1881 / 31 p. 9 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 05 Feb 1881 18:00:01 GMT) scan diff

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staat

Berlin, Sonnabend, den 5. Februar

öbhung der Gebäudesteuer, von der der Herr Vorredner gesprochen hat und in der er eine Erhöhung des Werihes der Ge⸗ bäude süeht, kann ich als Produkt dieser Wertherhöhung nicht betrachten, sondern einfach als Produkt der Bestimmung des Gesetzes: sie soll erhöht werden. Es ist von der Regierung aus⸗ geschriehen auf die einzelnen Bezirke und von denen auf die Kreise, von den Kreisen auf die Gemeinden, so viel Prozent müssen künftig mehr aufgebracht werden. Wir Landwirthe sollten ja eigentlich für landwirthschastliche Gebäude keine Gehäudesteuer zahlen. Es ist das aber schon immer in der fiskalischen Art ausgelegt worden, daß es landmirthschaftliche Arbeiterhäuser nicht giebt, sie werden als lutra⸗ tire Miethshäuser eplchr. ebenso Deputanten⸗, ebenso Päckter⸗ nohrunger. Ja, die nurgen der Eigentkümer der Mann unß doch, wenn er sein Gut bewirthschaften will, ein Unterkommen haben —, das ist keine landwirthschaftliche Einrichtung, sondern nind hbekandelt mnie ein Luxushaus in Berlin. In Felge dessen habe ich exlebt bei mir aus eigenster Erfahrung, daß meine Tagelöhner⸗ tenser, deren ich mehrere Hunderte besitze, plötzlich so und so viel mihr Miethe bringen sollen, und da habe ich in ironischer Selbst⸗ ketmätang als Minister erlebt, daß dieselben verfallenen Hüt⸗ nn mit denselben Strohrächern, und ohne daß seit der letz⸗ im Cinschätvngz ich einen Dachsplitt gerührt habe, auch keine Fensterscheiben erneuert sind, plörlich wegen des „bhöhe⸗ un Werthes“ um den hefohlenen Prozentsatz erhöbt wurden. Ich hätte es für geschmacklos gehalten, wenn ich mich bei meinem Kollegen, dem Finanz⸗Minister, hätte beschweren wollen, es hätte auch nichts geholfen, denn die Erhöhung steht im Gesetz, es zeigt aber, wie die Gesetze nicht zum Vortheil der Landwirthe bei uns gemacht werden, und wie zweitens, wenn sie gemacht sind, wie in allen den Instanzen im Lande, die nicht Landwirthschaft treiben, die Tendenz herrscht, den Grundbesitzer als Nutznießer sundirten Einkommens steis recht scharf und fest in die Zange zu nehmen. Es ist aber recht nützlich, wenn man im Ministersum ein Mitglied hat, welches in seinen Privatverhältnissen auch das Gefühl kennt, wie Einem zu Muthe ist, wenn man regiert wird. Man wirft mie mitunter vor. nomina sunt odiosa ich will Niemanden nennen daß ich mich durch Interessen meines Berufsstandes etwa leiten ließe in den gesetz⸗ lichen Maßregeln. Meine Herren, es handelt sich in solchen Fragen für mich immer um Kleinigkeiten. Ich bin durch die Gnade des Königs so reich geworden, daß ich kleine Steuervortheile nicht nöthig habe. Außerdem ist es auch nicht wahr. Ich habe z. B., wie ich

mich auf kompetente Zeugen berufen kann, nichts mehr gefördert, als wohlfeile Eisenbahntransvorte inländisch er Kohlen,

und nichts ist mir als Waldbesitzer nachtheiliger, wie dieses. Das ist der einzige Konkurrent, den ich habe, ich habe ihn mit Vergnügen gesehen; indeß ich will nicht weiter pro domo sprechen. Ich sage nur, wenn ein Minister sofort der Verdächtigung ausgesetzt ist, man ihm nachweisen kann, bei diesem Gesetz hat er das oder das Standes⸗ oder Besitzinteresse, ja, meine Herren, dann müssen Sie nur solche Minister haben, die gar kein Interesse an irgend etwas haben, die

mögen, sonst werden sie durch solche Insinuationen jederzeit derselben Verdächttaung ausgesetzt. Dann lassen Sie uns aus den Klöstern, die das Gelübde der Armuth hazen rielleicht ist auch das der Keusct heit nothwendig —, die Männer holen, die hier am Minister⸗ tische sitzen sollen, aber verlangen Sie nicht mehr Leute von Fleisch und Blut, die Gefühl dafür haben, wie einem zu Muthe ist, der Steuern und Staatslasten zahlt. Ich meine aber, daß wir gerade solche Leute zu Ministern haben müssen, die das wissen, und ich glaube, ich bin in dieser Beziehung nicht ganz an meinem Platze. Meine Herren, ich habe mich bei der Unmöglichkeit einer syste⸗ matischen Vorbereitung auf die Aeußerungen etwas profus anssprechen mäüssen; meine Bitte geht in der Hauptsache dabin: lassen Sie uns dieses Gesetz nicht begraben, sondern lassen Sie uns die An⸗ knüpfung festhalten, die darin geboten ist, um den Kreisen die Möglichkeit zu gewähren, den kommunalen Verbänden über ihnen

Reichstage abgeben zu können, daß seine Partei stets bemüht sein werde, eine Erleichterung der Steuerzahler nicht blos durch Veränderung des Steuersystems, sondern auch durch Verminderung der Ausgaben herbeizuführen. Jedenfalls sei es zweckmäßig, sich auf die Eventualität der Bewilligung neuer Reichssteuern vorzubereiten, und deshalb halte er es für gut, daß man sich schon jetzt über eine etwaige Verwen⸗ dung zur Erleichterung der direkten Steuern hier ver⸗ ständige. Was die Einzelheiten der Vorlage betreffe, so habe sich das Centrum bereits früher im Prinzip für die Ueberweisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer und für eine Erleichterung der unteren Klassensteuerstusen ausgesprochen. Wie weit diese letztere auszudehnen sei, werde der kommissari⸗ schen Berathung vorzubehalten sein. Neu sei für seine Partei nur die Ueberweisung der 8 obersten Klassensteuerstufen an die Kommunalverbände, und hier scheine ihm das Bedenken nicht ungerechtfertigt, ob nicht dadurch ein gewisser Ueberfluß entstehe, welcher die vom Aba. Richter bereits berührten nach⸗ theiligen Folgen haben müsse. Erfreut sei er darüber, daß nach den Aeußerungen der Regierung die Frage, an welche Kommunalverbände die Ueberweisung ersolgen solle, noch nicht als definitiv entschieden zu betrachten sei. Maß⸗ gebend werde in dieser Hinsicht der Gedanke sein müssen, den Verband, an welchen die Ueberweisung erfolgen solle, mög⸗ lichst nahe an den einzelnen Steuerzahler heranzubringen und ihn so zu wählen, daß der Schwerpunkt der Kommunal⸗ belastung in ihn hineinfalle. Im Osten möge vielleicht der

Kreisverband, mit Ausnahme der größeren Städte, diesen Bedingungen entsprechen, im Westen werde an seine Stelle nothwendig die Gemeinde treten

müssen. Auf die weiteren Einzelheiten des Entwurfs hier näher einzugehen, verzichte er. Die Berathung in der Kom⸗ mission werde genügende Gelegenheit dazu bieten. Wenn seine Partei im Allgemeinen sich für die Annahme des Entwurfs erkläre, so verhehle er sich keineswegs, daß die Regierung im Reichstage vielleicht versuchen werde, die Vorlage zu einem Druck sür die Annahme der neuen Reichssteuern auszunutzen. Seine Partei fürchte sich davor nicht und werde ohne Rück⸗ sicht auf ihr jetziges Votum die Steueroorlagen im Reichs⸗ tage objektiv prüfen und sich bei ihrer Entscheidung lediglich von den Interessen des Landes leiten lassen. Hierauf wurde die Diskussion vertagt.

oder unter ihnen, je nach den Beschlüssen, die die Genehmigung der Behörden finden werden, ihre Lasten zu erleichtern. Ich gebe zu, das man es in sehr viel anderen Formen, in sehr viel anderen Pro⸗ vort onen auch würde machen können, aber ich wiederhole: das Beste ist des Guten Feind, und das augenblicklich Vorliegende ist nur das rinzige, was man zur Zeit hat. Läßt mwan das fahren, so entschlüpft ung die Sache wiederum bis zum Reichstage hin, und wir stehen wiederum denselben Zweiseln an den Intentionen der Regierung er, wie ich sie vorder schon charakterisirt habe, und kommen vorwärts mit der Reform der Steuern. . g, wem daran liegt, daß ein wirklich praktisch offen gelegter iar Reform der Steuern, zur Entlastung der mit direkten Steuetn Ueberlasteten, zur Beschaffung von Mitteln durch leichter zu tragende indirekte Steuern wem daran liegt, daß dieser Weg hetreten wird, den bitte ich darum, dieses Gesetz nicht kurzer Hand hegraben zu wollen und es nicht blos zu einer Gelegenheit zu be⸗ weitergehende und zum Theil nicht ausführbare Steuerpläne daran zu knüpfen, sondern einstweilen der Regie⸗ ung über das, was sie Ihnen vorgelegt hat, nach schweren Arbeiten, zah bielen inneren Kämpfen und Mühen, Ihre Meinung wenigstens baturch zeigen, daß Sie Ja oder Nein sagen. . Aet Der Abg. Frhr. von Huene erklärte, gerade die Punkte, in denen Uebereinstimmung zwischen dem Reichskanzler und dem Abg. Richter konstatirt worden sei, schiene ihm be⸗ denklich. Namentlich würde er eine gänzliche Loslösung der Schule und des Lehrers von der Gemeinde für sehr bedenklich halten. Die Auffassung des Reichskanzlers, daß der Abgeord⸗ nete seine Ansichten hier ohne Verantwortung vertrete, müsse er als eine irrige bezeichnen; die Abgeordneten trügen dem Lande und den Wählern gegenüber dieselbe schwere Verant⸗

wort wie die Vertreter der Regierung. Die Ansicht, daß man durch Annahme des vorliegenden Gesetzes für das im Reichstage bie Hände binde, müsse er ent⸗

schieden bestreiten. Gebunden werde nur die Regierung und hen. 2 sich selbst binden wolle; im Namen des Centrums könne er erklären, daß er und seine politischen Freunde sich it ihres Votums für den Reichstag wahren um so nenerndicee ale ’e. in diesem se mit derjenigen des Reichstages keines dentisch 10d”s letzteren fielen die süddeutschen Stimmen, die in wirt einchm Fragen vielfach von ganz anderen iteressen geleitet würden, sehr erheblich ins Gewicht. K. ei gewiß anzuerkennen daß eine Beschränkung des direkten Steuersystems wünschenswerrih sei, auf der andern Seite aber werde man darüber wachen müssen, daß man durch die Leichtigkeit der Erhebung sich nicht verführen lasse, in das Gegentheil umzuschlagen. Er könne deshalb nur wiederholen, daß das Centrum sich weder für die Annahme noch für die der projektirten Reichssteuern durch die Abstimmung über das vorliegende Ge⸗

die volle Frei würden. Es sei dies

etz die Hände binden werde. Die eine Versicherung glaube 2 I. Sene auch im Namen seiner Fraktionsgenossen im

Persönlich bemerkte der Abg. Dr. Falk: Der Minister⸗ Präsident habe einen Augenblick in seiner Rede den Entwurf des neresHegiseges erwähnt, den er vor 3 bis 4 Jahren dem Staaets⸗Ministerium vorgelegt habe. Wenn er (Redner)

kein Haus unter der Sonne haben und keinen Groschen im Ver⸗ eine Parenthese, die der Minister⸗Präsident zu dem Satze ge⸗

macht habe, daß aus diesem Eatwurf eine erhebliche Mehr⸗ forderung erwachsen sei, richtig verstanden habe, so sei diese Bemerkung dahin gegangen, daß seinerseits eine Aufhebung der Schulgelder nicht verlangt worden sei. Darin läge ein durch die Länge der Zeit und den Umfang jener Vorlage erklärlicher Irrthum, für ihn aber zu bedeutend, als daß er denselben von dieser bedeutsamen Stelle aus verbreitet sehen möchte. Er habe in jenem Entwurf an der verfassungsmäßigen Unentgeltlich⸗ keit des Volksschulunterrichts festgehalten und die Aushebung des Schulgeldes verlangt.

Der Reichskanzler Fürst von Bismarck erwiderte, der Vorredner habe vollkommen Recht; er habe auch nichts anderes sagen wollen, sollte er cs doch gesagt haben, so würde es auf einem Irrthum beruhen. 4

Der Abg. Richter bemerkte, er müsse einige mißverständ⸗ liche Auffassungen in der Rede des Reichskanzlers berichtigen. Er habe nicht gesagt, daß Berlin die Hälste der Einkommen⸗ steuer, sondern er habe gesagt, daß es ungefähr eine Miliion weniger an Einkommensteuer bezahle, als das gesammte platte Land, es bezahle 61 ½ Millionen gegenüber 8 Millionen. Er habe auch nicht gesagt, daß es ein Vergnügen sei, Steuern zu bezahlen, sondern er denke darüber genau so wie der Reichkanzler selbst. Es könnte das nachher falsch ausgelegt werden. Gegen die Erhöhung der Grundsteuer hätten im Jahre 1861 seine politischen Freunde gestimmt, er selbst sei nicht Mitglied des Hauses ge⸗ wesen. In der Frage der Ausnutzung des Verkehrs und Handels habe er nicht Städte und plattes Land gegenüber⸗ gestellt, sondern das Interesse der nicht Besitzenden und das höhere Interesse des Besitzers. „Betreffs der Königs⸗ berger Verhältnisse habe der Reichskanzler gesagt, es gebe Leute, die aus Allem, was in der Welt vor⸗ komme, der Regierung einen Vorwurf machten. Er habe hervorgehoben, daß viele allgemeine Verhältnisse diese Mißstände begründeten, und daß sie durch die Maßnahmen der Regierung nur verschärst würden. Da die Rede des Reichskanzlers ausführlicher verbreitet werden würde, wie die seinige, halte er es für durchaus nothwendig zu erkläten, gegenüber einer Stelle in der Erwiderung des Reichskanzlers, daß er nicht im Entferntesten, auch nicht andeutungsweise etwas ausgesprochen habe, was darauf hinziele, daß der Reichskanzler bei Maßnahmen in der Negierung irgend ein persönliches Interesse als Großgrundbesitzer oder dergleichen habe. Das habe ihm durchaus fern gelegen. Er sei fest uͤberzeugt, daß der Reichskanzler in Allem, was derselbe thue, nur durch seine Ansicht von dem Wohle des Allgemeinen geleitet werde. (Der Reichskanzler drohte lächelnd mit dem Finger). Er hätte nur gewünscht, daß der Kanzler dies auch von seiner (des Redners) Partei anerkannt hätte, daß derselbe nicht von Corpsgeist, Fraktionsgeist und dergleichen gesprochen hette; als ob seine (des Redners) Partei nur ihre Politik deshalb triebe, weil sie nicht an der Regierung sei. Er weise darauf hin, daß zur Zeit, als der Fürst Bismarck noch Freihandels⸗ politik getrieben habe, derselbe keine besseren Verbündeten und Unterstützer gehabt habe, als gerade die Fortschrittspartei, selbst zu der Zeit, wo die heftigsten politischen Gegensätze herrschten. 8

Hierauf vertagte sich das Haus um 4 ¼ Uhr auf Sonn⸗ abend 11 Uhr.

Die dritte Sitzung des permanenten Aus⸗ schusses des Volkswirthschaftsraths wurde am 3. d. M. von dem Vorsitzenden, Staats⸗Minister von Boetticher, um 11 ⅛¼ Uhr eröffnet.

Als Kommissar der Regierung war Seitens des Ministe⸗ riums für Handel und Gewerbe anwesend der Geheime Ober Regierungs⸗Rath Lohmann. Die Mitglieder des permax« nenten Ausschusses waren sämmtlich, mit Ausnahme der 3 Herren Kalle⸗Biebrich und Vorderbrügge⸗Bielefeld, 1 für welche die ersten Stellvertreter Kommerzien⸗Rath Leyen⸗ decker und Stellmacher Fritsche eingetreten waren, erschienen.

Eingegangen war eine Eingabe des Vereins der Konser⸗ vativen in der Louisenstadt in Berlin vom 27. Januar d. J., mit welcher eine von der an demselben Tage stattgehabten Volksversammlung gefaßte Resolution bezuͤglich Einführung obligatorischer Fhnncs und Gewerbekammern überreicht wird. Der Vorsitzende wird diese Eingabe den demnächst von ihm zu bestellenden Referenten für die Gewerbeordnungs⸗ Novelle zustellen lassen.

Es wurde darauf in die Tagesordnung eingetreten und mit der Spezialberathung des §. 6 der Vorlage fortgefahren.

Der Geheime Kommerzien⸗Rath von Ruffer⸗Breslau bat, die von dem Grafen Henckel von Donnersmarck gestellten Anträge anzunehmen, da andernfalls die von der Industrie zu tragende Belastung zu groß werden und die In⸗ dustriellen genöthigt sein würden, zur Ausgleichung derselden mit Lohnabzügen gegen die Arbeiter vorzugehen.

Der Kaufmann Kochhann⸗Berlin bestritt, daß der Industrie durch die Vorlage eine unerträgliche Belastung zu⸗ gemuthet werde, zumal schon nach den Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts und des Code Napoléon die Arbeit⸗ geber für die Unfälle der Arbeiter verantwortlich seien. Der Entschädigungssatz von 66 Prozent sei angemessen, zumal der Verletzte ja billigere Gegenden aufsuchen könne und in den wenigsten Fällen gänzlich unfähig zur Arbeit würde. Der von dem Hrn. Baare wegen Ermittelung der Lohnhöhe gestellte Antrag sei zu verwerfen wegen der Schwierigkeit der Berechnungen und weit erfahrungs⸗ gemäß in der Industrie von circa 6 zu 6 Jahren ab⸗ und aufsteigende Konjunkturen einträten. Behufs Ermittelung der durchschnittlichen Lohnbeträge seien Kommissionen für größere Bezirke zu bilden.

Der Webermeister Hessel⸗Berlin hielt den Satz von 66 Proz. als Rente genügend, da nicht mehr zu erreichen, auch die Gewährung des vollen Einkommens als Rente den noch in gewissem Grade arbeitsfähigen Verletzten von der Ar⸗ beit abhalten würde; für die Rente einen Maximalsatz fest⸗ zusetzen, sei erforderlich im Interesse der Industrie, fuͤr die

noch schwerere Zeiten zu erwarten seien; die Mehrversicherung über 900 sei von dem Arheiter zu tragen, um demselben das Bewußtsein der Selbsthülfe zu erhalten. I

Der Schlossermeister Rust⸗Königsberg sprach sich für die Bewirkung der Versicherung eines Einkommens von über 900 durch den Arbeiter selbst aus, da andernfalls die Ar⸗ beiter gegen die kleinen Handwerktreibenden, die meistens . 900 Einkommen hätten, ungebührlich bevorzugt würden.

Der Kommerzien⸗Rath von Born⸗Dortmund be⸗ dauerte, daß ihm die aus der Heimath zur Unterstützung des Antrages Henckel von Donnersmarck erbetenen ziffer⸗ mäßigen Nachweise noch nicht zugegangen seien; nach seinen langjährigen Erfahrungen als Banquier und Industrieller könne er nur bestätigen, daß die Lage der Großindustrie, ins⸗ besondere der Eisenindustrie, wenngleich sie sich in neuerer Zeit gebessert habe, derartig sei, daß sie die in der Vorlage ihr zugemuthete Belastung nicht wuüͤrde ertragen können; er bitte deshalb um Annahme des von dem Grafen Henckel von Donnersmarck gestellten Antrages.

Der Regierungskommissar hob unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Motive die Gesichtspunkte hervor, welche der Königlichen Staatsregierung die Annahme der Re⸗ gierungsvorlage wünschenswerth machten. Es sei nicht abzu-⸗ sehen, weshalb nach dem Vorschlage des Grafen Henckel von Donersmarck bis zu einem Einkommen von 900 zwei Drittheile, also 600 als Rente, über 900 aber auch nur 600 bewilligt werden sollten. Zahlreiche bei der Staatsregierung eingegangene Eingaben aus industriellen Kreisen legten weniger Gewicht auf die Befürchtung einer Mehr⸗ belastung der Industrie, als auf den Wunsch der Wiederherstellung der durch das Haftpflichtgesetz zerrütteten Beziehungen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern. Der Redner uͤberreichte sodann als Anlage A. zum Protokoll drei Berechnungen über die Auf⸗ wendungen, welche von einem mit 4000 Arbeitern betriebenen

tablissement unter Zugrundelegung einer Prämie von 2 Pro⸗ zent zur Erfüllung der zu übernehmenden Versicherungspflicht nach dem Vorschlage der Regierung und nach dem von den Mitgliedern Graf Henckel von Donnersmarck und Ge⸗ nossen gestellten Amendements je nach verschiedener Bemessung der Löhne jährlich erforderlich sein würden. Aus diesen Be⸗ rechnungen gehe hervor, daß die nach dem er zah⸗ lenden Jahresbeiträge die nach den Vorschlägen der Mitglie⸗ der Graf Henckel von Donnersmarck und Genossen zu zahlenden nicht erheblich überstiegen.

Der Geheime Kommerzien⸗Rath Heimendahl⸗Crefeld trat den Ausführungen des Regierungskommissars bei; die ö müsse die nach der Vorlage von ihr geforderten

pfer bringen, wenn dieser erste Akt der vom Reiche inten⸗ dirten sozialen Gesetzgebung von Erfolg begleitet werden solle. Bei den Verhandlungen über die neue Zollgesetzgebung, welche den Schutz der nationalen Arbeit bezwecke, sei anerkannt worden, wie sehr dieses Vor⸗ gehen auch die Nothwendigkeit der durch die Vorlage einge⸗ leiteten Gesetzgebung begruͤnde und rechtfertige. An der In⸗ dustrie sei es, diesen Schritt, wenn nöthig, durch zeitweilige Opfer zu unterstützen. Nicht immer dauerten die schlechten Geschäftsverhältnisse einer die Geschichte des Berg⸗ baues und der Hüttenindustrie gebe begründete Veranlassung zu der Annahme, daß in denselben bessere und schlechtere Zei⸗ ten auch ferner wechseln würden. Die Berechnungen des Re⸗ gierungskommissars stimmten mit von ihm selbst gemachten und mit Zahlen, die ihm anderweitig zugegangen seien, im Wesentlichen überein; jede auch kleine Verschiebung der Preise nach oben bringe der Industrie, wie zahlenmäßig nachzuweisen, die nach der Vorlage zu bringenden Opfer reichlich ein