1“ “ 8 New⸗York, 25. März. (W. T. B.) Hier
eingegangenen Nachrichten aus Hayti vom 12. d. zufolge
sind auf der Insel die Pocken verheerend aufgetreten. In
Port⸗au⸗Prince sollen bereits über 4400 Menschen der Epidemie erlegen sein.
Centralblatt für das Deutsche Reich. Nr. 12. — Inhalt: Allgemeine Verwaltungssachen: Erscheinen des Hand⸗ buchs für das Deutsche Reich auf das Jahr 1882. — Zoll⸗ und Steuerwesen: Abänderung der Ausführungsvorschriften zu dem Gesetz wegen Erhebung von Reichs⸗Stempelabgaben. Veränderungen im Bestande und in Befugnissen von Zollstellen. — Finanzwesen: Nach⸗ trag zur Nachweisung über Einnahmen des Reichs vom 1. April 1881 bis Ende Februar 1882. — Marine und Schiffahrt: Uebersicht über die Zahl der registrirten und der in den Schiffsregistern gelöschten deutschen Kauffahrteischiffe. — Konsulatwesen: Nachtrag zu der In⸗ struktion zur Ausführung des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit. — Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiete.
Amtsblatt des Reichs⸗Postamts. Nr. 18. — Inhalt: Verfügungen: vom 22. März 1882. Austausch von Postpacketen im Verkehr mit Niederland.
Kunst, Wissenschaft und Literatur. 1
Die Münchener Künstlerschaft ist durch den am 23. d. erfolgten Tod des Professors und Historienmalers Eugen Neureuther abermals mit einem schweren Verlust betroffen worden. Der Künst⸗ ler, dessen Blüthezeit in die Regierungsperiode König Ludwigs I. hinaufreichte und dessen Name mit den hervorragendsten Kunst⸗ schöpfungen desselben unzertrennlich verbunden ist, war am 13. Ja⸗ fübeh 1806 in München geboren und stand also in seinem 77. Lebens⸗ jahre.
— Im Verlage von J. J. Weber in Leipzig ist soeben erschienen: Gastronomische Bilder, Beiträge zur Geschichte der Speisen und Getränke, der Tischsitten und Tafelfreuden verschiedener Völker und Zeiten, von Dr. Felix Weber. Der Verfasser giebt in die⸗ sem Buche aus zahlreichen Quellen eine interessante kulturgeschichtliche Studie auf dem Gebiete der Gastronomie. Das unterhaltende Buch hat folgenden Inhalt: Die mosaischen Speisegesetze. — Wein und Zechkunst in China. Zu Gaste bei einem chinesischen Mandarin. — Die griechische Küche. — Die Symposien. — Ueber die Eß⸗ und Kochliteratur der Griechen. — Speise und Trank bei den Römern. — Das Gastmahl des Trimalchio. — Das einzige uns erhaltene Kochbuch aus dem römischen Alterthum. — Vitellius, ein Erzschlem⸗ mer auf dem römischen Kaiserthron. — Nordgermanische Opfermahle; das Julfest. — Gastronomische Verhältnisse unter den Kalifen. — Trinkgelage im Orient. — Die Kochbücher des deutschen Mittelalters.
Mittelalterliche Tischgeräthschaften. — Die Tafelfreuden und Tischzuchten des deutschen Ritterthums zur Zeit der Minnesänger. — Bürgerliche Mahlzeiten. — Hochzeitsschmäuse im 13. bis 16. Jahr⸗ hundert. — Kindtaufsschmäuse zu Ende des 16. Jahrhunderts. — Ein mittelalterliches Leichenmahl. — Deutscher Durst. — Die Ent⸗ haltsamkeit in den Klöstern des Mittelalters. — Ein norddeutscher Rathhauskeller des frühen Mittelalters. — Mäßigkeitsgebote und Friederichs Schrift „Wider den Saufteufel“. — Ein deutsches Gast⸗ haus in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. — Rußland im gastronomischen Spiegel: Von der Gründung des russischen Staats bis zum Tode Wladimirs des Großen (862 — 1015). Mitte des 17. Jahrhunderts. Unter Peter dem Großen. Die Mahlzeiten des russischen Landadels in dem letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts. Die Jetztzeit. — Sitten und Gebräuche der Gallier und Franken
beim Essen und Trinken. — Zur Charakteristik der altfranzösischen Erntremets. — Die französische öee — Gastronomische Karte von Frankreich aus dem Jahre 1809. — Englische Küche und englische Mahlzeiten. Im heutigen Schweden. — Zechlust der Engländer. — Das Hoftafelceremoniell sonst und jetzt. — Das Weinparadies Deutschlands. — Die Auster und ihre Freunde. — Das Gesundheittrinken. — Einige bemerkenswerthe Speisezettel aus neuester Zeit. — Der König der Weine. — Zur Geschichte der Gänseleberpastete. — Der Preis in Originaleinband beträgt 4 ℳ 50 ₰
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Grafschaft Mark, 23. März. (N. Pr. Ztg.) Während in
der vorigen Woche und in den ersten Tagen der jetzigen eine wahr⸗ haft sommerliche Witterung herrschte, schneite es gestern einige Male sehr stark und war heute Morgen bei — 1 ½ Gr. R. die Erde mit Schnee bedeckt. Doch hofft man, daß die schon so weit vorgeschrittene Vegetation noch nicht gelitten hat. Die Blüthen sind glücklicher Weise noch nicht ganz aufgebrochen und werden sich nun wohl auf einige Zeit zurückhalten. Der Stand der Saaten wie auch die Aussicht auf Obst ist übrigens ganz ausgezeichnet. Roggen⸗ und Weizen⸗ felder, wie auch die Rüben, welche in den letzten Jahren so wenig auf⸗ brachten, gewähren einen prächtigen Anblick. Bei dem leichten Froste des Januars hat der Landmann die Arbeiten an den Wiesen mit aller Bequemlichkeit ausführen können; Erdfuhren sind auf das Gras gebracht worden, welches mit seinen grünen Spitzen schon mächtig herauskommt und Futes Fuütter verheißt. In Folge des warmen Winters sind die Futterpreise herunter und die Viehpreise in die Höhe gegangen. Für junge Schweine werden ganz exorbitante Preise bezahlt. Da nun auch die Werke gut gehen, so braucht ein gesunder fleißiger Mann um Nahrung nicht verlegen zu sein.
„— Die „Königsberger Land⸗ und Forstw. Ztg.“ schreibt: Eine gewiß seltene Erscheinung ist es, daß die Aecker um diese Zeit viel⸗ fach schon so weit abgetrocknet sind, daß mit der vLe2 der Aussaat des Sommergetreides und dem Legen der Kartoffeln hat be⸗ gonnen werden können. Die Vegetation der Wintersaaten, zumal diejenige des Roggens und der Kleefelder, ist sehr weit vorgeschritten und nur die Roggenfelder auf gen leichtem Boden sind durch die
Stuürme bloßgelegt worden und haben Schaden gelitten. Die seit dem 21. eingetretenen nicht unbedeutenden Niederschläge sind nament⸗ lich auch für die Weideflächen sehr erwünscht gekommen; man darf hoffen, daß die Viehbestände reichlich vier Wochen früher als sonst auf den Weiden ausreichende Nahrung werden finden können. So berechtigt auch im vergangenen Herbste die Sorgen um Futter und Streumaterial waren, so sind dieselben durch den gelinden Winter doch glücklich überwunden worden, und lassen die noch vorhandenen
uttervorräthe bei dem zeitig eintretenden Frühjahre einen allgemeinen uttermangel nicht mehr befürchten.
— Aus Osterburg schreibt man der „Magdeb. Ztg.: Der Stand der Wintersaaten in hiesiger Gegend, in der Wische sowohl als auch auf der Höhe, ist in diesem Jahre durchweg sehr günstig. Roggen und Weizen prangen im frischesten, saftigsten Grün und zeigen stellenweise einen sehr üppigen Wuchs. Auch der Raps berechtigt zu den schönsten Hoffnungen. Die Saaten haben im großen Ganzen
weder durch Auswintern noch durch Mäusefraß gelitten. Mäuse sowohl als Maulwürfe treten nur vereinzelt 2 Die Frühjahrs⸗ bestellung konnte schon sehr zeitig in vnse genommen werden. Be⸗ reits Ausgangs Februar und Anfangs rz wurde Sommerroggen gesäet, und seit Mitte dieses Monats herrscht auf Feldern und in Gärten rege Thätigkeit. Die Bestellung geht sehr rasch von statten,
da der Boden sehr mürbe und locker und, wo er im Herbst gepflügt oder gegraben, von Unkraut gänzlich frei ist. Die warme Witterung der letzten Tage hat auch das Aussäen der Gartensämereien ungemein gefördert. †. 1 (GSewerbe und Handel. 1“
Amtlichen Nachrichten nfolg⸗ ist die Rinderpest im Gou
ment Plock in dem Dorfe Modlin, Kreis Plonsk, und im Gouverne⸗
ment Warschau in den Dörfern Czyste und Sielce, Kreis War⸗ schau, ausgebrochen
Dagegen ist die Seuche in dem im letztgenannten Gouvernement belegenen Dorfe Sokolow*), Kreis Blonie, und in der Vorstadt Praga*) bei Warschau inzwischen erloschen.
— Die Bilanz der Dis konto⸗Gesellschaft für 1881 ergiebt folgende Ziffern: Aktiva: Kassenbestand 17 127 6699 ℳ, Wechsel⸗ bestände 34 627 977 ℳ, Reports 29 452 676 ℳ, börsengängige Effekten 38 290 060 ℳ, diverse Werthpapiere 385 660 ℳ, Debitoren 52 959 916 ℳ, Diverse 6 210 146 ℳ, in Summa 179 054 104 ℳ — Passiva: Kapital 60 172 110 ℳ, Allgemeine Reserve 12 759 566 ℳ, Deposit⸗Rechnung mit Kündigung 19 784 614 ℳ, Kreditoren 62 647 814 ℳ, Aeccepte 11 793 508 ℳ, Pensionskasse 832 473 ℳ, Dividende der Kommanditäre 6 900 000 ℳ, Diverse 1 738 756 ℳ, Resersevortrag 2 425 263 ℳ, in Summa 179 054 104 ℳ
Nürnberg, 25. März. (Hopfenmarktbericht von Leopold Held). Im Allgemeinen machte sich in der heute zu Ende gehenden Woche auf dem Hopfenmarkte eine etwas größere Kauflust als in der vorhergehenden geltend; trotzdem aber vermochte sich die Tendenz nicht zu festigen und blieben deshalb die Preise sehr gedrückt. Verkauft wurden während der letzten 8 Tage ca. 800 Ballen. Die Zufuhr betrug im gleichen Zeitraume ungefähr 600 Ballen. Für Kundschaft sind wirklich feine grüne Hopfen zum Tagespreis ziemlich gesucht, während Export nur ganz billig erhältliche Waare kauft. b
Dresden, 27. März. (W. T. B.) Die heutige ordentliche Generalversammlung der Dresdener Bank genehmigte einstimmig die Vertheilung einer Dividende von 9 % pro 1881 sowie die sämmt⸗ lichen sonstigen Vorschläge der Verwaltung und wählte die ausschei⸗ denden Aufsichtsrathsmitglieder durch Akklamation wieder.
Gera, 27. März. (W. T. B.) Die Generalversammlung der Geraer Bank genehmigte einstimmig die Vertheilung einer Dividende von 6 %.
Prag, 25. März. (W. T. B.) Die Generalversammlung der Aktionäre der Böhmischen Escomptebank beschloß die Verh G einer Dividende von 8 % (gleich 16 Fl. pro Aktie) pro 1881. 8
Pest, 27. März. (W. T. B.) Die ungarische Hypotheken⸗ bank beschloß in ihrer gestrigen Generalvexsammlung, per 1. April cr. eine Dividende von 27 ½ Francs per Aktie auszuzahlen.
Brüssel, 25. März. (W. T. B.) Die Nationalbank hat den Diskont auf 4 % herabgesetzt.
London, 25. März. (W. T. B.) In der gestrigen Woll⸗ auktion waren Preise unverändert.
London, 27. März. (W. T. B.) Der Ostindienhändler Jo⸗ hannes Meyer hat seine Zahlungen eingestellt. Die Passiva be⸗ tragen 100 000 f.
Glasgow, 25. März. (W. T. B.) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores belaufen sich auf 629 600 Tons gegen 535 600 Tons im vorigen Jahre. ahl der im Betrieb befindlichen Hochöfen 107 gegen 121 im vorigen Jahre.
Paris, 25. März. (W. T. B.) Die Generalversammlung der Aktionäre der Société génörale genehmigte die Vertheilung einer Dividende von 23 Frs. 19 Cts. pro 1881. Die über 3 ½ Mill. Franes betragenden Gewinne aus dem Rio⸗Tintogeschäft sind auf die Rechnung pro 1882 übertragen worden.
St. Petersburg, 25. März. (W. T. B.) Die heutige Generalversammlung der Russischen Bank für auswärtigen Handel hat sämmtliche Anträge der Direktion einstimmig genehmigt. Auf die alten Aktien soll für das Geschäftsjahr 1881 eine Rest⸗ dividende von 9 Rubel, auf die jungen eine solche von 4 ½ Rubel ver⸗ theilt werden.
8 Verkehrs⸗Anstalten. 8
Das norwegische Blatt „Stavanger Amtstidende“ veröffentlicht folgenden Bericht über den totalen Untergang eines wahr⸗ scheinlich deutschen Schoonerschiffes: „Am Dienstag, den 28. Februar, ging ich mit dem Fischerkutter „Solo“ aus Stavanger von Haugesund ab, war am Donnerstag, den 2. März, auf ca. 58 Grad n. Br., 2 Grad 50 Minuten östl. L. Lagen vor dreimal gerefftem Großsegel und Sturmklüver, zweimal gerefftem Stagfock hinten; starker Sturm aus OSO. mit hoher See. Gegen 10 Uhr Vormittags bekamen wir einen dreimastigen Schooner in Sicht, mit Flagge auf halber Stange; wir hielten ab und gingen längs der Windseite desselben, es zeigten sich aber keine Leute; das Schiff führte Untermarssegel, zerrissenes Besan⸗ und Vorstagsegel, und war an dem Rumpfe kein Schaden sichtbar. Wir gingen nun auf das Schiff zu und sahen, daß noch eine Flagge gehißt war; ge⸗ rade in dem Augenblicke aber, wo wir auf das Schiff abhielten — ging es unter. Wir setzten augenblicklich den dritten Klüver und ein zerrissenes Mesansegel bei und steuerten zu der Stelle, wo das Schiff gesunken; nachdem wir zehn Minuten zwischen den Wrackstücken hin⸗ und hergesegelt, sahen wir einen Mann, der um Hülfe rief. Wir machten mehrere Wendungen, um zu ihm zu kommen; er war aber verschwunden, ehe uns dies auf Grund des Sturmes und der hohen See gelang. Mehrere Male gingen wir noch zwischen die Wrack⸗ stücke, konnten aber nichts bergen. Der Schooner war schwarz ge⸗ strichen, hatte weiße Finkennetze bis zum Mesanmast, rund um den Hinterspiegel eine weiße Leiste und in der Mitte eine Krone oder einen Kranz; ein Name war nicht zu sehen. Die Flagge war zer⸗ rissen, anscheinend eine deutsche. Das Schiff war entweder leicht geladen oder in Ballast, denn es lag hoch auf dem Wasser. Sku⸗ desnäshavn, 14. März 1882. J. Johnson, Führer des „Solo“.
*) conf. „R.⸗A.“ Nr. 37 de 1882.
Berlin, 27. März 1882.
Am Sonnabend, den 25. d. M. wurde unter dem Vorsitz der Gräfin Charlotte von Itzenplitz die diesjährige Generalver⸗ sammlung des Vaterländischen Frauenvereins im Saale des Ministeriums für Landwirthschaft, Domänen und Forsten, Leip⸗ ziger Platz 8, hierselbst abgehalten. Nachdem den Statuten gemäß die Wahlen zur Ergänzung des Vorstandes vorgenommen waren, ge⸗ ruhten Ihre Majestät die Kaiserin und Königin in Be⸗ gleitung Ihrer Königlichen Hoheiten der Großherzoginnen von Baden und Sachsen, Ihrer Königlichen 875 der Frau Prinzessin Albrecht von S. sowie Ihrer Durchlaucht der Frau Prinzessin Friedrich von Hohenzollern in der Versammlung zu erscheinen. Nach einem einleitenden Vortrage des Schriftführers des Vereins, Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Raths von Boetticher, erstattete der Geheime Lega⸗ tionsrath Dr. Hepke über die Thätigkeit des Hauptvereins und seiner jetzt 523 Zweigvereine den Bericht, auf welchen dem Vorstande für das abgelaufene Rechnungsjahr die Decharge ertheilt wurde. Weiter machte der Geheime Archivrath Dr Hassel Mittheilung davon, daß die Fabl der im Auslande — und zwar in London, Kopenhagen und Montreal in Canada — bestehenden Zweigvereine in den letzten Wochen sich um einen, und zwar auf französischem Boden, in Niza, vermehrt habe. Dort sind gelegentlich der Anwesenheit des Staats⸗ Ministers Dr. Friedenthal eine Anzahl Deutscher zu einer zunächst die Errichtung eines deutschen Heims für mittellose Kranke in Aussicht nehmenden Vereinigung zusammengetreten, welche mit Annahme der Statuten des Vaterländischen Frauenvereins und Erwählung der Prinzessin Amalie von Fürstenberg zur Ehrenvorsitzenden, der Gräfin von Egloffstein zur Vorsitzenden sowie des deutschen Vize⸗Konsuls von Rekowski zum Schriftführer sich unter die Autorität des Haupt⸗ vereins Eee hat. Nach einem Gesange des Domchors, der auch der Verhandlung vorausgegangen war, geruhten Ihre Majestät die Versammlung zu schließen mit den Worten:
„Im Namen der anwesenden und abwesenden Deutschen Fürstinnen danke Ich den Landesvereinen, sowie persönlich dem Vaterländischen sewemeeneh, herzlich für ihre Hengfbung und Ausdauer. Möge sich ihre Thätigkeit auf dem weiten Gebiete gemeinnützigen Wirkens fort⸗ während entwickeln und Gottes Segen ferner auf ihnen ruhen!“ vrn⸗ zur vren von außerhalb zahlreich erschiene⸗ girte 1 s
her in den Räumen des Königlichen Kriegs⸗Ministeriums vereini Augh dort war Ihre Majestät, die Kaiferin und Krereih in Begleitung Ihrer Königlichen Hoheiten der Großherzoginnen von Baden und Sachsen und Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Prinzessin Albrecht von Preußen erschienen. Es handelte sich um die Besprechung dreier, bei Einladung zur Versammlung den Zweigvereinen mitgetheilten Fragen, und zwar:
1) die Aufgabe des Vaterländischen Frauenvereins bei der An⸗ regung und Förderung der Hausarbeit und Hausindustrie, Vermitte⸗ lung derselben und Absatz der Produkte der Hausindustrie,
2) die Betheiligung des Vaterländischen Frauenvereins an der bevorstehenden Allgemeinen deutschen Ausstellung auf dem Gebiete der Hygiene und des Rettungswesens,
3) die Frage der Kinderheilstätten mit Bezug auf einen von dem Verein für Kinderheilstätten an den Seeküsten gestellten Antrag auf ein Zusammenwirken mit dem Vaterländischen Frauenverein.
Die von dem Schriftführer des Vereins, Geheimen Ober⸗Regie⸗ rungs⸗Rath von Boetticher, geleitete Verhandlung war eine sehr an⸗ geregte; insbesondere nahm das Wort zu dem ersten Gegenstande der Tagesordnung Frau Oberst⸗Lieutenant von Schmidt aus Gleiwitz, Pre⸗ diger Steinberg aus Hausdorf und Professor Weißbrodt aus Brauns⸗ berg, zu dem zweiten Rittergutsbesitzer Dr. Max Bauer, zu dem dritten Geheimer Archiv⸗Rath Dr. Hassel, ferner der Schriftführer des Vereins für Kinderheilstätten, Professor Dr. Ewald, Regierungs⸗ Rath Dr. Biedenweg aus Hannover, Frau Präsident Noeldechen aus Magdeburg, Frau Dr. Türk aus Lübeck und Freifrau von Ketteler aus Münster. Durch die gefaßten Beschlüsse wurde anerkannt, daß die zur Besprechung gestellten Gegenstände allerdings dem Thätigkeits⸗ gebiete des Vaterländischen Frauenvereins angehören, daß aber die Frage, in welchem Umfange sie von einem Zweigvereine in den Be⸗ reich seiner Wirksamkeit gezogen werden dürfen, nur nach lokalen Verhältnissen beantwortet und deshalb auch nur im All⸗ gemeinen die Aufmerksamkeit der Zweigvereine auf jene Gegenstände gelenkt werden kann. Ihre Majestät geruhten dem im Laufe der Gesprechung des ersten Gegenstandes der Tagesordnung angeregten Gedanken eines in Berlin zu errichtenden Depots zum Absatz der aus dem Gebiete des Vaterländischen Frauenvereins stammenden Produkte der Hausindustrie Allerhöchstihren besonderen Beifall zu schenken und dem Vorstande die in dieser Richtung zu treffenden Maßnahmen an⸗ heimzugeben. Auch aus Anlaß eines von der Gräfin Pfeil aus Haus⸗ dorf bei Neurode gestellten Antrages auf Bewilligung einer Beihülfe zur Errichtung eines Waisenhauses haben Ihre Majestät Allerhöchst⸗ ihr warmes Interesse für möglichste Linderung der unter der Weber⸗ bevölkerung im Eulengebirge bevorstehenden Noth kundzugeben geruht. Frau Oberst⸗Lieutenant von Schmidt befürwortete noch die wohl⸗ wollende Aufnahme eines eventuell zu stellenden Antrages auf Be⸗ iltscuns einer Beihülfe zur Errichtung eines Waisenhauses zu kybnik.
Mit der Delegirtenversammlung war zugleich eine insbesondere von den Zweigvereinen in St. Vith, Varel, Pleß, Ratibor, Gleiwitz, Hausdorf, Sorquitten und Delmenhorst beschickte Ausstellung von Erzeugnissen der Hausindustrie verbunden worden, welche letzteren all⸗ gemeine Anerkennung fanden.
Das Kunstgewerbe⸗Museum vertheilt jetzt behufs besserer Orientirung über die Organisation der Anstalt ein Uebersichtsblatt, welches auf wenigen Seiten Auskunft giebt über die allgemeinen Zwecke und die Verwaltung der Anstalt, über die Zusammensetzung des Vorstandes und der Beamtenschaft, die Sammlung, das Lese⸗ zimmer der Bibliothek, die Unterrichtsanstalt, die verkäuflichen Photo⸗ graphien, Gipsabgüsse und galvanischen Nachbildungen sowie über literarisch⸗artistische Vtedsttenn. welche von dem Museum aus⸗ gegangen oder von Angehörigen des Museums veranstaltet worden sind. Dieses Blatt wird dem Führer durch die Sammlung beigelegt und auch sonst auf Wunsch unentgeltlich an der Verkaufs⸗ stelle im Vestibül abgegeben.
Se. Königliche Hoheit der Großherzog von Sachsen be⸗ ehrte am Sonnabend die permanente Kunstausstellung von 5* 6 Ph. Meyer u. Co. in der Taubenstraße mit Höchstseinem
esuch.
Der Verein zur Veredelung der Hunderassen für Deutschland, mit dem Sitz in Hannover, veranstaltet . vom 18. his 22. Mai d. J. eine groff internationale Ausstellung von Hunden aller Rassen. Am 19. Mai wird der Verein eine zweite allgemeine deutsche kynologische Versammlung unter Leitung seines Präsidenten abhalten, wo außer weiteren in ebe tmmme hen noch
andere kynologische Fragen erledigt werden sollen.
Wien, 24. März. (Allg. Ztg.) In den österreichischen Alpenländern hat sich der Wetterumschlag mit noch größerer Schärfe eingestellt als sonst allgemein im Europa. Wie man aus Innsbruck berichtet, ist dort seit vorgestern Abend eine Masse Sccchnee gefallen, der in der freien Ebene einen Fuß hoch liegen blieb, im Mittelgebirge aber meterhoch die Erde bedeckt. Die Schnee⸗ massen im Hochgebirge sind geradezu ungeheuer, und der Schneepflug arbeitet sich hier nur schwer durch; Bäume sind von der Last ent⸗ wurzelt, andere, schöue 10 cm dicke Stämme von untadelhafter Frische in der Mitte abgerissen, die Zahl der geknickten Aeste und Zweige ist Legion. In Meran brach in der Nacht vom 22. zum 23. ein Schnee⸗ sturm aus, der den Schnee meterhoch aufthürmte. Man hat Be⸗ fürchtungen für die Wein⸗ und Obsternte. Am 23. wüthete ein heftiger Sturm im ganzen Salzkammergut, der namentlich am Traunsee arge Verwüstungen anrichtete. Heute lagert eine dichte Schneedecke auf Wald und Flur, und die bereits belaubten Aeste der Bäume seufzen unter der erdrückenden Last.
„Trebinje, 26. März. (W. T. B.) Gestern Abend 6 Uhr ist hier und in Bilek ein starkes Erdbeben beobachtet worden. Das⸗ ee. — die Richtung von West nach Ost und dauerte etwa fünf
ekunden.
26. März. (W. T. B.) Depeschen aus Cherbourg und Havre melden von einem großen Sturm in Havre. Ein Rettungsboot, welches zur Rettung einer Sloop auslief, kenterte. Die Bemannung des Rettungsboots sowohl wie der Sloop, im Ganzen 19 Mann, ertranken.
Gleich nach der ersten Ankündigung des Gastspiels der Fr. Niemann⸗Raabe war die Anmeldung und Nach⸗ frage um Billets eine so außergen öhnlich große, daß das geräumige Victoria⸗Theater schon am Sonnabend ausverkauft war und viele Hunderte von Verehrern der Künstlerin auf das Vergnügen, sie wieder in einer ihrer besten Rollen zu sehen und zu bewundern, verzichten mußten. In Folge dieser schmeichelhaften Anerkennung hat sich die Künstlerin veranlaßt gesehen, dem Ersuchen der Direktion so⸗ wohl wie den Wünschen des Publikums nachzukommen und am Mitt⸗ woch, den 29. März, noch einmal als „Lorle“ in „Dorf und Stadt“ aufzutreten, worauf wir besonders aufmerksam machen, weil Fr. Nie⸗ mann⸗Raabe nach diesem Gastspiel sofort von hier abzureisen gedenkt. — Im Belle⸗Alliance⸗Theater erfreut „Der Mann im Monde“ mit Frl. Ernestine Wegner der beifälligsten Aufnahme und erzielt fast allabendlich ausverkaufte Häuser.
Victoria⸗Theater.
“ Redacteur: Riedel. Berlin:
Perlag der Expedition (Kessel). DPruck: W. Elsner⸗ 8 Vier Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).
“
sich die Posse⸗
zum Deutschen Reichs⸗Anz
No. 74.
—
Erste Beilage
—
eiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeige
Berlin, Montag, den 27. März
Richtamtliches.
Protokoll der zehnten Sitzung des Volkswirth⸗ schaftsraths.
Berlin, den 23. März 1882.
Die Sitzung wird von dem Vorsitzenden, Staats⸗Minister von Boetticher, um 11 ¼ Uhr eröffnet.
Als Kommissarien der Staatsregierung sind anwesend: der Direktor im Reichsamt des Innern, Hr. Bosse, der Ge⸗
heime Ober⸗Regierungs⸗Nath Hr. Lohmann und der Geheime Regierungs⸗Rath Hr. Bödiker. 1t
Entschuldigt sind: Hr. Kalle und Hr. Sartori für die heutige Sitzung, Hr. Albrecht für die nächsten Tage, Hr. Kosmack, Hr. Hagen und Hr. Rosenbaum für den Rest der gegenwärtigen Sitzungsperiode. 1
Der Vorsitzende macht von verschiedenen, das Reichstaback⸗ monopol betreffenden Eingängen Mittheilung, welche durch die bereits geschlossenen Berathungen über diesen Gegenstand erledigt sind.
Zum erflen Gegenstand der Tagesordnung, Spezial⸗ berathung des Gesetzentwurfs, betreffend Abänderung der Gewerbeordnung, erhalt das Wort der Referent Hr. Dr. Jans⸗ sen, welcher ausführt, daß die Regierungsvorlage durch die Beschlüsse des permanenten Ausschusses nur in wenigen Punkten Abänderung erfahren habe. Auch von denjenigen, welche mit dem Entwurf um deswillen nicht einverstanden seien, weil er nicht weit genug gehe, werde anerkannt, daß derselbe geeignet sei, in wirksamerer Weise als bisher den bestehenden Mißständen entgegenzutreten, nament⸗ lich bezüglich des Gewerbebetriebes der Rechtskonsu⸗ lenten, der Auktionatoren und der Gesindevermiether. Andererseits aber neige man auch der Ansicht zu, daß die kleinen Gewerbetreibenden und Handwerker nicht genügend geschützt seien gegen die Nachtheile, welche ihnen der Hausir⸗ handel zufüge. Dieser Auffassung werde durch Einbringung einer bezüglichen Resolution Auadruck gegeben werden. Die weitgehenden Befugnisse, welche in dem Entwurf den unteren Polizeibehörden eingeräumt seien, hätten auf mancher Seite insofern Anstoß erregt, als gegen die Verfügungen dieser Be⸗ hörden nur die Beschwerde an die nächstvoransetzte Instanz zulässig sein solle. Er (Referent) halte dieses Bedenken nicht für begründet, zumal auch bisher ein eigentliches Rekurs⸗ verfahren in den in Betracht kommenden Fällen nicht statt⸗ gefunden habe. 1
Hr. Glodny weist auf die Schädigung hin, welche dem kleinen Gewerbetreibenden durch die sogenannten Muster⸗ reisenden zugefügt würden. Abgesehen davon liege ein wesent⸗ licher Mißstand darin, daß die Gewerbeordnung jedem Ein⸗ zelnen ohne Unterschied des Alters gestatte, einen selbständigen Gewerbebetrieb zu beginnen, und es sei erwünscht, in dieser Beziehung eine Abänderung der bestehenden Gesetzgebung an⸗ zubahnen.
Art. 1 des Entwurfs findet darauf ohne Widerspruch die Zustimmung der Versammlung.
Zu Art. 2, §. 33 a. beantragt Hr. Kochhann, den letzten Absatz zu streichen, und führt zur Begründung dieses An⸗ trages aus, die Gewerbeordnung habe in den 88§. 20, 21 ein förmliches Rekursverfahren geschaffen, und es sei kein Grund erfindlich, warum dieses Verfahren nicht auch im Falle des §. 33 a. zu Recht bestehen solle. Indem man die Sache im kontradiktorischen Verfahren zum Austrag bringe, gebe man die beste Gewähr dafür, daß das Gesetz streng durchgeführt werde.
Nachdem sich Hr. Dr. Janssen als Referent gegen den Antrag Kochhann ausgesprochen, hebt der Regierungskommissar Hr. Geheimer Regierungs⸗Rath Bödiker hervor, daß die bean⸗ tragte Streichung nur eine Lücke im Gesetze schaffe, keineswegs aber zur Folge habe, daß das Rekursverfahren der 88. 20, 21 der Gewerbeordnung Platz greife. Auch eigne sich dies Ver⸗ fahren mit Rücksicht auf die obligatorische Oeffentlichkeit zur Verhandlung der fraglichen Angelegenheiten nicht.
Nach einer kurzen Erwiderung des Hrn. Kochhann, daß gerade die Oeffentlichkeit des Verfahrens die Zahl der Kon⸗ zessionsgesuche vermindern und eine strenge Handhabung des Gesetzes gewährleisten werde, wird sein Antrag abgelehnt und der §. 33 a. in der aus den Beschlüssen des permanenten Ausschusses hervorgegangenen Fassung angenommen. b
Zu Art. 3 §. 35 wiederholt Hr. Kochhann seinen im permanenten e. gestellten Antrag, den ersten Absatz am Schluß dahin zu fassen:
„ist zu untersagen, wenn die betreffenden Gewerbe⸗
treibenden wegen eines Vergehens oder Verbrechens gegen das Eigenthum oder gegen die Sittlichkeit ver⸗ uüunrtheilt worden sind,“
und Hr. Kade beantragt, hinter dem dritten Absatz folgenden
Zusatz zu machen: b . „denjenigen Aultionatoren, welche nicht von Behörden angestellt sind, ist untersagt, Immobilien zu versteigern.“
Hr. Dr. Janssen spricht sich gegen den nnncß 2 aus, welcher auch bereits im permanenten Ausschuß abgelehnt worden sei. Wenn die Untersagung des Gewerbebetriebes erst eintreten solle, nachdem eine gerichtliche Bestrafung erfolgt sei, so werde sie in den meisten Fällen zu spät kommen. Wenn auch der Begriff der Unzuverlässigkeit dehnbar sei, so müsse man doch, wenn man wirklich helfen wolle, dem Ermessen der Behörde einen gewissen Spielraum lassen. Zu dem Antrag Kade liege nach den früheren Erklärungen des Regierungskommissars kein Bedürfniß vor.
Hr. Kade empfiehlt die Annahme seines Antrags, weil, nachdem er einmal gestellt worden, die Ablehnung desselben
ewissermaßen für die Auktionatoren die Erlaubniß zur Ver⸗ eigerung von Immobilien statuiren würde.
Nachdem Hr. Kochhann seinen Antrag mit dem Bemerken begründet, daß im Falle der Ablehnung das Gesetz für ihn unannehmbar sei, und nachdem Hr. Kroos sich gegen den An⸗ trag ausgesprochen, da derselbe nur den geriebenen Persön⸗ lichkeiten zu Gute kommen werde, wird der Antrag abgelehnt und der Absatz 1 in der Fassung, welche er durch die Be⸗ schlusse des permanenten Ausschusses erhalten, angenommen.
Der zweite Absatz des §. 35 wird mit der von Hrn. Koch⸗ hann beantragten Modifikation, daß am Schluß statt „ähn⸗ lichen Sprengstoffen“ gesagt werde:
„anderen Sprengstoffen“ angenommen; ebenso der dritte Absatz, der Zusatzantrag des Hrn. Kade, sowie die übrigen Theile des §. 35 und endlich der ganze §. 35 nach den Beschlüssen des permanenten Ausschusses und mit obigen Modifikationen.
Arl. 4 (§§. 42, 42a., 42 b.) und Art. 5 gelangen ohne Widerspruch zur Annahme. .
Zu Art. 6, §. 44, führt nach einigen einleitenden Worten des Referenten, Hrn. Dr. Janssen, Hr. Kauffmann aus, die von verschiedenen Seiten gegen den Hausirhandel geltend ge⸗ machten Bedenken könne er nicht als berechtigt erachten. Auch in den stehenden Magazinen würden vielfach ebenso schlechte Waaren feil geboten, wie durch die Hausirer. In dem Ver⸗ kauf billiger Artikel liege auch keineswegs immer eine Ueber⸗ vortheilung des Publikums; vielmehr sabe die mangelnde Kaufkraft unserer Bevölkerung das Bedürfniß nach derartigen billigen Waaren erzeugt.
Auch Hr. Kochhann spricht sich gegen jede weitergehende des Hausirgewerbes, als der Entwurf sie ent⸗
alte, aus.
Hr. Wolff schließt sich den Ausführungen des Hrn. Dr. Janssen an. Das Hausirgewerbe wirke nicht nur sehr schädlich auf die Produzenten und Konsumenten, sondern habe auch schwerwiegende sittliche Rachtheile im Gefolge. Es sei aber irrig, wenn man eine sittliche Besserung erwarte, ohne zunächst auf eine wirthschaftliche Besserung bedacht zu sein. Der Entwurf werde keine wesentliche Beschränkung des Hausir⸗ gewerbes herbeiführen, sondern werde es eher befördern, so daß derjenige, welcher bisher in einem stehenden Laden sein Geschäft betrieben habe, durch die Konkurrenz der Hausirer auf die Straße werde getrieben werden, um ebenfalls durch Hausiren sein Leben zu fristen. Die Beschränkung des Hausir⸗ gewerbes sei ebenso nothwendig, wie die Schutzzölle. Die Frage stehe auch in einer gewissen Beziehung zum Taback⸗ monopol; durch Einschränkung des Hausirens gebe man den⸗ jenigen, welche bisher mit Tabakfabrikaten gehandelt und durch die Einführung des Monopols ihren Erwerb verloren haben, Gelegenheit, zu einem anderen seßhaften Erwerbe überzugehen.
Nachdem Hr. Kochhann darauf hingewiesen, daß es auf dem Lande vielfach mit großen Schwierigkeiten verbunden sein werde, die kleinen Bedürfnisse für die Bevölkerung zu be⸗ schaffen, wenn man den Hausirhandel zu großen Beschränkun⸗ gen unterwerfe, wird §. 44 angenommen.
Auch §. 44a., sowie Art. 7 §. 55 finden die Zustim⸗ mung der Versammlung.
Zu §. 56 beantragt Hr. Wolff, in Nr. 2 des zweiten Absatzes das Wort „Zeugwaaren“ einzuschalten, mit folgender Motivirung:
„Unter den stehenden Gewerben, welche in ihrer
Existenz durch die jetzige Ausdehnung des Hausirge⸗
werbes ernstlich bedroht sind, stehen die sogenannten
Manufakturgeschäfte, Konfektions⸗ und Schneidergewerbe
oben an, da die Zeugwaaren nach ihrem Aussehen in
Betreff der Preiswürdigkeit nur sehr schwer beurtheilt
werden können und dadurch dem Betruge und der be⸗
trügerischen Fabrikation Thür und Thor geöffnet ist,
wie z. B. bei Leinen, Wolle und Baumwolle; es sollten
deaher Zeugwaaren von dem Gewerbe im Umherziehen generell ausgeschlossen und nur ausnahmsweise, wo “ esa ghch Bedürfnisse dies rechtfertigen, zugelassen werden.“
Absatz 1 des §. 56 und Nr. 1 des Absatz 2 findet unver⸗ änderte Annahme.
Zu Nr. 2, beziehungsweise dem dazu vorliegenden Antrag Wolff, bemerkt zunächst Hr. Kauffmann, es liege kein Grund vor, die Zeugwaaren vom Hausirhandel auszuschließen. Gerade in diesen Artikeln werde in vielen Gegenden auf dem Lande das Bedürfniß der Bevölkerung wesentlich durch den Hausirhandel befriedigt, und eine Beschränkung des letzteren in dem von Hrn. Wolff beantragten Sinne werde daher in⸗ direkt auch auf die Produktion zurückwirken. Auch könne man keineswegs überall bei dem Hausirhandel eine betrügerische Absicht voraussetzen. Für den seßhaften Geschäftsmann sei das einzige Mittel, um vorwärts zu kommen, größte Reellität im Geschäft, und wer darauf halte, dem werde es auch un⸗ geachtet der Konkurrenz der Hausirer nicht am Iffolge sehlen.
Hr. Delius spricht sich für den Antrag Wolff aus. Der⸗ selbe wolle die Zeugwaaren nicht absolut vom sGe Fenne ausschließen, sondern wolle Ausnahmen zulassen, soweit dafür ein örtliches Bedürfniß sich geltend mache. Ein allgemeines Bedürfniß für den Hausirhandel mit Zeugwaaren sei nicht vorhanden. Gerade durch die Hausirer würden vielsach der⸗ artige Waaren, welche auf Tauschung berechnet seien, ver⸗ trieben. Außerdem aber befördere der Hausirhandel die Va⸗ gabondage und sei daher so viel zu beschränken wie irgend möglich. Für gewisse Sachen und für einzelne Gegenden möge allerdings ein Bedürfniß für den Hausirhandel besiehen; für Zeugwaaren aber sei ein solcher nicht anzuerkennen.
r. Kroos empfiehlt den Antrag Wolff ebenfalls dringend ur Annahme. Die hannoverschen Handelskammern hätten ich im Jahre 1880 einstimmig dahin ausgesprochen, daß der Hausirhandel mit Geweben zu den schwersten Uebelständen ge⸗ füce habe, und daß es dringend geboten erscheine, denselben zu Kteuern.
Hr. Burghardt vertritt dagegen den Standpunkt, daß der Hausirhandel in vielen Beziehungen als berechtigt zu erachten und eine Nothwendigkeit sei. Die Hausirer kaufen Waaren auf, welche aus der Mode gekommen und aus diesem oder einem anderen Grunde an den größeren Plätzen nicht mehr verkäuflich seien, um sie in anderen Gegenden und namentlich auf dem Lande 2883 Auch seien im Allgemeinen die Ansprüche des Publikums an die Waaren sehr gewachsen, so daß in den Fabriken viele Waaren, welche nicht ganz fehler⸗ rei seien, ausgeschieden werden müssen. Derartige Fabrikate eien nur durc den Füeen zu verwerthen. Der allge⸗ meine Vorwur nsolidität treffe nicht alle Hausire
der
4
letzten Jahre 1800 Haufirgewerhe
befänden sich darunter auch viele zuverlässige Leute, welche sich durch den Hausirhandel etwas verdienen wollen, um sich demnächst damit seßhaft zu machen. Gerade in der Weberei gebe es viele Waaren, welche keineswegs ganz schlecht seien, gleichwohl aber nur im Wege des Hausirvertriebes abgesetzt werden können.
Hr. Heimendahl weist darauf hin, daß es sich um ein Gesetz handele, welches für ganz Deutschland gelten solle. In Süddeutschland aber gebe es viele Gegenden, in welchen eine Vorschrift, wie der Antrag Wolff sie enthalte, absolut un⸗ durchführbar sei.
Hr. Wolff tritt der Ansicht entgegen, als ob unkurrente Waare nur durch den Hausirhandel vertrieben werde. Dies sei keineswegs der Fall; solche Waare werde vielmehr in den kleinen Städten in seßhaften Geschäften auch vertrieben. Daß der Konsum und folgeweise auch die Produktion durch den Hausirhandel gehoben werde, sei ebenfalls nicht richtig. Die Strumpf⸗ und Häkelwaaren würden bei Annahme seines An⸗ trags nicht unter das Verbot fallen, und ebensowenig die Bandwaaren. .
Hr. Leyendecker bemerkt, er sei durch die Ausführungen der Vertreter der Landwirthschaft überzeugt worden, daß es noch viele Gegenden gebe, welche mit den kleinen Haushaltungs⸗ bedürfnissen nur durch den Hausirhandel versorgt werden können. Für diese Gegenden seien aber gerade die Zeug⸗ waaren die Hauptsache. Man schneide dem Gewerbe den Lebensnerv ab, wenn man diese Waaren vom Hausirverkehr ausschließe.
Auch Hr. Wegmann erklärt sich gegen den Antrag Wolff. In den ländlichen Bezirken Ostpreußens sei der Arbeiter gar nicht in der Lage, seine kleinen Bedürfnisse in der Stadt zu kaufen, er sei vielmehr lediglich darauf angewiesen, im nächsten Dorfe, in welchem zumeist nur ein einziges Kram⸗ geschäft sei, sich zu versorgen. In solchen Fällen bilde der Sfcseie eine sehr erwünschte Konkurrenz gegen diese Kram⸗
eschäfte.
Nachdem auch Hr. Kade dem Antrag Wolff entgegen⸗ getreten, berichtigt Hr. Meyer die Mittheilung des Hrn. Kroos, bezüglich des Beschlusses der hannoverischen Handelskammern dahin, daß dieselben sich keineswegs für den Ausschluß aller Textilwaaren vom Hausirverkehr ausgesprochen, sondern nur bezüglich bestimmter Kategorien.
Hr. Schimmelpfennig weist darauf hin, daß in manchen Weberdistrikten eine entwickelte Hausindustrie bestehe, welche ihre Erzeugnisse selbst hausirend vertreibe. Diesen Gewerbe⸗ betrieb dürfe man nicht unmöglich machen, wenn man die Se Distrikte nicht auf das Empfindlichste schädigen wolle.
Hr. Kochhann bemerkt, daß es ganze Ortschaften gebe, welche ausschließlich vom Hausirgewerbe leben. In großen Städten, und so namentlich in Berlin, sei übrigens der Hausir⸗ handel im Absterben begriffen.
Ein Antrag auf Schluß der Debatte wird angenommen.
Als Referent tritt Hr. Dr. Jansen für den Antrag Wolff ein, welcher sehr zu empfehlen sei und einem dringenden Be⸗ dürfniß entspreche. Die Ausführungen des Hrn. Burghardt sprächen übrigens für die Annahme des Antrags; denn gerade das müsse man verhindern, daß die Fabrikanten ihre schlechte Waare durch die Hausirer absetzen.
Nach einer persönlichen Erwiderung des Hrn. Burghardt wird sodann der Antrag Wolff abgelehnt; die übrigen Theile des §. 56 nach den Beschlussen des permanenten Ausschusses werden angenommen und ebenso der ganze §. 56.
Zu §. 57 liegt ein Antrag des Hrn. Björnsen vor, eine Bestimmung in dem Sinne zu treffen:
daß Wanderscheine für die Folge nicht nur in Betreff §. 55 Ziffer 4 (Musikaufführungen ꝛc.), sondern für jedes Gewerbe auf eine entsprechende Anzahl und für einen bestimmten Bezirk beschränkt werden, und daß zur Kontrole jeder Inhaber eines Gewerbescheins ver⸗ pflichtet werde, in jedem Ort vor Ausübung seines Gewerbes der betreffenden Behörde seinen Wander⸗ schein vorzuzeigen. .
Zur Begründung dieses Antrags führt Hr. Björnsen aus, wenn nach §. 33a. der Vorlage der Behörde bei den Musik⸗ aufführungen ꝛc. die Prüfung der Bedürfnißfrage überlassen sei, so könne es auch keinem Bedenken unterliegen, bezüglich der Wandergewerbescheine dasselbe vorzuschreiben. Eine Be⸗ schränkung des Hausirgewerbes sei dringend geboten; nament⸗ lich müsse man den Verkauf von Luxusgegenständen ein⸗ schränken; es werde dies für die ländliche Bevölkerung von großem Nutzen sein. Sr Schleswig seien diejenigen Städte, welche nicht an Wasserstraßen belegen seien, durch das Ueber⸗ handnehmen des Hausirgewerbes schwer geschädigt. Ein großer Mißstand sei ferner, daß der Hausirhandel auch Abends in den Dorfschenken betrieben werde. Es empfehle sich daher, die Ausübung desselben auf die gewöhnlichen Geschäftsstunden zu beschränken.
Hr. Hessel erklärt, daß er ebenfalls auf dem Standpunkte stehe, dem Hausirhandel gewisse Schranken auszuerlegen. Ver⸗ bieten könne man denselben zwar nicht, auch sei zu unter⸗ scheiden zwischen den reellen Hausirern, welche einen schweren Beruf haben, und den unreellen, welche das Hausirgewerbe nur als Vorwand zur Verfolgung unlauterer Zwecke benutzen; wohl aber müsse man den Auswüchsen dieses Gewerbes, welches übrigens auch in Berlin noch in großer Ausdehnung betrieben werde, mit Energie entgegentreten. Es sei daher ehr zu empfehlen, daß der Hausirer verpflichtet werde, in jedem
rte, in welchem er sein Gewerbe ausüben wolle, seinen Ge⸗ werbeschein der Ortspolizeibehörde vorzulegen, um dadurch seine Identität festzustellen. Mit Rücksicht darauf, daß die Hausirer vielfach Schundwaare zu hohen 19* verkaufen und dadurch das Publikum Übervortheilen, sei es erforderlich, sie unter schärfere Kontrole zu nehmen.
Auch Hr. Kroos erklärt sich für den Antrag Björnsen, indem er auf die große Ausdehnung hinweist, welche der
usirhandel seit dem Erlaß der Gewerbeordnung in der Hannover angenommen habe, und zum Beleg dafür hervorhebt, daß allein im — Jö. Hannover in einem der
cheine ausgestellt worden seien.