1882 / 35 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 09 Feb 1882 18:00:01 GMT) scan diff

Ich kann meinen Vortrag dahin zusammenfassen: alle meine Ausführungen haben nur die Bedeutung gehabt auch gestern, wenn die Herren meine Worte noch im Gedächtniß haben darzulegen, daß die Staatsregierung ihre volle Aufmerksamkeit darauf zu wenden hat, ob eine Erleichterung in Beziehung auf die Ernennungspflicht zu Störungen der staatlichen Ordnung in einzelnen Gebieten führen kann. Ich habe auszuführen versucht, daß die katholische Geistlichkeit leider, wie ich hinzufügen muß in polnischen Landestheilen sich von ihren ausschließlich kirchlichen Bestrebungen abgewandt und sich auch der nationalpolnischen Agitation angeschlossen hat. Und bei dieser Auffassung verbleibe ich. Der Abg. Dr. Windthorst betonte, es werde Jeder die Ueberzeugung gewonnen haben, daß die polnische Frage süg⸗ lich beim Etat der Polizeiverwaltung hätte besprochen werden können, aber nicht hierher gehöre. Wenn die Geistlichkeit in Posen vielleicht mehr, als es gut sei, sich dergleichen Bestre⸗ bungen angeschlossen habe, so habe die Regierung selbst daran Schuld. Warum habe sie einen Oberhirten, der gegen jene Bestrebungen eingeschritten sei, entfernt? Es sei absonderlich, zu verlangen, die Katholiken sollten sein wie die Lämmer, wenn der Heerde der Hirt genommen werde. Wenn die Geist⸗ lichkeit verfolgt, gemißhandelt und absolut auf die Unter⸗ stützung der Gemeinden hingewiesen s ei, könne man sich wundern, wenn die Geistlichen sich von den Regierungsorganen abgewandt hätten? Mit Geistlichen, die unter der Knute der Polizei ständen, werde man die Bewegung nie im Zaume halten. Der Minister berufe sich auf Berichte. Was sei nicht im Kulturkampf alles 1 berichtet worden. Er weise hin auf die freiwillige Polizei⸗ gesellschaft im Rheinlande, auf Grund deren Mittheilungen die Beamten Berichte hierher geschickt hätten. Sie würden ihm wahrscheinlich verweigert werden, sonst würde er sie sich erditten. Wenn der Minister Alles glaube, was ihm berichtet werde, dann sehe es schlimm aus für Posen und andere Pro⸗ vinzen. Der Gang der Diskussion habe ihn zwar nicht voll befriedigt, aber doch erfreut. Keiner wolle mit dem Kultur⸗ kampf etwas zu thun gehabt haben. Selbst der wirkliche und intellektuelle Urheber des Kulturkampfes, der Abg. Gneist, habe heute sein Kind vollständig verleugnet. Wer sei denn der Verfasser des berühmten Klosterberichts gewesen?

Wer habe das Material zusammengetragen für die Maigesetze? Wer habe sie zum Ften Theil im Hotel des Kultus⸗Ministers und des Reichskanzlers inspirirt,

wer habe sie verfassen helfen, wer habe hier darüber Bericht erstattet? Es sei der Abg. Gneist gewesen und wenn der Kulturkampf wirklich etwas Rühmliches habe, so werde der größte Ruhm des Abg. Gneist sein, daß derselbe der wesent⸗ liche Träger des Kulturkampfes gewesen sei. Heute habe es nicht Falk gethan, sondern der Reichskanzler und eine höher stehende Persönlichkeit. Wenn das, was man gethan, so ver⸗ leugnet werde, so müsse es nicht gut sein. Auch der Abg. Virchow habe den Rückzug angetreten, wenn er (Redner) auch zu⸗ gestehe, daß derselbe früher bei wesentlichen Punkten warnend seine Stimme erhoben habe. Die Reden der Abgg. Virchow und Richter bewiesen ihm, daß im Schooße der Fortschritts⸗ partei wirklich ernsthaft die Frage der Revision der Maigesetze in Angriff genommen worden sei. Er hätte gewünscht, daß dem Centrum über die Resultate dieser Berathungen etwas Klareres mitgetheilt worden wäre. (Abg. Dr. Hänel ruft: Das beruhe auf Gegenseitigkeit.) Die Fortschrittspartei solle Alles wissen, was er wisse. Uebrigens freue er sich über diesen Zwischenruf, er sehe daraus, daß der Abg. Hänel hier sei, er dürfe annehmen, daß auch der Abg. Hänel sich in dem Concert befinde, von dem der Abg. Richter Mit⸗ theilung gemacht habe. Das sei ein Fortschritt in seinen Augen. Es seien einzelne sehr beachtenswerthe Momente von jenen Herren hervorgehoben worden, und was in Beziehung auf die Anzeigepflicht gesagt sei, verdiene die allersorgfäl⸗ tigste Erwägung. Es könnte ja denkbar sein, daß eine Lösung gefunden würde, welche für die eigentliche geistliche kirchliche Thätigkeit eines Geistlichen eine Anzeige nicht erforderlich mache, sondern nur dann, wenn es sich um rein staatliche Fragen handele. (Ruf: Schulinspektion!) Es müsse dahin kom⸗ men, daß auch diese den Geistlichen unterstellt werde. (Ruf: Nein!) Daß die Linke das nicht wolle, wisse er sehr gut, er versichere aber, das Centrum werde das früher erreichen, als die Revision der Maigesetze, denn in diesem Punkte seien die gläubigen Protestanten mit dem Centrum völlig einverstanden. Wenn die Linke wissen wolle, wie weit das schon gehe, daͤnn lese man die Beschlüsse der hannoverischen Synode. Er wisse wohl, daß diese Beschlüsse heute noch die Heiterkeit der Läberalen erregten, er sage aber den Liberalen, sie würden noch Thränen weinen. Es sei rathsam, diese Fragen nach allen Seiten hin in Erwägung zu nehmen, damit Hr. von Schlözer Material habe für Erörterungen, die derselbe vielleicht akademisch oder praktisch zu machen haben werde. Daß die Nationalliberalen den Abg. Gneist zum Wortführer gewählt hätten, beweise, daß die Herren noch auf demselben Boden ständen wie früher. Sie ständen damit im Widerspruch mit der Volksmeinung, und wenn sie den Kulturkampf im Interesse ihrer Fortexistenz beibehalten wollten, so möchten die Herren sich gesägt sein lassen: auf dem Boden würden sie nicht mehr lange stehen können. Der Kulturkampf sei todt, es handele sich nur um ein Begräbniß. Die Rede des Abg. von Meyer⸗Arnswalde habe ihn schmerzlich berührt. Er erkenne es dankbar an, daß derselbe einer der ersten ge⸗ wesen sei, welche die Beendigung des Kulturkampfes ge⸗ wünscht hätten. Derselbe Abg. von Meyer sei seiner konser⸗ vativen Gesinnung untreu geworden, wenn derselbe gesagt hbabe, er würde darauf bestehen, daß die Maigesetze unver⸗ rückt ausgeführt würden, wenn das Haus die Vorlage nicht annähme. Wenn der Abg. von Meyer Mittel, die er selbst verwerfe, anwenden wolle, um das Centrum zu zwingen, so sei das nur Tortur des Gewissens. Ob das moralisch oder konservativ sei, wolle er nicht beurtheilen. In Hannover gelte es nicht dafür, ob in Arnswalde, wisse er nicht. Das Centrum könne dieser Vorlage nicht zustimmen, welche ge⸗ wisse Bedrückungen fortbestehen lasse. Aber seine Partei werde nicht aufhören, Abschlagszahlungen und jede wirkliche materielle Abänderung zu acceptiren. Der Abg. Gneist fordere das Centrum auf, bestimmte An⸗ träge zu formuliren. Habe derselbe nicht dessen bestimmt formulirten Antrag auf Freigebung des Messelesens und Spendens der Sakramente rundweg abgelehnt? hätte das Centrum ein solches einfaches Nein zu weiteren Anträgen er⸗ muthigen können? Er werde ihm Gelegenheit geben, zu an⸗ deren Formulirungen Stellung zu nehmen. „Die Anträge würden dem Hause vorgelegt werden, wann, wie und wo sei seine Sache. Er bedauere, daß der Minister sich nicht in der Lage befunden habe, seine gestern rund formulirte Frage zu

daß im Hause von der Majorität eine Revision der Maigesetze verlangt worden sei. Wenn die Regierung trotz dieser Ge⸗ neigtheit, noch weiter mit verschränkten Armen stehen bleibe, dann konstatire er vor Europa, daß die preußische Regierung keinen Frieden machen wolle.

Damit schloß die Debatte. Es folgte eine Neihe persön⸗ licher Bemerkungen.

Der Abg. Dr. Gneist bemerkte, er habe seine Theilnahme am Kulturkampf durchaus nicht desavouiren wollen, sondern nur die Autorschaft abgelehnt; er habe nachgewiesen, daß der Kulturkampf keinen Theil des liberalen Programms bilde, daß derselbe vielmehr eine Staatsnothwendigkeit gewesen sei. Seit wann mache man denn den Referenten für die Kom⸗ missionsberichte verantwortlich, wie ihn für den sogengnnten „Klostersturmbericht“? Die Kommission habe mehrere An⸗ träge gestellt, in denen sie die Regierung aufgefordert habe, die Gesetze über die Korporationen und über die Qualifi⸗ kation zum Unterricht zu befolgen. Da spreche man denn bei den Katholiken vom „Sturmbericht“ und dessen Autor Gneist. Die Anträge seien damals in der Kommission nicht von der liberalen Partei gestellt, sondern von den Konservativen, und er sei den vier Konservativen, welche die Annahme durchgesetzt hätten gegen das Centrum und die gespaltenen Liberalen noch heute dafür dankbar. Er bitte aber die Ultramontanen, wenn sie wieder von dem Bericht sprächen, alles zu erzählen.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, der Abg. Gneist habe nicht blos als Berichterstatter, sondern auch als in⸗ tellektueller Urheber der Anträge und des Berichtes fungirt, der noch manches andere enthalte, als blos die Konklusionen.

Der Abg. Dr. Gneist bemerkte, der Bericht habe den In⸗ halt der Debatten zwischen den Abgeordneten und der Re⸗ gierung wiedergegeben. 4

Die Vorlage wurde an eine Kommission von 21 Mit⸗ gliedern verwiesen.

Der Gesetzentwurf zur Ergänzung des Gesetzes, be⸗ treffend die evangelische Kirchenverfassung in den acht älteren Provinzen der Monarchie vom 3. Juni 1876, wurde ohne Debatte in erster und zweiter Berathung ange⸗ nommen.

Der Nachweis über die Verwendung des in dem Etat der Eisenbahnverwaltung pro 1. April 1880/81 unter Tit. 18 der einmaligen und außerordentlichen Ausgaben aus⸗ gesetzten Dispositionsfonds zu unvorhergesehenen außer⸗ ordentlichen Ausgaben für die Staatseisenbahnen von 900 000 wurde in einmaliger Berathung für geführt er⸗ achtet, der Bericht über die Verwendung des Erlöses für ver⸗ kaufte Berliner Stadtbahnparzellen und über die Verwendung der Entwerthungsentschädigung bezüglich eines im Besitz der genannten Bahn befindlichen Hauses, desgl. in einmaliger Berathung für erledigt erklärt.

Der Gesetzentwurf, betreffend die Ablösung der an die Stadt Berlin für Uebernahme der fiskalischen Straßen⸗ und Brückenbaulast in Berlin zu zah⸗ lenden Rente, wurde in zweiter Berathung ohne Dis⸗

kussion angenommen, desgleichen das Gesetz, betreffend Ab⸗ änderung der Verordnung über die Bildung und den Ge⸗ schäftskreis eines evangelisch⸗reformirten Konsistorii in der Stadt Frankfurt a. M. vom 8. Februar 1820, sowie des organischen Gesetzes vom 5. Februar 1857 über Abänderung einiger die evangelisch⸗lutherische Kirchenverfassung berührenden Bestimmungen der Konstitutions Ergänzungsakte 1 Stadt Frankfurt a. M., definitiv in dritter Lesung ge⸗ nehmigt. Damit war die Tagesordnung erschöpft. 1 vertagte sich das Haus um 5 Uhr auf Donnerstag Uhr.

Landtags⸗Angelegenheiten.

Dem Hause der Abgeordneten ist folgende Denkschrift über die Schiffahrtsstraße der Unstrut und aale von Artern bis zur Einmündung der Saale in die Elbe vor⸗ gelegt worden: 8 8

Die Unstrut und Saale bilden eine Wasserstraße, vermittelst welcher der untere Theil Thüringens mit der Elbe und dadurch mit dem großen Verkehr in Verbindung steht. Dabei bildet die Unstrut nur eine tiefer in das Land hineinführende schiffbare obere Fortsetzung des Saalestromes, so daß beide eine zusammenhängende Wasserstraße sind, weshalb dieselben auch als ein gemeinschaftliches Ganze behan⸗ delt werden sollen.

Beschreibung der Wasserstraße.

Die Saale entspringt oberhalb Münchberg und Hof in Bayern, zwischen dem Frankenwald und Fichtelgebirge und gelangt, durch Auf⸗ nahme vieler Bäche erweitert, bei Neusulze in preußisches Gebiet, fließt bei Kösen und Naumburg vorüber und nimmt bei letzterem Orte die Unstrut auf. Bis zu dieser Vereinigung ist die Saale nur flößbar und wird erst mit dem Zufluß der Unstrut, welche bis nach

retleben oberhalb Artern herauf schiffbar ist, selbst schiffbar. Indem 8 dann die Hauptorte Weißenfels, Merseburg, Halle, Wettin, Rothenburg, Alsleben berührt, durchströmt sie von Plötzkau bis gegen Calbe Herzoglich anhaltisches Gebiet und von hier bis zu ihrer Mün⸗ dung in die Elbe abwärts Calbe am sogenannten Saalhorn bei Barby wiederum preußisches Gebiet. Die Hauptnebenflüsse der Saale bilden die Unstrut, die Luppe und die weiße Elster.

Das Niederschlagsgebiet beträgt bei:

der Saale bis zur Aufnahme der Unstrut. 90 qam = 5 106 qkm

der Unstrut bis zur ihrer Mündung. 1 11

ber Luppe und Elster . . . . . . 116C0 16.6.“

der Saale bis zur Alslebener Schleuse. 339 = 19 234

der Saale bis zu ihrer Mündung . .430 = 24 397 Die Regenmengen betragen im Unstrutgebiet pro Jahr

ircece 1414141414““ Par. Zoll

im oberen Saalegebiet bei Ziegenrück . . . . . 25,04

be8 8 21,36 8

bei Halle.. 1991

so daß im Saalegebiet ein entschiedenes Hochwasserübergewicht gegen die Unstrut besteht.

Nach angestellten ee werden im Saalegebiet nur 29,3 % des Niederschlages im Flusse mit einer absoluten Menge von ca. 98 chm im Mittel abgeführt und die Marimalmassen, welche bei Far Hochtrafser wie dasjenige von 1799, zur Abführung gelangen, stellen sich:

für die Unstrut auf 463 chm für die Saale oberhalb Naumburg 618 für die Luppe und Elster . . ..618 für die Saale in der Strecke von Wettin bis Alsleben. 1762

Die höchsten Wasserstände fallen, wie bei den meisten der preußischen Ströme, auf die Frühjahrsmonate, die niedrigsten auf die Herbstmonate. Der am häufigsten vorkommende Wasserstand liegt bei ca. 1,12 m am Unterpegel der Rothenburger Schleuse, der mittlere Wasserstand bei 1,64 m esuft Die Gefälle der Saale und Unstrut sind durch die bei den Mühlenanlagen, aber auch nur da, eingebauten

beantworten. Die Erklärung sei nicht abgegeben worden und das sei wenigstens ein vorläufiges Nein. Er konstatire ferner,

Stauwerke gebrochen und wechseln somit außerordentlich, je nach den Wasserständen.

Historische Darlegung des Ausbaues dieser Schiffahrtsstraße. Die Schiffbarkeit auf dieser Wasserstraße ist historisch bis zum Jahre 981 zurück zu verfolgen und scheint durch veeeisesge N. länder zuerst auf der Saale herbeigeführt worden zu sein. Die erste Nachricht von der vorhandenen Schiffbarkeit betrifft den Transport der Leiche des Erzbischofs Adalbert von Magdeburg, welcher am 21. Mai 981 bei Corbetha gestorben ist und dessen Leiche nach Giebichenstein transportirt und von dort zu Wasser nach Masgdeburg gebracht wurde. Im Jahre 1012 wurde der kranke Bischof Taginos zu Schiff von Merseburg nach Rothenburg g. S. gebracht, und 1127 ließ Otto. Bischof von Bamberg und Apostel der Pommern, Waaren, auf der Messe zu Halle angekauft, zu Schiff auf der Saale, Elbe und Havel und dann weiter zu Lande nach Pommern bringen. 1121 geschieht der ersten Mühle unterhalb Halle, beim Kloster Neuwerk be⸗ legen, Erwähnung, welchem 88 vom Erzbischof Rodger das Mahlrecht und die Fischerei in der Saale unter dem 5. Juni 1121 verliehen wurde. Demselben Kloster wird unter dem 10. März 1152 vom Erzbischof Wichmann zu Magdeburg das Privilegium ertheilt, mit einem Schiffe Salz zu transportiren und Holz wieder zurück⸗ zubringen. Im Jahre 1366 sind bereits Schiffsschleusen auf dem unteren Saalestrom vorhanden gewesen, welche indeß, in Holz kon⸗ struirt, durch Hochfluthen und Eis oft Zerstörungen erlitten, wodurch die Schiffahrt ins Stocken gerieth. Unter dem 21. Oktober 1530 ertheilte Kaiser Carl V. dem Erz bischof Albrecht von Magdeburg das Privilegium der freien Schiffahrt auf der Saale. 34 Im Jahre 1560 ist, nachdem die Schleusen bei Calbe und Als⸗ leben nicht genügten, eine Schleuse bei Bernburg erbaut, und zu Halle auf der Moritzburg im Jahre 1559 ein Vergleich zwischen dem Kur⸗ fürsten Sigismund und dem Fürstenhause Anhalt aufgerichtet worden worin man unter Anderem auch bedungen hat, daß die Schleusen ewig bleiben und erhalten werden sollen. Im Westfälischen Frieden fiel das bisherige Erzbisthum Magde⸗ burg an das Kurfürstenthum Brandenburg. Lenteres kam aber erst 1680 mit dem Tode des Herzogs August zu Sachsen in den wirklichen Besitz, und von da ab datirt ein neuer Aufschwung der Schiffahrts⸗ verhältnisse auf der Saale. Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg beschloß gegen Ende des 17. Jahrhunderts die sämmtlichen Saalschleusen neu und massiv zu bauen und legte selbst am 13. Juli 1694 den Grundstein zu der Schleuse in Trotha, veranlaßte ferner den Fürsten Victor Amadeus von Bernburg, die Schleuse daselbst ebenfalls neu zu bauen, und es 8 in jener Periode die Schleusen zu Gimritz, Trotha, Wettin, othenburg, Alsleben, Bernburg, Calbe resp. Gottesgnaden neu her⸗ gestellt, letztere zum Theil, aus den alten Quadern der Kirchen des Klosters Gottesgnaden. Dieselbe zeigt zur Zeit noch einen Stein mit der Inschrift: „1786 neu erbaut“, hat also inzwischen wiederum noch eine Erneuerung erfahren. 8 Die Ausführung weiterer Schleusen datirt, wie später angegeben wird, aus neuerer Zeit. 3 Die ältesten Nachrichten über die Benutzung der Unstrut zur Schiffahrt erscheinen in einem Lehnbriefe d. d. Dresden den 22. Mai 1612, nach welchem dem Bürgermeister Sixtus Braun zu Naumburg nebst seinen Erben neben anderen Gerechtigkeiten auch ein Erb chiff auf Saale und Unstrut gewährt worden, ohne daß jedoch die Aus-⸗ beutung dieser Gerechtsame weiter mitgetheilt ist. Erst im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts hat man von Seiten der sächsischen Regierung der Benutzung der Unstrut zur Schiffahrt mehr Beachtung geschenkt, welche praktischen Werth gewann, als der Kurfürst

Feeh IV. zu Sachsen in Folge vielfacher Klagen der Thüringer Eingesessenen üͤber die drückenden Lasten der Kriegsfuhren während des bayrischen Erbfolgekrieges 1778 den Entschluß faßte, dieser Belästigung durch Schaffung einer inländischen Schifferei abzuhelfen und dem⸗ gemäß mittelst Ordre vom 31. Dezember 1778 den Befehl ertheilte, zu untersuchen, wie ein bei dem Beuditzmühlenwehr erfolgter Durch⸗ bruch der Saale wieder dauerhaft herzustellen und wie derselbe für eine etwaige Schiffbarmachung des Saalestromes einzurichten sei. Beauftragt wurde der Mechanikus, damalige Kunstmeister Mende, dessen Modell zur Hebung von 40 50 Ctr. tragenden Schiffen über Wehre in kleinen 11“ Aufsehen erregt hatte. Mende be⸗ richtete im Mai 17 88, daß die Herstellung des Durchbruchs keinen Einfluß auf die Schiffbarmachung haben könne und legte im Juni 1788 zu Händen des sächsischen Ministers, Grafen Wallwitz, ein Fneneg über die Schiffbarmachung vor. Schon am folgenden age erhielt er Auftrag zu den Lokaluntersuchungen und auf Grund seines weiteren Berichtes vom 29. Juni 1789 schlug das Ministerium vor: 1) Ms Schiffbarmachung der Unstrut von Artern bis mündung in die Saale und der Saale bis Weißenfels; r,2) die Schiffbarmachung der Parthe von Leipzig nach Osten bis dahin, wo ein neuer bis an die Mulde zu führender Kanal beginnen kann, die Ausführung dieses Kanals selbst, und die Anlegung eines von der Mulde bei Wurzen bis zur Elbe bei Torgau; demnächs 2 die Nachholung der Saalestrecken von Weißenfels über Merse⸗ burg bis zur Einmündung der Luppe und die Schiffbarmachung der letzteren bis Leipzig im Anschluß an den sub 2 bezeichneten Kanal. „Hierauf erhielt Mende unter dem 19. Januar 1790 den Befehl, einen speziellen Bauplan zur Schiffbarmachung mündung in die Saale auszuarbeiten, welchen Auftrag er bis zum 30. August 1790 unter folgenden Vorschlägen erledigte: 1) Vorkehrungen zur Abhaltung zutreibender Sinkstoffe, 2) Räumung des Flusses von allen Hindernissen in solcher Breite und Tiefe, daß 2 Elbfahrzeuge sich begegnen können,

Anlegung eines Leinpfades,

* Schleusenkammern von 20 Fuß sächs. Breite in der Sohle mit unter 41 Grad 5 Böschungswänden, dazu Ober⸗ und Unterhaupt nebst Wärterwohnungen 8 8

8 Anlage von Zugbrücken, 8 6) Grundentschädigung. Die Kosten berechnete er zu 158 005 Thlr. 18 ggr. 2 ⅔⅜ Pf. Unter dem 9. Oktober 1790 machte Mende noch den Vorschlag, auch die Saale von der Unstrutmündung ab bis Weißenfels schiffbar zu machen, und gab die Kosten dafür zu 194 958 Thlr. an. 8

„Unter dem 4. Dezember 1790 ertheilte der Kurfürst den Befehl,⸗ die Schiffbarmachung der Unstrut von Bretleben bis Groß⸗Jena an ihrer Mündung in die Saale und weiter, der Saale bis Weißenfels nach dem Vorschlage des ꝛc. Mende in Angriff zu nehmen.

er Geheime Finanzrath Scheuchler erhielt vom 15. Dezember desselben Jahres die Direktion des Unternehmens, der Maschinen⸗ direktor Mende die Oberleitung der technischen Ausführung. 3

Am 29. April 1791 waren die Grund⸗ und Nutzungsentschädi⸗ gungen abgewickelt und der Bau in vollem Betriebe. 2000 Mann arbeiteten auf Unstrut und Saale bei einem Lohne von

5 Gg. für den Handarbeiter,

7 Gr. für den I Zimmerer,

13 Gr. für den Steinmetzen, x die größeren Arbeiten alle in Accord vergeben. Zur sidoc, wnrd edes Frierh Projekts machte die Schleuse zu Carsdorf am 16. November 1793 Anfang und die Schleuse zu Ritteburg

2. ember 1794 den Schluß. 1 1 1795 wurde auf höchsten Befehl die Schiffahrt für das Publikum auf der Unstrut und Saale bis Weißenfels gegen ein bestimmtes Schleusengeld eröffnet. 1

Vom 21. bis 23. Juli 1795 begeige der Kurfürst den ganzen Schiffahrtsweg und mit Ende des Jahres wurde der Neubau mit einem Kostenaufwande von 528 750 Thlr. abgeschlossen.

Zur Untersuchung der Frage, ob nun auch die Saalestrecke von Weißenfels abwärts bis unterhalb Merseburg schiffbar zu machen sei, wurde die bezügliche Strecke bereits im Jahre 1792 durch den Na⸗ vigationskondukteur Schmidt in Begleitung eines Schiffers Richter

zur Ein⸗ 8

der Unstrut von Artern bis zur Ein⸗

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