker und deren Werke und andere Philosophen und namhafte Gelehrte (Aristoteles, Bacon, Boethius, Bonaventura, Karthesius, Lombardus, Thomas von Aquino, Spinoza, Erasmus von Rotterdam u. A.), sowie mehrere Herrscher (Karl den Großen, Karl V., Ferdinand I., Ludwig den Heiligen u. A.) oder betreffen auch wohl die Eeschichte einzelner Gegenden, wie z. B. Schatens Historia Westphaliae. Ein großer Theil der vorbezeichneten Schriften sind selten, ziemlich viele sogar sehr selten; mehrere derselben sind nicht gedruckt, sondern Manuskripte. Außerdem sind auch mehrere Kirchenlieder aufgeführt.

Der Buchhändler und Antiquar Joseph Jolowichz in Posen hat unter dem Titel „Classische Philologie, II. Theil: Philologische Hülfswissenschaften“ Katalog 70 seines an⸗ tiquarischen Bücherlagers ausgegeben. Derselbe enthält ein Verzeichniß von 2021 Schriften, die zum Theil aus dem Nachlasse des verstorbenen Gymn.⸗Prof. Dr. Tiesler zu Posen herrühren, die philo⸗ logischen Hülfswissenschaften betreffen und unter folgenden 9 Rubriken usammengestellt sind: I. Encyklopädie der Philologie, Schulreden, Pedagogik (im Ganzen 137 Nrn.); II. Geschichte der Philologie, der Gymnasien ꝛc., Gelehrtengeschichte (im Ganzen 105 Nrn.); III. Neulateiner, Opuscula, philologische Zeitschriften (im Ganzen 176 Nrn.); IV. Griechische und römische Literaturgeschichte, Bibliographie (im Ganzen 131 Nrn.); Allgemeine und vergleichende Sprachwissenschaft (im Ganzen 62 Nrn); VI. Griechische Grammatik (229 Nrn.); VII. Lateinische Grammatik (257 Nrn.); Geschichte und Geographie des Alterthums (im Ganzen 267 Nrn.); IX. Alterthümer, Archäologie, Numismatik, ythologie ꝛc. (im Ganzen 457 Nrn.). Unter den im vorstehenden Kataloge verzeichneten Schriften, die im Antiquariat von Jolowicz vorräthig sind, befindet sich eine Menge wichtiger und interessanter, zum Theil auch seltener Werke. Die genannte Buchhandlung kauft auch ganze Bibliotheken und hervor⸗ ragendere einzelne Werke.

Im Verlage von J. J. Weber in Leipzig, ist als Nr. 103 von „Webers Illustrirten Katechismen,“ soeben ein „Katechis mus der Rosenzucht. Vollständige Anleitung über Zucht, Be⸗ handlung und Verwendung der Rosen im Lande und in Töpfen, von Herm. Jäger, Großherzogl. sächs. Hofgarten⸗ Inspektor in Eisenach,“ für 2 erschienen. Wer jetzt ein Buch über Rosen und Rosenzucht schreibt, hat keine Angabe des Grundes nöthig; denn Rosen fns mehr als je allgemeine Lieblinge aller

lateinischer, mehrere auch in lischer Sprache abgefaßt, und 18., einige auch aus

Blumen⸗ und Gartenfreunde. Der Verfasser dieses Werkchens,Lbe⸗ kanntlich eine Autorität auf dem Gebiete der Rosenzucht, hat dasselbe mit Eifer und sichtlicher Freude bearbeitet. Das kleine Buch ist in seiner knappen Fassung und guten Benutzung des Raumes so vollständig, zuweilen vollständiger, als viel größere Bücher; nur das mehr oder weniger Nutzlose oder Entbehrliche ist grundsätzlich ausge⸗ schlossen. Nachdem sich der Verf. in der Einleitung über die Be⸗ deutung von Gartenwesen, ihre Entstehung und gewöhnliche Züchtung verbreitet, handelt er in besonderen Abschnitten über die verschiedenen Arten von Gartenrosen, die Kultur der Rosen im freien Lande und in Töpfen, das Treiben der Rosen in Töpfen und im Lande, den be⸗ sonderen Rosenarten, die Hybridisirung der Rosen und Erzeugung neuer Sorten aus Samen und über die Feinde und Krankheiten der Rosen, ihre Verhütung und Vertilgung und beschreibt schließlich 365 der schönsten Rosen aller Arten und Abtheilungen. Besondere Sorg⸗ falt ist dem Abschnitt über die Formen und die Verwendung der Rosen sowie der Sortenauswahl gewidmet. Der Text ist mit 52 Abbildungen ausgestattet. 11““ Gewerbe und Handel.

Die Französische Regierung hat durch ein Dekret vom 23. d. M. angeordnet, daß die zur Verhütung der Einschleppung von Rinderpest nach Frankreich bisher dort noch in Kraft verbliebenen Beschrän⸗ kungen der Ein⸗ und Durchfuhr von Rindvieh zc.*) vom 1. März d. J. ab Deutschland gegenüber außer Wirksamkeit treten und hinsichtlich Oesterreich⸗Ungarns nur in Betreff des von dort kom⸗ menden lebenden Rindviehs, sowie frischer Häute und anderer frischer Bestandtheile desselben (ausgenommen geschlachtetes Fleisch) fort⸗ bestehen sollen.

Dagegen ist die Ein⸗ und Durchfuhr von Wiederkäuern, sowie von frischem Fleisch, frischen Häuten und anderen frischen Bestand⸗ theilen derselben, insofern diese Gegenstände aus Rußland, Rumänien, Serbien, Bulgarien, der Türkei, Egypten oder Griechenland herrühren, nach wie vor verboten. 8

Die Ein⸗ und Durchfuhr von Rindern der grauen Rasse des sogenannten Steppenviehs bleibt in Frankreich überhaupt untersagt.

Der Aufsichtsrath der hiesigen Brodfabrik, Aktiengesell⸗ schaft, hat die Dividende für das verflossene Jahr, den Vorschlägen der Direktion entsprechend, auf 5 % festgesetzt.

Der Aufsichtsrath der Breslauer Diskonto⸗Bank Friedenthal u. Co. hat beschlossen, nach statutarischer Rück⸗ lage in den Reservefonds ꝛc. eine Dividende von 5 % der General⸗ versammlung vorzuschlagen, und ferner einen Betrag von rund 167 000 zu reserviren, woraus die Januarverluste, aus Dezember⸗ Engagements herrührend, ihre Deckung finden sollen.

Dem Geschäftsbericht der Oberlausitzer Bank zu Zittau entnehmen wir Folgendes: Die Verzinsung der Anlagen in Wechseln hatte längere Zeit unter außergewöhnlich billigem Geld⸗ stande zu leiden, und es trat dafür erst in der zweiten Hälfte des Jahres eine Besserung ein. Die Anlagen und Umsätze im Kontokorrent⸗ geschäsfte sind etwas zuruckgegangen. Dagegen ist abermals eine weitere Entwickelung des Depositenverkehrs zu verzeichnen und es schließt dieses Konto mit einem Bestande von 948 340 gegen 701 250 Ende 1880. Einen ansehnlichen Gewinn hat auch das Effenkonto ergeben. Nach dem Gewinn⸗ und Verlust⸗ konto beziffert sich der Bruttogewinn auf 233 211 gegen 234 577 im Vorjahre. Nach Berücksichtigung der Abschreibungen verbleibt ein reiner Gewinn von 171 711 ℳ, welcher den Statuten entsprechend nachstehend zur Vertheilung vorgeschlagen wird: 108 000 4 % Dividende auf 2 700 000 Aktienkapital, 3083 zum Reserve⸗ fonds, 3083 dem Aufsichtsrath, 3083 der Direktion und den Be aeitch 54 000 als 2 % Superdividende, 459,82 Vortrag auf 1882.

Der Cours für die jetzt hier zahlbaren österreichischen Silber⸗Coupons ist auf 169,50 für 100 Fl. österreichisch Silber herabgesetzt worden.

Breslau, 27. Februar. (W. T. B.) Bei dem heute hier stattgefundenen Termin zur Begebung von 9 000 000 4 % Rechte Oderufer⸗Prioritäten hat die Gruppe S. Bleichröder, Mendelssohn u. Co., Darmstädter Bank durch Meistgebot den Zuschlag erhalten.

Darmstadt, 27. Februar. (W. T. B.) Der Aufsichtsrath der Bank für Süddeutschland hat in seiner heutigen Sitzung beschlossen, der am 15. März stattfindenden Generalversammlung die Vertheilung einer Dividende von 5 ¼ % vorzuschlagen.

Verkehrs⸗Anstalten.

Triest, 27. Februar. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Vesta“ ist heute Vormittag 9 ¼ Uhr mit der ostindischen Ueber⸗ landpost aus Alexandrien hier eingetroffen.

Plymouth, 27. Februar. (W. T. B.) Der Hamburger Postdampfer „Westphalia“ ist hier eingetroffen.

New⸗York, 27. Februar. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Neckar“ ist hier eingetroffen.

New⸗York, 27. Februar. (W. T. B.) Der Dampfer „Helvetia“ von der National⸗Dampfschiffs⸗Compagnie (C. Messingsche Linie) ist hier eingetroffen

*) conf. „R.⸗A.“ Nr. 17 de 1882.

Berlin, 28. Februar 1882.

Die Ausstellung für Spiritusindustrie, welche der Verein der Spiritusfabrikanten in Deutschland zur Feier seines fünf⸗ undzwanzigjährigen Bestehens in den Räumen des Landwirthschaft⸗ lichen Instituts in der Invalidenstraße veranstaltet hat, bietet ein ebenso reiches als interessantes und belehrendes Feld für den Besucher derselben dar. Die ausgestellten Gegenstände stehen theils direkt, theils indirekt mit der Spiritusfabrikation in Verbindung und sind in zwei große Gruppen einzutheilen: in Apparate und Maschinen und Brennereiprodukte und Fabrikate aus denselben.

Die Apparate und Maschinen, welche zum größten Theil den Tag über in Betrieb gesetzt sind und dadurch die Besichtigung der Ausstellung um so anziehender machen, zerfallen wieder in zwei Kategorien: in Brennapparate und Rektifikationsapparate. Von den ersteren, welche in sehr großer Anzahl vertreten sind, steht die an der östlichen Seite der Ausstellungshalle ausgestellte große Gruppe der Maschinenfabrik, Eisengießerei und Kesselschmiede von H. Pauksch in Landsberg a. W. entschieden im Vordergrund. Die auf dem Gebiete der Spiritusfabrikation weit und breit bekannte Fabrik bietet hier den Besuchern ein Bild der Spiritus⸗ fabrikation von so gewaltigen Dimensionen, wie sie in Deutschland nur in großen Unternehmungen anzutreffen ist. Zunächst ist es eine für Rußland bestimmte Maischeinrichtung, welche den Blick fesselt: eine Dämpferbatterie von drei Henze'schen Dämpfern mit davor be⸗ findlichem Maischbottig. Die Dämpfer Patentdämpfer haben, im Gegensatz zu den anderen auf der Ausstellung befindlichen Dämpfern eine einfach konische Form, welche der Firma patentirt ist und die sie ganz besonders zur Verarbeitung von Körnerfrüchten geeignet machen soll. Von imponirend riesen⸗ hafter Dimension ist ein Vormaischbottig von 22 000 1 In⸗ halt, der die Form einer runden Schale hat und eben⸗ falls der Firma patentirt ist. Die außerordentlich einfache Konstruk⸗ tion dieses Bottigs überrascht, wenn man aus der Fachliteratur er⸗ sieht, daß die in diesem Vormaischbottig gemachte Maische bisher noch nicht übertroffen worden, und daß man mit Hülfe desselben auch trockenfaules und erfrorenes Maischmaterial verarbeiten kann. Der Apparat kann in allen Dimensionen gefertigt werden und Verwen⸗ dung finden, so daß man sowohl das kleinste als auch das größte Maisch⸗ quantum mit demselben verarbeiten kann. Einen gleichen Apparat von viel geringeren Dimensionen (3000] Inhalt) also für die mittleren Verhältnisse unserer deutschen landwirthschaftlichen Brennereien geeig⸗ net, hat die Fabrik neben diesem Riesenapparat ausgestellt. Ein da⸗ neben befindlicher Röhrenkühler zeigt das Mittel, durch welches nach

1 . 8

der Verzuckerung die Abkühlung der Maische bewirkt wird. In Bren⸗ nereien, wo genügende Wassermengen vorhanden sind, wird dieser Weg der Maischkühlung immer noch der beste und sicherste sein. Die Konstruktion des Röhrenkühlers ist ebenso einfach als praktisch Außer diesen hervorragenden Apparaten hat die Firma noch eine Anzahl von Hülfsmaschinen: Malzquetschen, Kartoffel⸗ wäschen, Vormaischbottige mit Taschenkühlung, Maischpumpen 0 ausgestellt, welche alle eine ebenso solide Ausführung wie praktische Konstruktion aufweisen. Das seit 38 Jahren bestehende Etablissement von seinem jetzigen Besitzer, Kommerzien⸗Rath Hermann Pauksch ge⸗ gründet, hat in der Reihe von Jahren ebenso bedeutende Dimensionen angenommen, als sein geschäftliches Renommé zu einem Weltruf ge⸗ bracht. Mehr als 700 Brennereien, über alle Weltgegenden vertheilt hat die Fabrik seither eingerichtet, und die Weltausstellung zu Wien ließ sie mit reichen Ehren bedeckt aus der Konkurrenz hervorgehen. Das Resultat der hiesigen Ausstellung dürfte ein gleiches sein.

Angrenzend an die Gruppe der obengenannten Fabrik finden wir eine Maschinengruppe der hiesigen Aktiengesellschaft H. F. Eckert. Die Leistungen der Fabrik sind weltbekannt, und die ausgestellten Maschinen ꝛc. schließen sich ihren früheren Leistungen an. Namentlich erregt ein Centrifugal⸗Maisch⸗ und Kühlapparat die Aufmerksamkeit, welcher nach Angabe von praktischer Seite die Maische außerordent⸗ lich zerkleinert, wobei Störungen im Betriebe der Dampf⸗Maischpumpe des Apparates ꝛc. gänzlich vermieden werden. Die Verzuckerung voll⸗ zieht sich in der kurzen Zeit von 10 Minuten, das Kühlen gleichfalls sehr schnell; die Reinigung läßt sich sehr leicht und schnell ausführen, und der Apparat erfordert überhaupt nur geringere Betriebskraft⸗ Eigenschaften, die denselben wohl der Beachtung werth machen.

Die Fabrik von C. G. Bohm in Fredersdorf a. d. Ostbahn hat gegenüber der obengenannten Fabrik eine reiche Sammlung von Apparaten aufgestellt, welche Alles in sich schließt, was zur Brennerei erforderlich ist: von den werthvollsten Brennereiapparaten, nach drei verschiedenen Systemen ausgeführt, bis zu den einfachsten Böttcher⸗ waaren herab alles Produkte dieser Fabrik. Aber auch für die Beleuchtung der Brennereien sorgt Hr. Bohm, denn er hat zwei dynamoselektrische Maschinen mit den dazu gehörigen Apparaten auf⸗ gestellt, die hier die elektrische Beleuchtung der Ausstellung vermitteln.

Einen neuen patentirten Apparat hat der Civilingenieur F. Pampe in Osterode in Ostpreußen aufgestellt (gleich rechts vom Eingange zur Maschinenhalle), welcher die Mischung der Bestandtheile durch Zerstäuben derselben bewirkt und dadurch ein innigeres gegen⸗ seitiges Durchdringen derselben bewirkt, und die verzuckernde Wirkung des Malzes wesentlich fördert. Auch die Abkühlung, welche theils durch den Apparat, theils durch frische Luft bewirkt wird, soll sich wesentlich vollziehen. Der Apparat ist erst seit zwei Jahren in der Praxis eingeführt und hat sich bisher ganz gut bewährt. 1

Zur anderen Seite des Einganges in die Maschinenhalle hat die Fabrik von Victor Lwomwski in Halle ihre Erzeugnisse ausgestellt. Die wichtigste Maschine unter denselben ist ein doppelwandiger Vor⸗ maischbottich mit Lwowskischer Maischmühle und Kühltaschen⸗System zum Fertigkühlen. Die Maischmühle ist dem Hrn. Lwowski patentirt worden und seine neueste Erfindung und die erste Mühle dieser Art. Sie bezweckt namentlich die Zerkleinerung von trockenfaulen Ka rtoffeln hh um eine möglichste Ausnutzung des Rohmateri als zu erzielen.

Neben dieser Gruppe finden wir einen in der Konstruktion gleich⸗

falls interessanten Maischkühlapparat von Gaul u. Hoffmann in

Frankfurt a. O. mit oberen und unteren durchschlagenden Kühlschaufeln⸗ Exhaustor und rotirender Pumpe, welche ganz Außerordentliches leisten soll, weil man mittelst desselben in 30 35 Minuten die Kühlung der Maische mit einem Wasserverbrauch von nur 1 ½ 1 auf 11 Maische be⸗ wirken kann. Weitere kontinuirliche Brenn⸗ ꝛc. Apparate sind noch von den Fabriken der Herren G. H. Fritze in Cüstrin, Otto Hentschel in Grimma in Sachsen, Leinhaas u. Hülsenberg in Freiberg in Sachsen, Fr. Neumann in Berlin, Adolf Oeseb in Penig, Gebrüder Sachsen⸗ berg in Roßlau a. d. Elbe, A. Schmidt in Nauen, Herm. Schmidt in Cüstrin, Gebr. Siemens u. Co. in Charlottenburg und F. Weigel in Neisse. Zahlreiche langsam rotirende Pumpen hat die Fabrik von Eduard Theisen in Lindenau bei Leipzig ausgestellt, welche ganz befriedigende Leistungen aufwiesen und sich sowohl für dicke wie auch für dünne Flüssigkeiten eignen. Außerdem hat die Fabrik ein Exemplar von Lawrence Patent⸗Maisch⸗Kühl⸗Apparat aufgestellt, welcher durch seine cigenthümliche Konstruktion eine gleich⸗ mäßige und schnelle Kühlung durch Flächenberieselung und Gegen⸗ strom unter Anwendung gewellter Kupferplatten bewerkstelligt.

An Rektifikations⸗Apparaten, d. h. solchen Apparaten, welche direkt aus der Maische den reinsten Spiritus ziehen, find verhältniß⸗ mäßig nur wenige auf der Ausstellung vertreten. Zunächst eine 7 m hohe Sarvalle'sche Kolonne aus der bekannten Knupfer⸗ waarenfabrik von C. Heckmann in Berlin, mittelst welchem Apparat die Firma 97 prozentigen Spiritus direkt aus der Maische zieht. Diese Kolonne kann mit jeder Art von zweckmäßig konstruirten Kondensatoren und Kühlern mit Wasserkühlung betrieben werden und wo Wasser zur Kondensation und Kühlung nicht angewendet ist, da gestattet das Patent die Kühlung und Kondensation durch Luft. Vor⸗ theile des Apparats sind der geringe Verbrauch an und an Wasser und die Güte des Produkts. Dieselbe Firma hat einen sehr sinnig konstruirten Spritauslauf ausgestellt, mit einer Skala versehen, von welcher man in jedem Augenblick die Quantität de ausfließenden Spiritus ablesen kann. 8

Einen zweiten Apparat auf Gewinnung von Feinspiritus hat die Fabrik von E. J. Christoph in Niesky in Schlesien ausgestellt, der nach dem Patent Deininger konstruirt ist. Dieser Apparat ist auf dem Dominium Sänitz, Kreis Rothenburg (Oberlausitz) aufgestellt wor⸗ den, und hat durch seine Leistungsfähigkeit Anerkennung gefun⸗ den. Die Resultate haben ergeben, daß die aus den Brennapparaten direktin den patentirten Apparat übergeführten Alkoholdämpfe nicht nur ent⸗ wässert und hochgradig gemacht, sondern auch entfuselt werden. In der Brennerei zu Sänitz wurden bei einem alten Pistoriusapparat von 82grädigen Alkoholdämpfen Sprit von 94—96 % gewonnen der als fuselfrei beurtheilt worden ist. Von Mitte März an wir nach Aufstellung eines kontinuerlichen Brennapparats von Christop in der Brennerei von Sänitz das Verfahren jedem Interessente gezeigt werden. Ein dritter derartiger Apparat ist der von Kyll in Bayenthal bei Cöln ausgestellte „Ilges⸗Universal Maisch⸗Destillir⸗Apparat“, gleichfalls patentirt. Er war jedoch nicht gangbar und entzog sich somit der Beurtheilung. Vo Spiritusapparaten und Brennereimaschinen sind noch diejenigen der Herren Vennleth u. Ellenberger in Darmstadt erwähnenswerth. E Ellenbergerscher Maischapparat ist in voller Thätigkeit und übe rascht durch die Einfachheit seiner Konstruktion und die vorzügliche Beschaffenheit der Maische läßt beurtheilen, in welch sicherer und kräf⸗ tiger Weise der Apparat wirkt. Diese Gruppe befindet sich in der auf dem Hofe neu errichteten zweiten Maschinenhalle, in welcher auch noch zahl⸗ reichere andere Maschinen, meist Hülfsmaschinen, die zur Spiritut⸗ fabrikation dienen, ausgestellt sind. Der Raum verbietet uns, se hier alle namhaft zu machen. Doch zeigen sie alle ein elegant Aeußere und vorzüglich feste Konstruktionen. In einer daran gre⸗ zenden offenen Halle sind auch eine große Anzahl Maschinen un Rohprodukte ausgestellt und auf einer angrenzenden Ackerfläche arbe tete ein Dampfpflug mit tiefem und flachem Grubber von Dietrie der die allgemeine Aufmerksamkeit erregte. b

Die Ausstellung wird schon am Sonntag, den 5. März cr., schlossen werden; sie war am letzten Sonntag von 1800 Persone besucht. Das Comité wird am nächsten Donnerstag wiederum e Concert veranstalten. *

Redacteur: Riedel. Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner Sechs Beilagen (einschließlich Boͤrsen⸗Beilage).

Szjene gesetzt.

fugnisse zu

Kommission werde nun ergeben, d

3 nicht

zum

chen Reichs⸗Anz

Berlin, Dienstag, den 28. Februar

ammnnönn

xußen. Berlin, 28. Februar. m weitere Verlaufe der gestrigen (21.) Sitzung trat e Haus 8 Abgeordneten in die erste Berathung des Entwurfs eines Gesetzes ein, betreffend die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der unmittelbaren Staatsbeamten und in Verbindung damit: Berathung des Antrages des Ab⸗ geordneten Dr. Virchow, betreffend die Vorlage der beiden Gesetzentwürfe über die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der unmittelbaren Staatsbeamten und über die Ab⸗ änderung des Pensionsgesetzes vom 27. März 1872 an das Herrenhaus. lautet: „Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: 1) Die Seitens der Königlichen ö twürfe, betreff er Gesetzentwürfe, betreffend die Fürsorge für die Wittw Waisen der unmittelbaren Ete ütesere; und geiteffesd und Abänderung des Pensionsgesetzes vom 27. Mär; 1872, an das Herrenhaus verstößt gegen den Artikel 62 der Verfassungs⸗ urkunde, wonach Finanzgesetzentwürfe zuerst dem Hause der Ab⸗ geordneten vorzulegen sind; 8

8 8” 11““ wird beauftragt, darüber hen, velcher Weise ivilegi s der Ab⸗ Saes eetg schküch if2- se das Privilegium des Hauses der Ab Der Abg. Dr. Virchow befürwortete seinen Antrag. Die Stellung der Staatsregierung zu der Vorlegung dieses Ge⸗ setzes und der Novelle zum Pensionsgesetz sei im Herrenhause dahin erläutert worden, daß sie einen Konflikt nicht gesucht Er nehme von dieser Erklärung mit voller Loyalität

auch sein Antrag habe keineswegs den Zweck, einen solchen herbeizuführen. Es handele sich nur um eine Unklar⸗ heit in den einschlägigen Verfassungsbestimmungen; nach Art. 62 sollten Finanzgesetze zuerst dem Abgeerdnetenhause vorgelegt werden. Die ganze HKeftigkeit des Streites, der ja im anderen Hause ziemlich akut geworden sei, habe sich um die Frage gedreht: „Was sei ein Finanzgesetz?“ Es sei ihm nun nicht ganz verständlich, warum die Juristen so große Schwierigkeiten mit der Auffindung einer genügenden Definition gemacht hätten. Bei Eintritt in die Revisionsberathungen über die Verfassung auf Grund der Allerhöchsten Botschaft von 1850, wodurch die Kompetenzen beider Häuser des Landtages anderweitig geregelt seien, habe festgestanden, daß Finanzgesetze, d. h. Gesetze, die sich mit Geldangelegenheiten beschäftigten, zuerst dem Abgeordneten⸗ hause vorzulegen seien. Jetzt sage man, Finanzgesetze seien solche, die ausdrücklich im Artikel der Verfassung „Von den Finanzen“ erwähnte Materien behandelten. Der Finanz⸗ Minister sage weiter, es handle sich hier um ein politisches Gesetz. Der Finanz⸗Minister möge ihm verzeihen, er (Redner) habe bei allen Studien im Staatsrecht den Ausdruck „politisches Gesetz“ nicht entdeckt; er wisse nicht, ob es eine Erfindung vom Finanz⸗Minister sei, jedenfalls habe derselbe ihn zuerst gebraucht und die Juristen des andern Hauses hätten ihn mit einer gewissen Vorliebe acceptirt. Auf diese Weise würde man bald alle Gesetze, z. B. die Gesetze über die Eisenbahn⸗Verstaatlichungen, als politische Gesetze können; man brauche

erfolgte

dem Herrenhause zuerst vorlegen blos die Eisenbahnpolitik vorzuschieben, um die Ausgaben lediglich als Konsequenz dieser Politik zu bezeichnen. In dieser 8 Beziehung konstatire er, daß die gegenwärtigen beiden Gesetze eine künstige dauernde Belastung des Staatshaushalts von 9 677 000 herbeiführen würden. Ob das erst später im Etat vom Abgeordnetenhause gefordert werde oder nicht, das Abgeordnetenhaus sei dann durch das Gesetz gebunden, und jede Freiheit der Bewegung in einer so wichtigen Etatsange⸗ legenheit sei damit abgeschnitten, obwohl die Sache von größ⸗ tem Einfluß auf das Gebahren der Finanzverwaltung sei. Der Minister meine, die Finanzen würden nur mittelbar ge⸗ roffen; er aber sage: die Finanzen würden im Tenor des Gesetzes ganz unmüittelbar berührt und die Verpflichtung des Staates ohne Weiteres festgelegt. Bei dem zur Hülfe heran⸗ gezogenen Viehseuchengesetz liege die Sache durchaus nicht so, dort heiße es: Wenn eine Seuche ausbreche, werde das Vieh getödtet und der Besitzer entschädigt u. s. w.; das seien ganz extraordinäre Aus⸗ gaben, die man nicht etatisiren könne. Hier aber habe man s mit einer Ausgabe im Ordinarium zu thun. Die von der Regierung im Herrenhause angeführten Präzedentien träfen nicht die Sache, dagegen seien alle Pensionsgesetze stets zuerst diesem Hause vor elegt worden; erst der jetzige Finanz⸗ Minister habe gefunden, daß ein solches Pensionsgesetz nur mittelbar die Finanzen berühre. Wolle nun das Haus der Abgeordneten bestimmte Gesetze für die vorgängige Berathung es Herrenhauses freizugeben sich entschließen, so wäre das ja eine staatsrechtlich zu untersuchende Frage; daß aber die Re⸗ gierung ohne Weiteres im Widerspruch mit der Praxis solche Gesetze an das Herrenhaus schicke, widerstreite vollstandig der Allerhöchsten Botschaft von 1850. Von allen Ministerien sei nit großer Sorgfalt die bisherige Praxis festgehalten worden. Dem Herrenhause könne man nicht ganz den Vorwurf er⸗ sparen, daß dort von Zeit zu Zeit und meistens von denselben Personen Versuche gemacht würden, das nach 1850 demselben verbliebene Recht zu erweitern; solche Versuche seien schon inmittelbar nach der Feststellung der Versassung von 1850 in Besonders 1865 bei Gelegenheit des Entwurfs der Versorgung der Militärinvaliden habe

as Herrenhaus den Versuch gemacht, seine Be⸗ erweitern. Dieser Versuch sei aber im Abgeordnetenhaus abgewiesen. F Untersuchung einer 8 zwischen den vorgelegten Gesetzen und den regierungsseitig angezogenen Präzedentien ein wesentlicher, großer Unterschied bestehe. Auf Kleinigkeiten würde er gar nicht eingehen, minima non curat praetor vor den an dies Haus gelangten Gesetzen jedoch müsse auch eine nachgiebige Fberprchetiog Halt machen. Wenn ein Gesetz auf die Aufstellung des Etats präjudiziellen Einfluß ausübe und die Häuser des Landtages in bestimmtem Sinne vinkulire, so sei dies ein Finanzgesetz. Auf die guten Absichten der Regierung den Beamten gegenüber könne man sich zurückziehen; hier handele es sich vorzugsweise

um eine Geldangelegenheit. Der Finanz⸗Ministe

von politischen Erwägungen, e.enns die b. Beamten nicht schlechter stellen, als die Neichsbeamten, die Regierung wolle nicht in die Lage kommen, daß ihr von gewissen Parteien gesagt werden könne, sie thäte nichts für die Beamten. Das letztere sei doch eine etwas kleinliche Auf⸗ fassung; am wenigsten müsse man wünschen, erst den Druck gewisser Parteien vorgeführt zu sehen, als ob es sich um einen Wettlauf für de Erleichterung der Beamten handele. Alle Parteien hätten im Gegentheil gleichmäßig ein Interesse daran, die Sache zu unterstützen, und darum sei es doppelt bedauerlich, daß die Gesetze unter Umständen an dies Haus gelangten, die zu einem Konflikt Veranlassung geben könnten. Er verstehe in der That nicht, ob die Frage dem Herrenhause Material zur Beschäftigung zu überweisen groß genug gewesen sei, um alle schweren Bedenken gegen die Vorlegung der Gesetze an das Herrenhaus zu beseitigen. Eine eingehende Prufung auf kommissarischem Wege sei unerläßlich, die Grenze müsse endlich einmal deutlich markirt werden. Er habe den Wunsch gehabt, die Frage von der Geschäftsordnungskommis⸗ sion prüfen zu lassen; nachdem jedoch die Gesetze inzwischen auch materiell zur Berathung vorlägen, sei der zweite Theil seines Antrags nicht mehr aufrecht zu erhalten und sei er damit einverstanden, daß der eventuell zu wählenden Kom⸗ mission auch sein Antrag überwiesen werde.

Hierauf ergriff der Finanz⸗Minister Bitter das Wort:

Zunächst muß ich meine Befriedigung darüber aussprechen, daß der Herr Vorredner von vornherein anerkannt hat, daß die Regie⸗ rung bei Einbringung dieser Gesetze im Herrenhaus auf einem loyalen Standpunkt gestanden habe. Er hat dann hinzugefügt, was uns ja nur sehr erwünscht sein kann, daß er bei Stellung seines Antrages den Wunsch gehabt habe, Unklarheiten aus den bisherigen Verhält⸗ nissen zu entfernen, in der bisherigen Praxis eine gewisse Klarstel⸗ lung herbeizuführen. Dem kann die Regierung nur beipflichten. Wenn er bei dieser Gelegenheit im Anfang seiner Rede gesagt hat, ich hätte im Herrenhause dieses vorliegende Gesetz ein politisches Gesetz genannt, so glaube ich, ist er doch im Irrthum. Ich habe diesen Ausdruck nicht gebraucht. Ich habe allerdings, nachdem ich verschiedene Erklärungen aus dem Reichstag über die Nothwendigkeit dieses Ge⸗ setzes mitgetheilt hatte, wörtlich mich folgendermaßen ausgesprochen:

„Aus diesen beiden sehr bemerkenswerthen Aeußerungen, glaube ich, wird man den Charakter des Gesetzes und die Motive für das Verfahren der Koͤniglichen Staatsregierung, aus welchen sie das Gesetz dem hohen Hause zuerst vorgelegt hat, sehr wohl erkennen können. Es handelt sich um psiitische Erwägungen. Wir können die preußischen Beamten nicht in den Zuständen lassen, in denen sie sich befinden, seitdem die Reichsbeamten in bessere Verhältnisse übergetreten sind. Wir können sie nicht zu Beamten zweiter Klasse herabsetzen wollen.

Das sind politische Gründe für uns, welche auch der Herr Vor⸗ redner wird anerkennen müssen, und ich muß meinerseits an diesem Standpunkt festhalten. Er hat nun bemerkt, daß es vielleicht etwas kleinlich von mir gewesen sei, wenn ich in Bezug auf die Bemerkun⸗ gen, die ich in Bezug auf die Beamten dort gemacht hatte, hinzu⸗ gefügt habe, daß wir uns von den Parteien nicht den Rahg wollten ablaufen lassen. Es ist anders ausgedrückt, aber seine Auffassung ist es doch wohl gewesen. Ich glaube, daß er aus den Worten, die ich dort gesprochen habe, nicht wird entnehmen können, daß ich eine Partei in diesem Hause im Auge gehabt hätte. Das ist auch in der That nicht der Fall gewesen, aber daß ich reiche Veranlassung gehabt habe, diese Bemerkung zu machen, das möchte ich Ihnen doch aus zwei sehr bemerkenswerthen Druckschriften mittheilen, die bei Ge⸗ legenheit der letzten Wahlen insbesondere über die Beamten verbrei⸗ tet worden sind. Es ist betitelt mit Nr. 5 ein Blatt vertheilt wor⸗ den besonders in meinem Wahlkreise, welches überschrieben ist „Lehr⸗ reiche Beispiele’. Da wird von Nr. 1 bis Nr. 42 an jeden irgend denkbaren Theil der Bevölkerungsklassen eine Erklärung abgegeben, wie die Regierung die Interessen der Bevölkerung vernachlässigt habe, wie sie ihnen nicht entgegenkäme, wie parteimäßig die Sache ganz anders gestaltet sein würde, als sie zum Wohl der Bevölkerungsklassen sich jetzt gestalten müßte. Es sind da alle einzelnen Klassen ausdrücklich vorgeführt, Ladenbesitzer, Tabaksindustrielle, Wärterpersonal, Ver⸗ sicherungsagenten, Trödler (und in Parenthese: siehe Rechtskonsulen⸗ ten) und es ist dabei natürlich auch ein Passus über die Beamten. In dieser Stelle heißt es nun wörtlich:

Aus diesem Grunde muß auch bei Einführung des neuen Ver⸗ sorgungssystems für die Hinterbliebenen, Wittwen und Waisen ein Gehaltsbeitrag von 3 % erhoben werden. Auch steht die Aus⸗ dehnung dieses Versorgungssystems auf Landesbeamte aus finan⸗ ziellen Gründen noch in weiter Ferne.

Es ist noch vorher gesagt worden: Bei Verstaatlichung der Eisen⸗ bahnen können die Regierungen ihren Verpflichtungen gegen die Beamten nicht mehr nachkommen. 8 „Es ist dann ein anderes ähnliches Flugblatt erschienen: „Warum die große Mehrzahl der Beamten entschieden liberal wählt.“ Nun, wenn das Thatsache war, dann war es ja eigentlich nicht nöthig, das noch in einem Flugblatt zu publiziren. Dieses Flugblatt, für das ich weder den Herrn Vorredner, noch seine Partei hier verant⸗ wortlich machen kann, ist ein solches, welches in einer ganz erheb⸗ lichen Weise die Disziplin der Beamten zu lockern bemüht ist.

Ich würde es sehr gern vorlesen, wenn es nicht zu lang wäre. Wenn es mir aber erlaubt ist, wenigstens einen Theil davon mitzu⸗ theilen, dann werden Sie sich umsomehr davon überzeugen, daß ich einige Berechtigung gehabt habe, die Bemerkungen im Herrenhause zu machen, als gerade hier in diesem Fall die Versorgung der Wittwen und Waisen der Beamten mit in Frage steht. Es heißt da also:

Die gegenwärtige Richtung der Gesetzgebung schädigt, wie sie den allgemeinen Interessen des Volkes zuwiderläuft, auch die davon unzertrennlichen Interessen des Beamtenstandes. Die Ausbildung des indirekten Steuersystems, die Vermehrung und Erhöhung der allgemeinen Verbrauchsabgaben vertheuert den Lebensunter⸗ halt, ohne daß die vom Fürsten Bismarck im Dezember 1878 den Beamten gemachte Zusagung einer entsprechenden Erhöhung ihres Einkommens in Erfüllung ginge. Ebenso un⸗ erfüllt bleibt das vom Fürsten Bismarck am 2. Mat 1879 vor Einführung der neuen Zölle gegebene Versprechen der Befreiung der Beamten von der Einkommensteuer, auch die bessere Versorgung der Hinterbliebenen der Beamten, obwohl von allen Parteien gleich⸗ mäßig gutgeheißen, wird in ihrer allgemeinen Durchfüͤhrung auf⸗ ehalten durch das Uebermaß von Versprechungen, mit welchen dle

inanzen des Staates von allen Seiten belastet werden.

Es sind also hier in einer sehr bemerkenswerthen Weise von den Parteien, die, wie ich übrigens anerkenne, außerhalb des Hauses stehen, und von denen ich auch nur gesprochen 75 derartige Be⸗ merkungen gefallen, welche dem Beamtenstande die Ueberzeugung geben ollen daß die Regierung das Interesse für ihre Verhältnisse nicht abe, welches sie nach Ansicht der Urheber dieser Flugblätter haben müßte und was sie doch auch wirklich hat.

Nun hat der Hr. Abg. Virchow sich im Wesentlichen auf die

Allerhöchste Botschaft im Jahre 1850 bezogen, die ja in Bezug auf

die staatsrechtlichen Verhältnisse die Grundlage der späteren Ver⸗ fassungsbestimmung über die Finanzen gewesen ist; das wird ja gar nicht in Abrede gestellt, steht auch historisch fest. Die Staatsregierung hat, wie die Verhältnisse im Augenblicke stehen, keine Veranlassung, sich auf andere Grundlagen zu stützen, als auf die Verfassung selbst, wobei ich anerkenne, daß die Allerhöchste Botschaft von 1850 cine Grundlage unserer Verfassung gewesen ist, sie sagt aber nichts an⸗ deres, als was in der Verfassung selbst demnächst seinen Ausdruck ge⸗ t nun die Verfass

Was sagt nun die Verfassung? Sie sagt nicht absolut, daß na gewissen Seiten hin das Abgeordnetenhaus ge nich die vrt, dag. ac Gesetze haben solle, sondern sie stellt an die Spitze des Art. 62 den Grundsatz, daß beide Kammern jetzt das Herrenhaus und das Abgeordnetenhaus mit der rone gemeinschaftlich die Gesetzgebung zu führen haben, und in ihrem dritten Ab⸗ satz enthält die Verfassung die Priorität dieses Hauses in Bezug auf Etats⸗ und Finanzverhältnisse. Das wird nach keiner Seite hin irgendwie bezweifelt. Auf der andern Seite sind sehr leb⸗ hafte Klagen an die Staatsregierung gelangt von Seiten des Herren⸗ hauses, daß es in seinem verfassungsmäßigen Rechte der Mitwirkung bei der Gesetzgebung wesentlich dadurch geschädigt werde, daß ihm sehr wenige Vorlagen überhaupt und diese Vorlagen meist erst in einer sehr fern gerückten Zeit des Zusammenseins des Herrenhauses zugingen, so daß es wochen⸗ und monatelang außer Thätigkeit sei und die Mitglieder nicht wüßten, wie sie hier die Zeit ihrer Berathung ausfüllen sollen.

Diese Klagen sind von der Staatsregierung als berechtigt an⸗ erkannt worden und sie hat den Wunsch gehabt, so weit es möglich war, dem Herrenhause entgegenzukommen. Dies läßt sich natur⸗ gemäß nicht anders ausführen, als dadurch, daß bei der Vertheilung der Geschäfte zwischen beiden Häusern im Anfange der Sitzungs⸗ periode überlegt wüͤrde, wie die Geschäfte vertheilt werden könnten, und es ist bei dieser Gelegenheit sorgfältig in Erwägung gezogen, ob gerade die beiden Gesetze, die hier vorliegen, einen solchen Charakter hätten, der es nothwendig machte, sie zuerst dem Abge⸗ ordnetenhause zur Berathung vorzulegen. Die Staatsregierung hat sich wie ich mit Bedauern anerkennen muß, nicht in Uebereinstim⸗ mung mit dem Hrn. Dr. Virchow dahin entschieden, daß es zulässig sei, diese beiden Gesetze, welche sie nicht als Finanzgesetze anerkennen kann, ‚zuerst dem Herrenhause vorzulegen. Sie sind im Herrenhause, zunächst in der Kommission und dann auch im Plenum selbst, einer lebhaften Diskussion begegnet, indessen sowohl in der Kommission als im Plenum des Herrenhauses hat sich die über⸗ wiegende Majorität mit den Anschauungen der Staatsregierung ein⸗ verstanden erklärt.

„Nnun vill ich ja nicht sagen, daß man darum diese Frage als über jeden Zweifel erhaben hinstellen könnte, nichts destoweniger sind wir wenigstens nicht zweifelhaft gewesen über die Art, wie wir zu handeln hatten. Die Frage dreht sich immer darum: was sind Finanzgesetze? und sind diese beiden vorliegenden Gesetze Finanzgesetze? Sie werden vielleicht wissen und anerkennen, daß die Doktrin, die Theorie, die Wissenschaft über den Begriff des Finanzgesetzes keine Auskunft giebt, nirgend werden Sie in irgend einem wissenschaftlichen Werke den Begriff des Finanz⸗ gesetzes so erschöpfend dargestellt finden, daß man sich darüber ein klares Bild machen und eine Richtschnur finden könnte, nach dem man zu handeln in der Lage ist. Das ist nicht der Fall, die Regie⸗ r

rung hat he darauf durbigönn gesehen, aus Fee. G selbst den B iff der Finanzge im Sinne der Ve assung sich zu konstruiren und das glaube ich, wird im Allgemeinen wohl auch als das Richtige betrachtet werden.

Nun haben wir, wie auch Herr Dr. Virchow anerkannt hat, einen Titel über die Finanzen in der Verfassung. §. 99 spricht vom Budget, §. 100 von den Abgaben, §. 101 von den Bevorzugungen, die bei den Steuern aufgehoben werden sollen, §. 102 über die Ge⸗ bühren, die nur durch Gesetze erhoben werden follen, §. 103 von der Aufnahme von Anleihen und den Staatsgarantien, §. 104 von den Etatsüberschreitungen und der Kontrole der Finanzverwaltung. Wir sind aber keineswegs der Meinung, meine Herren, daß wir uns an diese in der Verfassung speziell genannten Begriffsbestimmungen binden wollen, wir erkennen an, daß es Gesetzentwürfe giebt, die sinngemäß, wenn auch nicht im eigentlichsten Sinne unter dem Begriss dieser Finanzgesetze wie sie die Verfassung ins Auge faßt, fallen und fallen können und Hr. Dr. Virchow hat ja schon von den Eisenbahnen ge⸗ sprochen und es ist Keinem eingefallen, die Eisenbahnvorlagen, die wir gemacht haben, anders zu betrachten, als solche, die in allen ihren Theilen doch recht eigentlich als Finanzgesetze im Sinne der Ver⸗ fassung zu gelten haben. Die Staatsregierung wird demgemäß auch ferner handeln und diese Fragen von Fall zu Fall in dem Sinne ent⸗ scheiden, den ich eben ausgesprochen habe, sie glaubt, daß sie damit verfassungsmäßig handelt und verfassungsmäßig ihre Pflicht erfüllt. Ich glaube auch nicht, daß die Bemerkung, die der Herr Vorredner gemacht hat, daß man jetzt an einem Scheidepunkte stehe, wo sich eine dem Abgeordnetenhause schädliche und vorgreifende Praxis aus⸗ bilden könnte, nach dem, was ich ausgesprochen habe, berechtigt sein würde. Ich wiederhole, wir werden im Sinne der Verfassung und auch im Sinne des Kaxitels über die Finanzen in jedem einzelnen Falle uns darüber schlüssig machen können und müssen, was wir für ein Finanzgesetz zu halten haben, und in diesem Sinne werden wir demnächst handeln.

MNun fragt es sich aber, sind die beiden vorliegenden Gesetze wirklich Finanzgesetze, wie dies der Hr. Abg. Dr. Virchow eben aus⸗ gesprochen hat. Die Regierung hat sich daher von Anfang an schlüssig gemacht und ich muß sagen, bei sehr eingehender Berathung dieser

rage in der Kommission des ““ und dem Herrenhause elbst haben wir uns davon immer mehr überzeugt, daß die Re⸗ gierung richtig gehandelt habe und daß sie den Privilegien des hohen Hauses in keiner Weise habe entge gentreten wollen und dies hat zu meiner Freude auch Hr. Dr. Virchow anerkannt.

„Weas sind denn diese beiden Gesetze? Ich gebe ja zu, daß sie eine finanzielle Wirkung haben, übrigens, wie auch anerkannt ist, nicht für den Augenblick, weder in diesem Jahre noch in Bezug auf den Etat des nächsten Jahres und wahrscheinlich auch noch für längere Jahre nicht. Ich glaube nicht, daß in einem der nächsten Etats, die ich etwa vorzulegen hätte oder einer meiner Herren Nachfolger diese Frage etatsmäßige Bedenken erregen könnte. Dagegen handelt es sich in der That hier um Gesetze, deren Schwerpunkt nicht in der Finanzlage, sondern in der Beamtenpragmatik liegt. Ich habe das im anderen Hause wiederholt und mit großer Ausführlichkeit dargethau, warum die Regierung nicht den Schwer⸗- punkt auf die finanzielle Wirkung, sondern auf die Thätigkeit und die Besoldungsverhältnisse der Beamten zu legen hat. Was die Wittwen und Waisen betrifft, so werden Alle, die einen Blick in die Beamten⸗ verhältnisse gethan haben, und ich glaube, Sie werden mir, der ich nun sehr lange Jahre in Stellungen bin, die mir einen erweiterten Blick in diese Verhältnisse gestatten zugeben, daß ich darüber urtheilen kann, und alle Diejenigen, die einen folchen Blick in die amtlichen Beamtenverhältnisse gethan haben, werden mit mir über⸗ einstimmen, daß nichts drückender, nichts schwerwiegender, nichts nieder⸗ chlagender für den Beamten ist, als wenn er bei der Erfüllung seiner se die wir von ihm im höchsten Maße fordern müssen, mit der orge belastet ist, für seine Hinterbliebenen; das ist die erste und