1882 / 100 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 28 Apr 1882 18:00:01 GMT) scan diff

31 Gallonen) Bier versteuert gegen 13 374 000 Barrels im Jahre 1880. Die ausgedehnteste Bierproduktion besitzt der Staat New⸗ York, wovon wieder über die Hälfte in der Stadt New⸗York selbst erzeugt wird; ihm folgen die Staaten Pennsylvania, Ohio und Wisconsin, sämmtlich mit über eine Million Barrels Biererzeugung. Auf die einzelnen Staaten vertheilen sich im Kalenderjahre 1881 die zum Verkaufe gekommenen Biermengen wie folgt: Arizona 4000 Barrels, Kalifornia 426 711, Colorado 77 798, Connecticut 90 507, Dakota 11 439, Delaware 13 725, Columbia⸗ Distrikt 37 721, Georgia 876, Idaho 2445, Illinois 989 117, In⸗ diana 321 781, Jowa 279 517, Kansas 22 882, Kentucky 218 956, Louisiana 56 123. Maryland 290 787, Massachusetts 791 946, Michigan 323 130, Minnesota 199 569, Missouri 964 620, Montana 10 958, Nebraska 51 045, Nevada 11 886, New⸗Hampshire 231 423, New⸗Jersey 746 211, New⸗Merico 1290, New⸗York 5 294 194, North⸗Carolina 4, Ohio 1489 862, Oregon 24 073, Pennsylvania 1 595 130, Rhode Island 65 786, South⸗Carolina 10 061, Tennessee 11 543, Texas 2945, Utah 16 841, Virginia 23 850, Washington Territory 13 309, West⸗Virginia 43 344, Wisconsin 1 112 357, Wyoming 5978. Summa 15 885 749. Von den größeren Städten in den Vereinigten Staaten sind im letzten Kalenderjahre an Bier erzeugt worden, resp. zur Versteuerung gelangt: Albany 243 630 Barrels, Alleghany 73 688, Baltimore 282 147, Boston 697 240, Baltimore, Brooklyn 749 228, Buffalo 211 666, Chicago 535 065, Cincinnati 731 789, Cleveland 183 307, Detroit 168 086, Milwaukee 844 662, Newark 473 745, New⸗York 2 956 077, Philadelphia 965 172, Pittsburg 184 355, Rochester 205 665, St. Louis 876 061, San Francisco 292 073, Troy 87 17

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Das 2. Heft III. Bandes der Jahrbücher der Königlich Preußischen Kunstsammlungen (Berlin, Weidmannsche Buch⸗ handlung) bringt unter den kunstwissenschaftlichen Studien und Forschungen den zweiten Theil der Abhandlung von W. Bode über die italienischen Skulpturen der Renaissance in den Königlichen Museen. Dieser zweite Abschnitt bespricht die Bildwerke des Andrea del Verrocchio, deren die Museen eine Anzahl werthvoller Stücke in Originalen und Abgüssen besitzen. Die ersteren, sämmtlich aus Thon, sind auf einer beigegebenen phototypischen Tafel abgebildet; eine weitere zeigt das köstliche Marmorrelief der Sammlung Rattier in Paris, welches den Namen Publius Scipio trägt. Die auch noch durch Holzschnitte illustrirte Arbeit giebt an der Hand des vorhandenen Materials der Werke, welches unsere Sammlungen bieten, ein umfassendes Bild der künstlerischen Thätigkeit Verrocchios und seiner Eigenart, gewährt aber auch zugleich in sein Atelier und die Thätigkeit seiner Schüler einen Einblick, der namentlich für die frühere Zeit des Leonardo von Bedeutung ist. Weiter finden wir eine gründliche Abhandlung über die Frage, in welchem Verhältniß Dürer zur Antike gestanden, von H. Thode, und eine Charakteristik norditalienischer Centralbauten des 17. und 18. Jahrhunderts, von R. Dohmez letzterer Aufsatz ist insofern von besonderem Interesse, als darin Camillo Guarino Guarini (geb. 1624 zu Modena), ein in vieler Hinsicht beachtenswerther Meister des Barockstyls, hier zum ersten Male kunstgeschichtlich gewürdigt wird. Ferner bringt das Heft die 9. Fortsetzung der Arbeit von J. Friedländer über die italienischen Schaumünzen des 15. Jahrhunderts, behandelnd die Medaillen und Münzen von dem auch als Gold⸗ schmied berühmten Römer Caradosso (geb um 1445). Auch dieser Abschnitt ist durch zwei Lichtdrucktafeln mit zahlreichen Abbildungen von Münzen und Medaillen illustrirt. Auf einer der abgebildeten Medaillen des Galeazzo Maria lesen wir den Wahlspruch „ich hoffe“ und erfahren dazu aus dem Text beiläufig, daß deutsche Wahlsprüche in Italien nicht ganz ungewöhnlich waren; so findet sich auf einer Münze des Galeazzo Maria der Spruch „ich vergies nit“; Franz II. Sforza hatte die Devise „mit Zait“, Alberich I. Cibo, Fürst von Massa, „vvon Guetten in Pesser“; Friedrich II., Gonzaga von Mantua, zbiderkraft“ und die Markgrafen von Saluzzo „noch leit“. Endlich finden wir in diesem Heft noch eine Studie über das Kupferstichwerk des Hanz Sebald Beham von W. von Seddlitz, welcher eine gleiche über das Holzschnittwerk des Meisters folgen soll, und Beiträge zur Biographie Raphaels von Hermann Grimm.

Kulturhistorische Bilder aus der deutschen Reichshauptstadt von Oskar Schwebel (Berlin 1882, Olberheimsche Verlagsbuchhandlung, G. Josl). Der Verfasser führt in diesem Buche eine Reihe von Mosaikbildern vor, in denen sich die kulturgeschichtliche Entwickelung Berlins von seinen Anfängen an bis in die neueste Zeit abspiegelt. Es sind theils leicht hingeworfene Skizzen, theils aber auch sorgfältige, eingehende Beschreibungen, bei welchen sich Hr. Schwebel mit besonderer Vorliebe der Kirchen des alten Berlins zugewendet hat. Ueber Bekanntes ist er mög⸗ lichst kurz hinweggegangen, um bei dem bisher noch gar nicht oder weniger Bekannten, welches er quellenmäßig erforscht hat, desto länger verweilen zu können. Die Darstellung ist frisch und ge⸗ wandt und verräth nicht das trockne Studium, aus welcher sie hervor⸗ gegangen ist. Der Verfasser bezweckt nach seinem Vorwort, die Liebe zu Berlin zu verbreiten, und hinzuweisen auf das Eine, was Noth thut und was wir in unseren Tagen über dem Streite der Parteien so oft vergessen als höchste Pflicht aufzufassen: „die unbedingte Hin⸗ saße jeder Kraft zum Dienste des Vaterlandes“. Und wenn der Ver⸗ asser die Tugenden Berlins auch mitunter überschätzt, so verliert er doch in dem ganzen Werke ein Ziel nicht aus den Augen, welches in dem Epilog gekennzeichnet ist: „Berlin ist groß geworden dadurch, daß seine Fürsten im rechten Augenblick die Initiative zu löblichem und gedeihlichem Thun ergriffen haben und seine Bürger mit Verständniß den Regierenden auf neue Bahnen gefolgt sind. Das wird, so Gott will, immer geschehen!“ Der Verfasser verspricht, seine kulturhistorischen Bilder in einem zweiten Theile noch zu vervollständigen; nach dem, was der erste Therl bietet, würde er damit gewiß den Wunsch eines jeden Lesers

üllen.

„— Das neue Gymnasium zu Moabit ist am 24. d. M. eröffnet worden. Die feierliche Einweihung hat noch hinausgeschoben werden müssen. Wahrscheinlich wird, wie die „Post“ mittheilt, die⸗ selbe im Laufe der nächsten Woche stattfinden. Beim Beginne des Unterrichts waren etwa 250 Schüler angemeldet, von welchen die

nne auf die Vorbereitungsklassen kommt. Die Sexta zählt 50

üler.

Aus dem Verlage der Schulze'schen Hofbuchhandlung und Hefbvchdgege⸗ (C. Berndt u. A. Schwartz) in Oldenburg sind uns olgende Bücher zugegangen:

Hof⸗ und Staats⸗Handbuch des Großherzogthums Olden⸗ Sxah. n das Jahr 1882. Preis gebunden 1,30

ankelmann, Trauerspiel in fünf Akten von Otto Girndt. Preis 2 Dieses Drama wurde von der Beurtheilungs⸗ Kommission für die von der Königlichen Hoftheater⸗Intendanz in München ausgeschriebene Preisbewerbung vom Jahre 1877 mit dem Preise gekrönt. Dasselbe ist, wie eine auf dem Titel⸗ blatte besagt, „mit glänzendem Erfolge“ am Königlichen Hof⸗ und National⸗Theater in München in Scene gegangen.

Christian Günther. Schauspiel in fünf Akten von Max Grube. Preis 2

Der „Philolog. Wochenschr.“ wird aus Rom geschrieben: Die jüngst wieder aufgenommenen Ausgrabungen am römischen Forum, welche die zwischen den Kirchen San Lorenzo in miranda und 8. Maria liberatrice befindlichen Erdwand wegzuräumen zur Aufgabe haben, lieferten bisher nichts von dem, was man dort zu finden hoffte (Konsularfasten und den Fabierbogen), führten dagegen zur Entdeckung eines Fragments des römischen Stadtplans. Dieser chon an sich höchst wichtige Fund wird dadurch noch werthvoller, daß

g neugewonnen Fragment einen Punkt der Stadt Rom betrifft, dessen topographische Einzelheiten noch manchem Zweifel unterworfen waren. Soweit sich nämlich jetzt beurtheilen läßt, enthält das Frag⸗ ment einen Theil der Umgebungen des Kastortempels, also gerade die Gegend des römischen Forums, welche heute frei gelegt wird.

““ 1“

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Vom Unterwesterwald, 23. April, berichtet man der „Wiesb. Ztg.“”: Ueber den Stand der Saaten kann ich nur Günstiges berichten. Korn und Weizen stehen sehr gut, stellenweise sogar üppig. Der Raps blüht, Hafer und Klee sind jedoch noch weit zurück. Mit dem Kartoffelsetzen wurde diese Woche der Anfang ge⸗ macht. Auch die Wiesen zeigen ein sehr gutes Aussehen und ver⸗ sprechen eine gute Heuernte. Die günstigen Aussichten auf ein gutes Futterjahr haben nicht verfehlt, auf die Viehpreise zu wirken; dieselben sind rasch gestiegen und haben sogar auf einigen der letzten Märkte der Umgegend eine ganz bedeutende Höhe erreicht. Wir wollen hoffen, daß die günstigen Anzeichen für eine gute Ernte nicht trügen, so daß wir einem gesegneten Jahre entgegensehen.

Gewerbe und Handel.

Durch Bekanntmachung des schwedischen Kommerz⸗Kollegiums vom 18. d. Mts⸗ ist angeordnet worden, daß die Einfuhr von Rindvieh, Schafen, Ziegen und anderen Widerkäuern, sowie von Pferden nach Schweden auf dem Seexege fortan auch“) in den Städten Söderhamn und Hudiksvall stattfinden darf.

Auf die Aktien der seit dem 29. Mai 1878 in Liquidation befindlichen Aktien⸗Gesellschaft fürr Tabackfabrikation, vormals George Praetorius, gelangt gegenwärtig eine weitere Quote von 2 % zur Rückzahlung. Bisher haben die Aktionäre dieses Unternehmens aus der Liquidationsmasse zwei Raten, eine von 40 %, Januar 1879, die zweite von 4 % am 18. Juni 1880 er⸗ alten.

Die „Aenderungen des amtlichen Waarenverzeich⸗ nisses zum Zolltarife“ sind so eben in R. von Deckers Ver⸗ lag, (Marquardt u. Schenck hierselbst) erschienen. (Preis 10 ₰.) Das vollständige amtliche Waarenverzeichniß und Zolltarif⸗Gesetz nebst den festgestellten Tarasätzen, Nachtrag und Aenderungen, 1.“ gr. 80 geheftet, ist aus demselben Verlage für 3,10 zu beziehen.

„— Das Aprilheft (16. Jahrg. 1882) von „Kunstund Gewerbe“, Zeitschrift zur Förderung deutscher Kunstindustrie, herausgegeben vom Bayerischen Gewerbemuseum zu Nürnberg, redigirt von Dr. Otto von Schorn (Druck und Verlag von G. P. J. Bieling (G. Dietz) in Nürnberg) bringt den ersten Theil einer durch viele Illustrationen erläuterten Geschichte der Kammfabrikation, nach einem im Gewerbe⸗ Museum gehaltenen Vortrage bearbeitet von Carl Friedrich; einen Beitrag über die persische Nadelmalerei Susandschird, Mittheilungen aus Museen, Vereinen, Schulen, Ausstellungen ꝛc., Rathschläge für die Werkstatt, Nachrichten aus dem Buchhandel und kleinere Mitthei⸗ lungen. Außer vielen Abbildungen im Text liegen dem Heft 3 Kunst⸗ blätter bei, von denen das eine zwei (in vorzüglichem Farbendruck re⸗ produzirte) geschmackvolle italienische Buchdecken des 16. Jahrhunderts aus der Nationalbibliothek zu Florenz, das zweite ein Paar edel stylisirte Blumenvasen aus getriebenem Silber (die Originale be⸗ finden sich in der Stadtkirche zu Annaberg) und das letzte eine hübsche Etagere in deutschem Renaissancestyl, entworfen von L. Bürger, zur Anschauung bringt. Gleichzeitig mit dem Aprilheft der Zeit⸗ schrift werden die Nrn. 6 und 7 der „Mittheilungen des Bavye⸗ rischen Gewerbe⸗Museums“ als Beiblätter dazu ausgegeben. Da gelegentlich der Bayerischen Landesausstellung in Nürnberg auch das Bayerische Gewerbemuseum mit seinen reichen Schätzen auf die Fremden eine große und gewiß gerechtfertigte Anziehungskraft äußern wird, so dürfte folgende Mittheilung über die für den Besuch der Anstalt bestehenden Bestimmungen willkommen sein: Der Eintritt in die Sammlungen, in die Bibliothek mit Lesezimmer und in die permanente Ausstellung kann vom 17. April bis 6. Oktober d. J. täglich, mit Ausnahme des Sonnabends, erfolgen und zwar an den Wochentagen in den Tagesstunden 10— 12 Uhr und 2—5 Uhr, an den Sonntagen von 10—1 Uhr. Mit Ausnahme des Montags und des Donnerstags, an welchen Tagen ein Eintrittsgeld von 1 er⸗ hoben wird, ist der Eintritt frei. Die Vorbildersammlung mit Zeichensaal und die Bibliothek mit Lesezimmer sind schon um 9 Uhr Vormittags zugänglich und bleiben bis 6 Uhr Abends offen. Ueber die Benutzung sind die besonderen Bestimmungen in den einzelnen Abtheilungen der Sammlungen maßgebend. Die übrigen Einrichtun⸗ gen des Bayerischen Gewerbemuseums können nur nach eingeholter Erlaubniß, welche im Bureau zu erhalten ist, besucht werden.

Wien, 27. April. (W. T. B.) Die Bilanz der Prag⸗ Duxer Bahn, welche in der heutigen Sitzung des Verwaltungs⸗ rathes festgestellt wurde, weist pro 1881 einen Reinertrag von 326 000 Fl. auf.

Antwerpen, 27. April. (W. T. B.) Wollauktion. Angeboten 2315 Ballen, davon 1674 B. verkauft. Preise unverändert.

Verkehrs⸗Anstalten. New⸗York, 27. April. (W. T. B.) Der Hamburger Postdampfer „Rhenania“ ist hier eingetroffken. 1“

*) cfr. „R. A.“ Nr. 13 de 1882.

Berlin, 28. April 1882.

Der Centralverein für Hebung der deutschen Fluß⸗ und Kanalschiffahrt hielt am Donnerstag Abend im Bürger⸗ saale des Rathhauses seine Generalversammlung ab. Der Vor⸗ sitzende, Abg. Dr. Georg v. Bunsen, bemerkte einleitend: Der Verein, der früher mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt, könne nun⸗ mehr mit Genugthuung auf seine Thätigkeit zurückblicken. Seiner Initiative sei das Erstehen und die Verbesserung vieler Kanäle zu verdanken. Das Jahr 1881 könne für die Schiffahrt als ein gün⸗ stiges bezeichnet werden. Dank der atmosphärischen Niederschläge sei der Wasserstand ein hoher und die Geschäftslage eine günstige gewesen. Wenn auch noch so manche Projekte bezüglich der Flußregulirung nicht erfüllt worden seien, so könne man trotzdem mit Be⸗ friedigung auf die erzielten Resultate zurückblicken. Ganz besonders sei es der Thätigkeit des Vereins zu verdanken, daß gegen⸗ wärtig eine Melioration der Moorkanäle an der Ems und Weser vorgenommen werde. Es gehören gegenwärtig dem Vereine an: 42 Magistrate, 39 Handelskammern, 36 Vereine und Gesellschaften und 589 persönliche Mitglieder. Kaufmann Zeller erstattete hier⸗ nach den Kassenbericht. Danach betrugen die Einnahmen des Vereins im letztverflossenen Geschäftsjahre 7649 ℳ, die Ausgaben 5674 ℳ, der gegenwärtige Kassenbestand 1976 Der Handelskammer⸗ Sekretär Dr. Eras (Breslau) referirte alsdann über: die gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse der deutschen Binnenschiffahrt und schlug die Annahme folgender Resolution vor: „Die Ver⸗ sammlung beauftragt den Vorstand, an die Reichsregierung das Ersuchen zu richten, bei der Vorbereitung und Vor⸗ berathung eines, mit thunlichster Beschleunigung zu erlassenden Reichsgesetzes über die Rechtsverhältnisse der Strom⸗ und Binnen⸗ chiffahrt, dem Centralverein für Hebung der deutschen Fluß⸗ und Kanalschiffahrt Gelegenheit zu bieten, seine diesbezüglichen An⸗ schauungen und Wünsche zu äußern.“ Nach kurzer Debatte wurde diese Resolution angenommen. Professor Dr. Schlichting sprach hierauf über Ketten⸗ und Seilschiffahrt.

Der Hülfsverein für innere Mission hielt gestern unter Vorsitz des Wirkl. Geh. Ober⸗Justiz⸗Raths Wentzel im Saale des Evangelischen Vereinshauses seine zweite Jahresversammlung ab. Die vom Verein angeregte Errichtung einer Lehrlingsherberge ist auf einem zwischen Acker⸗ und Bernauerstraße belegenen Grundstück perfekt geworden. Doch findet die Herberge noch nicht die erwünschte Be⸗ theiligung. 1000 von den auf 1372,50 sich belaufenden Ein⸗ nahmen sind von Seiten des Vereins an den Centralausschuß abge⸗ führt worden.

Ulm, 27. April. (W. T. B.) Die Dombaumeister haben die Erklärung abgegeben, daß dem Ausbau des Münsterthurms keine Hindernisse entgegenständen.

„Das gegenwärtige Gastspiel der Herzoglich sachsen⸗mei⸗ ningenschen Hoftheatergesellschaft auf der Winterbühne der Friedrich⸗Wilhelmstadt gestaltet sich zu einem gleich bedeut⸗ samen theatralischen Ereigniß wie die früheren und beschäftigte seit dem ersten Tage des Wiedererscheinens der Gäste alle der dramatischen Kunst Zugethanen, ja auch Diejenigen, welche den „Meiningern“ prin⸗ zipiell abgeneigt sind, in höchstem Maße. Bietet doch der „Wallen⸗ stein“, mit dem sich die Gesellschaft diesmal hier einführte, noch eine entschiedene Steigerung gegen ihre früheren vielbewunderten Leistungen, und zwar, was noch mehr heißen will, hinsichtlich der rein dramatischen Interpretation der Dichtung und abgesehen von dem prachtvollen Rahmen, in welchem sie uns entgegentritt. Wer auch nur die eine Scene des Kriegsraths in den „Piccolomini“ so fesselnd und hin⸗ reißend lebendig zu gestalten vermag, wie wir sie von den Meiningern gesehen, der hat ein strengstes Rigorosum in der Bühnenkunst mit den höchsten Ehren bestanden. Diese Scene kann deshalb vorzugs⸗ weise als Prüfstein dienen, weil die dekorative Ausstattung, welcher sonst gern die Erfolge der Meininger ausschließlich zuge⸗ schoben wurden, so gut wie gar nicht dabei in Geltung kommt. Die damit erzielte Wirkung ist vielmehr ausschließliches Verdienst der Schauspielkunst und einer genialen Regie. Beide feiern auch bei dem Gelage des Grafen Terzky großartige Triumphe, aber hier tritt auch eine geradezu blendende Ausstattung an Dekorationen und Geräthen mit ihr in Konkurrenz. Ein Kabinetsstück der Inscenirung ist vor Allem „Wallensteins Lager“, welches allabendlich schon beim Auf⸗ gehen des Vorhangs einen Sturm des Beifalls zu erregen pflegt.

Angesichts dieser einzigartigen Schöpfung der Bühnenkunst dürfte es

schwer zu entscheiden sein, welchem der Faktoren, die an diesem theils prächtigen, theils charakteristischen lebendigen Gesammtbilde zusammen⸗ wirken, die Palme zu reichen sei. Bedauerlich ist nur der geringe Raum, welchen die Bühne zur Entfaltung dieses Bildes bietet und der durch die (von der Tradition abweichend) gewählte Waldlandschaft noch mehr eingeengt wird. Hat übrigens in diesem Vorspiel die Comparserie vollauf Gelegenheit zur Entfaltung derjenigen Wirkungen, in welchen die Meininger Gesellschaft (auch von ihren Gegnern unbestritten) stets besonders exeellirte, so stellen die beiden Hauptdramen der Trilogie an die Schauspiel⸗ kunst katexochän sehr bedeutende Anforderungen. Daß die Gesellschaft auch diesen in vollem Maße gerecht geworden, das ist es, was ihren Aufführungen des „Wallenstein“ eine geradezu epochemachende Be⸗ deutung in der Geschichte der deutschen Schauspielkunst zuweist. Die Meininger Hofbühne hat das Verdienst, mit diesen Aufführun⸗ gen dargethan zu haben, auf wie heillos falschen Bahnen sich das deutsche Theater mit seinem Virtuosenkultus befindet. Denn wenn der Gesellschaft auch so treffliche Künstler, wie Hr. Nesper (Wallenstein), Hr. Teller (Illo, in dieser Rolle noch bedeutender denn als Buttler und als Kapuziner), Hr. Arndt (Isolani und erster Holkischer Jäger) und so beachtenswerthe Künstlerinnen, wie Fr. Berg (Herzogin) und Frl. Schanzer (Gräfin Terzky) angehören, so liegen die Verdienste der Andern doch weniger in ihrer indivi⸗ duellen Kunstbegabung, als in der fügsamen Unterordnung und intelli⸗ genten Ausführung der Absichten einer hochkünstlerischen, geradezu schöpferischen Regie, welche dadurch aus ihnen Künstler geschult und erzogen hat, welche jedem Theater zur Zierde gereichen würden. Das zeigt sich nicht nur in dem vollendeten Zusammenspiel, nein in der Art, wie sie die Dichtung behandeln, die Verse sprechen und betonen, und sich in den darzustellenden Charakter vertiefen. Ueber die glänzende, historisch getreue Ausstattung dürfen wir uns weiteres Lob ersparen; bemerkt sei jedoch, daß die Kostüme, namentlich der Damen, zum Theil zu sehr den modisch outrirten Porträts der Zeit gefolgt zu sein scheinen. Der gestrigen Vorstellung von „Wallensteins Tod“ wohn⸗ ten wiederum Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz, Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen Wilhelm und Georg sowie die Erbprinzlich sachsen⸗meiningenschen Herr⸗ schaften bei.

Im Residenz⸗Theater kam gestern ein neues französisches Sittendrama: „Sergius Panin“, Schauspiel in 5 Akten von Georges Ohnet, deutsch von Carl Saar, zur ersten Aufführung. Im Mittel⸗ punkt der Handlung steht der Titelheld, Fürst Sergius Panin, ein vornehmer, vermögensloser Roué, dessen verschwenderischer, haltloser Charakter ihn schließlich zum Theilnehmer eines Betruges macht. Als der Fürst vor die Schranken des Gesetzes gezogen werden soll, weiß er in seiner Feigheit nicht den einzigen Ausweg zu finden, der die dunklen Flecken von seiner Ehre waschen könnte. Die charakter⸗ volle energische Frau Desvarennes, außer sich über die Schmach, mit der auch sie ihres Schwiegersohnes Verhalten bedroht, rächt des⸗ halb mit eigener Hand die Schande, die Sergius Panin über sie ge⸗ bracht, indem sie ihn niederschießt. Das Stück bietet somit eine Variante zu dem Dumasschen Thema, daß der Tod allein die Sünde an der Sittlichkeit sühnen könne. Nur wird uns hier an der Stelle des verirrten Weibes ein moralisch gesunkener Mann vorgeführt, dem gegenüber ein Weib die sittlichen Pflichten und die Gesetze der Ehre zu wahren berufen ist. Die beiden Hauptcharaktere sind mit großer Sorgfalt ausgearbeitet: der Fürst durch ewiges Nichtsthun erschlafft und immer tiefer sinkend; ihm gegenüber die verkörperte Arbeitskraft und das gespannte Ehrgefühl der Frau Desvarennes, die nur eine Schwäche kennt, nämlich die abgöttische Liebe zu ihrer Tochter. Die anderen Personen sind geschickt um diese beiden Figuren gruppirt. In dem ganzen dramatischen Aufbau und in dem Reichthum an scenischen Effekten erkennt man wieder die Gewandtheit der modernen französi⸗ schen Autoren, aber von den dargestellten Charakteren kann kaum ein anderer neben der Frau Desvarennes ein dauerndes Interesse hervor⸗ rufen. Als Darstellerin der Frau Desvarennes zeichnete sich Frl. Bognar durch ihr vorzügliches Spiel aus; in Haltung und Be⸗ wegung, Sprache und Mienenspie’“ verkörperte sie die energische Geschäftsfrau auf’'s Vollkommenste und lieferte damit einen neuen Beweis ihrer Begabung. Hr. Haack bemühte sich, in der Titel⸗ rolle das Beste zu leisten; doch fehlt seiner Sprache und seinen Be⸗ wegungen die Geschmeidigkeit, die von dem Darsteller des Fürsten Panin erwartet werden muß. Eine sehr gute Leistung war die des Hrn. Kober (Cayrol), die ihm auch zu einem Hervorruf auf offener Szene verhalf. Hervorzuheben sind noch Frl. Berger (eh. und Hr. Lüpschütz (Maréchal). Dagegen paßte Frl. Ziegler (Jeanne) zu wenig in den Rahmen des Stückes. Das Haus war beinahe aus⸗ verkauft und applaudirte in animirter Stimmung; nach dem vierten Akte ließ diese etwas nach und ließ sogar etwas Opposition zu Tage treten. Im Ganzen war es ein Erfolg, der freilich zum großen Theil durch Frl. Bognars charakteristisches 2. biel hervorgerufen wurde.

Central⸗Skating⸗Rink. Das Gastspiel der Sgra. Emma Saurel, welche heute in der italienischen Oper als Gilda in Verdi'’s „Rigoletto“ auftritt, dürfte um so größeres Interesse erwecken, als die Künstlerin sich hier bereits eines wohlbegründeten Rufes erfreut. Morgen, Sonnabend, findet eine Wiederholung von „Rigoletto“ und das zweite und letzte Gastspiel der genannten Dame statt. Für Sonn⸗ tag steht „Ernani“ auf dem Repertoire, mit Sgr. Brogi in der be⸗ kannten Glanzrolle des Carlo Quinto. Die Titelrolle singt Sgr. 41 dessen frühere stimmliche Indisposition vüefnche h

Beginn der großen Militär⸗Concerte am Sonnabend in Aussicht genommen. Diese bei der fashionablen Welt besonders beliebten und gern besuchten Concerte werden, wie bisher, von sämmtlichen Musikcorps der hier garnisonirenden Garde⸗Regimenter ausgeführt.

Im deneg gt Garten ist bei günstiger Witterung der

Redacteur: Riedel. 85 Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner.

Vier Beilagen

worden:

8

ordnung treten folgende Bestimmungen:

Zeugnisses abhängig machen.

zeichnende Bedingungen eingeschränkt werden.

Berrlin, Freitag, den 28. April

eilage uzeiger und Königlich Preußischen Staa

Neichstags⸗Angelegenheiten.

Dem Reichstag ist folgender Entwurf eines Gesetzes, etreffend Abänderung der Gewerbeordnung, vorgelegt

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen ꝛc.

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

Artikel 1. An die Stelle des §. 6 der Gewerbeordnung treten folgende Be⸗

stimmungen:

Das gegenwärtige Gesetz findet keine Anwendung auf die Fischerei, die Errichtung und Verlegung von Apotheken, die Erziehung on Kindern gegen Entgelt, das Unterrichtswesen, die advokatorische und Notariatspraxis, den Gewerbebetrieb der Auswanderungsunter⸗

nehmer und Auswanderungsagenten, der Versicherungsunternehmer

und der Eisenbahnunternehmungen, die Befugniß zum Halten öffent⸗ licher Fähren und die Rechtsverhältnisse der Schiffmannschaften auf

den Seeschiffen. Auf das Bergwesen, die Ausübung der Heilkunde,

den Verkauf von Arzneimitteln, den Vertrieb von Lotterieloosen und

die Viehzucht findet das gegenwärtige Gesetz nur insoweit Anwendung, als dasselbe ausdrückliche Bestimmungen darüber enthält.

Durch Kaiserliche Verordnung wird bestimmt, welche Apotheker⸗ waaren dem freien Verkehr zu überlassen sind. Artikel 2. An die Stelle des letzten Absatzes des §. 30 der Gewerbe⸗

Hebammen bedürfen eines Prüfungszeugnisses der nach den Landes⸗ gesetzen zuständigen Behörde. Auch können die Landesregierungen den Betrieb des Hufbeschlaggewerbes von der Beibringung eines solchen

3 Artikel 3. 1 I. Hinter §. 33 der Gewerbeordnung wird eingeschaltet: Wer gewerbsmäßig Musikaufführungen, Schaustellungen, thea⸗

1 tralische Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten, bei denen ein höheres Interesse der Kunst oder Wissenschaft nicht obwaltet, in seinen Wirth⸗ schafts⸗ oder sonstigen Räumen öffentlich veranstalten oder zu deren

Veranstaltung seine Räume benutzen lassen will, bedarf zum Betriebe dieses Gewerbes der Erlaubniß ohne Rücksicht auf die etwa bereits erwirkte Erlaubniß zum Betriebe des Gewerbes als Schauspielunter⸗

nehmer.

Die Erlaubniß ist zu versagen: 1) wenn gegen den Nachsuchenden Thatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß die beabsichtigten Veranstaltungen den Gesetzen oder guten Sitten zuwiderlaufen werden, 2) wenn das zum Betriebe des Gewerbes bestimmte Lokal wegen seiner Beschaffenheit oder Lage den polizeilichen Anforderungen nicht genügt, r 8 wenn der den Verhältnissen des Gemeindebezirks entsprechenden

1 Anzahl von Personen die Erlaubniß bereits ertheilt ist.

Die Erlaubniß kann auf Zeit ertheilt und durch bestimmt zu be⸗ Aus den unter Ziffer 1 und 2 angeführten Gründen kann die Erlaubniß zurückgenommen und Personen, welche vor dem Inkraft⸗

treten dieses Gesetzes den Gewerbebetrieb begonnen haben, derselbe

untersagt werden. 8. 88 1 Wer gewerbsmäßig Musikaufführungen, Schaustellungen, theatra⸗

lische Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten, bei denen ein höheres Interesse der Kunst oder Wissenschaft nicht obwaltet, von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen

öffentlichen Orten darbieten will, bedarf der vorgängigen Erlaubniß der Ortspolizeibehörde. Gegen die auf Grund dieses Paragraphen erlassenen Ver⸗ fügungen findet nur die Beschwerde an die unmittelbar vorgesetzte

Behörde statt.

II. In dem §. 40 Absatz 1 der Gewerbeordnung treten an die Stelle der Worte: 3 Die in den §§. 29 bis 34 erwähnten Approbationen die Worte: 3 Die in den §§. 29 bis 33 und im §. 34 erwähnten Appro⸗ bationen. Artikel 4.

An die Stelle des §. 35 der Gewerbeordnung treten folgende Bestimmungen: v 2* 30.

Die Ertheilung von Tanz⸗, Turn⸗ und Schwimmunterricht als als Gewerbe, sowie die gewerbsmäßige Besorgung fremder Rechtsan⸗ gelegenheiten und bei Behörden wahrzunehmender Geschäfte, insbeson⸗ dere die Abfassung der darauf bezüglichen schriftlichen Aufsätze, ist zu untersagen, wenn Thatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden: in Bezug auf diesen Gewerbebetrieb darthun.

Unter derselben Voraussetzung sind zu untersagen: der Trödel⸗ handel (Handel mit gebrauchten Kleidern, gebrauchten Betten oder

ebrauchter Wäsche, Kleinhandel mit altem Metallgeräth, mit Metall⸗

oder dergleichen), sowie der Kleinhandel mit Garnabfällen oder Dräumen von Seide, Wolle, Baumwolle oder Leinen und der Handel mit Dynamit oder anderen Sprengstoffen.

Dasselbe gilt von dem Geschäfte eines Gesindevermiethers und eines Stellenvermittlers, sowie von dem Geschäfte eines Auktionators. Denjenigen Auktionatoren, welche nicht von den verfassungsmäßig dazu befugten Staats⸗ oder Kommunalbehörden oder Korporationen an⸗ gestellt sind (§. 36) ist es verhoten, Immobilien zu versteigern.

Personen, welche die in diesem Paragraphen bezeichneten Gewerbe beginnen, haben 58 Eröffnung L22 Gewerbebetriebes der zuständigen Behörde hiervon Anzeige zu machen.

; Artikel 5. An die Stelle des §. 42 der Gewerbeordnung treten folgende

Bestimmungen: 8 8

Wer zum selbständigen Betriebe eines stehenden Gewerbes be⸗ fugt ist, darf dasselbe innerhalb und unbeschadet der Bestimmungen des dritten Titels auch ste bals des Gemeindebezirks seiner gewerb⸗ lichen Niederlassung ausüben. t

8 Eine dha⸗ Niederlassung gilt nicht als vorhanden, wenn der Gewerbetreibende im Inlande ein zu dauerndem Gebrauche ein⸗ erichtetes, beständig oder doch in regelmäßiger Wiederkehr von ihm benußtes Geschäftslokal nicht besäbt. zegenstände, welche von dem Ankauf oder Feilbieten im Umher⸗ Hiehens vFenständefian sind, dürfen auch innerhalb des Gemeindebezirkes des Wohnorts oder der gewerblichen Niederlassung von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder anderen öffentlichen Orten nicht feilgeboten oder zum Wiederverkauf angekauft werden. Auf Druckschriften, andere Schriften und Bildwerke findet dieses eerbot nicht Anwendung. 1 1 8-e 8. Die zuständige Landesregierung ist befugt, soweit ein Bedürfniß dazu obwaltet, anzuordnen, daß und inwiefern weitere Ausnahmen von diesem Verbote stattfinden sollen. 88 Das Feilbieten e⸗ Getränke kann von der Ortspolizei⸗

§. 42 b. 3 Durch die höhere Verwaltungsbehörde kann für einzelne Ee⸗ meinden bestimmt werden, daß die in dem Gemeindebezirke einen Wohnsitz oder eine gewerbliche Niederlassung besitzenden Personen, welche innerhalb des Gemeindebezirks auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten oder ohne vorgängige B. stellung von Haus zu Haus 1) Waaren feilbieten, oder b6 2) Waaren zum Wiederverkauf ankaufen, oder Waarenbestellungen bei Personen, in deren Gewerbebetriebe Waaren der angebotenen Art keine Verwendung finden, aufsuchen oder 3) gewerbliche Leistungen, hinsichtlich deren dies nicht Landes⸗ gebrauch ist, anbieten wollen, der Erlaubniß bedürfen. In Betreff der im §. 59 Ziffer 1 und 2 bezeichneten Erzeugnisse und Waaren, auch wenn dieselben nicht zu den selbstgewonnenen oder selbstverfertig⸗ ten gehören, sowie in Betreff der vom Bundesrath in Gemäßheit des §. 44 Absatz 2 und 3 gestatteten Ausnahmen darf der betreffende Gewerbebetrieb in dem Gemeindebezirke des Wohnsitzes oder der ge⸗ vee Niederlassung von einer Erlaubniß nicht abhängig gemacht werden. Auf die Ertheilung, Versagung und Zurücknahme der Erlaubniß finden die Vorschriften der §§. 57, 57a., 58 und 63 Absatz 1, und auf die Ausübung des Gewerbebetriebes die Vorschriften der §§. 60 b., 60c. und 60 d. Absatz 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die höhere Verwaltungsbehörde ist befugt, die vom Bundesrath gemäß §. 56 d. getroffenen Bestimmungen auf diejenigen Ausländer entsprechend anzuwenden, welche innerhalb des Gemeindbezirks ihres Wohnortes oder ihrer gewerblichen Niederlassung auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten, oder ohne vorgängige Bestellung von Haus zu Haus eines der unter Ziffer 1 bis 3 bezeichneten Gewerbe betreiben wollen.

Artikel 6. An die Stelle des zweiten Absatzes des §. 43 der Gewerbeord⸗ nung treten folgende Bestimmungen:

Auf die Ertheilung, Versagung und Zurücknahme der Erlaubniß finden die Vorschriften der §§. 57, 57 a., 58 und 63 Absatz 1 ent⸗ sprechende Andwendung.

Artikel 7.

An die Stelle des §. 44 der Gewerbeordnung treten folgende

Bestimmungen: 1

Wer ein stehendes Gewerbe betreibt, ist befugt, auch außerhalb des Gemeindebezirks seiner gewerblichen Niederlassung persönlich oder durch in seinem Dienste stehende Reisende für die Zwecke seines Ge⸗ werbebetriebes Waaren aufzukaufen und Bestellungen auf Waaren u suchen.

1 Die aufgekauften Waaren dürfen nur behufs deren Beförderung nach dem Bestimmungsorte mitgeführt werden, von den Waaren, auf welche Bestellungen gesucht werden, dürfen nur Proben und Muster mitgeführt werden, soweit nicht der Bundesrath für bestimmte Waaren, welche im Verhältnisse zu ihrem Umfange einen hohen Werth haben und übungsgemäß an die Wiederverkäufer im Stück abgesetzt werden, zum 3ͤwece des Absatzes an Personen, welche damit Handel treiben, Ausnahmen zuläßt. G

Das Aufkaufen von Waaren bei Personen, welche weder die Waaren produziren noch mit denselben Handel treiben, sowie das Aufsuchen von Bestellungen auf Waaren bei Personen, in deren Ge⸗ werbebetriebe Waaren der angebotenen Art keine Verwendung finden, unterliegt, sobald dasselbe außerhalb des Gemeindebezirks der gewerb⸗ lichen Niederlassung geschieht, den Vorschriften des dritten Titels, soweit nicht der Bundesrath hinsichtlich des Aufsuchens von Waaren⸗ bestellungen Ausnahmen für den Umfang des Reichs oder Theile desselben bestimmt.

§. 44 a. 3

Wer in Gemäßheit des §. 44 Absatz 1 und 2 Waarenbestellungen aufsucht oder Waaren aufkauft, bedarf hierzu einer Legitimations⸗ karte, welche auf den Antrag des Inhabers des stehenden Gewerbe⸗ betriebes von der für dessen Niederlassungsort zuständigen Verwal⸗ tungsbehörde für die Dauer des Kalenderjahres und den Umfang des Reichs ausgestellt wird. Die Legitimationskarte enthält den Namen des Inhabers derselben, den Namen der Person oder der Firma, in deren Diensten er handelt, und die nähere Bezeichnung des Gewerbe⸗ betriebes.

Der Inhaber der Legitimationskarte ist verpflichtet, dieselbe wäh⸗ rend der Ausübung des Gewerbebetriebes bei sich zu führen, auf Er⸗ fordern der zuständigen Behörden oder Beamten vorzuzeigen und, so⸗ fern er hierzu nicht im Stande ist, auf deren Geheiß den Betrieb bis zur Herbeischaffung der Legitimationskarte einzustellen. 88

Die Legitimationskarte ist zu versagen, wenn bei demjenigen, für welchen sie beantragt wird, eine der im §. 57 bezeichneten Voraus⸗ setzungen zutrifft, außerdem darf sie nur dann versagt werden, wenn eine der im §. 57 a. Ziffer 2 bis 6 bezeichneten Voraussetzungen vorliegt.

Die Legitimationskarte kann durch die Behörde, welche sie aus⸗ gestellt hat, zurückgenommen werden, wenn sich ergiebt, daß eine der im §. 57 bezeichneten Voraussetzungen zur Zeit der Ertheilung derselben vorhanden gewesen, der Behörde aber unbekannt geblieben, oder nach Ertheilung derselben eingetreten ist, oder wenn bei dem Geschäftsbetriebe die im §. 44 gezogenen Schranken überschritten werden.

Wegen des Verfahrens gelten die Vorschriften des H. 63 e.

Einer Legitimationskarte bedürfen diejenigen Gewerbetreibenden nicht, welche durch die in den Zollvereins⸗ oder Handelsverträgen vorgesehene Gewerbelegitimationskarte bereits legitimirt sind. In Betreff dieser Gewerbetreibenden finden die vorstehenden Bestimmun⸗ gen über die Verpflichtung zum Mitführen der Legitimationskarte, über die Folgen der Nichterfüllung dieser Verpflichtung, sowie über die Versagung und Zurücknahme der Karte entsprechende Anwendung.

Artikel 8.

An die Stelle des §. 53 der Gewerbeordnung treten folgende Bestimmungen:

Die in den §§. 29, 30, 32, 33, 34 und 36 bezeichneten Appro⸗ bationen, Genehmigungen und Bestallungen können von der Verwal⸗ tungsbehörde zurückgenommen werden, wenn die Unrichtigkeit der Nach⸗ weise dargethan wird, auf Grund deren solche ertheilt worden sind, oder wenn aus Handlungen oder Unterlassungen des Inhabers der Mangel derjenigen Eigenschaften, welche bei der Ertheilung der Approbation, LSeeeeen oder Bestallung vorausgesetzt werden

v 8 klar erhellt. Inwiefern durch die Handlungen oder Unter⸗ lassungen eine Strafe verwirkt ist, bleibt der richterlichen Entschei⸗ dung vorbehalten.

fandleihern, welche vor dem Inkrafttreten des Gesetes vom 23. Juli 1879 (Reichs⸗Gesetzblatt Seite 267) den Gewerbebetrieb begonnen haben, kann derselbe untersagt werden, wenn Thatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf den Gewerbebetrieb darthun.

In dem §. 54 der Gewerbeordnung fallen die Worte: „§. 15

. 2 und“ fort.

Artikel 10.

Wer außerhalb des Gemeindebezirks seines Wohnortes oder der

durch besondere Anordnung der höheren Verwaltungsbehörde dem Ge⸗ meindebezirke des Wohnortes gleichgestellten desselben ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung und ohne

nächsten Umgebung

vorgängige Bestellung in eigener Person

1) Waaren feilbieten, 1

2) Waaren bei anderen Personen, als bei Kaufleuten, welche mit diesen Waaren Handel treiben, oder an anderen Orten, als in offenen Verkaufsstellen zum Wiederverkauf ankaufen,

poder Waarenbestellungen aufsuchen,

3) gewerbliche Leistungen anbieten,

4) Musikaufführungen, Schaustellungen, theatralische Vor⸗ stellungen oder sonstige Lustbarkeiten, bei denen ein höheres Interesse der Kunst oder der Wissenschaft nicht obwaltet, darbieten will,

bedarf eines Wandergewerbescheins, soweit nicht für die in Ziffer 2

bezeichneten Fälle in Gemäßheit des §. 44 a. eine Legitimationskarte

enügt.

1 Für den Marktverkehr (§. 64) ist in dem Falle der Ziffer 4 ein

Wandergewerbeschein erforderlich. 2

. D.

Beschränkungen, vermöge deren gewisse Waaren von dem Feil⸗

halten im stehenden Gewerbebetriebe ganz oder theilweise ausgeschlossen

sind, gelten auch für deren im Umherziehen. 1 Ausgeschlossen vom Ankauf oder Feilbieten im Umherziehen sind:

1) geistige Getränke, soweit nicht das Feilbieten derselben von

der Ortspolizeibehörde im Falle besonderen Bedürfnisses vorüber⸗

gehend gestattet ist; 8

2) gebrauchte Kleider, gebrauchte Wäsche, gebrauchte Betten und

gebrauchte Bettstücke, insbesondere Bettfedern, Menschenhaare, Garn⸗

Enden und Dräumen von Seide, Wolle, Leinen oder Baum⸗

wolle; 3

3) Gold⸗ und Silberwaaren, Bruchgold und Bruchsilber, sowie

Taschenuhren;

4) Spielkarten; 3 1

9 Staats⸗ und sonstige Werthpapiere, Lotterieloose, Bezugs⸗

und Antheilscheine auf Werthpapiere und Lotterieloose; 1

6) explosive Stoffe, insbesondere Feuerwerkskörper, Schießpulver

und Dynamit;

7) mineralische und andere leicht entzündliche Oele, sowie

Spiritus;

8) Stoß⸗, Hieb⸗ und Schußwaffen; .““

9) Gifte und gilthaltige Waaren, Arznei⸗ und Geheimmittel.

Ausgeschlossen vom Feilbieten im Umherziehen sind ferner:

10) Druckschriften, andere Schriften und Bildwerke, mit Aus⸗

nahme von Bibeln, Bibeltheilen, Schriften und Bildwerken patrioti⸗

schen, religiösen oder erbaulichen Inhalts, Schulbüchern, Landkarten und landesüblichen Kalendern.

Wer von der in Ziffer 10 erwähnten Ausnahme Gebrauch machen

will, hat ein Verzeichniß der Druckschriften, anderen Schriften und

Bildwerke, welche er mit sich zu führen beabsichtigt, der zuständigen

Verwaltungsbehörde seines Wohnortes zur Genehmigung vorzulegen.

Die letztere ist nur dann zu versagen, wenn das Verzeichniß Druck⸗

schriften, andere Schriften oder Bildwerke andercr, als der vor⸗

bezeichneten Art enthält. Der Gewerbetreibende ist verpflichtet, das

Verzeichniß während der Ausübung des Gewerbebetriebes bei sich zu

führen, auf Erfordern der zuständigen Behörden oder Beamten vor⸗

zuzeigen und, sofern er hierzu nicht im Stande ist, auf deren Geheiß den Betrieb bis zur ööö Verzeichnisses einzustellen.

. a.

Ausgeschlossen vom Gewerbebetriebe im Umherziehen sind ferner:

1) die Ausübung der Heilkunde, insoweit der Ausübende für die⸗ selbe nicht approbirt ist;

2) das Aufsuchen und die Vermittelung von Darlehns⸗ und Rückkaufsgeschäften ohne vorgängige Bestellung; 1 6 3) das Aufsuchen von Bestellungen auf Branntwein oder

piritus; 4) Schaustellungen, welche 9 guten Sitten verstoßen. 8

8

Der Bundesrath ist befugt, soweit ein Bedürfniß obwaltet, an⸗ zuordnen, daß und inwiefern der Ankauf oder das Feilbieten von ein⸗ zelnen der im §. 56 Absatz 2 ausgeschlossenen Waaren im Umher⸗ ziehen gestattet sein soll.

Aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, sowie zur Abwehr oder Unterdrückung von Seuchen kann durch Beschluß des Bundesraths und in dringenden Fällen durch Anordnung des Reichskanzlers nach

Verkehr für den Umfang des Reichs oder für Theile desselben be⸗ stimmt werden, daß und inwiefern außer den in den §§. 56 und 56 a. aufgeführten Gegenständen und Leistungen auch noch andere Gegen⸗ stände und Leistungen auf bestimmte Dauer von dem Gewerbebetriebe im Umherziehen ausgeschlossen sein sollen. Aus denselben Gründen kann die gleiche Bestimmung durch Anordnung der zuständigen Landes⸗ behörden für den einzelnen Bundesstaat oder für Theile desselben ge⸗ troffen werden. 1 1

Durch die Landesregierungen kann das Umherziehen mit Zucht⸗ hengsten zur Deckung von Stuten untersagt, oder Beschränkungen unterworfen werden.

§. 56 c.

Das Feilbieten von Waaren in der Art, daß dieselben versteigert oder im Wege des Glückspiels oder der Ausspielung (Lotterie) ab⸗ gesetzt werden, ist bei dem Gewerbetriebe im Umherziehen nicht ge⸗ stattet. Ausnahmen von diesem Verbote dürfen von der zuständigen Behörde zugelassen werden. . 5

Oeffentliche Ankündigungen des Gewerbebetriebs dürfen nur unter dem Namen des Gewerbetreibenden mit Hinzufügung seines Wohnorts erlassen werden. Wird für den Gewerbebetrieb eine Verkaufsstelle benutzt, so muß an derselben in einer für Jedermann erkennbaren Weise ein den Namen und Wohnort des Gewerbetreibenden an⸗ gebender Aushang angebracht werden. Dies gilt insbesondere von den Wanderlagern.

Ausländern kann der Gewerbebetrieb im Umherziehen gestattet werden. Der Bundesrath ist befugt, die deshalb nöthigen Bestim⸗- mungen zu treffen. 4 1

Der Wandergewerbeschein ist zu versagenn:

1) wenn der Ffofbeschehe mit einer Fr genden oder anstecken- den Krankheit behaftet oder in einer abschreckenden Weise ent⸗ tellt ist;

29 wenn er unter Polizeiaufsicht steht; Ios

3) wenn Thatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß der Nachsuchende den Gewerbebetrieb zu Handlungen. welche den Gesetzen oder den guten Sitten zuwiderlaufen, oder zu schwindelhaften

en benutzen wird; .“ Thatsachin -en welche die Annahme rechtfertigen daß der Nachsuchende der Arbei dem Trunke oder einem liederlichen Lebenswandel ergeben ist;

5) in dem Falle des §. 55 Ziffer 4, sobald der den Verhältnissen des Blemaltungebezirks der zuständigen Verwaltungsbehörde entsprechen⸗

behörde im Falle besonderen Bedürfnisses vorübergehend gestattet werden.

An die Stelle der §§. 55 bis 63 der Gewerbeordnung treten folgende Bestimmungen: e“

1“

gedehnt sind (§. 60 Absatz 2).

Einvernehmen mit dem Ausschuß des Bundesraths für Handel und b 1

ischeu, der Bettelei, der Landstreicherei,

den Anzahl von Personen Wandergewerbescheine ertheilt oder ause-