Ferribeit offen halten muß, unter gehöriger Wahrung und Berück⸗
ichtigung des größtmöglichsten Verkehrsinteresses in gewissen Fällen
senisse Blätter von der Zuwendung amtlicher Inserate auszu⸗ ießen.
Meine Herren! Ich muß sagen, daß ich von dem Hrn. Abg. Dirichlet auf Angriffe und Vorwürfe gefaßt war, — aber daß er sie mir gerade auf dem von ihm vorzugsweise berührten Terrain nämlich auf dem des staatlichen Bestätigungsrechtes über kommunale Instan⸗ zen machen würde, darauf war ich allerdings nicht gefaßt; denn, meine b ich kann Ihnen sagen, daß in dem ganzen Jahr, daß ich
dinister des Innern bin — es ist vielleicht bloß ein glücklicher Zu⸗ fall — fast keine einzige Bestätigungsbeschwerde, sei es auf dem enge⸗ ren oder weiteren kommunalen Gebiete, an mich gelangt ist.
Ich will durchaus nicht sagen, Hr. Abg. Dirichlet, daß ich im Nothfall und wenn ich das Staatsinteresse dabei betheiligt fände, von dem Rechte, die Bestätigung zu versagen, nicht Gebrauch machen würde; das ist mein Recht und meine Pflicht; aber thatsächlich — und der Hr. Abg. Dirichlet muß doch auf dem thatsächlichen Boden argumentiren — habe ich bisher das Glück gehabt, mit allen kommunalen Selbstverwaltungskörpern gerade in diesem Punkt, also in der Bestätigung von Wahlen, im tiefsten Frieden zu leben; und ich bin gunz erstaunt, daß der Hr. Abg. Dirichlet mit einem Male eine ganze Fülle von Dingen vorbringt, die beweisen sollen, daß seit drei Vierteljahren oder seit einem Jahre, denn so lange ist es her, daß ich das Ministerium des Innern theils interimiftisch, theils definitiv verwalte, eine so ver⸗ hängnißvolle Umkehr auf diesem Gebiete stattgefunden habe. (Hört! hört! rechts.) (Abg. Dirichlet: Ja, hört!)
Haben Sie nur ein klein wenig Geduld, Hr. Abg. Dirichlet, dann werden Sie schon alles hören. (Abg. Dirichlet: Ich habe Geduld, die Herren drüben scheinen keine zu haben!)
Ich acceptire zunächst mit Dank selbst aus seinem Munde die Anerkennung, daß, während ich Regierungs⸗Präsident in dem mir noch heute sehr werthen und theuren Lithauen und Masuren gewesen bin, ein gutes Einvernehmen zwischen der Verwaltung und den Einge⸗ sessenen geherrscht hat. Ich bin auf dieses gute Einvernehmen noch heute stolz, und ich kann allerdings nicht leugnen, daß die Zustände, in die ich damals dort eintrat, in hohem Grade gespannte und unbe⸗ friedigende waren, und ich habe es mir damals zur speziellen Aufgabe gemacht, in die starke Erregung, welche ich vorfand, das lindernde eines guten Einvernehmens zu träufeln. Indessen das nur bei⸗ äufig.
Der Herr Abgeordnete — und ich muß ja da noch etwas auf die prinzipielle Seite der Sache eingehen — fand meine in einem von ihm citirten Bericht in den Vordergrund gehobene besondere Vorliebe für die Kreisausschüsse unvereinbar mit dem Verhalten, welches in dem Bezirk Gumbinnen diesen Organen gegenüber jetzt von der Staatsregierung eingehalten würde, und er citirte dabei einzelne Fälle. Ich will doch zunächst konstatiren, daß zwischen der Auffassung des Herrn Minister⸗Präsidenten in Beziehung auf die den Kreisausschüssen
febührende Stellung und der meinigen die Verschiedenheit, die ehauptet worden ist, einfach nicht besteht. Als ich durch die Gnade Sr. Majestät in das Ministerium des Innern berufen wurde, habe ich mir sehr genau überlegt, ob meine Ueberzeugungen über Selbst⸗ verwaltung und ihre weitere Entwickelung es mir gestatten würden, das Ministerium zu übernehmen, nachdem der Herr Minister⸗Präsi⸗ dent die bekannte Aeußerung im Herrenbause hatte thun lassen. Ich kann hier feststellen, daß ich mich mit ihm auf diesem Boden voll⸗ kommen verständigt habe und daß wir Hand in Hand den Versuch machen werden, die Selbstverwaltung in der Richtung weiter zu führen, die wir unter Festhaltung ihres politischen Grundgedankens für die ersprießliche allerdings erachten.
Meine Herren, ich will kein Hehl daraus machen, ich halte die Kreisausschüsse für den gesundesten politischen Gedanken, der seit Jahrzenten in der preußischen Gesetzgebung eingeführt worden ist, und meine Meinung ist die, daß wir nichts besseres thun können, als bei der weiteren Entwickelung der Selbstverwaltungs⸗Gesetzgebung dieses Organ so zu stärken und im nationalen Bewußtsein zu be⸗ festigen, daß es den großen Aufgaben, die in der Gegenwart und Zukunft auf ihm lasten werden, noch in vollerem Maße wie jetzt zu genügen im Stande ist. Der Hr. Abg. Dirichlet kann sich also darüber vollkommen beruhigen, daß ich der letzte bin, der die in den Kreisausschüssen verkörperte Selbstverwaltung Min irgend einer Weise feindselig behandeln will und ihr keine Sympathie entgegenträgt.
Ich komme nun auf die einzelnen Fälle, die der Herr Abgeord⸗ nete in Beziehung auf die Nichtbestätigung von kommunalen und Kreisausschußbeamten im Bezirk Gumbinnen zur Sprache gebracht hat. Er hat eine geographisch vollkommen korrekte Wanderung von dem äußersten Norden bis zum äußersten Süden unternommen. Ich möchte also ihm auf diesem mir sehr bekannten und in guter Erinne⸗ rung befindlichen Wege folgen.
Zunächst der Stadtrath Volckmann in Tilsit.
Dieser Herr ist — und das ist das Einzige, was ich von dem Dilemma, in welches er mit dem Regierungs⸗Präsidenten Steinmann gerathen ist, weiß — bis zum Herbste vorigen Jahres unbesoldetes Magistratsmitglied in Tilsit gewesen, und er ist, wie ich eben höre — es ist das erste, was mir zu Ohren kommt — nicht wieder bestätigt worden. Wenn er sich bei mir beschwert hätte und vorher die Ober⸗ Präsidialinstanz erschöpft wäre, dann würde ich natürlich die Sache genau untersucht haben. So aber weiß ich von gar nichts, und ich glaube doch, es ist Pflicht, wenn man hier eine Beschwerde beim Hause vorbringt, sich erst zu vergewissern, ob auch der Instanzenzug erschöpft ist, und davon hätte Hr. Dirichlet sich überzeugen sollen.
Nun aber, meine Herren, die geschäftliche Angelegenheit, welche zu dieser Affaire Anlaß gegeben hat, ist mir aber zufällig bekannt. Ich sage zufällig — ich will mich aber lieber konkreter ausdrücken: Ich habe nämlich die vielleicht nicht ganz schlechte Angewöhnung, daß ich gerade in so kritischen Zeiten, wie es der Wahlkampf und die ihm vorausgehenden Wochen sind, die ganze Presse genau perlustrire und alle Zeitungsausschnitte, welche etwa auf die Wahlbewegung oder ein inkorrektes Verhalten von Behörden gegenuüͤber dieser Bewegung Bezug haben, zum Gegenstand von mache. Nun ist in der „Vossischen Zeitung“ diese Angelegenheit mit dem Verbote des Regierungs⸗Präsidenten Steinmann an die Kommunalbehörden in Verbindung gebracht, die Wahllisten für die Parteien herauszugeben, Abschriften davon anfertigen zu lassen. Ich habe damals aus der Mittheilung Veranlassung genommen, den Regierungs⸗Präsidenten Steinmann zu ersuchen, über die Sachlage zu berichten, ob er in der That eine solche Verfügung erlassen hat. Ich habe seine Erwiderung zur Hand und sie lautet folgendermaßen:
Zur Vermeidung einer mißbräuchlichen resp. ungesetzlichen Ein⸗ mwirkung auf die bevorstehenden Reichstagewahlen nehme ich hier⸗ durch Veranlassung, sämmtlichen Magistraten des Regierungs⸗
bezirks die Verabfolgung der diesen Wahlen zu Grunde zu legenden Verzeichnisse der Wähler im Original oder in Abschrift, die letztere namentlich auch nicht gegen Entrichtung von Kopialien, an Privatpersonen, Wahlcomités, politische Vereine oder andere Gesuchsteller, welche nicht zu den öffentlichen Behörden, gehören, hiermit ausdrücklich zu untersagen; vielmehr sind alle nicht von Behörden ausgehenden Anträge 2 Mittheilung der Wahl⸗ verzeichnisse im Original oder in Abschrift ausnahmslos zurück⸗
zuweisen. 88 8 Der Regierungs⸗Präsident. gez. Steinmann.
Ich bin der Meinung, daß dies eine durchaus korrekte Behand⸗ lung der Wählerlisten ist, und wenn der Hr. Abg. Dirichlet darauf eremplifizirt, daß hier in Berlin — die Sache ist schon im Reichs⸗ tage zur Sprache gekommen — die umgekehrte Praxis befolgt sei, so möge er sich doch gefälligst erinnern, daß damals schon durch den Staatssekretär Hrn. Boetticher — ich war leider nicht anwesend, sonst hätte ich die Sache selbst übernommen — ausdruͤcklich er⸗ klärt ist, daß der Minister des Innern dem Polizei⸗Präsidenten 298 „8 anheimgegeben hat, nicht mehr so zu verfahren,
egensatze zu der Verfügung des Regierungs⸗Präsi⸗
denten Steinmann verfahren ist. Es steht also beute als Verwal⸗ tungspraxis fest, d die Behörden gut thun, allen Parteien die Mittheilung der Wahllisten gleichmäßig zu versagen. Es ist dann Licht und Schatten gleich vertheilt, und dabei werden Publikum und “ gleichmäßig gut sich stehen. Nun hat aber der Stadtrath olckmann, wie ich aus der Mittheilung des Regierungs⸗Präsidenten Steinmann entnehme, doch in dieser Angelegenheit etwas gefeblt. Durch seine Vermittelung sind nicht nur die Wahllisten gewissen Wählerkreisen in Tilsit zugänglich gemacht, sondern diese Listen sind gus den veeen Lokale n bes Abschriftnahme eine acht hindurch aus diesem Lokal entfernt gebliebeu. 1 Es ist das entschieden ein Mißbrauch. Die Wahllisten sind öffentliches Dokument, worauf sich die wichtigsten politischen Rechte gründen. Nehmen Sie an, durch einen reinen Zufall gehen die Listen verloren, bei einem Feuer gehen sie in Flammen auf, dann entsteht vielleicht die Unmöglichkeit, den anderen Tag zu wählen. Jedenfalls muß also die Entfernung der Wahllisten aus dem amt⸗ lichen Lokal und daß sie eine Nacht daraus entfernt geblieben sind, als ein ganz entschieden zu mißbilligender und zu rügender Mißgriff bezeichnet werden, namentlich, wenn der Beamte Stadtrath ist, der doch in der That wissen muß, um welche wichtigen Dinge es sich in dieser Beziehung handelt. Meine Herren, ich lege dieser Angelegenheit gar keinen verhängnißvollen fundamentalen Charakter bei. Ich will dem Hrn. Stadtrath a. D. Volckmann gar keinen schweren Vorwurf daraus machen, aber wenn der Hr. Re⸗ gierungs⸗Präsident Steinmann, was ich übrigens nicht weiß, ich muß es unter allem Vorbehalt sagen, sich bewogen gefunden hat, aus diesem Vorgang eine ernste Prüfung der Frage eintreten zu lassen, ob der Hr. Volckmann bei der etwaigen Wiederwabhl zu bestätigen sei, so will ich mir darüber in diesem Augenblick das Urtheil vorbehalten, ich habe nicht die Verpflichtung, zu präjudiziren in einer Sache, die ich erschöpfend nicht kenne. Das wird der Hr. Abg. Dirichlet wohl auch anerkennen. “ 3 Nun kommt der Herr Abgeordnete mit einem ihm sehr nabe⸗ stehenden Herrn, der nicht zum Kreisdeputirten bestätigt ist. Die Sache hat auch noch nicht in der Ministerialinstanz geschwebt, son⸗ dern der Hr. Ober⸗Präsident von Horn hat sich, wie ich annehme, aus zutreffenden Gründen, bewogen gefunden, die Nichtbestätigung des Herrn zum Kreisdeputirten auszusprechen. Es ist ja möglich, daß darüber noch künftige Verhandlungen stattfinden, einstweilen liegt mir dieser Gegenstand nicht zur Beurtheilung vor. Ebenso muß ich mich aussprechen in Bezur auf die Goldaper Sache. Ich weiß von der Sache des Hrn. Mielke bis jetzt nichts, ich muß also abwarten, ob und welche Beschwerden an mich gelangen. 2 Nun komme ich zu dem letzten Fall und der, gestehe ich, ist mir persönlich schmerzlich, denn Hr. Ahrens aus dem Kreise Lyck, dessen wiederholte Nichtbestätigung der Hr. Abg. Dirichlet zu einem sehr scharfen Angriff gegen mich gemacht hat, ist ein mir wohlbekannter und von mir in meiner früheren amtlichen Stellung hochgeschätzter Mann; ich habe ihn, während ich Präsident in Gumbinnen war, näher kennen gelernt und in ihm einen sehr geschäftsgewandten, um die Verhältnisse des Kreises sehr eifrig bemühten Herrn gekannt, und würde mich sehr gefreut haben, wenn seine 2 Thätigkeit den Selbstver⸗ waltungsgeschäften des Kreises hätte erhalten bleiben können. Das ist nun leider nicht der Fall. Ich kann sogar noch an die von dem Hrn. Abg. Dirichlet gemachte Mittheilung die zweite knüpfen, daß Hr. Ahrens nach Ablauf der sechsjährigen Periode, für welche er zum Amtsvor⸗ steher ernannt worden war, auch in dieses Amt von dem Herrn Ober⸗ Präsidenten nicht wieder eingesetzt ist, ich muß hinzufügen: nicht wieder hat eingesetzt werden können. Hr. Ahrens hat sich bei mir
darüber beschwert im September vorigen Jahres, nachdem die Ober⸗ Präsidialinstanz erschöpft war, und ich habe selbstverständlich das sehr umfangreiche Beschwerdematerial dem Herrn Ober⸗ Präsidenten zur Berichterstattung mitgetheilt. Der Herr Ober⸗ Präsident hat berichtet, und der Bescheid an Hrn. Ahrens ist ergangen, von mir expedirt und abgegangen, und lautet allerdings ablehnend. Und, meine Herren, ich fagte vorhin, es schmerze mich, daß ich das hier mittheilen müsse, und ich finß daran die Mittheilung knüpfen, daß auf beiden Gebieten, sowohl auf dem engeren polizeilichen als Amtsvorsteher, als auf dem der Kreis⸗Kommunalverwaltung als Kreisdeputirter, die Bestätigung nicht hat erfolgen können, und daß die Gruͤnde dafür derartige sind, daß ich sie hier aus Schonung für den bürgerlichen Ruf des Hrn. Ahrens nicht mittheilen kann. Es thut mir leid, daß der Hr. Abg. Dirichlet nicht etwas sorgfältiger diese für mich sehr peinliche Sache vorher erwogen hat, bevor er sie hier zur öffentlichen Diskussion gestellt hat, er würde dem Hrn. Ahrens, glaube ich, damit einen sehr viel besseren Gefallen gethan haben, als durch die Art und Weise, mit welcher er in völlig unvorbereiteter und — ich muß es sagen — voreiliger Weise Angelegenheiten, die für einen Privat⸗ mann von so großer Wichtigkeitssind, hier zur Sprache bringt. Ich habe als Minister nur die Verpflichtung, die mir vorliegenden That⸗ sachen zu prüfen und darnach zu entscheiden, und ich wiederhole, ich habe sie so entscheiden müssen, weil ich im Interesse des öffentlichen Dienstes nicht anders entscheiden konnte. Ich hätte gern dem be⸗ treffenden Herrn die nicht angenehme Situation, in die er durch den Herrn Abgeordneten Dirichlet gebracht ist, erspart, indessen letzterer hat es nicht anders gewollt.
Meine Herren! So leid es mir auch thut, so oft das Wort er⸗ greifen zu müssen, aber der Abg. Richter hat es veranlaßt und also muß ich noch einige Minuten um Ihre Geduld bitten. Er erwähnte eines Falles, der in der Gegend von Potsdam vorgekommen ist — ich glaube Nowaweß ist es gewesen — wo eine Versammlung deshalb von dem überwachenden Polizeibeamten aufgelöst worden ist, weil die Bescheinigung der Anmeldung nur unterstempelt und nicht mit der Unterschrift des Amtsvorstehers versehen gewesen ist. Ich babe diesen Fall zur Kenntniß genommen und babe allerdings ihn zum Gegenstand einer amtlichen Untersuchung deshalb nicht gemacht, weil ich glaube — der Abg. Richter hat dies auch anerkannt — vom formellen Stand⸗ punkt aus es als korrekt zu betrachten ist, daß die bloße Unterstem⸗ pelung der Unterschrift des zuständigen Beamten nicht gleich zu achten ist. Denn ich muß doch sagen, es würde dem Unterschleif Thür und Thor geöffnet sein, wenn man ein beliebiges Siegel unter allen Um⸗ ständen als Aequivalent für eine amtliche Unterschrift ausgäbe. Ich bin also der Meinung, daß der betreffende Beamte besser gethan hätte, bei der wahrscheinlich ganz unverdächtigen und zweifellos vor⸗ liegenden Thatsache der wirklich erfolgten Anmeldung sich zu beruhigen und die Versammlung in Ruhe stattfinden zu lassen. Ich halte das für nicht geschickt. 1
Wenn sodann der Abg. Richter meinte, meine Ausführung über den Staats⸗Ministerialbeschluß gegenüber den Inseraten hätte ihm den Eindruck erweckt, als wäre der Staats⸗Ministerialbeschluß vom Jahre 1874 durch einen anderweitigen ersetzt worden, dann bitte ich doch, meine Worte noch einmal lesen zu wollen. Der Staats⸗ Ministerialbeschluß vom Jahre 1874 besteht in voller Kraft und ich Pensge baß meine Verwaltung auf demselben Boden steht, wie dieser
eschluß.
Der Herr Abgeordnete hat dann zur Sprache gebracht das Ver⸗ fahren des hiesigen Polizeipräsidiums mit Bezug auf die Behandlung politischer Versammlungen von Seiten des hiesigen Polizeipräsidiums, und hat erklärt, man koͤnnte darüber Beschwerde führen, daß in dieser Beziehung ohne bestimmtes Prinzip verfahren worden sei, und daß man namentlich die Seite der Sache, welche das Sozialistengesetz betrifft, nicht gehörig beachtet habe. Meine Herren, in dieser Bezie⸗ hung liegt mir ein so überaus reiches Material vor, daß ich aller⸗ dings gewünscht hätte, wir hätten die Sache einmal abge⸗
sondert ex professo behandelt. Aber da sie jetzt einmal zur Sprache gebracht ist, darf ich mir vielleicht erlauben, auf die⸗ selbe mit einem Worte zurückzukommen. Als die Berliner
Wahlbewegung begann, habe ich mit dem Hrn. Polizei⸗Präsidenten von Madai sehr sorgfältig in einer gemeinschaftlichen Konferenz er⸗ wogen, wie das Verhalten der hiesigen Polizeibehörde gegenüber den ja wahrscheinlich zu einer wahren Sturmfluth der Zahl nach an⸗
wachsenden politischen Versammlungen sich zu gestalten habe, und er
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hat auf Verabredung mit mir die Erekutivorgane dahin j daß die deeereeehe ihre Aufmerksamkeit bei d wachung politischer Versammlungen namentlich auf zwei Gen punkte richten sollten, daß sie einschreiten sollten wenn de sammlung einen derartig tumultuarischen Chatakte: „e e⸗ 8 ein ruhiger Verlauf derselben nicht mehr garantir ät daß man befürchten müßte, es käme zu thatsächlichen 3 nissen, und zweitens, daß sie besonders ihr Augenmerk darauf g sollten, ob und welche sozialdemokratischen Ausschreitungen chten dem §. 9 des Sozialistengesetzes unterliegen, in derartigen Ve 8 lungen vorkommen würden. — Das ist der Inhalt miederholtlonn⸗ struktionen, welche der Hr. Polizei⸗Präsident von Madai 8 Organe der hiesigen Polizei erlassen hat. Nun ist es ja allnine richtig, daß dessenungeachtet einzelne Fälle vorgekommen sin 8 welchen man zweifelhaft sein kann, ob die Polizeibeamten sih u wichtigen Aufgabe, die ihnen hiermit überwiesen war, in be Maße gewachsen gezeigt haben. Aber, meine Fernen, bo nnls denn doch, für sehr starke mildernde Umstände plaidine dürfen, Bedenken Sie zunächst folgende Ziffer. Es siah 9 der Zeit vom 1. Oktober 1880 bis dahin 1881 tn an⸗ nicht weniger als 2228 politische Versammlungen abgehalten Süee und allein im Oktober des vorigen Jahres 645 dergleichen Verig 8 lungen, also durchschnittlich mehr als 20 täglich. Jede diese ae sammlungen, meine Herren, mußte durch Polizeibeamte, wir h de schrift ist, überwacht werden. Nun stehen der Berliner Paltizs uer zahlreiche und geschulte Kräfte auf diesem Gebiete zur Fi nu Aber, meine Herren, wenn so außergewöhnliche Verhältnisse dinen dann kann man es entschuldbar finden, daß im einzelnen hal-n Polizeibeamter einmal bei der Abmessung der Momente, big, n Auflösung führen, sein Urtheil nicht vollkommen beisam in zur Auflösung schreitet, die vielleicht, wenn er in ganz 8 stande sich befunden hätte, nicht geschehen wäre. Bedenken Sie, daß alle diese Beamten neben diesett vergnügen noch ihren Tagesdienst hatten und dieser Tagechn nicht gering; es hat Jeder da sein Revier zu verwalten, mm nach des Tages Last und Hitze um 8 Uhr Abends eine deh Versammlung von Tausenden von Menschen bis Mitternacht ze ie wachen, meine Herren, das ist eine Anspannung der geistiget in körperlichen Kräfte, die, glaube ich, über das Mittelmaß hin und wenn da wirklich einmal ein gewiß nicht beabsichtigter L in dem Verhalten des betreffenden Beamten vorkommt, so mzu ich ihm daraus noch keinen Vorwurf machen; und ich kann dies iic hier öffentlich aussprechen, daß im Großen und Ganzen wohl selta eine Polizeibehörde oder vielleicht nie mit einer solchen Korrkthhz. und Humanität verfahren ist, wie die hiesige Polizei, und der sezg Polizei⸗Präsident Herr von Madai ist ja aus diesem Grunde un mit gutem Grunde in Berlin ein außergewöhnlich beliebter und se⸗ pulärer Mann. Nun will ich Ihnen, meine Herren, die Ptaset⸗ ziffer der Auflösungen gegenüber den stattgefundenen Versammlunge mittheilen. Es sind also im Ganzen von 2228 Versammlunge aufgelöst 35, mithin 1,5 %, und in den letzten Monaten vorze Wahl, wo die Wellen schon sehr hoch gingen, sind aufgeli von 645 Versammlungen 11, also der Prozentsatz hat um ein Geringes gesteigert, von 1,5 zu 1,7 %. Nun, der Hem Abg. Richter hat es zwar nicht ausgesprochen, ich glaube, es hat iud nicht in seiner Absicht gelegen, aber man könnte, da doch der Ve⸗ wurf aus seinem Munde kam, zu dem Gedankken gelangen, bei diese Auflösungen hätten politische Momente mitgewirkt. Nein, mii Herren, ich habe die Liste der Versammlungen, die aufgelöst sied vor mir, und darunter finden sich eine ganze Anzahl Versammlunge die ausdrücklich als antifortschrittlich bezeichnet sind. Eine schwien Operation für den betreffenden Beamten ist es ja in den einzer Fällen, zu beurtheilen, wenn in einer öffentlichen Versammlung Sozialdemokrat das Wort nimmt, wann der Zeitpunkt gekommen wo er einzuschreiten hat. Das Oktobergesetz vom Jahre 1878 doch nun einmal den Behörden eine schwere und ernste Verantwo lichkeit auf, und wenn ein überwachender Beamter, der, trotzdem, da Bestrebungen in solchen Versammlungen hervortreten, die unter den S§. 9 des Gesetzes fallen, es verabsäumen würde, einzuschreiten, st würde er sich andererseits einer schweren Pflichtverletzung schulde machen. Ich glaube, wir werden doch gut thun, auf diesem Geb mit dem ÜUrtheil über die Beamten einigermaßen nachsichtig zu s⸗ und anzunehmen, daß das hiesige Polizei⸗Präsidium in der sehr schw̃. rigen Lage, in der es sich befand, allen den Ansprüchen gerecht werden, im Großen und Ganzen das Richtige getroffen hat. Ich b übrigens durchaus nicht in dem Mißverständniß befangen, welce der Hr. Abg. Richter vorauszusetzen scheint in Bezug au die Thätigkeit des Polizei⸗Präsidiums, anlangend die Wiähle listen. Mir ist es wohlbekannt, daß der Magistrat und nicht da Polizei⸗Präsidium es ist, dem die Anfertigung der Wählerlisten ch liegt, also auch die Ausgabe von Extrakten daraus zufallen wütze Ich habe sehr wohl den Fall im Gedächtniß; er bezieht sich dumßt daß das Polizei⸗Präsidium, nachdem nach der Wahl ihm quß Mittheilungen zugegangen waren, daß Vnberechtigte. ir Wäblerliste sich befinden, die auf diese Thatsache ezüglichen Etch b- die es hatte anfertigen lassen, Privatpersonen ausgehändigt b“ es ist meine Meinung, daß es gut daran thun würde, dies itttz. zu unterlassen. 8 Schließlich erwähne ich nun die Beschwerde des Hen Ih. Richter wegen der Flora. Ich habe darüber Erkundigungen en⸗ gezogen und ich muß mich heute hier auf die Erklärng schränken daß die Resultate derselben allerdings anders ausgefalen sind, wie die Mittheilung des Abg. Richter bezüglich der Eimirtung des Polizei⸗Direktors von Saldern auf eine in der Flora abiuhaltende politische Versammlung. Die Thatsache selbst wird jn nach den Beschluß des Reichstags Gegenstand einer, ich weiß nicht, ob kichter licher oder allgemein amtlicher Erörterung sein, und da wird sih denn der wahre Thatbestand ergeben. In diesem Augenblick bin ich nur in der Lage zu erklären, daß nach den bis jetzt vorliegenden ormationen die Sache in wesentlichen Punkten anders liegt, al Abg. Richter es voraussetzt.
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Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Die in Leipzig, am 25. d. M. erscheinende Nr. l 8 „Illustrirten Zeitung“ enthält folgende Abbildungm. 9 Eröffnung der Berliner Stadtbahn durch eine Umfahrt des köa. paares am 6. Februar: Besichtigung des Bahnhofs Alexanderglan Originalzeichnung von H. Lüders. — Uebersicht der Berliner s. und Ringbahn. — Die Berliner Stadtbahn: Der Centralbahnh in der Friedrichstraße. Originalzeichnung von H. Lüders. — Portri aus dem deutschen Reichstag: 12. Rudolf Virchow. — Ansicht en Theils von Merw in Centralasien. Nach einer Skizze von 9' Do novan, dem Reporter der „Daily News“. — Aus dem Salzkanme gut: Ausblick von der Hütteneckalpe bei Ischl auf den Dachstrin u den Hallstädter See. Nach einer Zeichnung von L. Beftändig. Mme Edmond Adam. — Die Investitur des Königs Albert 8 Sachsen mit dem Königl. großbritannischen Hosenbandorden im Paradesaal des Königl. Schlosses zu Dresden am 17. Fe e.
riginalzeichnung von F. W. Heine. — Die Insignien des 879 bandordens. — Vom dalmatinisch⸗herzegowinischen Aufstand. bildungen. Nach Skizzen von unserm Spezialzeichner; 1) efe Terra zu Castelnuovo. 2) Castel Spagnuolo zu Castelnuovo. 8u bringung gefangener Jusurgenten durch die Porta Terra zu Ga nuovo. — Am Leuchtthurm von Mumbles bei Swansea. scein wales. Aus dem illustrirten Werk „Nordlandfahrten G 88 F., Hirt u. Sohn). — Das Riesenmädchen Marian. 1 g Zeichnung von E. Hosang. — Polpytechnische Mittheilun Wagnersche Anzündelaterne. 2 Figuren.