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Entschädigungen der Händler und der Fabrikanten, denen mit
der Einführung des Monopols in vielen Fällen die Möglich⸗ keit genommen werde, das zu erreichen, was sie bei der Be⸗ ründung ihrer Fabrik, ihres Geschäftes gewissermaßen als bie Aufgabe ihres ganzen Lebens angesehen hätten, in der⸗ selben reichlichen Weise entschädigen, wie der Gesetzentwurf es den Arbeitern gegenüber beabsichtige. Auch die Taback⸗ händler, nicht blos die Fabrikanten, würden übrigens für das in den Geschäften festliegende Kapital (Lokalitäten und sonstige Einrichtungen) zu entschädigen seien. 1
Hr. Schöpplenberg glaubt aus dem Umstande, daß die Staatsregierung der Entschädigung die Erträge der für die Tabackindustrie ungünstigen Jahre 1880, 1881 und 1882 zu Grunde legen wolle, den Schluß ziehen zu müssen, daß der Fiskus überhaupt gar keine Entschädigung geben wolle. Unter allen Umständen müsse aber hinsichtlich der Feststellung der Entschädigungen schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen die Beschreitung des Rechtsweges offengelassen werden.
Hr. Baare bezeichnet es gleichfalls als wünschenswerth, daß auch den Inhabern der im Zollauslande belegenen Etablissements die im Gesetzentwurf in Aussicht genommenen Entschädigungen zugewendet werden. Auch er bedauert, daß die nicht⸗preußischen Staaten, und namentlich Bremen, im Volkswirthschaftsrath nicht vertreten seien, muß hierfür aber vor allen anderen die Vertreter derselben im Reichstage ver⸗ antwortlich machen. Den Vorrednern, welche die Sö des Entwurfs in Betreff der Entschädigung bemängelt hätten, erwidere er, daß die Tabackindustrie durch die Fortdauer des
egenwärtigen unsicheren Zustandes vorzugsweise würde ge⸗ schadigt werden. Eine 1“ der Rohtabackhändler für das in den Geschäftslokalen steckende Kapital sei wohl nicht gerechtfertigt. Er erinnere daran, wie ihrerzeit die Eisen⸗ zölle herabgesetzt worden seien, ohne daß den Fabrikanten irgendwelche Entschädigung gewährt worden, obwohl durch diese Maßregel zahlreiche Hochöfen und sonstige Anlagen vollständig entwerthet worden seien. Redner ist überzeugt, daß die Monopolverwaltung bei Herstellung ihrer Fabrikate es ebenso gut verstehen werde, den Geschmacksrichtungen des Publikums zu entsprechen, wie die Privatindustrie.
Hr. Leuschner tritt den IEö des Hrn. Breithaupt darin bei, daß die Arbeiter in den Betriebsanstalten des Staates nicht ungünstiger gestellt seien, als die seitens der Privat⸗ industrie beschäftigten, bestreitet dagegen, daß die letztere Ar⸗ beiter im Alter von mehr als 35 Jahren ausschließe, es werde vielmehr gewöhnlich eine Altersgrenze von 45 bis 50 Jahren eingehalten. Hinsichtlich der Bemängelung der Entschädigungen weist auch dieser Herr Redner He hin, daß früher bei ähn⸗ lichen Vorgängen, wie bei der Herabsetzung der Eisenzölle, den betroffenen Industriellen gar keine Entschädigung gewährt worden sei, bezeichnet eine Entsch aiguüng der Tabackindustrie bei Einführung des Monopols gleichwohl als angemessen, es sei dieselbe jedoch in solchen Grenzen zu halten, wie sie durch das allgemeine Interesse vorgezeichnet würden. Uebrigens sei das Rauchbedürfniß der Deutschen so groß, daß er die Be⸗ fürchtung einer Verringerung des Konsums selbst bei einer Verschlechterung der Fabrikate und Erhöhung der Preise kaum für gerechtfertigt halten würde. Die Erfahrung lehre, daß der Deutsche selbst in den Monopolländern trotz der angeblich schlechteren Tabackfabrikate derselben den Genuß des Rauchens nicht einschränke. Die behauptete ö Qualität der Monopolfabrikate müsse er übrigens bezweifeln. Unter dem Monopol erhalte man jedenfalls reinen Taback, während die Privatindustrie vielfach Surrogate verwende. .
Hr. Björnsen macht auf die eigenthümliche Lage Altonas in Bezug auf die Frage des Zollanschlusses aufmerksam, und befürwortet, hier jedenfalls die Inhaber der im Zollauslande belegenen Etablissements von vornherein mit angemessenen Entschädigungen zu bedenken.
Hr. Burghardt bemängelt, daß in §. 60 der Vorlage der Ankauf im Zollauslande für Inlandsrechnung lagernder Tabackvorräthe nicht vorgesehen sei und bezeichnet den Aus⸗ schluß des Rechtsweges bei Feststellung der Realentschädigungen als eine besondere Härte. Die Jahre 1880 — 1882 dürften bei Feststellung der Entschädigungen ebensowenig zu Grunde gelegt werden, wie das Jahr 1879, welches der Tabackindustrie be⸗ sondere Vortheile gebracht habe. Die nach §. 67 Alinea 2 be⸗ absichtigte Versagung jeder Entschädigung für den Fall der Ablehnung einer Stelle im Dienste der Monopolverwaltung involvire einen ungerechtfertigten schweren Eingriff in die per⸗ sönliche Freiheit. Uebrigens seien die Konsequenzen einer Ver⸗ staatlichung der Tabackindustrie für den einzelnen Tabackfabri⸗ kanten und Händler viel einschneidender als z. B. die Expro⸗ priation eines Rittergutes für den Eigenthümer desselben, da dem Ersteren nicht blos seine Fabrik, sein Geschäft genommen, sondern auch die Möglichkeit entzogen werde, sich durch die winichtung eines anderen gleichartigen Unternehmens Ersatz zu schaffen.
Hr. Delius wünscht eine volle ausreichende Entschädigung der Interessenten, ganz besonders der kleinen Hausindustrie, soweit diese durch das Monopol beeinträchtigt werde. Auch er halte die Jahre 1880 — 82 für geeignet, bei Feststellung der 8 — zu Grunde gelegt zu werden, aber deshalb, weil diese seines Erachtens für die Tabackindustrie besonders ergiebig gewesen seien. Ein pretum affectionis könne übrigens mit den Entschädigungen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nicht gewährt werden.
Hr. Krüger ist dagegen der Ansicht, daß bei Berechnung der Entschädigungen auf Grund des Ertrages der Jahre 1880/81 manche Entschädigungsberechtigte nichts erhalten wür⸗ den, da sie in diesen Jahren nicht einmal 5 Proz. des An⸗ lagekapitals erzielt hätten. Eine Entschädigung der Taback⸗ pflanzer für die ihnen aus der Einführung des Monopols erwachsenden Nachtheile könne nicht, wie im §. 68 in Aussicht enommen, im Wege der Unterstützung erfolgen, vielmehr 25 auch hier berechtigte Ansprüche auf Schadloshaltung an⸗
zuerkennen.
Hr. Rosenbaum wendet sich gleichfalls gegen die Berech⸗ nung der Entschädigungen nach den Betriebsergebnissen der Jahre 1880/82, in benen der große Fabrikant sich durch Aus⸗ beutung der mit der Zollerhöhung der Jahre 1879 ge⸗ schaffenen Lage besondere Vortheile verschafft, während der 3 Sehee Mitteln ausgerüstete ungünstige Resultate er⸗ zielt habe.
Hr. Kalle will ebenfalls die Jahre 1880/82 als anormale nicht in Betracht gezogen R8s und befürwortet drei weiter zurückliegende Jahre zu wählen, oder den Durchschnitt über⸗ haupt für einen längeren Zeitraum zu berechnen. Der Herr Redner fragt sodann an, für welchen Zeitpunkt die Auszahlung der Entschädigungen in Aussicht genommen werde.
Gegen die Annahme der Jahre 1880 bis 1882 als Grund⸗
lage für die Feststellung der Entschädigung wenden sich auch die Herren Hagen und Brockhoff. Ersterer weist auch darauf hin, daß die Bewilligung von Kapitalentschädigungen an die kleinen Händler und Arbeiter nicht im Einklange stehe mit den Auffassungen, welche der Volkswirthschaftsrath bei Verathung des Unfallversicherungsgesetzes im Vorjahre einstimmig ver⸗ treten habe. Einen — und zwar den einzigen — Grund für Annahme des Monopols würde Redner darin finden können, wenn den Tabackverschleißern das Kreditgeben untersagt und damit dem schädlichen Borgwesen entgegengetreten werden sollte.
Hr. Brockhoff erachtet es für äußerst schwierig, festzu⸗ stellen, wann anzunehmen sei, daß ein Händler seinen Erwerb „ausschließlich“ oder „überwiegend“ aus dem Tabackhandel gezogen habe, und befürchtet willkürliche Handhabung dieser Bestimmungen durch die steuerfiskalischen Behörden.
Hr. Lobeck macht auf die üble Lage aufmerksam, in welche Personen vorgerückten Alters gerathen können, wenn ihnen der Betrieb ihrer Tabackgeschäfte entzogen und sie, unfähig zur Wahrnehmung anderer Geschäfte, mit einem Kapital ab⸗ Fheren werden, dessen Zinsen zu ihrem Unterhalt nicht aus⸗ reichen.
Hr. Hessel bemerkt, daß viele der kleineren Fabrikanten den Verkauf ihrer Unternehmungen an den Staat mit Freu⸗ den begrüßen würden, und glaubt, davor warnen zu sollen, daß hinsichtlich der großen Fabrikanten und Händler, nament⸗ lich auch in Bremen und Hamburg, welche neuerdings in Folge der Erhöhung der Steuer noch besondere Vortheile genossen hätten, zu liberal verfahren werde.
Auf die Bemerkung des Herrn Kalle, daß die hier in Rede stehende Verstaatlichung der Tabackindustrie nicht in Parallele gezogen werden könne mit der von mehreren Red⸗ nern hervorgehobenen Reduktion der Eisenzölle, da es sich in dem einen Fall um die Aufhebung einer ganzen Industrie, in dem anderen blos um die Beschränkung eines Schutzes han⸗ dele, entgegnet Hr. Leuschner, daß es sich hier nur um die Konsequenzen dieser Maßregeln handele, welche durch⸗ aus dieselben seien, nämlich die Unterdrückung oder Gefähr⸗ dung einer Reihe von Existenzen.
Der Regierungskommissar, Hr. Unter⸗Staatssekretär Dr. von Mayr, macht darauf aufmerksam, wie bei der Frage der Entschädigungsleistung an die Privatindustrie der Stand⸗ punkt festzuhalten sei, daß es sich um die Zuwendung von Geldleistungen an bestimmte Interessentenkreise aus den all⸗ gemeinen Staatsmitteln handele. Von diesem Gesichtspunkte aus erschienen die Vorschläge des Entwurfs so weitgehend, wie es bisher für ähnliche Verhältnisse ganz unerhört sei. Aehnliche „Eingriffe in die freie Bewegung“ und in „die Interessen der Einzelnen“ seien im Staatsinteresse schon sehr oft erfolgt und würden immer wieder nöthig werden. Eine gleiche Sicherung der Interessen der Betroffenen sei nicht immer möglich. Durch die unlängst erfolgte Einführung eines neuen Schanksteuergesetzes für Elsaß⸗Lothringen sei z. B. mit einem Schlage eine Reduktion der Zahl der Schankstellen um 2000 eingetreten, ohne daß die betroffenen Schankwirthe irgend welche Entschädigung erhalten hätten. Das vorliegende Pro⸗ jekt sei für die Interessentenkreise ganz bedeutend günstiger, als frühere Vorschläge, namentlich auch als die der bekannten Delbrückschen Denkschrift, in welcher eine Entschädigung der Händler überhaupt nicht in Aussicht genommen sei.
Was Bremen anlange, so könne eine Entschädigung der dortigen Tabackindustrie im Rahmen dieses Entwurfs der
Natur der Sache nach nicht eintreten. Hier würden eventuell!
andere Vorschläge zu machen sein, die man auch aus dem Schooße des Postswirthschaftsrachs gern entgegennehmen werde. Daß die Verhältnisse Altonas besondere Berücksichti⸗ gung verdienten, sei anzuerkennen. Auch hier könne jedoch mit dem vorliegenden Entwurf nicht geholfen werden, es werde ein anderer Weg zu suchen sein. Die mehrfach angezogene Analogie des Expropriation von Grundstücken treffe hier doch nicht zu. Sie würde nur dann zutreffen, wenn durch die Einführung des Monopols die ganze persön⸗ liche Erwerbsthätigkeit der in Betracht kommenden Personen aufgehoben werde, was doch, wie auf der Hand liege, nicht geschehe. Hier werde nur ein Schnitt in die persönliche Thätig⸗ keit gemacht, der durch die zu bewilligende Geldentschädigung geheilt werde.
Im Einzelnen könnten ja manche Modifikationen der in Aussicht genommenen Bestimmungen bei der weiteren Berathung als wünschenswerth und ausführbar erscheinen. So sei die Bestimmung, daß Entschädigungen nur nach fünfjähriger Dauer des Betriebes gewährt werden sollten, ein Griff, der, wie ähnliche Vorschriften immer, einigermaßen willkürlich er⸗ scheinen könne. Eine feste Grenze müsse aber doch irgendwo gezogen werden. Für den in der Vorlage gewählten Weg sei die Erwägung maßgebend gewesen, daß seit diesem Zeitraum das Schicksal der Tabacindustrie ein einigermaßen Mheter haftes gewesen sei, und daß, wer sich in dieser Zeit derselben zugewendet habe, sich das Risiko, das er dabei laufe, habe klar machen können. Eine Abminderung der Härten, welche der⸗ artige Fristbestimmungen involviren, durch Einschaltung einer Zwischenstufe erscheine billig. Die Entschädigungen der Klein⸗ händler brauchten deshalb nicht in der Höhe gehalten zu wer⸗ den, wie die der Fabrikanten, weil jene nicht mit der ganzen Persönlichkeit für den Industriezweig engagirt seien wie diese. Rücksichtlich der Entschädigungen der Detaillisten sei übrigens zu beachten, daß dieselben neben der persönlichen Ent⸗ schädigung eine ausreichende Bezahlung für die Seitens der Monopolverwaltung zu übernehmenden Bestände in die Hand erhielten. Außerdem würden diese Personen bei Vergebung der Verschleißstellen selbstredend in erster Linie be⸗ rücksichtigt werden, zumal für die Uebergangszeit nichts im Wege stehe, zunächst eine größere Zahl von Verkaufsstellen einzurichten. Die Angaben des Hrn. Hagen über die Zahl der in der Tabackindustrie beschäftigten Arbeiter dürften kaum zu⸗ treffend sein. Die Taback⸗Enquete⸗Kommission habe 100 000 solche Arbeiter angenommen. Seitdem sei die Zahl notorisch zurückgegangen. Die Staatsregierung schätze die Zahl auf 80 000 bis 90 000. — Bezüglich der Anfrage des Hrn. Meyer (Celle) scheint es dem Redner unbedenklich, für die Bemessung des Zeitraums der Ausübung des Geschäftsbetriebes (§. 66) den Schwerpunkt auf das Bestehen der Firma zu legen. Bezüglich der gleichlautenden Anfragen der Herren Wesenfeld und Leyendecker verweise er auf Seite 13 der Erläuterungen zum Gesetzentwurf, wo es heiße:
„Für die Tabackfabrikanten, welche ihre Fabriken der Monopolverwaltung im Wege freihändigen Verkaufs überlassen werden, werden die Kaufpreise zugleich die Schadloshaltung, wegen des künftig entgehenden Ge⸗ schäftsgewinns, enthalten, weshalb in diesen Fällen 8 9 G — 2 8
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eine besondere Personalentschädigung nicht zu ge⸗ währen wäre.“
Wenn der letztere Vorredner hervorgehoben, daß die Ent⸗ deiecen der Arbeiter als besonders reichlich bemessen er⸗ schienen, so sei zu beachten, daß die Arbeiter nach dem Ent⸗ wurf in erster Linie verpflichtet werden sollen, in den Dienst der Monopolverwaltung zu treten, und daß Geldentschädigungen nur gewährt würden, wenn sie nicht eintreten können. Selbst⸗ redend sei es nicht angängig gewesen, es der freien Wahl jedes Arbeiters zu überlassen, ob er unter der Monopol⸗ verwaltung weiter arbeiten oder durch Kapital abgefunden werden solle.
Hrn. viüeee erwidert Redner endlich, daß die Jahre 1880 bis 1882 als Grundlage für die Bemessung der
intschädigungen Seitens der Staatsregierung mit vollster Loyalität gewählt seien. Das Jahr 1879 habe aus den schon von anderer Seite hervorgehobenen Gründen nicht gewählt werden können, ebenfalls die Jahre 1876 und 1877 nicht. Noch weiter in die Vergangenheit zurückzugehen, sei aus ge⸗ schäftlichen und wirthschaftlichen Gründen bedenklich erschienen. Für die gewählten Jahre spreche jedenfalls, daß sie das Bild der Verhältnisse für einen Zeitraum geben, welcher dem Zeit⸗ punkt der Beendigung des Privatbetriebes möglichst nahe liege, und daß auf diese Weise alle in Betracht zu ziehenden that⸗ sächlichen Momente gebührende Berücksichtigung finden könnten. Uebrigens warne er davor, die Verhältnisse der Jahre 1880 bis 1882 hier als zu ungünstig darzustellen, da hier⸗ aus möglicherweise bei Feststellung der Entschädigungen Schwierigkeiten erwachsen könnten. — Hrn. Kalle be⸗ merkt Redner, daß die Entschädigungen sofort, Zug um Zug, zur Zahlung gelangen würden. Auf die Bemer⸗ kungen des Hrn. Krüger erwidert derselbe, die bemängelte Bestimmung des §. 68 ad 1 betreffs der Bewilligung von Unterstützungen an Tabackpflanzer erkläre sich lediglich aus der Absicht, in Fällen der fraglichen Art alle thatsächlichen 11“ zur gebührenden Berücksichtigung kommen zu assen.
Nach einer persönlichen Bemerkung des Hrn. Kroos wird die Berathung geschlossen und die Vorlage zur Spezialbera⸗ thung an den permanenten Ausschuß verwiesen. Für dieselbe wird Hr. von Nathusius als Referent, Hr. Schöpplenberg als Korreferent bestellt.
Protokoll der dritten Sitzung des permanenten Ausschusses des Volkswirthschaftsraths.
Berlin, den 10. März 1882.
DDie Sitzung wird von dem Vorsitzenden, Direktor im Reichsamt des Innern, Bosse, um 11 ¼ Uhr eröffnet. Als Kommissarien der Staatsregierung sind anwesend: der Unter⸗Staatssekretär Hr. Dr. von Mayr, der Geheime Re⸗ gierungs⸗Rath Hr. Boccius und der Regierungs⸗Rath Hr. Dr. Roller.
Für den Kommerzien⸗Rath von Born ist der zweite Stell⸗ vertreter desselben, Fabrikant Paetsch, eingetreten.
Der Vorsitzende eröffnet die Diskussion über Abschnitt 5 §. 32 des Gesetzentwurfs, betreffend das Reichs⸗Tabackmonopol, und konstatirt, da sich Niemand zum Worte meldet, ohne Widerspruch die Annahme desselben.
Zu Abschnitt 6, §§. 33 bis 36, bemerkt Hr. von Nathu⸗ sius als Referent, daß ihm die Ausdehnung der Revisions⸗ befugniß der Steuerbeamten auf die Nachtzeit bei „Gefahr im Verzuge“ zu unbestimmt erscheine; er beantragt die Worte
„im Verzuge“ 8 zu streichen und durch die Worte „der Verdunkelung einer vermutheten Defraude“ zu ersetzen.
Nachdem sich der Regierungskommissar Hr. von May mit dieser Aenderung einverstanden erklärt hatte, konstatirt der Vorsitzende die Annahme der §§. 33, 34 mit der von Hrn. von ö“ beantragten Abänderung, sowie der §§. 35 und 36.
Zu Abschnitt 7 hat der Referent folgende Resolution beantragt:
der Volkswirthschaftsrath wolle beschließen, die Erwar⸗ tung auszusprechen, daß im Abschnitt VII. „Straf⸗ bestimmungen“ billige Rücksicht auf kleine nicht in schuldbarer Absicht oder im Bewußtsein einer Verschul⸗ dung begangene Uebertretungen, besonders auch der kleinen Tabackpflanzer, genommen werde, unbeschadet der nöthigen Strenge gegen eigentliche betrügerische Handlungen. Hr. Kade vermißt in der Vorlage eine Bestim⸗ mung, daß der Anbau von Taback auf kleinen Flächen steuerfrei sei; nach den Erläuterungen bestehe anscheinend eine solche Bestimmung, da dort von steuerfreiem, unbedeu⸗ tendem Anbau in verschiedenen Bezirken die Rede sei.
Hr. von Mayr erwidert, diese Bemerkung beziehe sich auf die Verhältnisse des Jahres 1878, seit 1879 aber gebe es keinen steuerfreien Tabackbau mehr und auf demselben Standpunkte bleibe auch die Vorlage.
Bei der nunmehrigen Abstimmung wird die obige Reso⸗ lution angenommen.
Zu Abschnitt 8 §§. 57 bis 60 bemerkt Hr. von Nathusius als Referent, die Einführung des Monopols werde, wenn sie der Vorlage entsprechend allmählich geschehe, laut einer ihm zu⸗ gegangenen Mittheilung der Industrie große Verluste bringen und die finanziellen Verhältnisse eines großen Theiles der Interessenten erschüttern. Die Uebergangszeit werde schwer sein, und der Entwurf der Uebergangsbestimmungen scheine nicht glücklich. Das Reich solle lieber gleichzeitig mit der Publikation des Gesetzes die ganze Fabrikation verbieten, mit der Uebernahme sämmtlicher Bestände, Maschinen u. s. w. sofort vorgehen und die Arbeiter bis zur Eröffnung des Regie⸗ betriebes etwa mit der Hälfte ihres Lohnes abfinden. Dies sei die einfachste Regulirung, der Entwurf aber werde in seiner Ausführung jeden geschäftlichen Verkehr sofort tödten, und alle Verhältnisse auf den Kopf stellen. Von der Bestimmung des §. 59 Abssr 3, welcher den Tabackfabrikanten verbiete, die Zahl ihrer Arbeiter über den Bestand am Publikationstage zu erhöhen, und sie nöthige, diesen Bestand, falls derselbe die durchschnittliche Arbeiterzahl der nächst vorhergehenden 12 Mo⸗ nate übersteige, entsprechend abzumindern, sei eine erhebliche materielle Wirkung nicht zu erwarten, die Bestimmung sei aber geeignet, Mißstimmung zu erwecken.
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(Schluß in der Zweiten Beilage.)
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eite Beilage nzeiger und Königlich Pre⸗
Berlin, Dienstag, den 14. Müärz
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Nr. 3
zu setzen:
sollten.
Hr. Schöpplenberg bemerkt zu §. 57, der parallele Betrie der absterbenden Privatfabrikation und der Monopolverwaltung werde die erstere sehr schädigen, weil die Verschleißer sich den Erzeugnissen der Regie zuwenden würden, falls nicht
von den Fabrikanten sehr billige Preise gestellt würden. Der
volle Uebergang aller Geschäfte mit dem Tage der Publikation des Gesetzes sei vorzuziehen. Zu §. 59 beantragt Redner im Absatz 3 die Worte: „und müssen diesen Stand“ bis cX“ Absatz 4 zu streichen.
Die im letzten Absatze dieses Paragraphen zugelassene Kontrole der Steuerbehörde sei eine unerträgliche Belästigung.
Hr. Kade wünscht zu wissen, wie am 1. Januar 1884 die Tabackfabrikate übernommen werden sollen, und glaubt, es müsse ein Weg gefunden werden, um die Inhaber von Vor⸗ räthen von der vorgeschlagenen hohen Nachverstenerung zu befreien.
Hrn. Leyendecker erscheint die Bestimmung im §. 60 Nr. 3 angemessen, vorausgesetzt, daß bei der Deklaration der Vorräthe nicht rigoros verfahren werde. Mit dem Referenten ist Redner dahin einverstanden, daß es kaum ausführbar sein werde, den Privatbetrieb neben der Regie fortzusetzen.
Hr. Wolff befürchtet, daß falsche Deklaration für Ver⸗ zollung hier und da vorkommen und auch in diesem Falle nicht ausbleiben würden. Er betont, daß der Staat nicht nur ein Recht, sondern auch im Interesse der Gerechtigkeit die Pflicht habe, die Zollerhebung streng durchzuführen, denn andernfalls würden die ehrlich ver⸗ zollenden Fabrikanten gegenüber ihnen minder gewissenhaften
Konkurrenten benachtheiligt.
Hr. Schöpplenberg spricht sich gegen eine belästigende Kontrole der Privatfabrikation aus. Schon sei in den letzten Jahren in dieser Beziehung die von ihm angemessen scheinende
renze durch starke Verminderung der Taravergütung über⸗ schritten.
Hr. Kochhann glaubt, daß der sofortige Uebergang der ganzen Tabackindustrie auf das Reich unausführbar sein werde, es fehle an Beamten und der Betrieb werde stocken; zu §. 59 sei er mit den Schöpplenberg'schen Anträgen einverstanden. Daß Zoll⸗ und Steuermaßregeln den davon Betroffenen störend
und lästig würden, sei unvermeidlich, es müsse aber dahin ge⸗
wirkt werden, daß wenigstens nicht die unteren Steuerbeamten in üft verletzender Weise den abzufertigenden Interessenten als der beabsichtigten Defraudation verdächtig behandelten.
Der Regierungskommissar, Hr. Unter⸗Staatssekretär von Mayr, widerspricht den laut gewordenen Vorwürfen gegen die preußische Zollverwaltung. — Wenn man die vorgeschlagenen Uebergangsbestimmungen verwerfe, so sei ein Stillstand nach Sistirung der Privatindustrie unvermeidlich, der besonders für die betheiligten Arbeiter weder moralisch noch finanziell wünschenswerth sei. Die Monopolverwaltung beabsichtige keineswegs, während der Uebergangszeit mit der Privat⸗ industrie zu konkurriren. Der Termin für das Auf⸗ hören der Privatindustrie, der eigentliche Einführungs⸗ termin des Monopols, sei der 1. Juli 1883. Der
Negie soll dann die Möglichkeit eröffnet sein, sich in den Besitz
von Fabriketablissements zu setzen und Waaren aufzuspeichern, um am 1. Januar 1884 den vollen Betrieb nach allen Rich⸗ tungen zu eröffnen. Dies erfordere so viel Vorbereitungen, daß es schon geschästlich unmöglich sein werde, dem Privat⸗ handel in dieser Zeit Konkurrenz zu machen. — Die im §. 59 vorgesehene Steuerkontrole Seh sich auf die Zeit zwischen der Publikation des Gesetzes und dem 1. Juli 1883. Eine derartige spezielle Ueberwachung einzelner Fabrikationszweige sei nichts Ungewöhnliches.
Alle zu den im §. 60 bezeichneten Terminen vorhandenen Waaren müßten von der Regie übernommen werden. — Die Frage, ein wie großer Vorrath beim Eintritt der Monopol⸗ verwaltung steuerfrei bleiben solle, sei von untergeordneter Bedeutung. Hervorzuheben sei nur, daß eine Erhöhung des vorgeschlagenen Quantums die reichen Leute den ärmeren gegenüber in Vortheil setze, weil sie allein große Vorräthe anschaffen könnten. 1
Hr. Kochann verwahrt sich dagegen, daß er ein pflicht⸗ treues Verfahren der Zoll⸗ und Steuerbeamten habe bemängeln wollen, seine Bemerkung habe sich nur gegen eine taktlose Ausübung dieser Dienstpflicht gewendet.
Hr. Kade befürwortet eine Erhöhung des im §. 60. steuerfrei belassenen Quantums Taback und be⸗ antragt statt 84
„5 Kilogramm’“
„ 10 Kilogramm... . “ „Hr. von Risselmann erkennt die Nothwendigkeit der im §. 57 vorgeschlagenen Uebergangszeit an. Schon die Ver⸗
meidung einer Pause, in welcher alle Arbeit in der Taback⸗
industrie ruhen würde, sei hierfür entscheidend.
Hr. Schöpplenberg ist der Ansicht, der Nachtheil der als unvermeidlich heseiehnctes Stockung, welche eintreten solle, wenn das Monopol mit der Publikation des Gesetzes in Kraft trete, sei für die Arbeiter nicht so groß, als derjenige, der die Fabri⸗ kanten treffe würde, wenn sie 6 Monate unter Aufwendung der sehr bedeutenden Generalkosten ohne Verdienst arbeiten Die sofortige Uebernahme der ganzen Tabackindustrie auf den Staat sei übrigens sehr wohl ausführbar.
Der Regierungskommissar, Hr. Unter⸗Staatssekretär von Mayr, macht darauf aufmerksam, daß unzweifelhaft in Bezu auf den Tabackbau behufs der Ertheilung der Anbauerlaubni und der Festsetzung der Preise die Thätigkeit der Monopol⸗ verwaltung alsbald nach der Publikation des Gesetzes eintreten müsse. Im Uebrigen aber könne unmöglich die Privat⸗ fabrikation mit diesem Zeitpunkte sofort aufhören, es entspreche das weder ihrem Interesse, noch dem der von ihr beschäftigten Arbeiter, noch dem des Reichsfiskus, welcher einer gewissen Vorbereitung dazu bedürfe, um in ganz Deutschland die Be⸗
dürfnisse im Umfange des bisherigen Konsums zu befriedigen. Es erscheine sodann angemessen, die ungemein mannigfaltigen Erzeugnisse der Privatindustrie auch durch Privathändler zum Verkauf bringen zu lassen. Die Uebernahme aller Vorräthe der Privatfabrikanten würde für die Regie vwiezig und nach⸗ theilig sein.
Hr. von Tiele⸗Winkler stellt, um jede Begünstigung der Wohlhabenderen gegenüber den Aermeren zu vermeiden, den Antrag:
1) In §. 60 Absatz 1 Nr. 3 in dem Zwischensatz von
„ sofern“ ab folgende Worte: „entweder“, „mehr als 5 Kilogramm betragen oder andernfalls“ zu streichen. 2) Im §. 60 Absatz 3 den Zwischensatz: „die letzteren (— bis —) 5 Kilogramm“ zu streichen. 88
Bei der nunmehr veranlaßten Abstimmung werden die §§. 57, 58, 59 mit dem Antrag Schöpplenberg angenommen. Zu §. 60 wird zunächst der Antrag Kade abgelehnt, sodann ein Antrag des Hrn. Grafen Henckel:
laatt 5 Kilogramm nur 1 Kilogramm steuerfrei zu belassen, gleichfalls abgelehnt und schließlich die Fassung der Regierungs⸗ vorlage angenommen. Der Antrag des Hrn. von Tiele ist damit erledigt.
In der Debatte über die §§. 61 bis 63 nimmt zunächst das Wort Hr. von Nathusius als Referent. Derselbe be⸗ merkt, die im §. 63 Absatz 2 eingesetzte Centralkommission habe im Plenum Anstoß erregt. Eine derartige höchste Instanz sei unentbehrlich, und es würde allenfalls zu erwägen sein, ob 8 einige der zuzuziehenden Landesbeamten die richterliche Qualität etwa gesssen werden solle.
Hr. Leyendecker wünscht die vorgeschlagene Ausschließung des Rechtsweges aus der Vorlage zu beseitigen, weil die Zu⸗ lassung desselben dem Rechtsgefühl der Nation entspreche und sicherlich keine üblen Folgen für den Fiskus haben werde, wie durch vielfache Erfahrungen in Enteignungssachen bestätigt sei. Er beantragt im §. 63 Apsa 2 die Worte
„endgültig“ und „mit Ausschluß des Rechtsweges“ zu streichen.
Hr. Schöpplenberg wünscht die Modalitäten der im §. 61. vorgesehenen Uebernahme für die Monopolverwaltung durch folgenden Zusatz hinter Absatz 2 näher festzustellen:
1) Für Rohtabacke muß der Einkaufspreis mit Hinzu⸗ rechnung von Fracht und Steuer um 5 Proz. Verzugszinsen gewährt werden.
2) Die Maschinen, Werkzeuge und Geräthe zur Taback⸗ fabrikation sind nach dem wirklichen Werthe, den sie für den Betrieb haben, zu schätzen.
Hr. Kosmack hält eine Abschätzung der von der Monopol⸗ verwaltung zu übernehmenden Lö wie sie der Ent⸗ wurf vorschlägt, für richtiger, weil der Einkaufspreis zu hoch sein oder zu hoch angegeben werden könne.
Hr. Baare wünscht die höchste Rücksichtnahme auf die ge⸗ schädigten Interessen der Tabackindustriellen, ist aber prinzipiell gegen den Antrag Schöpplenberg und hält den Werth des Tabacks, wie er am Tage der Uebernahme thatsächlich ist, für entscheidend. Es könne nicht die Aufgabe bei der Einführung des Tabackmonopols sein, etwaige Mißerfolge unglücklicher Spekulationen in Taback auszugleichen. Dagegen müßten allerdings etwaige höhere Tageswerthe bei geringerem Einkaufs⸗ preise vergütet werden. Für diese Ansicht spreche auch die Art, wie eine reelle Bilanz über die Lage eines Unternehmens aufgestellt werde; hier pflege man sogar den Einkaufspreis einer Waare nur so lange zu Grunde zu legen, als er unter dem Tagespreis stehe, andernfalls enthalte die Bilanz mindestens eine Selbsttäuschung.
Hr. Schöpplenberg macht geltend, Taback sei so schwer zu schüen, daß man beim besten Willen oft die erheblichsten Fehler machen werde. Der Einkaufspreis dagegen sei aus der Faktura leicht und sicher zu entnehmen. Die von Hrn. Baare dargelegten Grundsätze für die Bilanz seien zwar für diese Operation richtig, hier aber nicht zutreffend, weil der bisherige Händler oder Fabrikant gezwungen werden solle, seine Vor⸗ räthe in einem bestimmten Augenblick loszuschlagen, während er sonst vielleicht eine weitere und bessere Entwickelung des Marktes hätte abwarten können.
Hr. Kochhann hält den Antrag Schöpplenberg für un⸗ annehmbar. Der augenblickliche Werth der zu übernehmenden Gegenstände müsse entscheiden; wem die angebotene Entschädi⸗ gung nicht genüge, der könne ja seinen Taback, wenn er weiter damit spekuliren wolle, in eine zollfreie Niederlage legen. Die Identität eines vorgelegten Tabacks mit dem in einer alten Faktura bezeichneten sei nicht nachweisbar, man würde in dieser Hinsicht nur auf die Angaben des zu entschädigenden Besitzers angewiesen sein, dessen Redlichkeit doch nicht in allen Fällen über jeden Zweifel erhaben sein werde. Bei der Ab⸗ schätzung des zu übernehmenden Tabacks werde übrigens nicht nur ein thatsächlich bereits eingetretener Verlust, sondern ebenso auch ein etwa in Folge eingetretener Preissteigerung oder billigen Einkaufs erzielter Gewinn realisirt.
Der Regierungskommissar, Hr. Unter⸗Staatssekretär von Mayr, kann gleichfalls den Antrag Schöpplenberg nicht acceptiren, wesentlich aus den bereits von anderer Seite geltend gemachten Gründen. — In Bezug auf den Wunsch, den Rechtsweg zuzulassen, sei zu bemerken, daß die Entscheidung von Streitigkeiten über den Werth der zu übernehmenden Vorräthe ꝛc. besser und gleichmäßiger durch ein ständiges, ausreichend mit Sachverständigen besetztes Kollegium, als durch solche Richter erfolgen werde, denen vielleicht ein vereinzelter solcher Prozeß zur Entscheidung vorliege. Ueber⸗ dies sei die Zulassung des Rechtsweges zweischneidig, und es würde dann auch dem Fiskus das Recht einzuräumen sein, gegen die Zubilligung einer seiner Meinung S zu hohen Entschädigung den Rechtsweg zu beschreiten. ehalte man aber das System des §. 63 bei, so sei die Zuziehung richter⸗ licher Landesbeamten diskutabel.
Hr. Krüger beantragt:
him §. 63 Absatz 2 nach den Worten „höhere Landes⸗
beamte“ einzuschalten „unter denen sich ein richterlicher Beamter befinden muß.“
Hr. Schöpplenberg führt aus, daß die Identität eines vorgelegten mit einem faktuirten Tabacke nach seiner Erfahrung sehr leicht nachzuweisen sei, denn man müsse den Taback in der Originalverpackung aufbewahren, weil die Umpackung einen Verlust von 20 Proz. mit sich bringe. — Bei unzu⸗ reichender Abschätzung von Tabackvorräthen sei deren Ausfuhr, auf welche von mehreren Seiten hingewiesen sei, nicht thunlich. weil fast in allen Nachbarstaaten das Tabackmonopol ein⸗ geführt sei.
Hr. Kochhann giebt zu, daß versteuerter Taback auch schon der Kosten wegen nicht wieder ausgeführt werden könne. fragt an, ob die Regie allen Taback und alle Geräthe der Fabrikanten übernehmen müsse? Bezüglich des Rechtsweges sei anzuerkennen, daß die HG“ das Gefühl verletze, andererseits aber auch, daß bei solchen Entscheidungen der Richter sehr wesentlich durch das Gutachten der zu vernehmenden Sachverständigen gebunden werde. Er wünsche, daß die letzte Instanz wenigstens eine richterliche sei. Redner wünscht zu wissen, ob in jedem betheiligten Bundesstaate oder für das ganze Reich eine Centralkommission gebildet werden solle.
Der Regierungskommissar, Hr. Unter⸗Staatssekretär von Mayr, erwidert, die Centralkommission solle einheitlich für das Reich gebildet werden, die Landesbeamten sollten ständig dabei thätig sein und zu diesem Zweck von den Bundesregierungen ernannt werden. Der Rechtsweg bringe den Entschädigungs berechtigten den Nachtheil, daß ihnen die Entschädigung oft erst nach langer Zeit werde ausgezahlt werden können. Der Ausschluß des Rechtsweges sei auch keineswegs ohne Analogie; Redner ver⸗ weist hier auf die Zolltarifirung von Waaren. — Hrn. Schöpplen⸗ berg sei zuzugeben, daß die Originalverpackung die Identit t des Tabacks sichere, im Kleinbetriebe finde man aber den Taba nicht in Originalverpackung. — Für den Fall der Ausfuhr von Taback, mit dessen Uebernahmepreis der bisherige Besitzer nicht einverstanden sei, werde im Entwurf die Rückvergütung der Steuer vorgesehen. — Die Uebernahme der Tabackvorräthe und Maschinen sei für das Reich obligatorisch gedacht. G
Hr. Graf Henckel spricht sich für den Ausschluß des Rechtsweges aus. Ein möglichst schleuniges Verfahren und Spezialkenntnisse seien erforderlich zur Festsetzung gerechter Abfindungen. Der 1“ müsse möglichst bald in den Besitz seiner Abfindung gelangen, um alsbald e anderes Geschäft mit dem erhaltenen Betriebskapital beginnern zu können. In Folge der Zulassung des Rechtsweges würde aber eine große Zahl von Prozessen zwischen den Interessenten und dem Fiskus geführt werden, deren Abwickelung die Zah⸗ lung der Entschädigung sehr verzögern würde. Sollte über⸗ haupt der Rechtsweg zugelassen werden, so müsse eventuell ein Spezialgerichtshof eingesetzt werden. Redner erachtet es für unerfindlich, vrsbals Verwaltungsbeamte nicht dieselbe Sicherheit gewähren würden, wie richterliche Beamte.
Hr. Leyendecker tritt nochmals für seinen Antrag ein, welchem im Gegensatz zu den Ausführungen des Regierungskommissars nicht blos eine theoretische, sondern auch eine praktische Bedeutung beizumessen sei. Im Gesetz aus⸗ drücklich auszusprechen, daß der Rechtsweg ausgeschlossen sein solle, müsse er für bedenklich erachten.
Nach einer kurzen Erwiderung des Regierungskommissars spricht sich Herr Kochhann gegen den Antrag Leyendecker aus. Derselbe bezwecke, den Rechtsweg gegen die Entscheidungen der Centralkommission uneingeschränkt zuzulassen. Allein es werde zu unnöthigen Weiterungen führen, wenn man die gewöhn⸗ lichen drei Instanzen gewähren wolle. Allerdings sei es nicht ohne Bedenken, daß bei der Bildung der Centralkommissiom den Interessenten keine Betheiligung zugestanden sei; dieselbe trage den Charakter eines Schiedsgerichts, und es werde das Rechtsbewußtsein des Volkes verletzen, wenn den Betheiligten jede Einwirkung auf die Zusammensetzung der Kommission abgeschnitten sei. Deshalb empfehle er den Rechtsweg wenig⸗ stens in der Beschränkung zuzulassen, daß in erster und letzter Instanz das Reichsgericht zu entscheiden habe. Wenn man gegen die Zulässigkeit des Rechtswegs anführe, daß derselbe auch gegen die Entscheidungen der Steuerbehörden über Zoll⸗ tarifirungen ausgeschlossen sei, so sei dies nicht zutreffend. Denn hierbei habe es Jeder in der Hand, ob er Waaren ein⸗ führen wolle oder nicht. Bei Einführung des Monopols aber sei Jeder gezwungen, seine Materialien, Maschinen ꝛc. der Monopolverwaltung zu überlassen und sich der Entscheidung der Centralkommission zu unterwerfen. Gerade mit Rücksicht auf die große Unpopularität des Monopols sei es zu empfehlen, eine richterliche Instanz zur Entscheidung über die Höhe der zu gewährenden Entschädigung zu berufen.
Der Regierungskommissar, Unter⸗Staatssekretär von Mayr, tritt dem Vorredner darin bei, daß es nicht angängig sei, den gewöhnlichen gerichtlichen Instanzenzug eintreten zu lassen, macht aber gegen den “ das Reichsgericht in erster und letzter Instanz zu berufen, geltend, daß dies einen Ein⸗ griff in die Justizorganisation enthalte, der sich nicht woh rechtfertigen lasse. Wenn man es als bedenklich bezeichne habe, daß die Regierung die sämmtlichen Mitglieder der Kommission und also auch die Sachverständigen ernenne so sei dem entgegenzuhalten, daß dies bei allen Gerichten der Fall sei. Das Wesentliche sei, die Kommission derart zu gestalten, daß sie den berechtigten Ansprüchen der Interessenter möglichst entspreche. Dies sei aber nach dem Entwurfe der Fall, zumal die Beamten der Monopolverwaltung stets in de Minorität seien. — Die Betheiligung der Interessenten a der Bildung der Kommission scheitere an der Unmöglichkeit, eine geeignete Form dafür zu finden.
Hr. Wolff schließt sich den von den Herren Leyendecker und Kochhann geäußerten Bedenken an, indem er bemerkt, wenn man den Rechtsweg ganz ausschließe, werde sich das Volk in seinem gecisbemuschen verletzt fühlen; auch gebe man dadurch den Gegnern des Entwurfs eine mächtige Waffe in die Hand. Deshalb sei es wünschenswerth, daß eine ent⸗ e. Abänderung in der Zusammensetzung der Central⸗ kommission heebeigeinhe werde. 1“
Damit ist die Diskussion über die §§. 61 bis 63 beendet.
Bei der Abstimmung werden die Anträge des Hrn. Schöpplen
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