2— Hamb. Corr.
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Nachdem sodann noch einige andere Angelegenheiten er⸗ ledigt waren, erklärte das Präsidium die Sitzung und damit auch die Session als geschlossen.
Großbritannien und Irland. London, 27. Juli. (W. T. B.) Im Oberhause erklärte bei der Berathung über die zweite Lesung der Pachtrückstandsbill Lord Salisbury, er billige zwar die Bestimmungen über die Vorschüsse und die Auswanderung und sei nicht gegen die zweite Lesung der Bill, die Vorlage enthalte aber gefährliche Grundsätze und daraus, daß er in die zweite Lesung derselben
willige, dürfe nicht der Schluß gezogen werden, daß er der Bill zur Gesetzeskraft verhelfen wolle, wenn nicht jene gefähr⸗ lichen Grundsätze aus derselben beseitigt würden. — Das Haus nahm dann die Bill in zweiter Lesung ohne Abstim⸗ mung an.
— Im Unterhause sprach Gladstone sein Bedauern
darüber aus, daß er die Wahlbestechungsbill aufgeben müsse. Von Bourke wurde hierauf die Debatte über die Kreditforderung fortgesetzt, welche von dem Hause mit 275 gegen 19 Stimmen angenommen wurde. Im Laufe der Debatte wies der Premier Gladstone die Vorwürfe zurück, daß er eine schwankende Politik getrieben habe. Gladstone erinnerte daran, daß der Pariser Vertrag, soweit er durch den Berliner Vertrag nicht aufgehoben sei, fort⸗ bestehe, eine Einmischung in die ö des türkischen Reiches sei daher eine Sache von europäischem Interesse. Hätte man zur Zeit des Bombardements eine Invasionsarmee aufgestellt, so wäre der Vertrag verletzt worden. „Unser Be⸗ streben war, zu verhindern, daß die lokale Schwierigkeit eine europäische oder gar ein europäischer Krieg werde. Durch unser Verhalten haben wir die nationale Eifersucht entwaffnet und Europa überzeugt, daß England unselbstsüchtig handelt. England und Europa sind der Ansicht, daß der Sultan eine Proklamation erlassen und darin seine Stellung zu Arabi Pascha klar definiren muß. Die Regierung glaubt, daß die ganze britische Nation das Unternehmen billigt, das sie mit aller Energie durchzuführen beabsichtigt, um die Interessen des Reiches und die Wohlfahrt des egyptischen Volkes zu fördern ein ehrliches Werk zur Herstellung des Friedens zu voll⸗ ringen.“
— 28. Juli. (W. T. B.) Das Unterhaus nahm den Antrag auf Vermehrung des Effektivbestandes der Armee um 10 000 Mann ohne Abstimmung an.
— 28. Juli. (W. T. B.) Herzog von Teck ist dem Stabe des General Wolseley attachirt worden.
Frankreich. Paris, 27. Juli. (W. T. B.) In der Deputirtenkammer theilte der Minister⸗Präsident Freyecinet der Kammer mit, daß die Pforte sich bereit er⸗ klärt habe, unter den in der identischen Note vom 15. d. M. enthaltenen Bedingungen sofort Truppen nach Egypten abzusenden und fügte hinzu, er erwarte noch ausführlichere Mittheilungen, wünsche auch, sich mit England ins Einver⸗ nehmen zu setzen und beantrage daher, die Berathung über die Kreditvorlage auf nächsten Sonnabend zu vertagen.
Die Kammer beschloß dem Antrage des Minister⸗Präsidenten gemäß. — Im Befinden des erkrankten russischen Botschafters, Fürsten Orloff, ist eine wesentli che Besserung eingetreten, derselbe beabsichtigt demnächst nach Vichy abzureisen.
— (W. T. B.) Die „Agence Havas“ läßt sich aus Madrid melden: Der Minister des Auswärtigen hat in einem Rundschreiben an die spanischen Gesandten bei den europäischen Höfen darauf hingewiesen, daß der Suezkanal für Spanien wegen seiner Kolonien von größerer Bedeutung sei als für einzelne der Großmächte und daß deshalb bei Re⸗ gelung der egyptischen Frage billiger Weise Spanien kon⸗ sultirt werden sollte.
Türkei. Konstantinopel, 28 Juli. (W. T. B.) (Telegramm der „Agence Havas“.) Lord Dufferin stellte nunmehr in der Mittwochssitzung der Konferenz den An⸗ trag, der Sultan möge eine Proklamation erlassen, durch welche Arabi Pascha für einen Rebellen erklärt wird. Said
Pascha nahm diesen Antrag im Prinzipe an, bemerkte jedoch, es sei wünschenswerth, diese Proklamation erst zu erlassen, wenn die türkischen Truppen in Egypten gelandet seien.
— (W. T. 3 Gestern fand keine Sitzung der Kon⸗
ferenz statt, da einzelne Vertreter noch Instruktionen erwar⸗ teten. Heute wird die Konferenz wieder zusammentreten.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 25. Juli. Der König und die Königin von Griechenland mit anderen Hohen Gästen unseres ofs besuchten der „N. Z.“ zufolge gestern St. Petersburg. Der König trug die Uniform der 2. Flottenequipage, deren Chef Seine soh⸗ Gemahlin
ist; der änische Kronprinz hatte die Uniform seines russischen
Husarenregiments angelegt. Gemeinsam mit dem Prinzen von Holstein⸗Glücksburg, einem Bruder des Königs von
Dänemark begaben sich die Hohen Anverwandten unseres
Kaiserhauses zum Kaisergrabe in der Peter⸗Pauls⸗Kathedrale, besuchten sodann die Kapelle am Katharinenkanal und fuhren ins Winterpalais, wo sie längere Zeit in den Appartements ddes Hochseligen Kaisers zubrachten. Gegen 3 Uhr brachte der Dampfer die Gäste wieder nach Peterhof zurück.
— 28. Juli. (W. T. B.) Das eumnal de St. Pétersbourg“ meint, wenn die Türkei sich der Erfüllung der übernommenen Mis⸗ sion mit Eifer und Aufrichtigkeit unterziehe, so sei eine Lösung der egyptischen Frage möglich, ohne daß irgend eine der Mächte aus dem gemeinsam sestgestellten Programm heraus⸗ trete. Diese Annahme lasse sich auf den Wunsch der Regie⸗
rungen stützen, die Ordnung in Egypten durch das europäische Konzert wieder herzustellen, ohne daß man sich dabei die
Schwierigkeiten verhehle, welche aus der Lage Großbritanniens
erwüchsen.
— Der König und die Königin von Griechenland sowie der Kronprinz von Dänemark werden, dem Ver⸗ nehmen nach, die Rückreise nach Kopenhagen über Stockholm
antreten. — Einem Telegramm des „Golos“ aus Kukujeff öpufolge sind die durch die Katastrophe auf der Moskau⸗
Kursker Bahn veranlaßten Ausgrabungen nunmehr beendet,
und dabei noch 42 Leichen herausgeschafft worden.
Schweden und Norwegen. Christiania, 24. Juli. König Oskar hielt am Sonnabend in
stersund der Einweihung der schwedisch⸗norwegischen Nordbahn eine sowohl von den versammelten Norwegern wie Schweden mit großem Beifall aufgenommene Rede. Die mit kräftiger Stimme vorgetragene Rede schloß wie folgt: „Lang⸗ serher als die Arbeit selbst ausgefüͤhrt worden ist, werden die Folgen derselben bemerkbar werden; sie dürsten in diesem
ugenblick unberechenbar sein, aber sie werden nicht
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ausbleiben. Diese Verbindungsbahn wird sich ganz gewiß als
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ein Werk erweisen, welches geeignet ist, zu erleichtern, zu nähern und zu vereinen, ein Werk, welches befähigt ist, frei zu machen; ja, freier Verkehr, freier Waarenaustausch, freies Zusammenleben zwischen früher getrennten Brüdern, das wird der große Segen dieser Bahn werden! Selbst die Dämonen des Streites und der Zwietracht sollen durch diese Stahl⸗ bänder gefesselt und unter den mächtigen Rädern des Dampf⸗ wagens zermalmt werden!“
Afrika. Egypten. Alexandrien, 27. Juli. (W. T. B.) Wie verlautet, beabsichtigen die Engländer, das Fort Mukbebe bei Mex zu besetzen, welches die Straße an der Küste des Mariutsees beherrscht, auf welcher Patrouillen Arabi Paschas bemerkt worden waren. In den feindlichen Linien wurde heute Morgen eine gewisse Bewegung wahrgenommen. — In dem von Eingeborenen bewohnten Quartiere von Alexandrien fand heute früh eine größere Feuersbrunst statt, die das Werk von Brandstiftern zu sein scheint. — Der gestern zur Abholung der Garnison von Abukir abge⸗ gangene Dampfer ist ohne Truppen zurückgekommen, weil die⸗ selben nicht nach Alexandrien kommen wollen.
— Arabi Pascha hat die Proklamation des Khe⸗ dive mit einem in Kairo veröffentlichten Schreiben beant⸗ wortet, worin er erklärt, daß der Khedive unter den Be⸗ fehlen der Engländer handle und daß die Armee das Land gegen eine englische Invasion bis aufs Aeußerste vertheidigen werde. — Wie es heißt, hätte Arabi Pascha in einem an den Sultan gerichteten Schreiben die Hoffnung ausgesprochen, daß das Gerücht von der zu erwartenden Ankunft tuüͤrkischer Truppen sich nicht bewahrheiten werde, weil er sonst ge⸗ nöthigt sein würde, denselben bewaffneten Widerstand ent⸗ gegenzusetzen.
— Der Admiral Seymour hat ein Schreiben an den Khedive gerichtet und erklärt darin wiederholt, daß es keineswegs in der Absicht Englands liege, Egypten für sich selbst zu erobern, noch auch irgendwie die Religion und die Freiheiten der Egypter anzutasten; England bezwecke lediglich, den Khedive und das Volk gegen die Meuterer zu schützen, und sei entschlossen, die Insurrektion gegen den Khedive zu unterdrücken. In dem Schreiben wird Tewfik ferner gebeten, die egyptischen Soldaten zu veranlassen, daß sie in ihre Hei⸗ math zurückkehren, und dem Volke angerathen, Arabi und seine Anhänger als Verräther zu behandeln.
— Dem „Reuterschen Bureau“ wird gemeldet: Es heißt, die Engländer beabsichtigten, die Forts von Abukir zu bombardiren, weil die dortige Garnison sich weigerte, nach Alexandrien zurückzukehren. — Arabi Pascha soll mit dem größten Theile seiner Truppen auf Damanhour zurück⸗
egangen sein und seine Vorposten in Kafrdowar zurückgelassen haben.
Zeitungsstimmen. H
In der in Stuttgart erscheinenden „Deutschen Reichs⸗ Post’ finden wir einen Artikel, der das Thema „Schutzzölle und Lebensmittelpreise“ behandelt. In dem Artikel heißt es:
Die Manchesterparteien werden nicht müde, bei jeder Gelegenheit der Regierung vorzuwerfen, sie habe durch die Korn⸗, Schmalz⸗ ꝛc. Zölle die Lebensmittel des armen Mannes vertheuert. Von uns ist dagegen stets eingewendet, daß die geringen Zölle unmöglich eine Vertheuerung der Lebensmittel herbeiführen können, daß aber im Gegentheil die manchesterliche Freiheit der Preisbestimmung, gegen welche die freie Konkurrenz nur ein schwaches Gegenmittel sei, die Lebensmittelpreise in ganz anderer, weit stärkerer Weise steigere, als dies die Zölle und Verbrauchssteuern je zu thun in der Lage wären. Diese unsere Behauptung findet wieder einmal eine vollständige Bestätigung in der Zusammenstellung der Lebens⸗ mittelpreise pro 1881 in verschiedenen Städten Württembergs, welche auf Seite 101 und 102 der amtlichen Zusammenstellung der Jahres⸗ berichte der württembergischen Handels⸗ und Gewerbekammern ver⸗ zeichnet sind. K —
Hiernach differirten die Preise für ein Kilogramm schwarzes Hausbrod um 4 bis 7 ₰; es kostete nämlich in Gmünd und Aalen 20 — 23, in Stuttgart und Canstatt 22, in Eßlingen (Arbeiter⸗ bevölkerung!) und Rottweil 27 ₰. Ein Kilogramm weißes Kernen⸗ brod kostete in Ellwangen 24 — 27, in Kirchheim 26, in Stuttgart 30, in Cannstatt 32 ₰.
Nun macht der Kornzoll, selbst wenn man annehmen könnte, daß er auch das inländische Getreide vertheuere (was wir entschieden be⸗ streiten) pro Kilogramm Brod höchstens ½ ₰ aus. Es kostet aber das Kilogramm Schwarzbrod in Eßlingen 5 ₰ mehr als in Cann⸗ statt und Stuttgart, das Kilogramm Kernenbrod kostet in Cannstatt 2. ₰% mehr als in Stuttgart und doch liegen bekanntlich die 3 genannten Städte dicht bei einander! Jeder unbefangen Denkende wird uns zugeben müssen, daß eine solche Brod⸗ preisdifferenz in den genannten 3 Städten sich absolut nicht recht⸗ fertigen läßt. Nun aber fragen wir: Wäre den Eßlinger Arbeitern nicht besser geholfen, wenn die Bäcker das Kilogramm Schwarzbrod Gum 5 ₰ billiger verkaufen würden, als wenn der halbe Pfennig Kornzoll wegfiele? Und welche vernünftigen Gründe lassen sich denn dafür anführen, daß in Cannstatt das Kilogramm weißes Kernen⸗ brod 6 ₰ mehr kosten soll, als in Kirchheim und sogar noch 2 ₰ mehr als in Stuttgart?
Ein Wecken à 3 ₰ wog in Giengen a. Br. 70 — 75 g, in Ell⸗ wangen und Gaildorf 68—80, in Ulm 60 — 70, in Cannstatt und Eßlingen nur 55, in Tübingen, Gmünd und Rottweil gar nur 45— 50 g. Hier kommen also Preisdifferenzen bis zu 85 % vor.
achten wir uns nun die Fleischpreise. 1. kg Ochsenfleisch
kostete in Crailsheim 92, in Heilbronn, Eßlingen und Rottenburg 120 — 128, in Stuttgart, Cannstatt und Gmünd 132 ₰. 1 kg Rind⸗ fleisch kostete in Crailsheim 88, in Ulm 90 — 91, in Stuttgart 100, in Cannstatt 112 ₰. Wie will man eine solche kolossale Differenz rechtfertigen? 1 kg Kalbfleisch kostete in Ulm 86 — 95 ₰, in Stutt⸗ art 100, in Eßlingen 104 — 108, in Cannstatt 112 31! 1 kg weinefleisch kostete in Reutlingen durchschnittlich 105, 129 in Ludwigsburg, 132 in Eßlingen und Cannstatt, 140 5. in Stuttgart. It an diesen Preisdifferenzen etwa der Zoll auf amerikanisches Schweineschmalz schuld?
Was lehren nun diese Zahlen? Nichts anderes als daß 1) die
ogenannte Konjunktur d. h. die willkürliche, häufig auf Koalitionen eer Bäcker bezw. Metzger beruhenden Pr sfeststellungen das Publi⸗ kum um das Zehnfache und Höhere der Korn⸗ ꝛc. Zölle belasten und 2) daß der manchesterliche Lehrsatz, Angebot und Nachfrage, sowie die freie Konkurrenz reguliren und egalisiren die Preise, thatsächlich eine Unwahrheit ist.
Die Staatsmänner unter der Volkspartei, welche die Fürsorge um das Volkswohl in Erbpacht genommen haben und so beftig gegen die das Brod der Armen „vertheuernden v ν eifern, sie mögen doch einmal dieser Frage näher treten und Mittel angeben, wie man diese Uebervortheilung des Volkes beseitigt. Man rechne einmal mit uns: Ein Arbeiter mit ,, braucht täglich wenigstens 5 Pfd. = 2 ½ kg Schwarzbrod. Nun kostet das Kilogramm Schwarzbrod in Eßlingen 5 ₰ mehr als in Stuttgart; das macht für den Eßlinger Arbeiter eine tägliche Mehrausgabe von 12 ½ ₰, thut in 365 Tagen 45 ℳ 62 ½ ₰. Wenn dag ten in Folge der Aufhebung der Kornzölle das Brod entsprechend
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lliger würde, was
wir durchaus zu bezweifeln sehr triftige Gründe haben, so wü gleiche Arbeiter in Eßlingen bei gleichem Brodkonsum 2. dAdasder ersparen.
— Die „Eisenhändler⸗Zeitung“ schildert die In⸗ dustrie im Volmethal. In dem betreffenden Artikel heißt -
Jetzt sind wenige Jahre in das Land gezogen mit der neuen Zollpolitik und der Ruf der Freihändler, wir gehen zu Grunde und ihr armen Arbeiter, ihr seid die ersten, die von dem allgemeinen Untergang erfaßt werden, hat sich nicht bewahrheitet. Noch immerwäh⸗ rend hat sich in der kurzen Zeit der Zollpolitik das Bild freund⸗ licher gestaltet, heute sehen wir schon alte, dem Verfalle preisgegebene Hochöfen, wieder ihren Flammenschein in die Nacht werfen, heute hören wir wieder das Ineinandergreifen alter Getriebe die schon eingerostet woren, es regt sich in allen Zweigen der In⸗ dustrie, es wächst das Vertrauen, mit ihm die Unternehmungslust und hoffentlich auch bald der Verdienst. Interessant ist es, die Industrie im Volmethale kennen zu lernen und aus dem Munde der dortigen Fabrikanten die verschiedenen Urtheile zu hören.
Jedenfalls ist die Breite⸗Industrie die bedeutendste im Volme⸗ thal, sie prägt der ganzen Gegend ihren Charakter auf. Nicht ohne Genugthuung ist eine Besserung der Verhältnisse in diesem großen Industriezweige zu verzeichnen. Das hiesige Breitefabrikat hat in Rußland und Kleinasien das steyerische und ungarische Fabrikat voll⸗ ständig verdrängt und gewinnt ein immer größeres Absatzgebiet.
Durch den höheren Zoll, welcher auf das schwedische Halbfabri⸗ kat, Nt ec achsagter⸗ gesetzt ist, hat das Inland sich selbst dieser Industrie der Halbfabrikate bemächtigt und den schwedischen Import verdrängt. Wenn nun auch die Stahlblechschüppen dem hiesigen Fabrikate bedeutende Konkurrenz machen, so kann die Stahlblech⸗ Industrie doch nicht in allen Zweigen der Breite⸗Industrie konkur⸗ riren. An Kohlenschüppen und Mauerkellen ist immerwährend großer Bedarf und für die Löhne trotz der Mehrkosten des Rohmaterials eine Erhöhung in Aussicht genommen.
Die Kuchenpfannenfabrikation ist leider zurückgegangen und hat die früher so bedeutende Pflugscharenfabrikation durch die Vermehrung von Fabriken, welche aus Schrotteisen fabriziren, über das ganze Reich starke Einbuße erlitten.
Auch die Raffinirstahlfabrikation war in vergangenen Jahren Schwankungen unterworfen. Der gewalzte Bessemerstahl für Schneide⸗ werkzeuge und Feilen zeigte nur mittelmäßige Nachfrage bei geringen Preisen, die Konkurrenz von englischem und schwedischem Stahl ist immer sehr zu bekämpfen; besonders eignet sich letzterer Stahl zur Verstählung von Ambossen und ist fast unentbehrlich. Eine bedeutende Konkurrenz machen die Puddelwerke, welche Bessemerstahl auswalzen, und scheint letzterer den Cementstahl und Raffinirstahl verdrängen zu wollen. Das Lohnverhältniß in der Stahlindustrie ist bei allen Se ö Feere eg
ie Fabrikation der Ambosse geht vielfach mit dem Aufstreben der Großindustrie Hand in Hand, die Preise sind um 8 H efsgeh en und gute Lohnverhältnisse entstanden. 4 Sind nun auch für den größeren Fabrikanten und theil⸗ weise auch für den Arbeiter bessere Verhältnisse eingetreten, so ist dies nicht der Fall für den kleineren Fabrikanten, den Meister und den Besitzer eines kleinen Hammers oder einer Schmiede. Wollen sie ihr Fabrikat auf den Markt bringen und können ihr Geschäft nicht kaufmännisch betreiben, auch keinen Reisenden halten, so müssen sie ihr Produkt für Schleuderpreise ver⸗ kaufen. Wie kann diesem Nothstand abgeholfen werden? fragt man sich. Wie kann man den Kommissionären, welche von Haus zu Haus wandern und mit Gewandtheit den Preis herunterdrücken und Gott weiß, welche Schäden dem armen Fabrikanten an sein Fabrikat an⸗ dichten, entgegentreten? Hier kann nur Eines helfen, die Association, so zwar, daß eine gemeinschaftliche Vertretung die Waare auf den Markt bringt und gemeinsam die Einkäufe der Rohmaterialien be⸗ sorgt werden können. Solche Produktivgenossenschaften haben sich n- vor Jahren bewährt und scheinen jetzt dieselben sich wieder zu ilden.
Auch der größere Fabrikant wird hierdurch nicht eschädigt; denn wenn der kleine Fabrikant bessere Preise erzielt, so hat er deswegen nicht nothwendig, seine Preise herabzusetzen, da bei anhaltender Nach⸗ frage des Fabrikats die beiderseitige Produktion Hand in Hand geht.
Auch die Kleineisenindustrie hat einen erfreulichen Auf⸗ schwung zu verzeichnen. Hier hat besonders für manche Artikel, welche zum Eisenbahnoberbaumaterial gehören, wie vor allem Unterlegescheiben, die Verstaatlichung der Eisen⸗ bahnen einen Aufschwung gebracht, da die Submissionen meist im Inlande ausgeschrieben werden. Ebenso ist in den Feuer⸗ geräthschaften eine Preiserhöhung eingetreten, wie auch in Bauartikeln (Fensterbeschläge) durch Vereinbarung der Fabrikanten bessere Preise und Löhne erzielt werden Die meisten Bewohner des Thales rbis nicht in Abrede, daß durch die Zollpolitik des Fürsten Reichskanzlers ihre Industrie einen zu fühlenden Aufschwung zu verzeichnen hat, wohl erkennen sie es an, daß mit dem Aufschwung der Großindustrie ihre eigene wächst, aber noch fehlt durchgehends der Muth, dem Wesen der Kommissäre entgegenzutreten und selbstthätig in Produk⸗ tivgenossenschaften zusammenzutreten. Vielleicht nahen jetzt schon bes⸗ sere Zeiten, denn mit dem wiedergekehrten Vertrauen wächst die Lust zum ersprießlichen Schaffen und gelingt es hierdurch vielleicht — es gilt letzteres alles dem Kleinfabrikanten, dem Schmied, kleinen Ham⸗ merbesitzer — die Preise, welche durch die Kommissionäre noch immer heruntergedrückt werden, durch gemeinsames Handeln zu erhöhen.
— In der „Deutschen Landwirthschaftlichen A 2
Presse“ lesen wir: schaf Nach dem Jahresbericht des landwirthschaftlichen Provinzial⸗ vereins für Posen wird darüber geklagt, daß in der Belastung des Grundbesitzes mit Staats⸗ und Kommunalsteuern eine Erleichterung noch immer nicht eingetreten ist, vielmehr die Kommunalabgaben, in⸗ sonderheit für die Armen⸗, Schul⸗ und Wegebauzwecke, fortdauernd steigen, Uadgnch die 1 den Etnat in Folge der Revision der Ge⸗ udesteuer und einer eren Einschätzung des Hülfs⸗ und Arbeiter⸗
personals erhöht worden sind. hce berf eeeek
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Sttntistische Nachrichten.
Nach Mittheilung des Statistischen Amtes der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesaämtern in der Woche vom 16. Juli bis inkl. 22. Juli cr. zur Anmeldung gekommen: 195 Eheschließungen, 824 Lebendgeborene, 32 Todtgeborene, 927 Sterbefälle.
— Dem „Verwaltungsberichte des Königlichen Polizei⸗Präsidiums von Berlin für die Jahre 1871 —1880“9 entnehmen ut b noch die folgenden Mittheilungen: Die Größe des Verkehrs in den
traßen von Berlin wird durch die seit dem Jahre 1867 in gewissen ätervallen vorgenommenen polizeilichen Aufnahmen des Wagenverkehrs in den verschiedensten Stadttheilen einigermaßen illustrirt. Danach ergiebt sich beispielsweise für den Mühlendamm eine Frequenz von 8434 Wagen pro Tag oder stündlich 642 Wagen. Die Ecke Alexander⸗ und Holzmarktstraße bassirten an einem Tage 13 288 Wagen, den Potsdamer latz 12 903, die Ecke Friedrichstraße und Unter den Linden 12 459, Ecke Königs⸗ und Spandauerstraße 11 079, Ecke Leipziger⸗ und Ferusalemerstraße 10 274, Ecke Blumen⸗ und Alexanderstraße 9936, ferner die Koönigsbrücke 9366, die Friedrichsbrücke 8530, die Kurfürstenbrücke 6993, die Weivendammerbrüͤcke 6520 ꝛc. In „der Leipzigerstraße schwankt der Verkehr zwischen 6786 und 8217 Wagen täglich, der stärkste Wagenverkehr daselbst war am Sonnabend, 2i. Juni 1879 mit 9549 Wagen. Dazu kamen an jenem Tage noch 702 Hand⸗ und Hundewagen, was eine Gesammtsumme von 10 251 Fuhrwerken ergiebt. Im Jahre 1878 ist während Tage auch zugleich der Fußgänger⸗Verkehr in der Leipzigerstraße zwischen dem Leipziger Pl d elmstraße
ählt worden. Er schwankte Wochentags zwischen 41 686 und mhühhf Personen und Sonntags zwischen 34 361 und 42 555 Personen. — Ueber das Verhältniß zwischen Last⸗ und Personenfuhrwerk in den verschiedenen Stadtgegenden ist im Allgemeinen Folgendes zu bemerken: Im Westen der Stadt überwiegt das Personen⸗ das Lastfuhrwerk um mehr als 250 %, im Osten dagegen das Last⸗ das Personen⸗ fuhrwerk um mehr als 50 % und im Nordosten stellen beide sich an⸗ ähernd einander gleich. Im Westen und Nordosten überwiegt bei Weitem das leichte gegenüber dem schweren Lastfuhrwerk, im Osten sind beide nicht sehr verschieden, im Westen beträgt das öffentliche uhrwerk weit über die Hälfte des Ganzen, im Nordosten noch nicht
die Hälfte und im Osten nur ein Drittel des ganzen Wagenverkehrs.
ie Vorgänger der heutigen Droschken werden die 15 Fundel⸗ Veeicnets welche von 1739 bis 1794 ein kümmerliches Da⸗ 81* fristeten und endlich ganz eingingen. Erst im Jahre 1814 wurde das Polizei⸗Präsidium durch eine Kabinetsordre, gegeben zu Wien am 29. November, ermächtigt, einem gewissen Mortier die Erlaubniß zur Inbetriebsetzung einer Anzahl „Warschauer Droschken“ zu er⸗ theilen. So entstand das Institut der Droschken, deren es im Fahre 1815 32, 1850 999 und Ende 1880 4743 gab. In den letzten 10 Jahren hat sich die Zahl der Droschken um 1145 vermehrt und würde, sagt der Bericht, der Zuwachs noch weit größer gewesen sein, wenn sich nicht inzwischen der Betrieb der Pferdebahnen in außerordent⸗ licher Weise entwickelt hätte. Unter den Ende 1870 vorhandenen 3588 Droschken waren 3396 von älterer Bauart, jetzt Droschken II. Klasse genannt, und 192 I. Klasse. Diese letzteren sind erst im ahre 1868 entstanden und vermehrten sich bis Ende 1872 bis auf 417. Der Bericht betont die Schwierigkeiten, welche darin liegen, die Inter⸗ essen des Publikums mit denen der Droschkenbesitzer in Einklang zu bringen, da sich dieselben überall feindlich gegenüberständen. Auf der einen Seite forderte das Publikum gute Wagen, schnelles Fahren und hauptsächlich billige Preise, während die Droschkenbesitzer bei den niedrigen Tarifsätzen ihre Rechnung nicht fänden, bei dem unaus⸗ gesetzten Dienst Kutscher und Pferde zu sehr angriffen und kaum Zeit behielten, ihre Wagen zu reinigen und Kleidung und Geschirr in Ordnung zu halten. Die Zahl der Droschken erscheine im Ver⸗ hältniß zu dem wirklich vorhandenen und durch die Ausbreitung der Pferdebahnen schnell gesunkenen und immer mehr schwindenden Be⸗ dürfniß als zu groß. Die jetzige Zahl sei hier an sich viel höher, wie die entsprechende in Wien und verhältnißmäßig weit höher, wie die von Paris. Der Verdienst aus dem Droschkengewerbe sei jetzt kaum so hoch, als zur Unterhaltung von Kutscher, Pferd und Wagen erforderlich sei und könne den Droschkenbesitzer nicht mehr in den Stand setzen, Kleidung, Pferd und Wagen recht⸗ zeitig zu verbessern und zu ergänzen und selbst mit Lust und Freudig⸗ keit den Pflichten seines Gewerbes obzuliegen. Das Droschkenwesen Berlins sei von jeher vielfachen Angriffen und Tadeln, mehr in der hiesigen Presse als von auswärts, ausgesetzt gewesen und habe sehr häufig den Gegenstand unliebsamer Vergleiche mit dem öffentlichen Fuhrwesen anderer großer Städte abgeben müssen. Bei solchen Ver⸗ gleichen werde nur meistens übersehen, daß das Droschkenwesen in jenen Städten auf ganz anderen Grundlagen beruhe, deren Mangel eben bewirke, daß das Droschkenwesen sich hier nicht in derselben Weise habe entwickeln können, wie dort. Vor Allem seien die Sätze des Tarifs dort wesentlich höher, der Betrieb des Fuhrgewerbes also ein ungleich lohnenderer als hier. In Paris z. B. koste als niedrigster Satz jede einfache Fahrt, auch für die kürzeste Strecke: in einem zweisitzigen Coupé 1 Fr. 50 Ct. = 1 ℳ 20 ₰, in einem 4 sitzigen Coupé 1 Fr. 70 Ct. = 1 ℳ 36 ₰, in einem Landauer 2 Fr. 50 Ct. = 2 ℳ, in Wien jede, auch die kleinste Fahrt: in einem Fiaker 1 Fl. = 2 ℳ, in einem Einspänner die erste Viertelstunde 40 Kr. = 0,80 ℳ und jede Fahrt von der Stadt nach außen, z. B. nach einem Punkte im Prater. in gerader Fahrt 1,00— 3 Fl. = 3 — 6 ℳ Dem gegenüber sei der Tarif der Berliner Droschken von je ein überaus niedriger gewesen. Auch der viel geschmähten Berliner Droschkenkutscher nimmt sich der Bericht mit folgenden Worten an: „Der Berliner Droschkenkutscher (vom alten Schlage) hatte vom frühesten Morgen bis in die sinkende Nacht auf dem Bocke zu sitzen, Wind und Wetter, Hitze und Kälte, wochenlang un⸗ aufhörlichen Regen und Schnee zu ertragen, mußte in der Nacht noch sein Pferd füttern und abwarten, den Wagen waschen und reinigen; er führte im Allgemeinen ein durchaus unregelmäßiges Leben, sah seine Familie fast nur des Nachts schlafend in der engen, dunstigen Wohnung auf einige Minuten, ehe er selbst todtmüde sein kümmerliches Lager aufsuchen konnte, um nach einigen Stunden Schlafes sein beschwerliches Tagewerk wieder zu beginnen, Jahr aus, Jahr ein in diesem Getriebe ein ganzes Menschenalter hindurch aus⸗ harrend. Von einem solchen, im Droschkendienste ergrauten, alt und steif gewordenen Veteranen des öffentlichen Fuhrwesens die frohe Laune und Beweglichkeit, die Geschwätzigkeit und Aufmerksamkeit des Wiener Fiakerkutschers zu verlangen, hieße Uebermenschliches von ihm fordern, er ist eben im Dienst mürrisch, unbeholfen, stumpf und wortkarg geworden, nachdem er ein Menschenalter hindurch täglich vierzehn bis sechzehn Stunden auf dem Bocke sitzend zugebracht und fast nur die Gesellschaft seines stummen, abgetriebenen Pferdes genossen hat.“
Die Thorwagen bestanden zwar schon im vorigen Jahrhundert, 1822 betrug ihre Sahf sogar schon 546 und doch kann ihre Einfüh⸗ rung erst vom Jahre 1825 gerechnet werden, da bis dahin diese Fuhr⸗ werke sehr einfacher, unvollkommener Art gewesen zu sein scheinen und mit den jetzigen Thorwagen wohl wenig Aehnlichkeit gehabt haben mögen. In Jahre 1825 wurde durch Allerhöchste Kabinets⸗ ordre vom 13. Mai dem Hof⸗Agenten Kremser die Erlaubniß ertheilt, Wagen zum öffentlichen Gebrauch zu gestellen, welche „auf eisernen Achsen laufen und auf Federn ruhen“ sollten „Auch beanspruchte Kremser beschwerdeführend, daß die anderen älteren Wagen nicht Berdecke, sondern nur Planen führen dürften. Am 20. Mai 1825 stellte er die ersten 10 Wagen am Brandenburger Thor auf. Sie erhielten nach ihm den Namen „Kremser“, den die Thorwagen lange Zeit allgemein ge⸗ führt haben und der auch jetzt noch für die großen Gesellschaftswagen Febräuchtich ist. Hauptsächlich waren diese Thorwagen für den Ver⸗ ehr zwischen Berlin und Charlottenburg im Gebrauch. Erst später wurden sie auch nach Pankow, Weißensee, Treptow u. a. O. ver⸗ wendet. Nach der Einführung der Omnibus und demnächst nach Er⸗ öffnung des Betriebes der Charlottenburger Pferdebahn ging ihre Zahl zurück, und zwar von 358 im Jahre 1865 auf 202 zu Ende 1870. Im Jahre 1871 stieg sie wiederum auf 306 und schließt Ende 1880 mit 281 ab. Eine gleiche Art öffentlichen Fuhrwerks, wie die Thorwagen, findet man weder in Wien noch in Paris, noch in London. Eine bestimmte Wagengattung ist unter dem Ausdruck „Thorwagen“ überhaupt nicht zu verstehen, denn es befinden sich darunter queer⸗ sitzige, langsitzige (Breaks), omnibusartig geschlossene Wagen,
aisen u. s. w. Sie fassen 5 bis zu 25 Personen. Um auch die Thorwagen den erhöhten Anforderungen der Neuzeit entsprechend zu verbessern, wurden polizeilich von 1873 an, von Jahr zu Jahr stei⸗ gend, immer höhere Ansprüche an die äußere Beschaffenheit dieser Wagen, die Beschirrung der Pferde ꝛc. gestellt.
— Das „Journal Officiel“ veröͤffentlicht den Ausweig über den 2 del Frankreichs während der ersten sechs Monate des aufenden Jahres. Der Import hat sich auf 2 424,761 Millionen Francs gegen 2387 Millionen im ersten Semester 1881, der Export auf 1 744,175 Millionen gegen 1 584,738 Millionen Francs im Vor⸗ jahre gehoben. Die Vermehrung der Einfuhr, welche umso bemerkenswerther erscheint, als sich der Import von Getreide und Nahrungsmitteln um mehr als 80 Millionen Francs ver⸗ minderte, fällt der Hauptsache nach auf Rohstoffe für die Industrie (+ 22 Millionen) und auf Fabrikate (+ 83 Millionen). Bei der Ausfuhr spielen französische Industrieartikel die Hauptrolle; es gingen davon während des ersten Semesters 1882 für 911,273 Mi 2 lionen ins Ausland und beträgt die Vermehrung gegen die gleiche Periode des Vorsahres 105 Millionen Francs. Rohstoffe wurden um 42 Millionen, Nahrungsmittel um 12 Millionen Francs mehr aus⸗ Pfübrt Das Plus der Einfuhr beträgt gegenüber der Ausfuhr 80 Millionen Francs, während die gleiche Differenz in den ersten echs Monaten des Vorjahres noch 803 Millionen betrug.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Die „Berl. Klin. Wochenschr.“ schreibt: Unseren Lesern ist bekannt, daß nun sowohl Billroth in Wien als Volkmann in Halle abgelehnt haben, dem Rufe nach Berlin Folge zu leisten. Wir müssen im Interesse unserer Universität und Stadt, welche in weiten Kreisen dieser Besetzungsfrage ein ungewöhnliches Interesse zu⸗ wendet, auf das Lebhafteste bedauern, zwei Männer zurücktreten zu sehen, deren Namen, wie dies ja auch geschehen ist, unbedingt zuerst genannt werden mußten, wenn es sich darum handelte, die ersten Chi⸗ rurgen Deutschlands für die Reichshauptstadt zu gewinnen. Es wäre aber falsch, anders als in der persönlichen Situation der beiden Kliniker, wie sie sich dieselbe an ihren resp. Hochschulen geschaffen haben, die Gründe dieser Ablehnung zu suchen. Ja es ist dies, was Volkmann angeht, ein erfreuliches Zeichen dafür, wie wenig wir noch von dem von manchen Seiten so drohend gemalten Schreckgespenst einer über⸗ mächtigen Centralisation zu fürchten haben. Wenn eine Stadt und Hochschule wie Halle die Konkurrenz mit Berlin auszuhalten und eine Kraft ersten Ranges zu fesseln vermag, so zeigt dies, wie weit wir zu unserem Glück noch von Zuständen, wie sie beispielsweise in Frank⸗ reich herrschen, wo dies geradezu ein Ding der Unmöglichkeit wäre, entfernt sind. In welcher Weise schließlich die nun wieder schwebende Fag⸗ zur Entscheidung kommen wird, ist vorläufig noch ganz unab⸗ ehbar.
— Die „Akademy“ theilt mit, daß in einer der letzten Sitzungen der Akademie der Inschriften ein Bericht von M. E. —Masquerey gelesen wurde, nach dem es ihm gelungen ist, auf der El Merata genannten, im Gebiete der Beni Welban gelegenen Stelle in Algerien eine römische Stadt zu entdecken. Er betrieb die Ausgrabung mit Hülfe von 50 Eingeborenen; im Laufe von einigen Tagen legte er zahlreiche Reste der römischen Stadt bloß, ein Forum, einen Begräbnißplatz, und fand gegen 130 Inschriften. Der Name der Stadt war Colonia Celtianensium.
— Das 18. Heft der „Mittheilungen vom Freiberger Alterthumsverein, herausgegeben von Heinr. Gerlach“ (Frei⸗ berg i. S., 1882), bringt zunächst die Fortsetzung der Abhandlung „Die alten Burgen und Rittersitze um Freiberg“, Nr. 5 „Colmnitz“ von Kantor Hingst (eine Chronik des Dorfes Colmnitz und seiner Bewohner, sowie des Ritterguts und seiner Besitzer in gegenseitigen Beziehungen, von der ältesten bis zur neuesten Zeit, unter Beifügung von Urkunden). Auf diesen Aufsatz folgen „Nachrichten über die ältesten bronzenen Kanonen Sachsens, insbesondere die von Wolf Hilger in Freiberg“, von Heinr. Gerlach, begleitet von 2 Tafeln Ab⸗ bildungen: „Sächs. Bronze⸗Kanonen des 16. Jahrh., gegossen von Hilger in Freiberg“. Daran schließen sich Erläuterungen von Heinr. Gerlach zu der vom Freiberger Alterthumsverein 1881 herausgegebenen Schrift „Das alte Freiberg in Bildern; 7. Serie, aufgenommen 1881“. — Der Stadtbaumeister Rob. Börner liefert einen „Bericht über Freibergs Bauwesen im Jahre 1881“. Endlich folgt eine „Freiberger Bürger⸗Chronik 1881“, von Heinr. Gerlach, enthaltend Nachrichten über neue Bürger der Stadt, über verstorbene Bürger Freibergs, über wohlthätige Stiftungen und Vermächtnisse daselbst, sowie über mehrere verdiente e Bürger und über die beab⸗ sichtigte Herausgabe eines Freiberger Gedenkbuches. Den Schluß des Heftes bildet eine literarische Umschau und ein Bericht über die wissenschaftliche Literatur aus dem Jahre 1880, die Geschichte von Freiberg und Umgegend betreffend, von Dr. Ed. Heydenreich; sowie über allerhand Monographien, betreffend Kirche und Schule, städtische und kommunale Angelegenheiten, Berg⸗ und Hüttenwesen, Familiengeschichte und Literaturgeschichtliches; endlich über verschiedene Zeitschriften und periodisch erscheinende Werke.
— Das Neue Lausitzische Magazin, im Auftfrage der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften herausgegeben von Professor Dr. Schönwälder (Görlitz, in Kommission der Buchhand⸗ lung von E. Remer), bringt im 1. Hefte des 58. Bandes, das so eben erschienen, die 2. Hälfte des 2. Bandes der Gesammt⸗ Geschichte der Ober⸗ und Niederlausitz von Th. Scheltz, enthaltend das 9. und 10. Buch. Der Verfasser der vorstehenden Arbeit zeigt sich überall eben so sehr mit den Quellen als mit der einschlägigen Literatur auf das Genaueste vertraut und bekannt und hat, indem er allenthalben sowohl die Quellen als die bezüglichen Schriften und Abhandlungen sorgfältig benutzt hat, ein gründliches und höchst schätzenswerthes Werk über die Geschichte der Ober⸗ und Niederlausitz geliefert, wie wir es bis jetzt noch nicht besessen. Im Ganzen reicht diese ausführliche Geschichte der beiden Lausitzen von Scheltz bis jetzt bis zum Jahre 1526. Von den beiden letzten Büchern, dem 9. und 10., die vorliegen, behandelt das 9. Buch ausführlich die Zeiten des Ladislaus Posthumus und Georg Podiebrad und reicht von 1439 — 1469, das 10. Buch aber umfaßt die ungarisch⸗böhmische Zeit oder die Zeit der Könige Matthias I. († 1490), Wladislaus († 9 1516) und Ludwig unter Kaiser Maximilians Vormundschaft († 29. Aug. 1526), von 1469 — 1526. Die Quellen und sonstigen von Scheltz benutzten Schriften werden in den Anmerkungen angegeben, im Texte aber hin und wieder Urkunden (Fehdebriefe, Verträge ꝛc.) theils im Urtext, theils in die jetzige Sprache übersetzt, theils in ausführlichen Inhaltsangaben mit⸗ getheilt. Außer der Geschichte der Ober⸗ und Niederlausitz finden sich in vorliegendem Werke ziemlich viele Nachrichten zur Geschichte von Schlesien, der Mark Brandenburg und des Königreichs Böhmen.
— Im Verlage von Alexius Kießling in Berlin 8., Branden⸗ burgstr. 64, erschien soeben „Kießlings Spezialkarte vom Spreewald“ im Maßstabe von 1: 50 000 in sauberem Farben⸗ druck ausgeführt, mit praktischem Touristenführer, kartonnirt zum Preise von 75 ₰. — Die Karte ist übersichtlich und korrekt und der derselben beigefügte „Touristenführer’“ giebt in ausreichender Weise kurze und bündige Auskunft über die Verkehrsmittel, Unterkunft, Verpflegung ꝛc., und schreibt die praktischsten Touren für den Besuch des Ober⸗ und Unter⸗Spreewaldes vor. — Das sauber ausgestattete Werkchen wird den Beifall jedes Touristen finden.
. Geewerbe und Handel. *
Dortmund, 26. Juli. (Ess. Ztg.) Die Tendenz im Eisen⸗ geschäft bleibt steigend; die Luxemburger Bergwerks⸗ und Saar⸗ brücker Eisenhütten⸗Aktien⸗Gesellschaft zu Burbach bei Saarbrücken und die mit derselben durch Konvention verbundenen Eisenwerke haben den Preis ihrer Walzwerkfabrikate um 5 ℳ pro Tonne vom 25. d. M. ab erhöht. Voraussichtlich werden die Hochöfen demnächst mit einer entsprechenden Preiserhöhung folgen.
Nürnberg, 26. Juli. (Allg. Br. u. Hopf. Ztg.) Die letzten Tage brachten heißes Wetter, welches, hier und da durch recht aus⸗ giebige Gewitterregen unterbrochen, dem weiteren Gedeihen der Hopfenpflanze im letzten Stadium ihrer Entwickelung nur förder⸗ lich sein kann. — Ueber den derzeitigen Stand der Hopfenpflanze liegt uns aus allen Hopfenbau treibenden Gegenden eine Serie von über hundert Berichten vor, welche, gestern und vorgestern bei uns einge⸗ gangen, allerneuesten Datums sind, und von denen wir im Nach⸗ stehenden je nach den einzelnen Ländern eine Zusammenstellung geben. Vorausschicken wollen wir aber, daß die im Folgen⸗ den angeführten Schätzungen unserer Correspondenten sämmtlich den zeitigen Stand der Hopfenanlagen, der sich je nach der kommenden Witterung noch verbessern oder verschlechtern kann, zur Basis haben. Von Bayern wird uns zunächst aus dem Spalter Lande berichtet, daß sich dort der Pflanzenstand in den jüngsten Tagen zwar gebessert habe, daß jedoch die große Mehrzahl der Gärten in ihrer Entwicklung noch so weit zurück sei, wie nie in einem Jahre zuvor. Unfer Correspondent schätzt den wahrscheinlichen Ertrag des Spalter Lan⸗ des auf durchschnittlich eine Viertels⸗ bis eine Drittels⸗Ernte. Vor⸗ käufe sind bis jent in jener Gegend nicht abgeschlossen worden. — Aus dem Bezirke Altdorf meldet man uns eine schhc. Besserung aller Gärten, doch wird im Durchschnitt nur auf eine Drittelbernte ge⸗ rechnet. Nur jene Ortschaften, welche voriges Jahr vom Ha llschlag betroffen wurden, besitzen heuer die schönsten und kräftigsten Anlagen. Vorkäufe sind in dieser Gegend nicht bekannt geworden. — Von der
Hallertau liegen uns Berichte aus verschiedenen Distrikten vor; im
nördlichsten Theil, der Donauniederung, stehen etwa zwei Drittel der Gärten schlecht und nur ein Drittel gut. Während Vohburg den zu erwartenden Ertreg auf eine schwache halbe Ernte schätzt, erwartet die Neustädter Gegend nur eine Drittelsernte. Vorabschlüsse ge⸗ schahen in diesem Theile wenige, so in Vohburg eine Partie von 4 Centner zu 150 ℳ, in Oberpindhart; zu 200 ℳ, in Neustadt einige Posten zwischen 150 und 170 ℳ; zur Zeit zeigen sich dort die Produzenten zurückhaltender, da sie noch höhere Preise erwarten. Die mittlere Hallertau — um Mainburg — wird etwa ein Drittel weniger ernten als im Vorjahre, obgleich die Witterung der letzten vierzehn Tage auch dort eine Besserung hervorrief. Von Vor⸗ käufen ist hier nichts bekannt. In der östlichen Hallertau — Rotten⸗ burg und Umgebung — steht die Hopfenpflanze großentheils sehr schlecht; man findet hier Gärten, wo die Rebe kaum einen Meter hoch ist, während bessere Pflanzungen geringen Anflug zeigen. Auch dort sind noch keine Abschlüsse auf neue Waare zu Stande gekommen; indessen gingen vorjährige geringe Hopfen dieser Tage zu 120 ℳ, ganz schlechtes Zeug zu 80 ℳ ab. — Verhältnißmäßig gut steht der Hopfen in den Bezirken Schwabens, Krumbach ꝛc., welche auf eine gute Mittelernte rechnen. — In der Gegend von Schönau in der bayerischen Rhein⸗ pfalz haben sich die Pflanzungen in letzter Zeit nur verschlechtert; man schätzt hier eine Drittelernte. Die dortigen Vorkäufe erstrecken sich auf einige Centner zu 60 ℳ — In Württemberg ist der Stand der Hopfenflanze je nach der Gegend gleichfalls ein sehr ver⸗ schiedener. Um Horb sind die Gärten frei von Ungeziefer; die Entwicklung der Tragranken und des Anfluges ist sehr befriedigend, so daß hier eine gute Ernte zu erwarten steht. Die Ravensburger Anlagen haben sich zwar im Ganzen gebessert, leiden jedoch sehr unter den sich rasch folgenden Witterungsextremen. Ganz schlechte Gärten sind einer Besserung überhaupt nicht mehr fähig. Ein dortiger Pro⸗ duzent hat seinen ganzen Ertrag von etwa 90 Ctrn. zu 146 ℳ, ein anderer 20 Ctr. zu 140 ℳ verkauft; im nahen Tettnang verkaufte ein Produzent sogar zu 200 ℳ — Das Oberamt Herren⸗ berg weist zum Theile schwache Gärten auf, doch giebt es auch solche, welche guten Ertrag versprechen. Im Durchschnitt rechnet man hier auf zwei Drittel der vorjährigen Ernte. — Mengen und Umgebung besitzen sehr schöne, aber auch ganz schlechte Gärten; die letzte Zeit brachte einige Besserung, doch hat in den meisten Gärten die Rebe kaum die halbe Stangenhöhe überschritten. Auch hier wurden Vorkäufe zu Preisen zwischen 100 und 150 ℳ ab⸗ geschlossen. — Aus der Ehinger Gegend wird uns berichtet, daß sich dort das Gewächs frei von Ungeziefer zeigt und daß auf einen Ertrag von etwa 4 Ctrn. vom Morgen gerechnet wird. Von Abschlüssen ist nichts bekannt. Ebenfalls gut ist der Stand der Hopfenpflanze im nördlichen Württemberg um Besigheim, wo die Rebe zumeist das Stangenende erreicht hat und sich die Gärten in letzter Zeit fast durchwegs besserten. Abschlüsse sind in jener Gegend noch nicht vollzogen worden. Sehr üppig steht der Hopfen um Ell⸗ wangen und bei Crailsheim, wo die Pflanze bereits Tragranken mit reichlichem Anflug entwickelte, so daß dort ein höherer Ertrag als im Vorjahre erwartet wird. In Ellwangen hat ein Produzent schon vor sechs Wochen seine ganze Ernte um 100 ℳ per Ctr. verkauft.
Amsterdam, 27. Juli. (W. T. B.) Bei der heute von der niederländischen Handelsgesellschaft abgehaltenen Zinn⸗ auktion wurden 21 350 Blöcke Bankazinn zu 64 ½ à 65, durch⸗ schnittlich 64 ¾ Cent., sowie 2374 Blöcke Billitonzinn zu 64 ½ à ½ Cent. verkauft.
Antwerpen, 27. Juli. (W. T. B.) Wollauktion. Ange⸗ boten 2451 B. Laplata⸗Wollen, wovon 1416 B. verkauft wurden, und 436 B. Kapwollen, wovon 153 B. verkauft wurden. Preise unverändert. 88
St. Petersburg, 27. Juli. (W. T. B) Die russischen Eisenbahnen vereinnahmten in den ersten 4 Monaten des laufen⸗ den Jahres 63 ⅞ Millionen Rubel, gegen die entsprechende Zeit des Vorjahres mehr 12 Millionen.
Berlin, 28. Juli 1882.
Amtliche Berichte aus den Königlichen Kunstsammlungen.
(Aus dem 3. Bande des Jahrbuchs der Königlich preußischen Kunst⸗ sammlungen. Berlin, Weidmannsche Buchhandlung.)
I. Königliche Museen in Berlin. 2
8 B. Sammlungen der Skulpturen und Gipsabgüsse,.
(Fortsetzung.) “
D11“ 8. der mittelalterlichen und Renaissance⸗Skulpturen.
Auch im verflossenen Quartale beschränkten sich die Vermehrungen der Sammlung auf die Abtheilung der Originalbildwerke. Es wurden käuflich erworben: .
1) Die Thonstatuette der Maria mit dem Kinde; sitzend, in etwa halber Lebensgröße. In Venedig, wo dieselbe angekauft wurde, nannte man sie irrthümlich Jacopo Sansovino, dessen Name am Stuhl neuerdings in Absicht der Fälschung eingekratzt ist. Sie ist vielmehr ein charakteristisches Werk der florentiner Schule aus der Zeit des Uebergangs aus der Gothik in die Renaissance, wie dieselbe in ähn⸗ licher Weise bereits in einem etwas früheren Madonnenrelief unserer Sammlung, sowie in zwei der -8 ganz verwandten sitzenden Madonnenstatuetten im South Kensington⸗Museum vertreten ist.
2) Marmorner Tabernakel⸗Aufsatz, von dem Kruzifix und den Statuetten der Maria und des Johannes bekrönt. Florentiner Arbeit aus der ersten 58 des XV. Jahrhunderts. In Florenz erworben.
3) Bronzestatuette der Maria mit dem Kinde. Aus dem baveri⸗ schen Städtchen Moosburg stammend; in München erworben. Charakteristisches Werk einer durch barocke Bewegung der Gewan⸗ dung sich kennzeichnenden früheren Richtung der Renaissance in Süd⸗ deutschland. Unciselirter Rohguß aus der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts.
4) Bemalte Holzgruppen, die Messe des hl. Gregor und das Mar⸗ tvrium der hl. Katharina darstellend; schwäbische Arbeit vom Aus⸗ gange des XV. Jahrhunderts, worin sich der Einfluß des Martin Schongauer in auffallendster Weise geltend macht. In München 8 erworben, aus der Sammlung Endres stammend. go 8
““
C. Antiquarium.
Die wichtigste Erwerbung dieser Periode ist die Sammlung Biliotti aus Kameiros und Jalyvsos, durch welche die rhodische Kunst zum ersten Male in unserem Museum würdige Vertretung findet. Sie enthält 75 bemalte Thongefäße von dem sogen. mpkenischen Stil an durch alle Epochen einheimischer und auch auswärtiger (korinthischer und attischer) Kunst hindurch. Besonders lehrreich für die Geschichte des Ornaments ist eine große Henkelkanne mit streng stilisirten Greifen zwischen Rehen, Böcken, Stieren und Hunden von ganz naturwahrer und lebendiger Zeichnung. Ebenso wechseln geometrische Muster mit assyrischen Pflanzen. Ferner Alabastra von ungewöhn⸗ licher Größe, schwarzfigurige Schalen, votsignris⸗ Amphoren, end⸗ lich eine schwarze geriefelte Amphora, vorzüglicher Erhaltung. Dann 10 sehr alte Gefäße in Thier⸗ und Menschengestalt, 40 Terrakotten, meist Statnetten stehender oder thronender Göttinnen, Skarabäen aus sogen. egyptischem Porzellan, Fragmente aus Kalkstein, den kypri 3, stilverwandt, Glasgefäße, Muscheln und kleine Bronzen.
ese Sammlung wird im Miscellaneensaal aufgestellt und in einem Schrank vereinigt bleiben.
Unter den Metallwerken neuester Erwerbung ist vor Allem aus⸗ ezeichnet die tadellos erhaltene Doppelherme eines Satvrs und eines Eergemädeens aus Bronze mit dem dazu gehörigen Bronzepfeiler, angeblich in der Nähe von Pompeji gefunden, ein Kunstwerk von vvVV]—]—“] 11M —