1882 / 112 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 13 May 1882 18:00:01 GMT) scan diff

nteressant war es mir nur, daß er im Vergleich zu dem „Gespenst Fülcat enbahnene was er verschwunden erachtet, das Monopol als einen blendenderen und bestechenderen Vorschlag der Bundes⸗ regierungen bezeichnet hat, das läßt doch darauf schließen, daß auch in den Kreisen in Württemberg, denen der Herr Abgeordnete näher teht, die Entstellungen und Anklagen gegen das Monopol nicht so e. gefunden haben, als anderwärts.

Wenn ich mit wenigen Worten einiger Bemerkungen gedenken darf, die der Hr. Abg. Windthorst gemacht hat, so muß ich meine Befriedigung darüber Ausdruck geben, daß der geehrte Herr auch hier die Zwecke der Steuerreform von Neuem und ausdrücklich im Wesent⸗ lichen anerkannt und gebilligt hat mit der einzigen Einschränkung, daß ihm der Modus der Entlastung der Gemeinden, den die preußische Regierung in dem Verwendungsgesetz hauptsächlich durch die Uebernahme der Schulunterhaltungskosten angestrebt hat, daß dieser Modus ihm nicht gefalle. Der Herr Abgeordnete meint, daß das Verwendungsgesetz in Preußen grundlich erörtert; aber wwegen seiner Unzweckmäßigkeit eben nicht angenommen worden sei, und haupt⸗ sächlich, weil darin ein Präjudiz für die Annahme des Tabackmonopols ge⸗ legen habe. Ich glaube, daß, abgesehen von seiner doch nur theilweisen Bemängelung der Zweckmäßigkeit, das Letztere nicht mit Grund behauptet werden kann; das preußische Verwendungsgesetz würde in seinen sämmtlichen Aufgaben mit den Revenüen des Tabackmonopolgesetzes noch nicht erfüllt sein, wie man sich andererseits Reichseinnahmen auf anderen Gebieten wobl denken kann, die ebensogut wie die Ein⸗ nahmen des Tabackmonopols den Zwecken des preußischen Verwen⸗ dungsgesetzes dienen. Man könnte für Preußen einem solchen ledig⸗ lich vorsorgenden und in gewissem Sinne binden sollenden Gesetz sehr wohl zustimmen, und doch die Ansicht festhalten, wenn man sie hatte, daß die Fortführung der Reichssteuerreform mittelst des Taback⸗ monopols sich nicht empfehle.

Der Herr Abgeordnete hat insbesondere gegen das Tabackmonopol eingewendet, daß zwar das Prinzip der Monopolisirung von Privat⸗ gewerben nicht zur Abstimmung stehe, daß es aber im Vordergrund dabei stehe, und daß man alles Andere ebensogut monopolisiren könnte, wie den Taback, insbesondere schien ihm dies möglich bezüglich des Rübenzuckers. Ich darf aber daran erinnern, daß nicht ein Prinzip die Ursache ist, weshalb das Tabackmonopol erstrebt wird, sondern lediglich der praktische Erfolg, den dieses Monopol für die Vermehrung der Reichseinnahmen verspricht. Daß derselbe Erfolg mit dem Rübenzucker zu erreichen wäre, glaube ich nicht; praktisch würde das eine ganz andere Sache sein, denn die Einnahme von dem Rübenzucker würde schon den sicheren Boden nicht haben, den eine Monopolsverwaltung haben muß, und den sie nur in einem so un⸗ entbehrlichen, weitverbreiteten Genußmittel des Inlandes, wie der Taback ist, finden kann.

Der Herr Abgeordnete hat dann die Entschädigung, wenn ich recht verstanden habe, als zu gering seinerseits bemängelt, und das benutzt zu einer Erörterung der Gefährlichkeit des Volks⸗ wirthschaftsraths. Seiner Auffassung nach würde eine höhere Normirung der Entschädigung dazu geführt haben, daß der Volks⸗ wirthschaftsrath zugestimmt hätte; er hat gemeint, daß man dann also einem zustimmenden „Fabrikantenvotum“ sich gegenüber befunden haben würde. Ich glaube, wenn der geehrte Herr Abgeordnete sich bei dieser Gelegenheit noch der Zusammensetzung des Volkswirth⸗ schaftsraths genauer erinnerte, wenn er sich erinnerte, daß es gerade ein Hauptvorwurf Seitens der Gegner des Tabackmonopols war, daß der Volkswirthschaftsrath nicht genug sachverständige Fabrikanten der

FTabackbranche unter seinen Mitgliedern gehabt habe, so würde er diese Folgerung schwerlich daraus gezogen haben.

Daß unter den politischen Einwendungen, denen der geehrte Herr Abgeordnete Ausdruck gegeben hat, die Gefahr hervorgehoben wurde, daß man mit dem Monopol zum Einheitsstaat kommen würde, hätte ich gegenüber der Vorlage, die nun wirklich gemacht worden ist, und die an die Stelle der Phantasien

getreten ist, die vorher darüber im Volke verbreitet waren, eigentlich kaum besorgen zu müssen geglaubt. Ich kann nur konstatiren, daß bei den verbündeten Regierungen, wo nach dieser Seite hin der Blick geschärft sein mußte, keine Bedenken der Art bestanden haben, daß bei der Ausarbeitung und bei der ganzen Gestaltung der Bestimmun⸗ gen die Absicht bestanden hat, jeden Schatten einer solchen Besorgniß zu beseitigen, und daß auch, wie ich glaube, dies in den einzelnen Bestimmungen vollkommen gelungen ist. Den zweiten politischen Einwand, daß man auf diese Weise dem Staate einen Inhalt geben wolle, und daß die Minorität, der der geehrte Herr Abgeordnete angehört, mit solchem Inhaltgeben nicht einverstanden sein könne, da ja ihr die Vortheile garnicht oder wenig⸗ stens nur in erheblich geringerem Grade zu Theil werden würden ich sage, diesen Einwand kann ich nicht als einen irgend begründeten anerkennen. Ich werde mich hier nicht darauf einlassen dürfen, über die Grundauffassung des Staats, der er hier Ausdruck gegeben hat, mit ihm zu streiten, ich will nur sagen, daß die Vorlage nicht aus einer entgegengesetzten Grundauffassung entsprungen ist, nicht aus der Auffassung, der Staat müsse mit solchem Monopol einen Inhalt bekommen, sondern eben nur aus der Nothwendigkeit, die Reichssteuerreform weiter zu führen und dafür reichlichere Mittel zu finden. Ich glaube auch nicht, daß die Klagen begründet sind, denen der geehrte Herr Abgeordnete Ausdruck gegeben hat; ich glaube nicht, daß eine Minorität im Staate begründete Ursache hat, sich zu beklagen über mangelnde Neigung, sie zu berücksichtigen bei nstellungen, bei Besetzung der öffentlichen Aemter und dergleichen mehr. Mit dem Einwande, daß die Vortheile von allgemeinen Ssteaatseinrichtungen dem einen oder dem anderen Bruchtheil der Be⸗ völkerung voraussichtlich nicht in dem Maße zu Gute kommen wür⸗ den wie anderen mit solchen Einwendungen würden wir jede weitere Entwicklung unseres Staates lahm legen.

In Bezug auf die Wahlbeeinflussungen hat der geehrte Herr Abgeordnete gesagt, jedenfalls seien sie künftig möglich und die Bei⸗ spiele anderer Länder bewiesen es, daher solle man nicht dieses große Peer von Tabackarbeitern, Beamten, Verkäufern u. s. w. mit dem

onopol in solche Lage bringen. Aber, meine Herren, wir haben ja doch dasselbe Verhältniß in anderen Branchen in viel größerem Um⸗ fange, bei der Post⸗ und Telegraphenverwaltung, bei der Eisenbahn⸗ verwaltung, in den Bergarbeitern, den Hüttenarbeitern, den Werft⸗ arbeitern eine so große Zahl von Personen in ähnlicher Lage, daß pies Frage schon deshalb für das Monopol schwerlich mehr von aus⸗ sch

aggebender Bedeutung sein kann. Wie Hr. von Stauffenberg, so hat auch der Hr. Abg. und erhoffte Folge der

e. als eine wünschenswerthe

3 enwärtigen Verhandlungen das bezeichnet, daß, wenn sicch ergebe, 8 das backmonopol keine Aussicht auf Annahme Seitens des Reichstags habe, dann die verbündeten Regierungen eine Erklärung abgeben würden, wonach sie nun auf die Verfolgung dieses Weges verzichten, und daß damit endlich Ruhe und Sicherheit für die Taback⸗ industrie gewonnen werde. Derselbe Herr Abgeordnete hat, wie ich

schon ,n erwähnte, die Möglichkeit einer solchen staatsrechtli

bindenden Erklärung vorher aber 1 on selbst Feilast. Er hat dab besonders darauf aufmerksam gemacht, wie die beüsgh chen Erklärungen, die ihm aus dem Bundesrath bekannt geworden seien, die in der Er⸗ öͤffnungsrede enthalten seien, und die wieder meinerseits in der ersten Lesung abgegeben worden seien, gar nicht harmonirten, indem in den ersten und in der letzten dieser Erklärungen von einem Wiederkommen des Tabackmonopols die Rede sei, während in der Eröffnungsrede dem Gedanken des Verzichts darauf Ausdruck gegeben sei, den er gern in einer Erklärung noch anderweitig niedergelegt sähe. Diese Aeuße⸗ rungen stimmen aber ganz überein. Es kann ja nicht die Rede davon sein, daß ein Abweichen von dem, was in der Eröffnungsrede aus⸗ worden ist, etwa Peafesfit⸗ bei den einleitenden Aus⸗ c rungen zu der gegenwärtigen Diskussion beabsichtigt gewesen wäre. Die Erklärung liegt einfach darin, die Bemerkung in der Er⸗ oͤffnungsrede sich auf ein unmittelbares 22— 2 hrend das, was ich gesagt habe, sich auf eine se nahe, aber auch vielleicht ferne Hukamft⸗ se ich ausdrücklich hinzugefügt habe, auf vielleicht von einer anderen Regierung zu thuende

als angenehm sein dürften. Wel

Schritte bezieht. Ich habe nicht von einem unmittelbaren Regierungs⸗ programm gesprochen.

Nachdem wir mit der Rede des Hrn. Abg. von Stauffenberg bereits von allen größeren Parteien des Hauses Erklärungen zum vorliegenden Gesetzentwurfe gehört haben, darf ich wohl schließlich noch einen Augenblick nur Ihr Gehör erbitten, um einen Ueberblick über die Ergebnisse derselben hinzuzufügen.

Seitens der Fortschrittspartei und der Volkspartei ist, wie zu erwarten war, eine durchaus negirende Haltung gegenüber der Vor⸗ lage eingenommen worden, es ist insbesondere auch das Bedürfniß, welches damit befriedigt werden soll, vollständig in Abrede gestellt worden, eventuell aber auch das Mittel perhorreszirt.

Seitens der liberalen Vereinigung ist, wenn ich recht verstanden, das Bedürfniß ebenfalls nicht anerkannt, das Mittel durchaus ver⸗ urtheilt und ein anderes nicht an dessen Stelle gezeigt worden.

Aehnlich steht's bezüglich der nationalliberalen Partei, die nach der Erklärung des Hrn. Abg. Hobrecht zwar als das Bedürfniß wohl anerkennend zu betrachten ist, die auch wohl anerkennt, daß der Taback an sich ein künftig noch weiter zu besteuerndes Objekt sei, dagegen ausdrücklich die Form des Monopols zurückgewiesen und nicht gesagt hat, welches andere Mittel statt des Tabackmonopols behufs Befrie⸗ digung des Bedürfnisses empfohlen werde.

Das Centrum hat sich, nach den Erklärungen des Hrn. Abg. Dr. Windthorst zu schließen, in seiner großen Majorität dem An⸗ erkenntniß des Bedürfnisses nicht entzogen, erachtet aber den Taback nicht als ein jetzt in irgend einer Form weiter zu besteuerndes Objekt und hat positive Vorschläge, wie dem anerkannten Bedürfnisse abzu⸗ helfen sei, ebenfalls nicht gemacht.

Auf Seiten der konservativen Partei ist nach den Erklärungen des Hrn. von Minnigerode die Auffassung eine gespaltene. Es ist die Anerkennung des Bedarfs wohl überall vorhanden, es wird auch dem Taback als einer noch sehr zu fruktifizirenden Steuerquelle das Wort geredet, es bestehen aber noch ungelöste Zweifel über und viel⸗ leicht auch theilweise schon verschiedene Abneigungen gegen das Monopol.

Nur Seitens der freikonservativen Partei ist ein zu dem Be⸗ dürfnisse und dem vorgeschlagenen Mittel zustimmendes Votum ab⸗ gegeben worden. .

Das Resumé daraus ist also, daß im ganzen Hause wohl eine Mehrheit geneigt sein würde, das Bedürfniß, was die verbündeten Regierungen mit der Vorlage befriedigen wollen, anzuerkennen, daß aber keine Mehrheit dafür ist, dieses Mittel des Taback⸗ monopols zu gewähren, daß aber auch keine Majorität für irgend ein anderes positives Mittel hier im Hause vorhanden ist. Wenn ich mich nun des Satzes erinnere, den der Hr. Abg. Dr. Windthorst in seinen Ausführungen gebraucht hat: die Dinge sind mächtiger als die Menschen, und wenn Geld da ist, finden sich die Bedürfnisse so glaube ich mit noch viel mehr Recht sagen zu können: die Dinge sind mächtiger als die Menschen, und wenn dringende Bedürrnisse des Volkes vorhanden sind, so muß Abhülfe gesucht werden und wird sich auch Geld dazu finden.

Von diesem Standpunkte aus kann eine fürsorgende Regierung die Geschäfte des Landes nur führen; ihrer Auffassung nach steht die Sache daher so, daß, wer die Fortführung der Steuerreform im Reiche will, entweder das Tabackmonopol annehmen oder positive Vorschläge machen muß, wie der Zweck anders zu erreichen ist. Sollte der Reichstag keines von beiden thun, so würden die Einzelnen nicht nur selbstverständlich die Verantwortung dafür gegenüber ihren Wählern haben, sondern der Reichstag würde in seiner Gesammtheit die Verantwortlichkeit tragen, daß beispielsweise in Preußen die Grund⸗ und Gebäudesteuer nach wie vor unvermindert forterhoben werden muß für den Staat, daß in Bezug auf die Klassen⸗ steuer keine weitere Erleichterung stattfinden wird, daß die Kommunallasten nicht gemindert werden in ihrem jetzigen kaum mehr ertragbaren Bestande, der ja überdies kein Beharrungs⸗ zustand ist, sondern unter der weiter nothwendigen Anziehung der Kommunalsteuerschraube noch wachsen wird, daß die Schutzgemeinden, denen sonst ein beträchtlicher Theil der Lasten abgenommen und eine große Erleichterung geschafft werden könnte, diese Lasten, einschließlich des die Aermeren besonders bedrückenden Schulgeldes, nach wir vor tragen müssen. Die Regierung ihrerseits lehnt die Verantwortung für die Fortdauer eines solchen Zustandes ab und würde die Ver⸗ antwortung dafür der Mehrheit des Reichstags zuschieben müssen.

Der Abg. von Vollmar erklärte, über die Stel⸗ lung seiner (der sozialdemokratischen) Partei, die in dieser Frage so oft genannt werde, herrschten Zweifel im Hause. Seine Partei habe sich schon früher zu einer sachlichen Prüfung aller Regierungsvorlagen bereit er⸗ klärt. Dieser Vorlage gegenüber werde ihr das schwer, weil die Vorlage in allen 828 Berechnungen von einer groß⸗ artigen Oberflächlichkeit sei. Der Reichskanzler habe die So⸗ zialdemokraten als Dilettanten in der Politik, als eloquente Streber bezeichnet, er sage aber, wenn die Reichsregierung diese Monopolvorlage von irgend einem Arbeiterverein hätte ausar⸗ beiten lassen, so würde dieselbe weniger unreif sein, wie jetzt. Seine Partei nehme zu dem Monopol wie in allen übrigen Fragen einen wesentlich von allen anderen Parteien verschie⸗ denen Standpunkt ein. Seine Partei habe natürlich mit der Regierung nichts zu thun, und ebenso wenig mit den bürgerlichen Parteien, die Sozialdemokraten würden indeß gegen die Vor⸗ lage aus wesentlich anderen Gründen stimmen, als die Libe⸗ ralen, seine Partei operire nicht als ein Anhängsel der libe⸗ ralen Parteien. e Witglicher Diegs. Hauses seien, ein⸗ gestanden oder nicht, aus privatrechtlichen Gründen gegen das Monopol, weil es ein gewaltiger Eingriff in das Privatrecht wäre. Wollte seine Partei nur diesen Standpunk in Betracht ziehen, so müßte sie für das Monopol stimmen. Abstrakt genommen müßten die Sozialisten ein Faible für das Monopol haben, denn es sei entschieden ein Stück gesellschaftlicher Gütererzeugung, und es stelle im Prinzip wenigstens den Staat dar als den allein berechtigten Ordner der Produktion. Es werde durch das Monopol wolle man es nun eingestehen oder nicht im Prinzip festgestellt, daß ein berechtigtes Privatinteresse in Bezug auf die Gütererzeugung nicht existire, und das heilige, unverletzliche Eigenthum bekomme durch das Mo⸗ nopol einen gründlichen Stoß. Kurz, wenn man irgend ein Monopol einführe, so wandele man auf soziali⸗ stischen Wegen. Richtig sei auch nach seiner An⸗ schauung die vom Regierungstisch ausgegangene, allerdings frap⸗ pirende Behauptung, daß den Leuten, welche von der Fabrikation, von der Tabackindustrie hinweggedrängt würden, kein Rechts⸗ grund auf Entschädigung zur Seite stehe. Dieser Grundsatz sei durchaus sozialistisch. Seine Partei sei der Meinung, daß die Gütererzeugung der Gesellschaft gehöre, und die Entfremdung eines Zweiges derselben könne durch die Zeit niemals recht⸗ mäßig gemacht werden. Die Sozialdemokraten ständen nicht auf dem Standpunkte der erworbenen Rechte, und es könne bei seiner Partei nicht vom Rückkaufen, sondern nur vom Rücknehmen die Rede sein; es könnten höchstens Billigkeits⸗

nde mitsprechen in Bezug auf das Uebergangs⸗

adium. Für die sonstigen Parteien seien aber derartige Theorien sehr gefährlich, der jetzt schon so streitige Begriff des Eigenthums komme dabei immer mehr ins Gedränge. Halte man es für zmgesagelich, das Prinzip des Eigenthums in der Gestalt der Industrie zu verletzen, so täusche man sich ganz onsequenzen zu ziehen, die den Herren rechts nichts weniger Gründe man auch an⸗

—, Es gebe Leute, die 8 genug besäßen, um die

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führen möge, dieselben wirkten destruktiv und man komme auf die schiefe Ebene, die zur Sozialdemokratie führe. Wenn man den Profit, die Ertragsfähig⸗ keit der Tabackindustrie als Grund der Monopolisirung anführe, so müsse er sagen, man finde in allen den sozialistischen Werken niemals einen so grob materiellen Grund für die Verstaatlichung der Gütererzeugung. Wohin komme man denn mit diesem Grunde? Mit demselben Recht und demselben Grunde könne man auch Alles übrige Eigenthum entreißen, weil es dem Staate Profit bringe. Dasselbe gelte von dem Grunde, daß beim Monopol keine Fälschungen und Ausbeutungen mehr vorkommen würden. Warum wende man diese Erwägung nicht auch auf die nothwendigen Lebensmittel an, warum komme man auf Grund der⸗ selben nicht zur Verstaatlichung des Getreidehandels? Der 8* Grund aller dieser Erwägungen sei doch immer, daß die Gesellschaft allein die Qunelle alles Rechtes sei, damit könne seine Partei zufrieden sein, es könne seiner Partei nur Freude machen, wenn Grundsätze, die an seiner Partei Jahrzehnte lang verfolgt und bestraft worden seien, siegreich würden und auf die Bundesrathssessel übergingen. Wenn seine Partei Gefühls⸗ politik treiben wollte, so müßte sie aus Rache gegen das Großkapital und seine Vertreter für das Monopol eintreten; seine Partei sei aber absoluter Gegner dieses Gesetzes. Der erste Gegengrund sei ein ökonomischer, seine Partei wolle zunächst die konzentrirten Betriebe in den Allgemeinbesitz über⸗ führen, z. B. Bahnen, Bergwerke und auch den großen Grund⸗ besitz, nicht mit den zersplitterten Betrieben dürfe der Anfang gemacht werden! Die Regierung zeige aber auch hier wieder die Tendenz, immer den Kleinen, nicht den Großen blaten zu lassen; nach seiner Anschauung müsse es umgekehrt erfolgen. Ferner habe seine Partei politische Gründe. Die Regierung habe einzig ein fiskalisches Interesse am Monopol, und deshalb gebe sie das Monopol als eine andere Form der direkten Besteuerung aus. Seine Partei sei aber gegen die indirekten Steuern überhaupt. In den Spezialgründen gegen das Monopol habe man des Umstandes noch gar nicht gedacht, daß z. B. in der Monopolversuchsstation, der Straßburger Manufaktur, nur ein Sechstel Männer seien, während fünf Sechstel Frauen dort arbeiteten. In Frankreich sei es ebenso; die Arbeiter habe man schaarenweise entlassen. Von der Entschädigung in der Vorlage lasse sich kaum ernsthaft sprechen; sie sei höchstens eine Beihülfe. Ernsthaft aber habe er gegen den Abg. von Minnigerode sich zu wenden, der vorgestern gesagt habe, in der Taback⸗Hausindustrie sei eine Verwilderung eingerissen. Man hätte doch glauben sollen, daß ein Abgeordneter, der hier das Wort ergreife, nicht ins Blaue hineinrede. Er habe hier im Namen der deutschen Cigarrenarbeiter dagegen zu pro⸗ testiren, daß sie hier vor dem deutschen Volke beschimpft würden. Gerade diejenigen, welche sonst den Schutz des Kleingewerbes ge⸗ pachtet zu haben glaubten, wollten dasselbe jetzt durch das Monopol ruiniren. Der Einfluß, den die Regierung auf die Arbeiter erhalte, sei ein ungeheurer. Man habe ja früher hohe Be⸗ amte gemaßregelt, was werde man nun mit den Taback⸗ arbeitern machen! Der Tabackbauer werde zum Staats⸗ arbeiter gemacht, und zwar zu einem solchen, der für die Regierung arbeite. Wenn man konsequent sein wollte, müßte man den ganzen Tabackboden in Deutschland expropriiren. In Feindesland thue man das in gewissen Fällen, und das sei dann immer noch besser, als wenn man demselben Hunderte von Soldaten ins Strafquartier lege. Dabei habe derẽ „Kommandant“ des Tabackarbeiters das In⸗ teresse, denselben möglichst zu drücken, das werde namentlich geschehen, wenn man sich die Personen vergegenvärtige, welche man anstellen werde. Das Beste wäre aller⸗ dings, sie gleich todtzuschlagen! Er wünsche, daß die Vorlage der Regierung ohne jede Spezialdiskussion brevi manu zurückgegeben würde, und zwar mit der Bemerkung, daß man sich für die Zukunft solche Vorlagen verbitte. Die Regierung habe ja von vornherein gewußt, daß das Gesetz nicht angenommen werden würde, zu welchem Zweck es dennoch vorgelegt sei, wisse man ja! Dem Gedanken des Antrags Ausfeld stehe seine Partei sympathisch gegenüber. Was den Zusammenhang zwischen Monopol und Sozialreform betreffe, so sei derselbe für ihn ein weiterer Grund, die Vorlage abzulehnen. Dieser Zu⸗ sammenhang sei lediglich für die Wahlen erfunden worden, Um die Sozialreform ins Werk zu setzen, habe man erst die Konkurrenz beseitigt, d. h. man habe die Sozialdemokraten mundtodt gemacht. In dem Wettrennen um den „armen Mann“ habe die Rechte sich als schlechte Reiterin gezeigt, da werde dieselbe die Sozialdemokraten niemals erreichen. Die Verfolgungen hätten seiner Partei nichts geschadet. Wenn man auch nichts von semer Partei sehe, so sei die Sozial⸗ demokratie wie jener Zauberer, der da wachse, indem man nach ihm schlage, ohne daß man ihn sehe. Redner erörterte schließlich, in welcher Art der Kampf gegen seine Partei bisher geführt sei und welche Konsequenzen diese Kampfart haben werde.

Der Abg. Frhr. von Arnswaldt⸗Hardenbostel erklärte Namens seiner politischen Freunde, hegen die Vorlage stimmen zu wollen, ebenso erkläre sich der größte Theil seiner Partei⸗ genossen auch gegen jede Steuererhöhung, da man die Industrie nicht mehr belasten dürfe. Für eine Kommissionsberathung werde seine Partei stimmen, um in derselben die Fehler des Gesetzes um so klarer nachzuweisen, und dadurch die Inter⸗ essenten endlich zu 5

Darauf wurde ein Vertagungsantrag angenommen.

Der Präsident von Levetzow konstatirte, daß einem der Schriftführer (dem Grafen v. Kleist⸗Schmenzin) in Ausübung seiner amtlichen Thätigkeit während der Rede des Abg. Mayer⸗ Württemberg (derselbe habe nämlich beobachtet, ob der Redner nicht ablese) eine beleidigende Aeußerung zugerufen sei (näm⸗ lich der Zuruf: Spion!). Das Präsidium sei verpflichtet, die Schriftführer in ihrer amtlichen Thätigkeit besonders zu schützen. Er bedauere und rüge diesen Ausdruck auf das bensen. wenn er den Urheber des Zurufs hätte ermitteln können, würde er ihn mit der strengsten Censur belegt haben.

Der Abg. Dr. Windthorst bemerkte persönlich, daß es nicht Aufgabe eines Abgeordneten sei, positive Gegenvorschläge gegen die Nenherungene sag⸗ zu machen.

Der Abg. Hobrecht bestritt dem Staatzsekretär Scholz egenüber, daß er die Nothwendigkeit einer Erhöhung der

backsteuer betont habe.

Hierauf vertagte sich das Haus um 4 ¾ Uhr auf Sonn⸗ abend 11 Uhr. 1““

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eilage

nzeiger und Königlich Preußischen

Berlin, Sonnabend, den 13. Mai

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N-b Staats⸗Anzeiger.

13“

Reichstags⸗Angelegenheiten.

Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Unfallversicherung der Arbeiter.

(Fortsetzung.) u“ §. 117.

88

Der Bertriebsunternehmer ist verpflichtet, alle Aufwendungen zu erstatten, welche in Folge des Unfalls auf Grund dieses Gesetzes von den Verpflichteten (§. 7) zu machen sind, wenn er, oder im Falle seiner Handlungsunfähigkeit sein gesetzlicher Vertreter, den Unfall vor⸗ sätzlich oder durch grsbes Verschulden herbeigeführt hat.

.In gleicher Weise haftet eine Aktiengesellschaft, eine Innung oder eingetragene Genossenschaft, wenn ein Mitglied ihres Vorstaandes, sowie eine Hergerspfalh hae 8 Irmung oder eingekragene Genossen⸗

aft, wenn einer der Liquidatoren den Unfall vorsätzli

grobe, Secschunden hat.

Als Ersatz für die Rente kann in den vorstehend bezei L 1.““ werden. „Der Ersatzanspruch kann in seinem vollen Umfange von der Reichs⸗Centralstelle, oder von dem Vorstande der be lhnfang, Betriebs⸗ genossenschaft oder des betheiligten Betrieksverbandes geltend ge⸗ macht werden. Der Anspruch verjährt in achtzehn Monaten vom Tage des Un⸗ ö1 8 er geleistete Ersatz wird auf die beim nächsten Rechnungs⸗ abschluß festgestellten Leisf ungen (§. 100) den Verpflichteten nach in §. 7 vorgesehenen Verhältniß durch die Reichs⸗Zentralstelle in An⸗ rechnung gebracht. §. 118.

Die Haftung eines Dritten, welcher den Unfall vorsätzlich herbei⸗ geführt oder durch Verschulden verursacht hat, bestimmt sich nach ben Jedoch geht die Forderung der

bestehenden gesetzlichen Vorschriften. Entschädigungsberechtigten an den Dritten auf die nach §. 7 Ver⸗ pflichteten insoweit über, als die Verpflichtung der letzteren zur Ent⸗ schädigung nach diesem Gesetze begründet ist. Wegen Geltendmachung dieses Theils der Forderung und Verwendung des zur Befriedigung desselben Geleisteten finden die Vorschriften des §. 117 Absatz 4 und 6 Anwendung. 8 §. 119.

Betriebsunternehmer werden, wenn die von ihnen in Gemäßheit des §. 68 oder, §. 83 eingereichte Nachweisung unrichtige thatmäͤcheit Angaben enthält, sofern nicht der Thatbestand des Betruges vorliegt, mit Geldstrafe bis zu Eintausend Mark bestraft.

Gleiche Strafe trifft den Betriebsunternehmer, welcher in der ven l6 Kemag 8. 61 ai Anzeige als Zeitpunkt der Er⸗ önnung des Betriebes einen späteren Tag angiebt als den, an welche dieselbe stattgefunden hat.

§. 120.

Betriebsunternehmer, welche der ihnen nach den §§. 15, 61, 66 Absatz 1, 68, 70 obliegenden Verpflichtung nicht rechtzeitig nach⸗ kommen, werden mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark bestraft.

Gleiche Strafe trifft, wenn die Anzeige eines Unfalls nicht in Gemäßheit des §. 77 rechtzeitig erfolgt ist, denjenigen, welcher zu derselben verpflichtet war.

Hat der Betriebsunternehmer im Falle des §. 68 die rechtzeitige Einreichung der Nachweisung und Berechnung wiederholt unterlassen, so hat er die Strafe mehrfach (Strafgesetzbuch §. 78).

121

Die Strafvorschriften der 8S 119 und 120 finden auch 1 §§. und 12 1 gegen die gesetzlichen Vertreter handlungsunfähiger Betriebsunternehmer, desgleichen geg en die Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft, 2 veeee öre e. henossenschaft sowie gegen die Liquida⸗ oren einer Handelsgesellschaft, Innung oder eingetragenen Genossen⸗ schaft Anwendung. ““ 1uu“ §. 122.

Die Zentralbehörden der Bundesstaaten bestimmen, von wel Staats⸗ oder Gemeindebehörden die in diesbef Gesetze den mülchen Verwaltungsbehörden, den unteren Verwaltungsbehörden und den Polizeibehörden zugewiesenen Verrichtungen wahrzunehmen sind und su welchen Kassen die in §. 15 Absatz 2, §. 39 Absatz 2, §. 61 Ab⸗ atz 3, §. 75 Absatz 2, §. 76 Absatz 2 bezeichneten Strafen fließen.

. Die von den Zentralbehörden der Bundesstaaten in Gemäßheit dieser Vorschrift erlassenen Bestimmungen sind durch den „Deutschen

eichsanzeiger“ bekannt zu machen. §. 123.

Die Rechte und Pflichten aus Versicherungsverträgen, welche von Unternehmern der unter den §. 1 fallenden Betriebe oder von den in denselben beschäftigten, versicherten Personen gegen die Folgen der in diesem Gesetze bezeichneten Unfälle mit Versicherungsanstalten ab⸗ Peschlossen sind, gehen nach dem Inkrafttreten dieses Gesegts (§. 124 s. 2) auf die Betriebsgenossenschaft oder den Betriebsverband, welchem der Betrieb angehört, über, wenn die Versicherungsnehmer

dieses bei dem Vorstande der Genossenschaft oder des Verbandes beantragen.

§. 124.

Die Bestimmungen dieses Gesetzes, welche die Bildung der Betriebs⸗ 2 betreffen, treten mit dem Tage

nach Vorschrift des §. 10 Absatz 4 vom Reichsk ss Rermatnhan 1 eh t chskanzler zu erlassenden imn Uebrigen wird der Zeitpunkt, mit welchem das Gesetz in Kraft tritt, mit Zustimmung des Bundesraths durch Kafser.es Her⸗ ordnung bestimmt.

Begründung. (Allgemeiner Theil.) . * der Begründung des unterm 8. März 1881 dem Reichstag vorgelegten Gesetzentwurfs, betreffend die Unfallversicherung der Arbeiter (Drucksachen des Reichstags Nr. 41), ist die Nothwendigkeit. die bedenklichen Erscheinungen, welche zum Erlasse des Gesetzes vom 21. Oktober 1878 geführt haben, durch positive, auf die Ver besserung der Lage der Arbeiter abzielende Maßnahmen zu bekämpfen und zu dem Ende zunächst auf die Sicherstellung der Arbeiter gegen die wirthschaftlichen Folgen der Unfälle Bedacht zu nehmen, sowie der eg, auf welchem nach den damaligen Vorschlägen der verbündeten egierungen dieses nächste Ziel erreicht werden sollte, mit den nach⸗ folgenden Ausführungen dargelegt und erläutert: Wenn auch die Hoffnung berechtigt ist, Besserung, welche von der neuerdings befolgten schaftspolitik für die SeeeeKecgef des heimischen Gewerbfleißes erwartet werden darf, auch den Arbeitern durch eine allmälige Er⸗ öhung des Arbeitsverdienstes und durch Verminderung der Schwan⸗ gen desselben zu gute kommen wird, so ist doch nicht zu verkennen, in der Unsicherheit des lediglich auf der Verwerthung der perfön⸗ ichen Arbeitskraft beruhenden Erwerbes, welche auch bei normaler Entwickelung der heimischen Gewerbsthätigkeit niemals ganz befeitigt werden kann, Mißstände begründet sind, welche zwar auch durch ge⸗ Lechtberische Maßnahmen nicht völli aufzuheben sind, deren allmälige ilderung aber auf dem Wege besonderer, die eigenthümlichen Ver⸗ ltnisse der Arbeiter berücksichtigender Gesetzgebung ernstlich in

ngriff genommen werden muß. der Staat sich in h . Maße als bisher seiner hülfs⸗

daß die allgemeine nationalen Wirth⸗

bedürftigen Mitglieder annehme, ist nicht blos eine Pflicht der Humanität und des Christenthums, von welchen die neabilch Ein⸗ richtungen durchdrungen sein sollen, sondern auch eine Aufgabe staatserhaltender Politik, welche das Ziel zu verfolgen hat, auch in den besitzlosen Klassen der Bevölkerung, welche zugleich die zahlreichsten und am wenigsten unterrichteten sind, die Anschauung zu pflegen, daß der Staat nicht blos eine nothwendige, sondern auch eine wohlthätige Einrichtung sei. Zu dem Ende müssen sie durch erkennbare direkte Vortheile, welche ihnen durch 8⸗sc. Maßregeln zu theil werden, dahin geführt werden, den Staat nicht als eine lediglich zum Schutz der besser situirten Klassen der Gesellschaft erfundene, sondern als eine auch ihren Bedürfnissen und Interessen dienende Institution

aufzufassen. W Das Bedenken, das in die Gesetzgebung,

Bedenken, d wenn sie dieses Ziel verfolge, ein sozialistisches Element eingeführt werde, fieah 8 8 Betretung dieses Weges nicht abhalten. Soweit dies wirklich der Fall, handelt es sich nicht um etwas ganz Neues, sondern nur um eine Weiterentwickelung der aus der christlichen Gesittung erwachsenen modernen Staatsidee, nach welcher dem Staat neben der defensiven, auf den Schutz bestehender Rechte abzielenden, auch die Aufgabe ob⸗ liegt, durch zweckmäßige Einrichtungen und durch Verwendung der zu seiner Verfügung stehenden Mittel der Gesammtheit, das Wohlergehen aller seiner Mitglieder und namentlich der schwachen und hülfs⸗ bedürftigen positiv zu fördern. In diesem Sinne schließt namentlich die gesetzliche Regelung der Armenpflege, welche der moderne Staat, im Gegensatze zu dem des Alterthums und des Mittelalters, als eine ihm obliegende Aufgabe anerkennt, ein sozialistisches Moment in sich, und in Wahrheit handelt es sich bei den Maßnahmen, welche zur Verbesserung der Lage der besitzlosen Klassen ergriffen werden können, nur um eine Weiterentwickelung der Idee, welche der staatlichen Armenpflege zu Grunde liegt.

Auch die Besorgniß, daß die Gesetzgebung auf diesem Gebiete namhafte Erfolge nicht erreichen werde, ohne die Mittel des Reichs und der Einzelstaaten in erheblichem Maße in Anspruch zu nehmen, darf von der Betretung des Weges nicht abhalten, denn der Werth von Maßnahmen, bei welchen es sich um die Zukunft des gesellschaft⸗ lichen und staatlichen Bestandes handelt, darf nicht an den Geld⸗ opfern, welche sie vielleicht erfordern, gemessen werden. Allerdings können mit einer einzelnen Maßregel, wie sie gegenwärtig vorge⸗ schlagen wird, die Schwierigkeiten, welche die soziale Frage bietet, nicht gänzlich oder auch nur zu einem erheblichen Theile gehoben werden; es handelt sich vielmehr nur um den ersten Schritt auf einem Gebiete, auf welchem eine Jahre lang fortzusetzende schwierige Arbeit mit Vorsicht und allmälig zu bewältigen sein und die Lösung einer Aufgabe wieder neue Aufgaben erzeugen wird. Dieser erste Schritt aber darf nach der Ueberzeugung der verbündeten Regierungen nicht länger hinausgeschoben werden und sie erachten es für Pflicht, ihrer⸗ seits durch Einbringung dieser Vorlage der Erfüllung der Zusagen und Wünsche näher zu treten, welche bei den Verhandlungen über das Gesetz, betreffend die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozial⸗ demokratie, von mehr als einer Seite ausgesprochen sind.

Bei der Erörterung der Frage, welche Maßnahmen in dieser Richtung zunächst ins Auge zu fassen seien, sind vornehmlich zwei Vorschläge in den Vordergrund getreten, welche auch bereits zu Ver⸗ handlungen im Reichstag Veranlassung gegeben haben. Nach dem einen soll die Versorgung der durch Krankheit oder Alter erwerbsun⸗ fähig gewordenen Arbeiter, sowie der Wittwen und Waisen ver⸗ storbener Arbeiter durch gesetzliche Maßnahmen sichergestellt werden. Dieser Vorschlag ist durch den Antrag des Abgeordneten Stumm näher dahin präzisirt, daß zunächst in der Beschränkung auf Fabrik⸗ arbeiter eine Zwangsversicherung nach Art der für Bergarbelter in den Knappschaftskassen bestehenden durchgeführt werden solle.

Der andere Vorschlag verfolgt das Ziel, den Arbeitern und ihren Hinterbliebenen wenigstens in denjenigen Fällen eine Versorgung zu sichern, in denen die Erwerbsunfähigkeit oder der Tod des Arbeiters durch die mit der Berufsarbeit verbundene Unfallsgefahr herbeigeführt ist. Nach verschiedenen seiner Zeit im Reichstag gestellten Anträgen soll dieses Ziel durch eine Revision des Gesetzes vom 7. Juni 1871, betreffend die Verbindlichkeit zum Schadensersatz für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen u. s. w. vorgekommenen Tödtungen und Körperverletzungen, erreicht werden.

Der Einführung einer allgemeinen Invaliden⸗, Wittwen⸗ und Waisenvers orgung auf dem Wege des gesetzlichen Versicherungszwanges stehen auch bei Beschränkung dieser Regelung auf die Fabrikarbeiter erhebliche Schwierigkeiten entgegen, welche theils in der Nothwendig⸗ keit einer gesetzlichen Abgrenzung der dem Versicherungszwange zu unterwerfenden Arbeiterklassen, theils in dem häufigen Orts⸗ und Berufswechsel der Arbeiter beruhen. Ob es moͤglich ist, diese Schwierigkeiten zu überwinden, kann für jetzt dahin gestellt bleiben, da die Durchführung einer gesetzlichen Regelung dieser Art Mittel erfordern würde, welche die Insüͤsteie allein nicht aufzubringen ver⸗ mag, wenn sie dem Auslande gegenüber konkurrenzfähig bleiben soll, und welche weder dem Reiche noch den Bundesstaaten bisher zu Ge⸗ bote stehen. Daß die Pensionirung aller Invaliden, Wittwen und Waisen, wenn sie in einer dem Bedürfnisse entsprechenden Höhe er⸗ folgen sollte, eine hohe Belastung entweder der Industrie oder der staatlichen Mittel bedingen würde, daß diese Belastung namentlich ungleich höher sein würde, als diejenige, welche durch die Sicherung der Arbeiter und ihrer Hinterbliebenen gegen die wirthschaftlichen Folgen der Unfälle bedingt sein würden, unterliegt keinem 2 weifel. Für eine auch nur annähernde Berechnung der wirklich zu er⸗ wartenden Höhe dieser Belastung fehlt es aber bis jetzt an dem ausreichenden statistischen Material. Die Be retung dieses Weges ohne Heranziehung von Staatshülfe schließt die Gefahr einer Ueberlastung der Kräfte der Betheili ten, also einer Auflösung ihrer Unternehmungen in sich, welche auch für die Arbeiter größere wirthschaftliche zur folge haben würde, als die⸗ jenigen, welche jetzt bekämpft werden se len: eine Gefahr, welche bei dem gegenwärtigen Stande der Industrie und der Arbeitslöhne be⸗ sonders schwer ins Gewicht fällt. Es aesefgcht daher der auf diesem Gebiete gebotenen Vorsicht, daß sich die Gesetzgebung zunächst darauf beschränkt, die minder schwierige und geringere

Aufgabe der Sicherung der Arbeiter und ihrer Hinte

die wirthschaftlichen Folgen der Unfälle ihrer Lösung führen. Diese Beschränkung enthält nicht nothwendig auf weitere Ziele, wenn solche nach Maßgabe der zu gewinnenden Erfahrungen und der ügbaren Mittel sich als erreichbar darstellen. Namentlich ist es nicht die Absicht, die gesetzliche Regelung der In⸗ validitäts⸗ und dliesseesems von der weiteren Erwägung prin⸗ ipiell auszuschliehen. Bei dem heutigen Stande der E hrung auf iesem Gebiete und angesichts der inanzlage des R. und der Einzelstaaten muß aber von der Verfolgung weiterer Ziele zur Zeit Abstand genommen werden. Erst die Erfahrungen der in der gegen⸗ wärtigen Vorlage in 2 22 Reichsversicherungsanstalt werden, namentlich wenn 819 der Richtung auf felwilisge Ver⸗ sicherungen eine erhebliche Ausdehnung gewinnen sollte, eine aus⸗ reichende Beleuchtung des künftig zu bearbeitenden Gebietes und sichere Anhaltspunkte für die weiter einzuschlagenden Wege gewähren. Diese Erfahrungen werden daher vor weiteren Schritten abzuwarten sein zumal es sich um eine gesetzgeberische Arbeit handelt, deren Abschluß

er erfordernde liebenen gegen entgegen zu den Verzicht

ein volles Menschenalter erfordern wird. des Gesetzes vom

den handl über den Erl⸗ 7. Juni 1871 sind ZHeeisel erhoben, ob der 8e8, des Gesetzentwurfs

das Bedürfniß, aus welchem er hervorgegangen, auch wirklich be⸗ friedigen werde. Die Anträge, welche damals gefta dieses iel sicherer zu erreichen, wollten die neu geschaffene Ver⸗ bindlichkeit theils für ein weiteres Gebiet in Geltung gesetzt, theils ihrem Inhalt nach verschärft wissen. Ihre Ablehnung erfolgte, weil man fürchtete, durch eine zu weite Ausdehnung und Verschärfung des neuen Prinzips die Industrie zu stark zu belasten und dadurch in ihrer Entwickelung zu hemmen. Schon bald nach Erlaß des Gesetzes wurden Stimmen laut, welche den geschaffenen Rechtszustand als einen unbefriedigenden bezeichneten, und im weiteren Verlaufe der Anwendung des Gesetzes wurde immer allgemeiner das Bedürfniß nach einer Veränderung oder Verbesserung desselben gefühlt. Wenn dabei einerseits das Mittel der Verbesserung bis auf die neueste Zeit in einer weiteren Ausdehnung und Verschärfung der durch das Gesetz begründeten Haftverbindlichkeit gesucht wurde, so fehlt es andererseits auch nicht an der Erkenntniß, daß das Gesetz, auch wenn das ihm zu Grunde liegende Prinzip bis an die äußersten juristischen Grenzen seiner Dehnbarkeit durchgeführt werden sollte, doch die Befriedigung des Bedürfnisses, durch welches es hervorgerufen ist, nur unvollkomme 1“ st 1

Daß die Bestimmungen des §. 2 des Gesetzes bei fortschreitender

Anwendung Zustände herbeigeführt haben, welche örestender noch Arbeitnehmer befriedigen und das Verhältniß zwischen beider Klassen. der gewerblichen Bevölkerung eher verschlimmert als verbesser haben, wird kaum noch bestritten. Die Belastung des Verletzten mi dem Beweise eines Verschuldens des Unternehmers oder seiner Beauf⸗ tragten macht die Wohlthat des Gesetzes für die Arbeiter in den meisten Fällen illusorisch. Dieser schon an sich schwierige Beweis wird nicht selten und gerade bei den durch elementare Kräfte herbei geführten folgenschwersten Unfällen, wie sie in Bergwerken, in Anlagen mit Dampfkesseln und in Fabriken zur Herstellung von Explosivstoffen vorkommen, dadurch unmöglich gemacht, daß der Zustand der Betriebs⸗ stätte und der Betriebseinrichtungen, auf dessen Feststellung es für den Schuldbeweis meistens ankommt, durch den Unfall selbst bis zur Unkenntlichkeit verändert ist, und daß diejenigen Personen, durch deren Zeugniß häufig allein ein Verschulden nachgewiesen werden könnte, durch den Unfall selbst getödtet oder verletzt und im letzteren Falle, auch wenn sie nicht, was die Regel ist, selbst Partei sind, durch die Katastrophe in einen Zustand versetzt sind, der sie zur Ablegung eines

eugnisses unfähig macht. Die Erfahrung hat bis auf die neueste Zeit gezeigt, daß das Gesetz in denjenigen Fällen, welche durch ihre Wirkung auf die öffentliche Meinung vorzugsweise seinen Erlaß be⸗ fördert haben, und auf welche es nach den Motiven in erster Linie berechnet war, regelmäßig seinen Zweck nicht erreicht. Aber auch abgesehen von solchen Fällen, ist die Lage des einzel⸗ nen Arbeiters, welcher einen Entschädigungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber im Wege des „Prozesses verfolgen muß, angesichts seines Vermögens⸗ und Bildungsstandes, sowie seiner sozialen Stellung, in der Regel eine ungünstige. Nichtsdestoweniger sind Prozesse über Entschädigungsansprüche aus dem Haftpflichtgesetz keines⸗ wegs selten, zumal sich seit Erlaß des letzteren in vielen Arbeiter⸗ kreisen die Anschauung festgesetzt hat, daß den Arbeitern, wenn sie ohne eigenes Verschulden bei der Arbeit verunglücken, unter allen Um⸗ ständen die weitere Versorgung durch den Arbeitgeber zu Theil werden müsse. Auch wo diese Anschauung nicht herrscht, hat der Umstand, daß bei den meisten Unfällen versiesan Ursachen in oft schwer zu erkennendem Maße zusammenwirken, die Folge, daß der Arbeiter den Unfall ausschließlich irgend einem der Arbeitgeber zur Last fallenden Mangel des Betriebes beimißt, während der Arbeitgeber ihn ebenso bestimmt auf eine Unfolgsamkeit oder Leichtfertigkeit des Arbeiters zurückführt. Da der Arbeiter, welcher in der Regel im Armenrechte klagt, durch die ve. vor Kosten nicht vom Prozesse zurückgeschreckt wird und der Arbeitgeber durch die oft sehr erhebliche Höhe des An-⸗ spruchs, sowie durch die furcht vor den Konsequenzen abgehalten wird, denselben zuzugestehen, so führt jene Verschiedenheit der Auffassung dazu, daß in vielen Fällen, in denen früher der Arbeitgeber seinem im Dienst verunglückten Arbeiter aus Billigkeits⸗ und Humanitätsrück⸗ sichten in irgend einer Form eine nach den Umständen bemessene Unterstützung gewährte, der Arbeiter jetzt, auf ein vermeintliches Recht gestützt, die volle Entschädigung für seine verlorene oder ge⸗ minderte Erwerbsfähigkeit fordert, während der Arbeitgeber gleich⸗ falls in vollem Rechte zu sein glaubt, wenn er jede Verpflichtung in Abrede stellt. Die Folge ist dann meistens, daß nach einem lang⸗ wierigen Prozesse entweder der Arbeitgeber zu einer Entschädigung verurtheilt wird, welche er als eine unbillige ansieht, oder der Arbeiter auch derjenigen Unterstützung verlustig geht, welche ihm unter anderen Umständen durch das flichtgefühl oder Wohlwollen des Arbeit⸗ gebers zu Theil geworden wäre. Daß durch derartige Vorgänge Er⸗ bitterung zwischen Arbeitgebern und Arbeitern hervorgerufen und mit jedem neuen Falle der Boden für eine gütliche Verständigung in künftigen Streitfällen dieser und anderer Art immer mehr unter⸗ graben wird, liegt in der Natur der Sache und ist neuerdings von Behörden und Beamten, welche diesen Verhältnissen nahe stehen,

sowie von wohlwollenden Arbeitgebern mehrfach hervorgehoben worden.

Nicht-wenig trägt zur Vermehrung der Prozesse über Entschädigungs⸗ ansprüche und damit zur Verschärfung des Gegensatzes zwischen Arbeit⸗ gebern und Arbeitern auch die jetzige Gestaltung der Unfallversicherung bei. Die Versicherungsgesellschaften sind durch geschäftliche Rücksichten darauf hingewiesen, auf Grund der für haftpflichtige Unfälle ab. geschlossenen Versicherung nur für solche Entschädigungen Deckung zu leisten, zu denen der Versicherungsnehmer durch das Gesetz un⸗ zweifelhaft verpflichtet war. Sie können daher dem letzteren nicht die Entscheidung über die Anerkennung oder Nichtanerkennung der erhobenen Ansprüche überlassen und sich bei ihrer eigenen Entschei⸗ dung nicht durch Rücksichten bestimmen lassen, welche den Arbeit⸗ geber, wenn er allein zu entscheiden hätte, vielleicht geneigt machen würden, manchen Zweifel an seiner rechtlichen Verpflichtung auf sich beruhen zu lassen. Bei der großen Zweifelhaftigkeit der meisten aus dem Haftpflichtgesetz hergeleiteten Ansprüche kann es daher kaum befremden, daß die Mehrzahl der Versicherungsgesellschaften dahin gelangt ist, in den meisten Fällen nur zu sadsen⸗ wenn der fragliche Entschädigungsanspruch durch richterliche Entscheidung fest. desteln ist. r auch da, wo dieser Grundsatz nicht brse t wird, ist eem Arbeitgeber, welcher 5— haftpflichtige Unfälle versichert ist, die Anerkennung einer gegen ihn erhobenen Entschädigungsforderung in hohem Grade dadurch erschwert, daß er, um seinen A die Versicherungsgesellschaft nicht aufzugeben, ein vorgekommenes eigenes oder seinem Beauftragten zur Last fallendes Verschulden ein⸗ räumen muß. Die Regel ist demnach, daß der Arbeitgeber in jedem alle, wo eine Entschädigung 7. wird, genöthigt ist, sich von einem Arbeiter verklagen zu lassen. So unwillkommen eine solche Lage für den wohlwollenden Arbeitgeber ist, so kann er doch auf die Persicherung nicht verzichten, weil sie ihm das einzige Mittel bietet, sich gegen Verluste zu schützen, welche bei ihrer Erheblichkeit unter Umstäͤnden die Existenz des Unternehmens gefährden können. Bei der Unbeschränktheit des richterlichen Ermessens, welchem das Gesetz die Bestimmung der Höhe des Scha atzes überläßt, liegt in jedem hhene die ”— vor, dnß die Rente, welche der Richter dem rletzten oder seinen Hinterbliebenen als Ersatz für die verlorene Erwerbsfähigkeit oder für den verlorenen Unterhalt zubilligt, in der vollen des letzten Arbeitslohnes bemessen wird, und die Erfah⸗ rung lehrt, greve in denen dies geschieht, nicht selten sind. Auf

diese Weise erhält der in seinem Berufe verunglückte Arbeiter, wenn

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