sem Kreise war gering. Veon den Kirchen ist nur die zu Gangloff⸗ sömmern durch — der Verhältnisse und eine * volle, beide Thürme verbindende Arkadengalerie bemerkenswerth. Was Profanbauten betrifft, so ist die Landgrafenburg zu Weißensee leider zerstört, was um so bedauerlicher ist, als die noch vorhandenen, auf das 12. Jahrhundert deutenden romanischen Ueberreste am Schloß⸗ thore und Schlosse selbst eine ziemlich reiche Anlage voraussetzen lassen und auch die Befestigungen, militärisch betrachtet, wegen ihrer Kreis⸗ form interessant sind. Die gothischen Stadtkirchen von Kindelbrück und Sömmerda gehören der späteren geit an und sind stark verän⸗ dert; die Weißensee’er Hauptkirche gehört zwar zum Theil noch dem 14. Jahrhundert an, ist jedoch auch vielfach entstellt. Aus dem Innern der Kirchen sind die spätgothischen Sakramentshäuser in Gangloff⸗ sömmern und in St Nicolai zu Weißensee erwähnenswerth. Gut erhaltene Schnitzaltäre finden sich in Sömmerda und Weißensee; die letzteren sowie der Schrein in Ottenhausen zeigen auch Oelmalereien aus dem 15. Jahrhundert. Aus der Zeit der Früh⸗Renaissance ist das Rathhaus von Sömmerda wegen der (abbildlich mitge⸗ theilten) Skulpturen am Eingange zum Rathskeller interessant. Das erst im 18. Jahrhundert erbaute Schloß der Commende Grief⸗ stedt gehört eigentlich schon nicht mehr in den Rahmen des Werks, ist aber deshalb mit hineingezogen worden, weil es im Renaissance⸗ styl ausgeführt ist und besonders der effektvoll dekorirte und mit vielen Wappen ausgeschmückte schöne Kirchensaal zur Vergleichung mit anderen Kirchen des Johanniter⸗Ordens Anlaß bietet; zahl⸗ reiche Abbildungen der architektonischen Einzelheiten, Skulpturen, Wappen ec. veranschaulichen die Beschreibung. Auch die Artikel Weißensee und Sömmerda sind besonders reich mit Illstrationen bedacht, deren das Heft im Ganzen 46 bringt. In dem die Bau⸗ denkmäler der Kreisstadt betreffenden Abschnitt sind auch die wichtig⸗ sten politischen Ereignisse erwähnt, welche den Kreis während der thüringisch⸗sächsischen Zeit berührt haben. Das Heft schließt wie die früheren mit der kunststatistischen Uebersicht und einer Glockenschau. — Von der Sammlungdeutscher Reichs⸗ und Preußischer Landesgesetze, (besonderer Abdruck aus dem Deutschen Reichs⸗ und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger), zweiter Jahrgang 1882, (Berlin, Carl Heymanns Verlag) sind erschienen: Nr. I., enthaltend: 1) Verordnung, betreffend die Berechtigung fremder Flaggen zur usübung der deutschen Küstenfrachtfahrt, vom 29. Dezember 1881; 2) Bekanntmachung, betreffend die durch das Gesetz vom 22. Mai 1881 über die Küstenfrachtfahrt nicht berührten vertragsmäßigen Be⸗ stimmungen, vom 29. Dezember 1881; 3) Bekanntmachung, betreffend die Uebereinkunft mit den Niederlanden wegen gegenseitigen Schutzes der Waarenzeichen, vom 19. Januar 1882; 4) Bekanntmachung, be⸗ treffend die Uebereinkunft mit Rumänien wegen gegenseitigen Marken⸗ schutzes, vom 27. Janvar 1882; 5) Gesetz, betreffend die Erhebung einer Berussstatistik im Jahre 1882, vom 13. Februar 1882; 6) Bekanntmachung, betreffend eine Abänderung des Verzeichnisses der gewerblichen Anlagen, welche einer besonderen Genehmigung bedürfen, vom 31. Januar 1882; 7) Gesetz, betreffend die Ausführung des Anschlusses der freien und Hansestadt Hamburg an das deutsche Zoll⸗ gebiet, vom 16. Februar 1882; 8) Verordnung über das gewerbs⸗ mäßige Verkaufen und Feilhalten von Petroleum, vom 24. Februar 1882. (Preis 25 S.) — Nr. II.: Entwurf eines Innungsstatuts auf Grund des Reichsgesetzes vom 18 Juli 1881, mit Sachregister (Preis 60 ₰.) 8 Land⸗ und Forstwirthschaft. 8 Vom westlichen Taunus, 2. Mai, wird der „Deutschen Reichs⸗Post“ gemeldet: Trotz des seitherigen echten Aprilwetters: kalte Regenschauer, warme Sonnenblicke, heftige Stürme, zur Ab⸗ wechslung leichte Schneefälle im Gebirge, schauen heute Wiesen und Felder, Weinberge, Gärten und Wälder dennoch frisch und grün in die Welt hinein. Das Korn schießt in der Mainebene bereits in Aehren, der Weizen steht lückenlos und wohlbestockt da, und der Raps in voller Blüthe. An den Feldgewächsen haben die Frostnächte vorigen Monat keinen Schaden an⸗ gerichtet, dagegen haben die Blüthen der Kirschen⸗, Birn⸗, Aprikosen⸗, Reineclauden⸗ und Mirabellenbäume, namentlich in den Niederungen bedeutend Noth gelitten. — Die bisherige Wit⸗ terung war, wie man sich zu überzeugen öfters im Be9ee eben Ge⸗ legenheit hat, für die Jagd nicht ungünstig. Denn abgesehen davon, daß bereits junge Hasen in Menge bemerkt werden, giebt es auch chon junge Rebhühner. Da im Juni eine zweite Brut sen din wird, 88. dürfte die nächste Hühnerjagd ohne weifel ertragreich werden. 1 3 Wien, 8 Mai. (W. T. B.) Nach dem offiziellen Bericht über den Saatenstand Ende April ist der Stand der Winter⸗ saaten theils gut, theils sogar vortrefflich, ebenso im Allgemeinen derjenige der Sommersaaten. Gewerbe und Handel. Nach Mittheilungen aus Rom und Florenz sollen von Königlich italienischen Behörden hernvichs folgende Lieferun gen im issionswege vergeben werden: 1“ be . 12. Mas d. 8 Mittags 1 Uhr, von der Direktion der Militärkommission der Division von Turin, via San Francesco du Ernl- Nr. 7, eine Lieferung von 12 000 Säcken aus Segeltuch im twerth von 30 000 L.; “ u Mai d. J., Mittags 12 Uhr, von der Bau⸗Direktion des 2. Seedepartements in Neapel, Strada Santa Lucia a Mare, eine Lieferung von Lärchentannenholz im Gesammtwerth von 116 380 L.; 3) am 15. Mai d. J., Vormittags 10 Uhr, von der General⸗ direktion der Eisenbahnen im Ministerium der öffentlichen Arbeiten in Rom: eine Lieferung von Eisenbahnmaterial (einfache Weichen, komplette Signalscheiben, Wasserbehälter, Luftdruckpumpen, Krähne, gußeiserne Röhren, Drehscheiben und Puffer) im Gesammtbetrage von 000 L.; 8 4) 8. 22. Mai d. J., Mittags 12 Uhr, von der Artillerie⸗ Direktion in Rom, via San Cotimato (Trastevere) eine Lieferung von Hölzern zu Rädern, von Bohlen, Balken, Brettern und Stämmen, in Ulmen⸗, Eichen⸗, Eschen⸗ und Fichtenholz im Gesammtbetrage von 13 400 L. 8 Ueber die peegene ee 29 dieser Submission ist das Nähere an Ort und Stelle einzusehen. 8 8 Das ECeschäftsergebniß der Deutschen Lebense, Pen⸗ sions⸗ und Renten⸗Versicherungs⸗Gesellschaft auf Gegenseitigkeit zu Potsdam für das Geschäftsjahr 1881 ist noch günstiger als das des Jahres 1880. Es waren zu erledigen 5054 Anträge mit 10 702 160 ℳ Kapital und 1033,70 ℳ Jahresrente. Davon wurden angenommen 4413 Anträge über 8 699 560 ℳ, abge⸗ lehnt oder zurückgezogen 533 Anträge über 1 743 900 ℳ und auf 1882 dbertragen 88 mit einer Antragssumme von 258 700 ℳ Der erzielte Ueberschuß beläuft sich auf 90 754 ℳ; der statutenmäßige Antheil wird nach Ablauf von 3 Jahren Er Austheilung an die mit Gewinnantheil Versicherten gelangen. Die Prämieneinnahme ist auf 1 694 910 ℳ, die Zinseneinnahme auf 155 953,81 ℳ und die Evrn2. auf 1 887 086 ℳ gestiegen. Das Gesammt⸗ vermögen des Instituts hat sich von 5 036 211 ℳ auf 5 661. 550 ℳ gehoben. Die eee wurde im Jahre 1881 um 555 874,79 ℳ vermehrt und beträgt Ende 1881 4 834 347,39 ℳ Für Sterbe⸗ fälle wurden im verflossenen Geschäftsjahr 511 330,79 ℳ und im Ganzen von 1869 bis 1881 3 920 489,27 ℳ Versicherungssumme lt. b -e 2 „Dresd. Journ.“ entnehmen wir folgenden vom 5. d. M. datirten Bericht von der Leipziger Messe: Die Fabrikanten baumwollener Rock⸗ und Hosenstoffe hatten diesmal nur wenig Waare mit zur Messe gebracht, da sie wegen des in diesem Jahre bei Zeiten 1g. Frühjahrswetters sah. vor der Messe von Haus aus bedeutende Aufträge zu effektuiren hatten. Es gingen viele dieser Stoffe nach Rumänien und Südamerika. Das Meß⸗ chäft war daher von geringer Bedeutung, zumal auch die deutschen onsumenten während des ganzen verflosenes lauen Winters wenig u feiern genöthigt waren und sich soviel verdienen konnten, mit den 8 Häifine,⸗ dabei recht geschmackvollen Feeczfhes bei Zeiten sich versehen zu können. dachte baumwollene Rock⸗ und Hosenstoffe immer mehr und mehr von dem Meßplatz
] wiederkehrende Tremol
weil die Reisenden der Fabrikanten die Kundschaft außer den Messen besucht und deshalb nur noch wenig Einkäufer für ge⸗ dachte Artikel zur Messe kommen. Größere Fabrikanten wollen nur noch mit Musterlagern kommen, wodurch ihnen große Spesen erspart bleiben. — Von wollenen Strumpfwaaren läßt sich diesmal nichts berichten, da die Ostermessen diesen Artikeln nie günstig sind und selbst die so beliebten und leichten Phantasiesachen keine Nehmer finden. Die Fabrikanten hielten sich daher auch gar nicht lange auf. — Von den thüringischen Perlenfabrikanten waren mehrere diesmal gar nicht zur Messe gekommen, weil sie keine Vorräthe der so beliebten Besatzperlen für Putz und Damenkleidung sammeln und nach hier bringen konnten. Diejenigen Fabrikanten, welche aber die Messe besuchten, wurden ihre Besatzperlen schnell los und es konnte der Nachfrage danach nicht vollkommen genügt werden.
— Der Heringsfang bei Island hat nach einem in der „Osts.⸗ Ztg.“ mitgetheilten Ausweise im Jahre 1881 wieder erheblich zu⸗ genommen. Es sind von Norwegen dazu ausgezogen: von Mandal 5, von Stavanger 35, von Haugesund 100, von Bergen 41, von Aale⸗ sund 3, von Molde 1, von Namsos 2 Schiffe, zusammen 187 Schiffe von 16 827 Reg.⸗Tons, welche 167 705 t Hering fischten. Der Netto⸗ verdienst, welchen die Fahrzeuge erzielten, war ein sehr großer, näm⸗ lich durchschnittlich 1500 Kronen per Schiff oder 16 Kronen per Register⸗Ton. Zur Ausbeutung dieser günstigen Chancen bilden sich augenblicklich in Kopenhagen zwei Aktiengesellschaften mit erheblichem Kapital, welche den Heringsfang bei Island im Großen betreiben wollen. Der bei Island gefangene Hering wird als größtentheils groß und fett, dem norwezgischen ähnlich, geschildert.
St. Petersburg, 9. Mai. (W. T. B.) Das Börsencomité macht bekannt, daß der Eröffnungstag der diesjährigen Schiffahrt in kommerzieler Beziehung auf den 2. Mai (20. April) angenommen ist.
Verkehrs⸗Anstalten.
Plymouth, 8. Mai. (W. T. B.) Der Hamburger Post⸗ dampfer „Gellert“ ist hier eingetroffen.
New⸗York, 8. Mai. (W. T. B.) Der
3 Hamburger Postdampfer „Bohemia“ ist hier eingetroffen.
Berlin, 9. Mai 1882.
Das Königliche Botanische Museum ist gestern in dem imposanten Neubau des Botanischen Gartens eröffnet worden. Das Museum, das vor Allem diejenigen Gegenstände aus dem Pflanzen⸗ reich umfaßt, die, wie Früchte und Samen, Hölzer, Wurzeln, Rinden, Fasern und sonstige Rohprodukte, durch ihre praktische Anwendung ein allgemeineres Interesse gewähren, nimmt die ganze zweite Etage des Prachtbaues ein, während im ersten Stock das Herbarium unter⸗ gebracht ist. Die Objekte sind in sechs Säle vertheilt, von denen die beiden im Mittelbau des Gebäudes liegenden mit Galerien versehen sind, welche gleichzeitig Ausstellungssachen bergen. Das Meiste ist in großen, die Wandflächen bedeckenden Schränken aufgestellt, deren wir 107 gezählt haben, andere Objekte befinden sich in Tourniquets. Zwei große Tafelkästen im Mittelsaal enthalten eine Sammlung von Abbildungen der verschiedensten Pflanzen, systematisch geordnet. Auch das Museum selbst ist so eingerichtet, daß man im Allgemeinen von den niedrigsten Pflanzen in einer Stufenreihe aufwärts zu den höchst entwickelten gelangt. Saal I., rechts vom Treppenhaus, ent⸗ hält somit die Kryptogamen, Saal II. die Gymnospermae und Monocotyleae (unter ihnen den größten Theil der Sammlungen Schweinfurts und Hildebrandts), Saal III. im Anschluß an dem 1. Saal die Gefäß⸗Kryptogamen, außerdem aber eine Sammlung abnormer Holzstrukturen, wie Ueberwallungen, Ver⸗ wachsungen, Verbänderungen, Drehungen u. dgl., und die nach dem Wilmersdorfer Weg zu belegenen Säle in drei Abtheilungen die große Klasse der Dicotyleae. Wo die Natur die Darstellung nicht gestattet, sind Abbildungen und Modelle zu Hülfe gezogen worden. Die Korridore enthalten Hölzersammlungen aus allen Theilen der Erde; der Vorplatz, zu dem man von der Treppe aus zunächst gelangt, birgt Stücke von Baumfarnen, Cykadeen, Palmen, größere Früchte wie Maledivennüsse, Affenbrodfrüchte, Riesenhülsen, Frucht⸗ stände von Sangopalmen, Blüthenstände vom Pampasgras und dgl. Ein Katalog, der für 50 ₰ käuflich ist, enthaͤlt etwa 1000 der wichtigsten Objekte und giebt namentlich über die praktische Ver⸗ wendung des Ausgestellten die erforderlichen Mittheilungen.
In Angelegenheiten der Hygienischen Ausstellung sind der K. K. österreichische Major Fischer von See, Kommandant des Feld⸗ Sanitäts⸗Depots des Deukschen Ritter⸗Ordens, und der K. K. österreichische Regimentsarzt Dr. Myrdacz aus Wien hier ein⸗ getroffen. “ F
Wie man der „Polit. Corr.“ aus Athen meldet, hat am 4. d. M., um 2 Uhr Nachmittags, in feierlicher Weise zu Kala⸗ maki auf dem Isthmus von Korinth die Eröffnung. der Arbeiten zum Zwecke des Durchstichs stattgefunden. Drei⸗ zehn Fahrzeuge, theils Kriegsschiffe der griechischen und russischen Marine, theils Privatgesellschaften gehörige Dampfer, beförderten die Königliche Familie, den Großfürsten Constantin und mehr als 3000 zu der Feierlichkeit geladene Bewohner Athens an den Schauplatz der letzteren. König Georg that mit einer silber⸗ nen Schaufel den ersten Spatenstich und füllte eigenhändig mit der ausgehobenen Erde einen silbernen Schiebkarren, welchen der Ministerpräsident Trikupis ins Meer ausleerte. Es folgte unter Führung des Ingenieurs Bela Gerster die Besichtigung der schon vollendeten und noch zu vollendenden Arbeiten, wobei die Königin eine Dynamit⸗ und Pulvermine entzündete, durch welche ein mächtiger Felsvorsprung abgesprengt wurde. Das Fest, bei dem General Türr und Gemahlin die Honneurs machten, endete mit einem Banket in einem eigens hergestellten und mit großer Pracht ausgestatteten Kiosk.
Die Brieftauben⸗Gesellschaft „Berolina“ beginnt am 13. Mai ihre diesjährigen Wett⸗ und Preisflüge für Tauben. Für alte Tauben sind 10 rreh. ehlendorf, Wannsee, Groß⸗Kreutz, Groß⸗ dftermwiß Burg, Eilsleben, Scesen, Altenbeken und von Cöln aus projektirt; für junge Tauben, deren Wettflüge am 5. August be⸗ ginnen, hat man 9 Touren, von Friedenau, Steglitz, Zehlendorf, Wannsee, Werder, Groß⸗Kreutz, Groß⸗Wusterwitz, Burg und Eils⸗ leben in Aussicht genommen. Zur Vertheilung sollen gelangen außer Vereinspreisen eine goldene Staatsmedaille, welche von Sr. Majestät dem Kaiser erbeten ist, und 7 silberne sowie 7 bronzene Staats⸗ medaillen, die man vom Kriegs⸗Minister sowie von dem Minister für Landwirthschaft erhofft.
Im Krollschen Etablissement wurde am Sonnabend die Sommeroper mit der Aufführung des „Troubadour’ eröffnet. Die neu gebildete Gesellschaft besitzt mehrere durch ihre Gesangskunst wie durch darstellerische Begabung bervorragende Kräfte. An diesem ersten Abende zeichneten sich namentlich Frl. de Lido (Leonore), Frau Desta (Azucena), Hr. Oberländer und Hr. Schütte⸗Harmsen aus und errangen sich reichen und wohlverdienten Beifall. — Gestern Abend wohnten wir der dritten Vorstellung bei, die, wohl des ungünstigen Wetters wegen, leider nur schwach besucht war. Zur Aufführung kam „Das Nachtlager von Granada: von Conradin Kreutzer. Die weibliche Hauptrolle der „Gabriele“ wurde von Frl. Kauer gegeben, die über ein klangvolles, schönes Organ verfügt. Ihre Stimme ist zwar nicht besonders kräftig, reicht aber für das Krollsche Theater vollkommen aus; mit gefälligem Spiel genügte die Künstlerin allen Anforderungen, die man zu stellen berechtigt ist, und brachte ihre lyrisch angehauchte Partie eindrucksvoll zu Gehör. 8 dem Barvton der Gesellschaft, Hrn. Schütte⸗Harmsen, hat Hr.
irektor Engel, der bewährte Leiter des Etablissements und der Opernvorstellungen, eine sehr tüchtige Kraft gewonnen. Er entfaltete angenehme, wohlklingende und auch sehr kräftige Stimmmittel. Sein eindrucksvolles Organ würde aber noch gewinnen, wenn er das immer erxer nxhnr Besonders gelang dem
Künstler die Arie beim Beginn des dritten Akts, die das Publikum
zu reichem Beifall veranlaßte. Der Tenor Hr. Marion fand wenig Gelegenheit zur Entfaltung seiner Begabung, so daß wir das Urtbeil über ihn noch aussetzen. Im Ganzen fand die Aufführung bei dem anwesenden Publikum eine wohlwollende Aufnahme, die sich durch anerkennenden Beifall kund gab.
Morgen tritt Mlle. Maria de Lido als „Nachtwandlerin“ auf. Das Ensemble wird diesmal ein völlig einheitliches sein, da die Künstlerin ihre Partie ebenfalls deutsch singt. Nur ihre Antritts⸗ rolle im „Troubadour“ hatte sie ausnahmsweise, da sie diese Partie überhaupt zum ersten Male vorführte, talienisch gesungen.
— Die Münchener Gesellschaft vom Königlichen Theater am Gärtnerplatz, brachte am Sonnabend als erste Novität während ihres diesjährigen Gastspiels im Wallner⸗ Theater ein Volksstück von Arthur Müller: „Johannisfeuer oder der Gamskönig“ und erzielte damit vor ausverkauftem Hause wiederum einen Erfolg, der um so schwerer wiegt, als das Stück mit seinen stark auf pathetische Rührung berechneten Scenen vielfach im geraden Gegensatz zu dem steht, was man sonst an dieser Stätte des lachenden Humors zu hören gewöhnt ist. Es ist eine recht aufregende und blutig verlaufende Wilderergeschichte, welche demselben zu Grunde liegt, und die uns in den einander feindlichen Hauptcharakteren, einem braven Förster, den Hr. Albert ganz vorzüglich spielt, und dem Jochbauern, gen. der Gams⸗ könig, den Hr. Neuert gleichfalls ergreifend darstellt, äußerst spannend vor Augen geführt wird. Noch intricater wird die Verwickelung durch ein Liebesverhältniß zwischen dem Sohne des Jochbauern, Vincenz (Hr. O. Beck) und der Tochter des Försters, Leni (Frl. Bach )h. Daß es neben den hochernsten Scenen nicht an komischen Figuren und Episoden fehlt, ist selbstver⸗ ständlich. Zwei der ergötzlichsten sind der Sternwirth Anderl, vor⸗ züglich gespielt von Hrn. Hofpauer, dem Leiter der Gesellschaft, und Urschl, sein Weib und zugleich in Worten und Werken energischere Ehehälfte, aus welcher Frl. Schönchen wieder ein wahres Kabinetsstück komischer Darstellungskunst geschaffen hat; dann aber auch der Heigerdamerl des Hrn. Seelus, eine an Ostade’'sche Figuren erinnernde, höchst realistische Leistung. Auch für Gesangs⸗ und Tanzeinlagen ist Sorge getragen; namentlich muß der urwüchsige „Schuhplattler“ allabendlich da capo getanzt werden. Bei der Begleitung des Gesanges vermißt man jedoch ungern die Cither, welche das lokale Kolorit erst vervollständigen würde. Ausstattung und scenisches Arrangement sind zwar wieder außer⸗ ordentlich wirkungsvoll, im Ganzen genommen aber ist das Verdienst auch bei diesem Erfolge ein ausschließlich künstlerisches, auf welches die Gäste stolz sein können.
— Central⸗Skating⸗Rink. Die italienische Oper bereitet Donizetti's „Lucia“ mit Sgra. Malvezzi und Sgr. Aramburo in den Hauptrollen vor. Die erste Aufführung des „Maskenball“ findet bestimmt am nächsten Sonntag statt und werden Billetbestellungen zu dieser Oper schon jetzt im Direktionsbureau des Skating⸗Rink entgegen genommen.
London, 9. Mai. (W. T. B.) Die gestrige Vorstellung von Wagners „Siegfried“ in Her Majestys Theatre war abermals sehr zahlreich besucht; von Fürstlichen Personen wohn⸗ ten derselben der Prinz und die Prinzessin von Wales und der Herzog und die Herzogin von Edinburgh bei. Unter den Darstellern wurden Vogl als Loge und Frau Vogl als Brunhilde durch fast ununter⸗ brochene Beifallsspenden ausgezeichnet.
Wetterbericht vom 9. Mai 1882, 8 Uhr Morgens.
Barometer auf 8 0 Gr. u. d. Meeres- 1 spiegel reduc. in 8 Millimeter. Mullaghmore Aberdeen. Christiansundd Kopenhagen Stockholm.. Haparanda. St. Petersbrg. EE1I1“ Cork, Queens- “
e“
I Temperatur Wetter. in ° Celsius 50 C. = 40 R.
Stationen.
Regen bedeckt ¹) heiter wolkig heiter hHalb bed. wolkenlos halb bed.
OPbdeoe 8’n-
V V
WSW bedeckt²) Ibvööö halb bed. I1111“ NNW bedeckt Sylt “ wolkig Hamburg.. 768 8 bedeckt Swinemünde 9 Regen) Neufahrwass. 3 bedeckt) bedeckt)
2 bedeckt 3 Regen
2 bedeckt 6) 3 bedeckt 5 wolkig
4 Regen
5 bedeckt7) 3 Regen
6 wolkigs) 4 wolkenlos 1 heiter 1 Regen
¹) Seegang leicht. ²) geegang mässig ³) Nachm., Nachts Sturm und Regen. ⁴) Nachts Regen. ⁵) Nachm., Nachts Regen. 6) Nachmittaogs Gewitter. ⁷) Gestern viel Regen. ³) Abends Ge- witter.
Anmerkung. Die Stationen sind in 4 Gruppen geordvet: 1) Nordeuropa, 2) Küstenzone von Irland bis Ostpreussen, 3) Mittel- europa südlich dieser Zone, 4) Südeuropa. — Innerhalb jeder Gruppe ist die Richtung von West nach Ost eingehalten.
Skala für die Windstärke: 1 = leiser Zug, 2 = leicht, 3 = schwach, 4 = mässig, 5 = frisch, 6 = stark, 7 = Steif, 8 = stürmisch, 9 = Sturm, 10 = starker Sturm, 11 = heftiger Sturm, 12 = Orkan.
Uebersicht der Witterung.
Eine Depression, die gestern Morgen über Mitteldeutschland, am Nachmittage über Oesterreich lag, ist mit zunehmender Tiefe nordwärts nach Ostpreussen fortgeschritten, so dass im südlichen stseegebiete die Gradienten erheblich zugenommen haben und auf Rügen und an der Ostmündung stürmische Winde aus nörd- licher Richtung stattgefunden haben. Ueber Centraleuropa, welches an der Westseite der Depression liegt, ist bei meist schwachen bis frischen nördlichen Winden das Wetter kühl, vorwiegend trübe, vielfach regnerisch. Nur im Nordw sten ist die Bewölkung in Abnahme begriffen beim Herannahen eines tiefen Minimums west- lich von den Hebriden, welches auf der Nordwesthälfte der britischen Inseln starke südliche und südwestliche Winde hervor- ruft, während der hohe Druck südwärts nach Südwesteuropa zu-
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Karlsruhe. . Wiesbaden München . Leipzig. Berlin .. . -6ᷓ “ Breslau .. Io damrn. Nizza. Triest
rückweicht. Kaiserslautern, Karleruhe und Breslau hatten gestern
Nachmittag Gewitter.
Redacteur: Riedel. 2
1
Verlag der Expedition (Kessel). Druck: 2 W Sieben Beilagen —8
Berlin:
(cinschließlich Börsen⸗Beilage).
* 8 8—
8⸗Anzeiger und Königlich Preußi
Berlin, Dienstag, den 9. Mai
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5*
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Berlin, 9. Mai. Im weiteren Ver⸗ Naufe der gestrigen (5.) Sitzung setzte der Reichstag die
erste Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die
Abänderung der Gewerbeordnung fort. Der Abg. Munckel erklärte, die Vorlage kündige sich an als hervorge⸗
8 rufen durch allerlei Mißbräuche, auch durch solche, die noch nicht
einmal hervorgetreten seien, sondern erst gefürchterb würden; denn in den Motiven zu §. 35 werde gesagt, daß man mit den Turn⸗ und Schwimmlehrern zwar bis jetzt schlechte Erfahrungen noch nicht gemacht habe, wenigstens keine bedeutenderen, aber dieselben könnten doch noch kommen und deshalb werde gegen diese Möglichkeit gleich vorgegangen. Aber es sei zu erwägen, ob die Heilmittel nicht schlimmer seien, als das Uebel, d. h. der üble Gebrauch der übermäßigen Freiheiten, — es gebe ja angeblich so furchtbar viel Freiheiten! Mißbrauch sei vom Gebrauch bekanntlich unzer⸗
rennlich und an die Stelle des ersteren solle nun das Er⸗ messen und eine Machtvollkommenheit der Polizei treten, die,
wie man wisse, unter Umständen auch recht stark gemißbraucht
werden könne. Nun sage man: warum dieser Gegensatz von Polizei und Justiz; es seien doch beides Behörden und beide verdienten Zutrauen. Wer diesen Gegensatz noch nicht be⸗ greife, der verstehe eben den Gegensatz von Rechts⸗ und Polizeistaat nicht, die sich nicht blos durch die Persönlichkeiten unterschieden, die zu urtheilen hätten — im einzelnen Fall könne ja vielleicht der Landrath schöner urtheilen als der Richter — sondern wesentlich durch die Formen, in denen geurtheilt werden solle: der Richter nach Gesetzen, wobei jede Willkür aus⸗ geschlossen sei, der Verwaltungsbeamte nach Rücksichten, die demselben als erheblich erscheinen mögen, Rücksichten des all⸗ gemeinen Wohlbefindens, wobei Wohl⸗ oder Uebelwollen ein⸗ reten und die Gerechtigkeit schlecht wegkommen könne. Die Einführung polizeilicher Machtvollkommenheit sei die Tendenz der Vorlage, unpolitischer Natur seien nur einige Seiten⸗ bestimmungen, z. B. betreffs der Gewerbe der Hufschmiede, as wohl nur aus alphabetischen, nicht aus ästhetischen Gründen mit dem der Hebeammen zusammengestellt ei. Auch auf die Möglichkeit, daß man Aerzten, die Ver⸗ brechen begangen hätten, ihre Approbation solle absprechen ürfen, solle hier kein Gewicht gelegt werden, obwohl die Motive sich über das Vorhandensein solcher Aerzte wohl etwas deutlicher hätten aussprechen sollen. Der ärztliche Stand werde das an und für sich nicht zugeben wollen. Einer der Herren habe gesagt, die Regierung habe ganz offenbar bei dieser Vor⸗ lage an politische Motive nicht gedacht. Das sei sehr un⸗ schuldig und darum wolle er es glauben. Wenn die orlage aber nicht daran gedacht habe, so sei das ein rund mehr, daß das Haus sehr lebhaft daran denken müsse, denn inzwischen sei es sicherlich der Re⸗ gierung eingefallen; die Kommissarien hätten ja Alles mit angehört. Und daß man die Vorlage politisch brauchen könne, und daß der politische Hintergrund die Hauptsache sei, das finde man deutlich, wenn man den ganzen Kreis über⸗ schaue, der von dieser Vorlage in Mitleidenschaft gezogen werde. Zunächst die Tanzlustbarkeiten, die Schaustellungen oder sonstigen Lustbarkeiten, bei denen ein höheres künstlerisches oder wissenschaftliches Interesse nicht obwalte. Beiläufig bemerke er einem der Vorredner, beim Ballet walte ja immer ein höheres Interesse der Kunst vor; das falle also nicht unter diese Bestimmung. Sonst aber sei jede Lustbarkeit darunter verstanden, die man in größeren Lokalen ausüben lassen wolle, dazu solle die Genehmigung der Polizeibehörde erforderlich sein. Nun seien solche Lustbarkeiten mit erheb⸗ lichen Geldkosten verknüpft, und das Interesse an der polizeilicheen Erlaubniß sei für den Lokalbesitzer von großer Wichtigkeit. Das werde aber ganz und gar dem Er⸗ messen der Polizei untergeordnet, mit Ausschluß des Verwal⸗ tungsstreitweges, den sonst die Gewerbeordnung zulasse. Der Regierungskommissar habe vorhin zwar von dem Kreisaus⸗ schuß als von einer zweiten Instanz gesprochen; derselbe befinde sich aber hierin im Irrthum. F diesem Falle sei auch dieser bescheidene Rechtsweg ausgeschlossen. Wo sollten z. B. politische Versammlungen stattfinden, wenn es, wie es zur Beschränkung des Schankgewerbes gefordert werde, die Polizei jedem Gastwirthe das Hergeben seiner Lokalität verbieten könne? Durch die Novelle werde das politische Ermessen sogar über das richterliche gestellt, ein Umstand, der das Ansehen des Richterstandes entschieden schädigen müsse. Die Nothwen⸗ digkeit einer größeren Einschränkung des Hausirgewerbes ver⸗ kenne seine Partei nicht, aber die höheren Behörden könnten hierbei besser einwirken, als die Polizeiorgane, zumal in kleinen Provinzialstädten oder auf dem platten Lande. Sei vielleicht unter den Mitgliedern der Rechten Jemand, der seinen Stand so unter polizeiliche Vormundschaft zu stellen wünsche, wie man es mit den Hausirern thun wolle? Glaube man nur nicht, daß man auf diesem Wege den Klagen, die man jetzt im Volke so vielfach höre, den Boden entziehen werde; im Gegentheil, die Unzufriedenheit werde man auf der einen Seite vergrößern, ohne auf der anderen Seite sich Freunde zu erwerben. Wie ferner untergeordnete Polizeiorgane sollten unterscheiden können, welche Bücher pa⸗ triotisch seien, und welche nicht, sei ihm unverständlich; ver⸗ stehe man hier auf der Linken doch unter Patriotismus ganz etwas Anderes als auf der Rechten. Welcher Patriotismus solle denn nun gelten; der der Linken oder der Rechten ?der sächsische oder der preußische? oder etwa der des Regierungsvertreters? Hinter dieser Vorlage stecke ein politischer Hintergrund, und wenn derselbe nicht beabsichtigt sein sollte, was er kaum Enben könne, werde derselbe jedenfalls benutzt werden, wenn ese Vorlage erst Gesetz sein werde. Sympathisch sei 8 Art. 14, und einigermaßen erfreut sei er auch über Art. 3, denn er glaube, daß die Gültigkeit dieses Gesetzes noch in diesem Sommer kommen solle wegen der bevorstehenden Landtagswahlen. Es liege eine gewisse Genügsamkeit in diesem Artikel; es werde sich 8 manches Andere dden lassen, was man dann, wenn man die Einzelheiten bespreche, ganz gut werde annehmen können, aber den Glauben an das Wohl⸗ wollen und die Allmacht der Polizeibehörde werde man auf
8
der linken Seite des Hauses wahrscheinlich vergebli suchen, und nach dieser Richtung hin werde, seine Partes 8 Wucen, niemals gut heißen. Ob dann in einer Kommissionsberathung, wenn die Ideen der Linken die herrschenden sein sollten, viel von dieser Vorlage bleiben werde bezweifle er. Aber jeden⸗ falls könne Art. 14 bleiben. Die Annahme dieser Vorlage würde für die Entwicklung des deutschen Vaterlandes die traurigsten Folgen haben; er und seine politischen Freunde würden daher gegen die Vorlage stimmen.
Der Abg. von Köller freute sich, daß heute schon einige Punkte des Gesetzes den Herren von links annehmbar erschienen seien. Nehme man auf der Linken die Parteibrille einmal voll⸗ ständig ab, und betrachte man die Vorlage von rein praktischem Gesichtspunkte aus, dann werde man auf der Linken noch viel an⸗ deres Wünschenswerthe darin finden, was gute Sitte, Ord⸗ nung und Gesundheit fördere. Der Abg. Lasker habe es ver⸗ standen, gerade das Material von zweifelhaftem Werthe aus dem Gesetz herauszugreifen, habe es aber vermieden, das allgemein als gut Anerkannte zu erwähnen. Er wolle nun die Punkte berühren, in welchen das Prinzip der Gewerbefreiheit nach der Meinung der Linken geschädigt werden solle. In Bezug auf das Hausirgewerbe sei im Gesetz fast nichts gegen die bisherigen Bestimmungen geändert, wie könne man da sagen, daß damit der polizeilichen Willkür Thür und Thor geöffnet werde. Ob die Polizeiver⸗ waltung überall so wenig Ansehen genieße, wie beim Abg. Munckel, lasse er dahingestellt. Jedenfalls sei die Polizei für gewisse Maßregeln nothwendig, nämlich überall da, wo die Justiz nicht eingreifen könne. Die Bestimmungen über Handel mit Arzneimitteln sollten einem lebhaften Bedürfnisse abhelfen, einem Arzte oder Apotheker müsse bei konstatirter Unzuver⸗ lässigkeit die Konzession entzogen werden können. Die Auf⸗ rechterhaltung der Sitte und Ordnung, Beschränkung der schädlichen Gewerbe, des Auktionirens seien die Hauptzwecke dieser Novelle. Ueber die Zuverlässigkeit der richterlichen und administrativen Entscheidungen lasse sich streiten. Auf ihrem Felde hätten Beide ihren Vorzug. Wollte man in so praktischen Fragen die Gerichte allein entscheiden lassen, so würde dies dem Gewerbe nicht dienlich sein, und man würde schließlich zu dem Grundsatze kommen, fiat justitia, pereat mundus. Uebrigens beruhten die Entscheidungen der Verwaltungsbezirksgerichte auf denselben gerichtlichen Bestim⸗ mungen, wie die der ordentlichen Gerichte. Ueber eine Polizei⸗ verfügung des Amtsvorstehers stehe dem Benachtheiligten das Recht der Beschwerde beim Landrath, oder die Klage an den Kreisausschuß zu. Das Hausirgewerbe wolle seine Partei keineswegs feindlich oder geringschätzig behandeln. Im Norden Deutschlands könne man es auch am wenigsten entbehren. Seine Partei wolle nur die arbeitsscheuen Elemente aus diesem Stande entfernen. In diesem Streben werde seine Partei durch die öffent⸗ liche Meinung unterstützt. Der Jahresbericht der Handels⸗ kammer in Frankfurt a. M. verurtheile die Mißstände des Hausirerthums in schärfster Weise, beklage, daß es den Charakter der Bettelei angenommen habe, und sich als eine wahre Land⸗ plage erweise. Dem Stande der Handlungsreisenden glaube seine Partei gerade einen Dienst zu erweisen, wenn sie eine scharfe Grenze zwischen Reisenden und Hausirern ziehe. Eine Definition des Begriffs „Patriotismus“ sei allerdings sehr schwierig. Dann möge man doch diese ganze Bestimmung aus dem Gesetze streichen. Ihm wäre es am Liebsten, wenn die Kolportage mit solchen Schriften überhaupt verboten würde. Bringe das Haus das Gesetz zu Stande, dann würden dem⸗ selben alle Parteien danken.
Die Diskussion wurde geschlossen.
Persönlich bemerkte der Abg. Dr. Lasker, wollte er alle Irr⸗ thümer des Abg. Günther über seine Rede und die Vorlage, die er sich notirt habe, korrigiren, so würde er eine halbe Stunde sprechen müssen. Mit sachsischer Höflichkeit habe derselbe seine Rede getadelt. Er nehme für seine Reden in Anspruch, daß sie nicht leere Phrasen, sondern Ideen und thatsächliches Material enthielten, dadurch sei ihre Länge bedingt. Nach diesem Grundsatz würde auch der Abg. Günther längere Reden halten können, wenn derselbe nicht glaube, daß der Vorrath seiner Ideen schon erschöpft sei. Selbst an des
Abg. Günther kurzen Reden würde er eine Kritik üben können,
er sei aber zu höflich. Dann habe der Abg. Günther mit sächsischer Höflichkeit ihm vorgeworfen, er wüßte nicht viel von Praxis. Es sei Sache des Volksvertreters, die legis⸗ lativen Aufgaben nicht unter dem beschränkten Gesichtswinkel eines bestimmten Kreises zu betrachten, sondern die Theorie mit der Praxis zu verbinden.
Der Abg. Sonnemann erklärte, der Bericht, von dem der Abg. von Köller gesprochen habe, enthalte nur die Ansichten und Wünsche einzelner Kaufleute, nicht aber der Handels⸗ kammer in Frankfurt a. M. Auf Seite 2 stehe ausdrücklich, daß die Handelskammer Fragebogen herausgegeben habe, und b5. ihnen die Ansichten und Wünsche der Kaufleute objektiv mittheile.“
Der Abg. Günther bemerkte, er habe nur den Wunsch ausgesprochen, die langen Reden des Abg. Lasker möchten mehr mit dem praktischen Leben im stehen; — Kränkung für den Abg. Lasker habe darin nicht liegen ollen.
Auf Antrag des Abg. Dr. Hartmann wurde die Vorlage an eine Kommission von 21 Mitgliedern verwiesen.
Es folgte die erste Berathung des Konsularver⸗ trages zwischen dem Deutschen Reich und Bra⸗ silien vom 10. Januar d. J.
Der Abg. Dr. Kapp begrüßte den Vertrag als die Be⸗ friedigung eines schon seit langer Pit bestandenen Bedürf⸗ nisses. Besonders erfreulich sei die 2 estimmung, welche die Rechtsverhältnisse der Deutschen in Brasilien in wirksamerer Weise als bisher regulire. Trotz verschiedener Einzelmängel bitte er, nichts an dem Vertrage zu ändern. Seine Aus⸗ stellungen v. en sich im Wesentlichen auf die Ausdehnung der den Konsuln zustehenden richterlichen Befugnisse. An der Form des Vertrages tadele er den deutschen Stil, mit welchem man bei den Fremden keine Ehre einlegen würde.
Das Haus beschloß, die zweite Lesung i
In der zweiten Berathung wurden nach kurzer Debatte, an welcher sich die Bundeskommissare Geh. Legations⸗Rath von Buddenbrock und Wirkliche Legations⸗Rath Dr. Frhr. von Richthofen, sowie die Abgg. Dr. Kapp, Dr. Perrot und Dr. Virchow betheitigten, die sämmtlichen Paragraphen und schließ⸗ lich das ganze Gesetz in zweiter Lesung angenommen.
vertagte sich um 3 ¼ Uhr das Haus auf Dienstag
hr.
— Im weiteren Verlaufe der gestrigen (20.) Sitzung des Herrenhaus es folgte als zweiter Gegenstand der Tages⸗ ordnung der mündliche Bericht der Eisenbahnkommission über den Gesetzentwurf, betreffend die Erw eiterung, Vervoll⸗ ständigung und bessere Ausrüstung des Staatseisen⸗ bahnnetzes und die dazu eingegangenen Petitionen. Der Referent Fürst zu Putbus beantragte Namens der Kommission, dem Gesetzentwurf in der vom Abgeordnetenhause beschlossenen Fassung die verfassungsmäßige Zustimmung zu ertheilen und über die Petition des Ober⸗Bürgermeisters Dr. Becker in Cöln Namens der Stadt Cöln wegen Um⸗ bezw. Neubau der dortigen Bahnhofs⸗ anlagen mit Rücksicht darauf, daß nach den Erklärungen der Königlichen Staatsregierung im Abgeordnetenhause dieselbe geneigt sei, in weitere Erwägungen des Gegenstandes ein⸗ zutreten und demnächst eine neue Vorlage zu machen, zur Tagesordnung überzugehen.
In der Generaldiskussion bat Graf von Dönhoff⸗Friedrich⸗ stein um den Bau einer Sekundärbahn von Königsberg nach Cranz in Anschluß an die Sekundärbahn nach Labiau.
Der Minister der öffentlichen Arbeiten Maybach legte die 8 Prinzipien dar, nach welchen die Regierung bei der Anlage von Sekundärbahnen verfahre. Einen Bau von Königsberg nach Cranz könne er nicht in Aussicht stellen. Für den Zweck des Besuches des Seebades würde eine Pferdebahn genügen. Seit Januar 1880 sei der Bau von 1956 km Sekundärbahnen in Angriff genommen resp. beschlossen, und mit einer Aus⸗ nahme hätten die Kreise und Privatinteressenten die dazu er⸗ forderlichen Terrains unentgeltlich hergegeben.
In der Spezialdiskussion wurden die einzelnen Para⸗ graphen der Vorlage ohne erhebliche Diskussion genehmigt. An der Debatte betheiligten sich die Herren Brüning, Adams, Becker bei denjenigen Positionen, welche sich auf die betreffenden Städte (Hildesheim, Coblenz und Düsseldorf) bezogen, und gaben hierbei der Staatsregierung ihre Wünsche zu erkennen, ohne definitive Anträge zu stellen. Schließlich wurde das ganze Gesetz nach den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses ge⸗ nehmigt und auch der Antrag der Kommission in Bezug auf die Petition der Stadt Cöln angenommen, nachdem Herr Mevissen diese letztere befürwortet hatte. 8
Es folgte der mündliche Bericht derselben Kommission über den Gesetzentwurf, betreffend den Erwerb des Berlin⸗Anhaltischen Eisenbahnunternehmens für den Staat.
Der Berichterstatter Herr Brüning beantragte, dem Ge⸗ setzentwurf in der vom Abgeordnetenhause beschlossenen Fassung die verfassungsmäßige Zustimmung zu ertheilen und das Haus trat diesem Antrage ohne Debatte bei.
Letzter Gegenstand der Tagesordnung war der münd⸗ liche Bericht der Budgetkommission über den 5 Nachtrags⸗Etat pro 1882/83.
Der Referent Graf von Zieten⸗Schwerin beantragte un⸗ veränderte Genehmigung der Vorlage; das Haus acceptirte diesen Antrag ohne Diskussion. (Schluß der Sitzung 4 Uhr 20 Minuten.) 8
— Wir tragen heute die Rede nach, mit welcher der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten, Luciu 8, in der 18. Sitzung des Herrenhauses am 6. d. M. folgende von dem Grafen von Schlieben an die Königliche Staats⸗ regierung gerichtete Frage beantwortet hat: 1
1) Ist es der Königlichen Staatsregierung bekannt, daß in den östlichen Provinzen des Staates die Parzellirungen — soge⸗
nannte Ausschlachtungen — von Bauerngrundstücken in einer, die 8
Eristenz des Bauernstandes gefährdenden Ausdehnung in den letzten
Jahren zugenommen haben? und 2) gedenkt die Königliche Staats⸗
regierung hiergegen einzuschreiten?
Die Rede hat folgenden Wortlaut:
Meine Herren! Der Herr Graf von Schlieben hat der Be⸗ gründung seiner Interpellation einen so weiten Rahmen gegeben, daß es in der That schwierig sein würde, auf alle von ihm erörterten Punkte speziell einzugehen. Ich glaube aber doch behaupten zu kön⸗ nen, daß das Bild, welches er im Allgemeinen von den landwirth⸗ schaftlichen Verhältnissen in Preußen entworfen hat, in vielen Punkten zu schwarz gemalt ist.
Ich glaube, daß wir im eigentlichen Sinne von einer fortschrei⸗ tenden Verarmung in den landwirthschaftlichen Kreisen in keiner Weise reden können.
Wir haben vielleicht nicht so viele und so schnelle Fertschestne gemacht, wie wir sie wünschen können, aber direkte Rückschritte, glaube ich, kann man vielleicht in ganz vereinzelten beschränkten Landestheilen nur konstatiren, wofür aber die Bedingungen sehr wahrscheinlich in den veränderten Verkehrsverhältnissen in erster Linie liegen. Ich möchte dagegen behaupten, daß uns die letzten Jahre weniger Rückschritte in dem einen oder anderen Gebiete ge⸗ bracht haben, als im Gegentheil sehr wesentliche und große Fortschritte. Ich deute einfach auf die Entwickelung hin, die unser Kommunikationswesen genommen, die es mit jedem
Jahre in weiterem Maße nimmt, und in welchem in allererster Linie
ein befruchtendes Element auch für den landwirthschaftlichen Wohl⸗ stand liegt. Ich habe in meiner dreijährigen Amtszeit gerade Veran⸗ lassung gehabt, Nothstandsgegenden, Gegenden, die in erster Linie als Nothstandsgegenden bezeichnet werden, zu bereisen, und da kann ich doch konstatiren, daß mir, wenn ich in den Unterredungen mit den Ortskundigen und Ortsangehörigen fragte: ist es denn schlechter ge⸗ worden, wie es vor zwanzig Jah 1b bejahend beantwortet ist, sondern daß in jedem Falle gesagt wurde, daß man allerdings vor zwanzig Jahren einen sehr viel geringeren Viehstand qualitativ und quantitativ gehabt hat, und daß die Er. trägnisse nicht höher, sondern meist niedriger gewesen seien. Ich könnte das aus den verschiedenen Provinzen spezialisiren. Ich kann also nach meinen amtlichen Erfahrungen nicht zugeben, daß in einem größeren Maße in landwirthschaftlichen Kreisen ein Rückgang des landwirthschaftlichen Wohlstandes stattgefunden hätte. Ferner glaube ich auch darauf hinweisen zu können 8½ in den letzten Jahren für die Kultivirung aller landwirthschaftlichen etriebs⸗ zweige Seitens der Königlichen
ren war? dies nicht in einem Falle 8
taatsregierung sehr viel und Wesent⸗ 1—11 1