griffen gegenüber, welche die beiden Vorredner Herr Dr. Dove und Herr Professor Dr. Beseler gegen die Vorlase gerichtet haben, muß ich doch ganz kurz den Inhalt wiederholen. I Was will denn die Vorlage? Die Vorlage will sich einfach auf denjenigen Standpunkt stel⸗ len, der in Ansehung der Anstellung von Geistlichen früher im preu⸗ ischen Staate in den alten wie in den neuen Landestheilen bestanden 8 — ferner auf denjenigen Standpunkt, der in anderen deutschen Ländern und in anderen außerdeutschen Ländern wie Oesterreich, die mit Preußen genz ähnliche Verhältnisse haben, heute bestehen, und zwar bestehen ohne Beschwer für den Staat und ohne Beschwer für die kathokische Kirche. Die Konsequenz dieses Prinzips ist eben die, daß in Ansehang der oberen Geistlichen eine Mitwirkung des Staats bestehen bleiben soll, ehe dieselben in ihr Amt eintreten. Ich will das jetzt nicht weiter ausführen, denn ich habe schon oft darüber ge⸗ sprochen, wie solche staatliche Mitwirkung Jahrhunderte lang deutschen Rechtes gewesen ist, und wie ich an der Hoffnung festhalte, daß dasjenige, was in anderen Staaten zu Recht besteht, auch für Preußen billig ist. Aber auch vor Einführung der Verfassungsurkunde ist es da nur der Fall gewesen, daß in Ansehung der Geistlichen, welche unterhalb der Pfarrer und Pfarrverweser stehen, also in Ansehung derjenigen Seel⸗ sorgegerstlichen, die bestimmungsmäßig ad nutum stehen, der Vikare und Kapläne, so weit sie nicht feste Benefizien haben, wie überhaupt der Stellvertreter und Hülfsgeistlichen, daß bezüglich deren eine Mit⸗ wirkung des Staates nicht eingetreten ist und ich halte es für einen richtigen und großen Gesichtspunkt, 889 der preußische Staat die Kurie und der katholischen Kirche einen Zustand offerirt, welcher in anderen Ländern zum Segen ihrer Glaubensangehörigen besteht und lange Jahrzehnte hindurch in Preußen ohne Beschwer bestanden hat. Eine weitere Ausdehnung dieses Gedankens hat dazu geführt, auch in formeller Beziehung eine Aenderung eintreten zu lassen und den kirchlichen Gerichtshof, welcher nur durch die Amendements des Abgeordnetenbauses im Jahre 1873 entgegen der Vorlage der Regie⸗ rung in das Gesetz eingeführt ist, zu eliminiren und den Kultus⸗Mi⸗ nister an die richtige L“ Stelle zu setzen. Im Zusammen⸗ hang hiermit kann ich gleich auf den Haupteinwand des Herrn Prof. Dr. Dove zurückgreifen. Derselbe bedauert — wie er sagt — auf das tiefste, daß nach der Vorlage in Ansehung der Rechtskontrole ein Rückschritt gegen den jetzigen gesetzlichen Zustand eintrete. Ich will nicht aus den Kommissionsverhandlungen Näheres mittheilen, ich beschränke
mich auf die Andeutung, daß wir die von einem Kommissionsmitgliede, welches mindestens dieselbe Autorität und Kenntniß in diesen Fragen besitzt, wie Herr Dr. Dove, die ausdrückliche Anerkennung habe aus⸗ sprechen hören, daß es aus sachlichen Gründen richtig und erwünscht sei, auf diesem Gebiet den kirchlichen Gerichtshof aus der kirchen⸗ politischen Gesetzgebung wieder auszuscheiden. Es wurde mir Seitens des Herrn Vorredners entgegengehalten, daß die Rechtskontrole in den Händen eines Gerichtshofes nothwendig sei im Interesse der evangelischen Kirchen. Mit Unrecht, in den 10 Jahren, in welchen der Einfluß des Gerichtshofes besteht, haben die Evangelischen nicht ein einziges Mal Beschwerde bei demselben erhoben, und ich sollte meinen, die Bedeutung des Faktums ist nicht zu übersehen. Die evangelische Kirche ist überhaupt nach dem Gesetze vom 11. Mai 1873 kaum in der Lage, sich mit Beschwerden uͤber Ein⸗ sprüche des Ober⸗Präsidenten zu befassen, weil die Anstellung der evangelischen Geistlichen fast ausnahmslos durch Königliche Behörden erfolgt und, wo Königliche Behörden die Anstellung von Geistlichen bewirken, ist überhaupt nach dem Gesetz selbst ein Einspruchsrecht des Ober⸗Präsidenten für üierschloflen zu erachten. Was die Kontrole zu Gunsten der Altkatholiken anbetrifft, so ist, wie richtig hervor⸗ gehoben, allerdings ein Mal ein solcher Fall der Beschwerde gegen einen Einspruch eingetreten, auch ist die Beschwerde zu Gunsten des altkatholischen Bischofs gegen den Ober⸗Präsidenten ent⸗ schieden. Ich kann aber auch hier im Zusammenhang nur wieder⸗ bolen, daß gerade dieser Fall mir völlig klar gemacht hat, daß im Wege einer Rechtskontrole die Frage über die Gegründet⸗ heit des Einspruchs nicht zu entscheiden sei, und, meines Erachtens, empfiehlt es sich auch bei Regelung des Beschwerdeweges der Gesetz⸗ gebung anderer Staaten zu folgen, welche in die Hand des Kultus⸗ Ministers die letzte Entscheidung gelegt hat. Hierbei leitet mich auch noch ein Grund von allgemeiner politischer Bedeutung, welcher alle Kirchen⸗ und alle politischen Parteien berührt. Das ist die Verantwortung des Kultus⸗Ministers vor dem Lande. Ein Gerichts⸗ hof ist niemals verantwortlich, aber der Kultus⸗Minister ist verant⸗ wortlich und muß Rechenschaft geben über die Prinzipien, die seine Handlungen leiten.
Sehr sympathisch haben mich die Worte berührt, welche Herr Prof. Dr. Dove in Anfehung des Artikels 3 — er nannte zwar Artiel 5, aber er meint wohl den jetzigen Artikel 3 — gesprochen hat. In der That ist der Artikel 3 der Vorlage, wie er jetzt zu Ihrer Beschluß⸗ fassung steht, in Verbindung mit Artikel 5, des Gesetzes von 1880, bestimmt und geeignet eine Reihe tiefgreifender Unbequemlichkeiten zund Unzuträglichkeiten zu beseitigen, unter denen die Ausübung der Seelsorge gegenwärtig noch leidet. Es ist künftig, wenn die Vorlage Gesetz wird, aller Maßen möglich, daß die einzelnen Amtshandlun⸗ gen, sofern sie überhaupt von gesetzmäßig angestellten Geistlichen geübt werden, nicht mehr unter die Kontrole des Strafrichters fallen, und daß die religiösen Handlungen, die wir unseren katholischen Mitbürgern von ganzem Herzen gönnen, durch einen gesetzmäßig angestellten Geistlichen in dem weiten (Uenfang der Monarchie anstandslos vollzogen werden können, sofern nur nicht der betreffende Geistliche die Handlung so einrichtet, Laß anzunehmen ist, er wolle sich ein Amt anmaßen. In dieser Bezishung machen wir einen sehr annehmbaren Fortschritt, und, wenn man diese beiden von mir genannten Bestimmungen neben⸗ einander hält, wird sich der Charakter der Vorlage dadurch als ein eminant wohlwollender und friedliebender den christlichen Kirchen, ins⸗ besondere der katholischen gegenüber kennzeichnen.
MWas zu Art. 4 „(oder früher 5 a.) in Ansehung der bischöflichen Weihhundlungen bemerkt worden ist, dem kann ich nur meinerseits zustim⸗ men, mie dies in sehr wohlwollender Weise auch Namens der Kommission Seitens des Herrn Keferenten geschehen ist. Die Staatsregierung hat kein Bedenken gegen den Vorschlag des Abgeordnetenhauses, (dessen Kommissson den Art. 4 in Anregung gebracht hat, auch wir ssind dafür, daß die staatlich anerkannten Bischöfe diezenigen Sakra⸗ mente, die den Bischöfen vorbehalten sind, mauch spenden dürfen in Unterstützung ihrer Amtsbrüder in anderen Diszesen, aber auch in derjenigen Diözesen, welche im staatlichen Sinne erledigt sind.
Wenn äch so in großen Umrissen den Charakter der Vorlage ge⸗ kennzeichnet habe, so gehe ich nunmehr über zu den Beurtheilungen, welche der Borlage namemlich in diesemn hohen Hause zu Theil ge⸗ worden sind. 8
Herr Dr. Dove hat an wie Spitze seiner Bemerkungen den Tadel gestellt, daß ihen die Art der novellistischen Form der Vorlage sehr unsympathisch sei, er hat aser in seinen weiteren Ausführungen es mir zum besonderen Verdienst angerechnet, daß ich auf das in allgemeinen Ausdräcken gehal tene Verlangen nach einer orgamischen Rerision entgegenkommende Erkläͤrungen nicht abgegehen habe. Wenn man diese beiden Gedankengänge eingehender verfolgt, so liegt in ähnen maines Erachtens ein Widerspruch. Ich habe, wie ich meine mit Recht, ausgesprochen und wiederhole es hier: ich betrachte es gerade als eine Stärke der Vorlage, daß über den schwierigsten Punkt unserer ganzen kirchenpolitischen Gesetzgebung in konkreter Weise eine besondere Vorlage gemacht ist, und über die Vorlage konkret ohne Rücksicht auf andere Materien abgeurtheilt werden muß, und knüpfe hierbei, wie ich es schon bei anderer Ge⸗ legenheit gethan habe, gern an die Worte Ihres Herrn Refe⸗ renten an, der im vorigen Jahre ganz richtig den Finger auf die⸗ Fenige e- Uegt . 88 offen bleiben müßte, wenn der Art. 5 der vorjährigen Vorlage nicht in irgend einer nahme ITTö 8 würde. 8 Im Großen und Ganzen haben die Urtheile über die rlage sehr freundlich gelautet; immerhin sind auch hier die Beie, Vorlag⸗ sätze angedeutet, welche sich bei der Beurtheilung gezeigt haben: ein⸗ mal, daß die Gesetzesvorlage vom Standpunkte der Katholiken ein Nothgesetz sei, sodann, daß sie nach dem Standpunkte, den Herr Dr, Befeler eingenommen hat, nichts anderes sei, als ein Hinwegräumen,
ein Hinwegwerfen aller staatlichen Sicherungsmittel. Beide gegensätzliche Beurtheilungen halte ich für gleichmäßig un⸗ richtig. Immer mehr hat sich durch die Diskussion
auch im anderen Hause herausgestellt, daß das Gesetz, wenn es auch in novellistischer Form auftritt, ein sicheres und festes Prinzip ent⸗ hält, und auf großen und weiten Gesichtspunkten beruht, und ich möchte annehmen, schon die wenigen Worte, welche ich bisher über die Bedeutung des Gesetzes gesprochen habe, werden Ihnen diese Auffassung bestätigt haben. Die Form des Gesetzes hat, wie sich nicht verkennen läßt, Anlaß geben können zu der Annahme, als handele es sich hier immer nur um Abstreichen, um ein Abbröckeln bestehender Bestimmungen. Mit Unrecht, denn dasjenige, was übrig bleibt, stellt ein ganz festes, klar durchdachtes System dar, ein System welches Jahrzehnte, ja Jahrhunderte lang, in deutschen Staaten erprobt wor⸗ den ist. Indem ich dies ausspreche, trete ich der Aeußerung des Herrn Dr. Beseler bestimmt entgegen, als ob die Regierung irgend wie die Waffen niederlegen wollte, ehe es, wie er meinte, zur eigent⸗ lichen Verhandlung mit der Kurie käme, als ob die Regierung schwach sei, ohne entsprechende Gegenleistung Alles hingeben wolle. Ja, er schloß damit, daß er die ganze Vorlage als eine höchst traurige, als ein Zeichen einer bösen Reaktion bezeichnete. (Widerspruch).
Das Wort „Reaktion“ ist gefallen, und die Worte „höchst traurig“ ist auch gefallen.
(Dr. Beseler: Reaktion ja, aber in einem ganz anderen Sinne.)
Schön, dann bin ich gern bereit, mich über diesen Sinn belehren zu lassen. Dem mag nun sein, wie ihm will, j denfalls war die Be⸗ urtheilung eine scharfe, ablehnende. Meine Herren! Es ist nicht angenehm, solche Worte sich sagen lassen zu müssen; aber wenn Sie sich die frühere Gesetzgebung des eigenen Landes ansehen, die Gesetz⸗ gebung anderer Staaten, so fallen alle diese herben Vorwürfe schon damit hinweg, wern Sie sich entsinnen, daß bereits in anderen Staaten, das besteht, was die Staatsregierung jetzt für Preußen anstrebt. Als Oesterreich seine Gesetzgebung im Jahre 1874 machte, hat es genau denselben Standpunkt eingenommen, wie ihn die Staatsregierung in Preußen im Jahre 1883 einnehmen will. Es ist damals der öster⸗ reichischen Regierung nicht der Vorwurf gemacht worden, sei es, daß sie ohne Fühlung mit der Kurie die Sache betrieben,
sei es, daß sie zu wenig die staatlichen Rechte wahre. Ebenso ist es in Württemberg und Baden gewesen;
es bleiben als solche Staaten, die etwas schärfer die Zügel anziehen, nur das Großherzogthum Hessen und das Königreich Sachsen übrig. Alle übrigen Staaten aber, mit denen wir uns vergleichen können, einschließlich Braunschweig, Sachsen⸗Weimar, Oldenburg, Elsaß⸗ Lothringen, gehen in ihrer Mitwirkung bei Besetzung von geist⸗ lichen Stellen nicht weiter als die preußische Regierung es Ihnen hier vorschlägt. Wenn man sich dieses Bild gegen⸗ wärtig hält, so gehört eine gewisse entschlossene Bestimmtheit der Auffassung dazu, mit solchen Vorwürfen der Staatsregierung entgegenzutreten, wie es geschehen ist.
Herr Dr. Beseler brachte dann eine weitere Reihe von Symptonen
herbei, um aus diesen zu deduziren, das Centrum wolle keinen Frieden, die Kurie wolle keinen Frieden, und wir treiben fortwährend neuen unfriedfertigen Zuständen entgegen. Meine Herren, ich kann nicht prophezeien, aber immerhin ist es sehr schwer, aus einzelnen Symptonen ein weiteres Recht herleiten zu wollen, als für das einzelne Individuum das Recht gegen eine Vorlage einzutreten. Aber daß durch diese Symptome nunmehr die Staatsregierung sich genöthigt sehen solle, das, was sie im Interesse der Katholiken und des Staats — ich wiederhole es auch hier — für richtig und noth⸗ wendig erkennt, nicht zu thun, das vermag ich nicht einzusehen. . Ueber die einzelnen Fragen — ich will nur damit bekunden, daß ich sorgfältig zugehört habe — möchte ich in das Detail nicht ein⸗ treten, aber doch daran erinnern, daß ich meine Stellung zu den ge⸗ mischten Ehen schon längst eingenommen und gekennzeichnet habe, und die Staatsregierung theilt meine Auffassung. Die Frage der Inter⸗ kalarien ist Seitens des Herrn Vorredners eingehend erörtert, so daß ich Gefahr laufen müßte, den Charakter der gegenwärtigen Dis⸗ kussion zu verschieben, wenn ich mich in gleicher Weise darüber ver⸗ breiten wollte. Der geehrte Herr Vorredner hat Recht gehabt, die Beurtheilung des fraglichen Erlasses ist eine Rechtsfrage, und wenn es eine Rechtsfrage ist, so habe auch ich im Abgeordnetenhause Recht gehabt, wenn ich mich in dieser Beziehung vorsichtig und zurückhaltend geäußert habe. Ich habe erklärt und erkläre, ich stehe hinsichtlich der Rechtsfrage in manchen wesentlichen Punkten auf einem anderen Standpunkte, als der Fürstbischof, aber um deswillen kann ich mich nicht entschließen, sofort zu Felde zu ziehen auf dem Gebiet der kirchenpolitischen Vorlage, und eines möchte ich noch hinzufügen — ich will den Fürstbischof nicht vertheidigen, ich will nur ob⸗ jektives Recht vertreten — der Herr Dr. Beseler rechnete es dem Fürstbischof sehr zu Ungunsten an, daß er, kennend die guten Intentionen der Staatsregierung, gleichwohl in dieser Sache so vorgegangen sei, wie es geschehen. Dem gegenüber muß ich erwähnen nur der historischen Gerechtigkeit wegen, daß sein Erlaß vom 19. März datirt, daß der Fürstbischof also gar nicht in der Lage war, über die Intentionen der Staatsregierung unterrichtet zu sein, da die Vorlage vom 5. Juni, die Note vom 5. Mai datirt. Nur das ist richtig, daß die Verfügung vom 19. März später bekannt ge⸗ worden ist als die Vorlage der Staatsregierung, und auch ich habe sie zuerst aus den Zeitungen kennen gelernt.
Es wurde nun noch — das war ja eine Bemerkung, die ihre Schärfe gegen den Justiz⸗Minister und den Kultus⸗Minister wandte — auf den §. 3 des Gesetzes vom 13. Mai 1873 Bezug ge⸗ nommen und deduzirt, daß der Fürstbischof dem Kriminalrichter bercits verfallen sei, weil er den Kirchenvorständen die Perspektive auf die Exkommunikation eröffnet habe. Es ist das eine Frage, die weder mein Herr Nachbar zur Rechten, noch ich zu entscheiden haben, sondern die eben vom Strafrichter zu entscheiden ist, denn unsere Einwirkung auf die Richter und Staatsanwälte ist, wie den
erren bekannt ist, eine überaus geringe, eine Fakultät der politischen
inister in Ansehung der genannten Bestimmung besteht nicht. Aber auch hier möchte ich um der Gerechtigkeit willen den geehrten Herrn Redner bitten, daß er den §. 2 desselben Gesetzes auch einmal prüfe, der im Zusammenhange mit §. 3 steht. Schon er selbst hat in feinen Deduktionen darauf hingewiesen, daß die Androhung von Zuchtmitteln der Einwirkung des Strafrichters verfalle, wenn sie gegen ein Mit⸗ glied der Kirche gerichtet ist. Es ist bisher bei Auslegung des Gesetzes angenommen, daß solche gleichsam ausgesprochene Erklärungen, welche allgemein gehalten und nicht gegen einzelne bestimmte Mitglieder einer Kirche gerichtet sind, nicht unter die §§. 2 und 3 fallen.
Herr Dr. Dove greift weniger von allgemeinen Gesichtspunkten, sondern mehr aus speziellen Einwendungen die Vorlage an. Einen Punkt in Bezug auf die Rechtskontrole habe ich schon berührt. Weiter ging er klagend über Artikel 1 hinweg, indem er hervorhob, es sei unbe⸗ greiflich, daß man das Gesetz vom 11. Mai 1873 abändern wolle, da gleiche Bestimmungen auch in anderen Staaten erfüllt werden. Das ist doch nicht richtig. Wir wollen erst die Bestimmungen, die in anderen Staaten gelten, einführen, um damit den bestimmten Nachweis zu liefern, wie die preußische Regierung bestrebt ist, den Boden für eine friedliche fehandlung zu bereiten. Wenn wir ans künftig wieder über Kirchenpolitik unterhalten und die gegenwärtige Vorlage ist nicht zur Ausführung gelangt, so werden solche Deduktionen, wie Herr Dr. Dove gemacht hat, am Platze sein. Er ging ferner auf den Kern der Maigesetze über und beklagte blos, daß der Kern derselben verloren gehe und die Schale übrig bleibe. Der Kern der Maigesetze ist für ihn die Anstellungsfrage, und auch die Vorbildungsfrage. Ich kann mit Bezug auf letztere nur wiederholen, was ich an anderer Stelle ausgesprochen habe, die Vorbildungsfrage ist geregelt worden im vorigen Jahre nach dem Modus von Baden, aber allerdings nicht in der Weise, wie Herr Dr. Dove es jetzt möchte. Der badische Modus ist genommen nach dem Vorschlage der ihm nahestehenden politischen Partei und wenn Sie auch mit dem Kopfe schütteln, ich wiederhole, der badische Modus ist von „A. bis Z.“ ein Werk der Nationalliberalen. Die Gesichts⸗ punkte, welche die Regierung leiten, sind nicht schwer zu verstehen. Wir versuchen die Anstellung jetzt so zu regeln, wie sie in Baden 1860
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eregelt ist, wir haben im vorigen Jahre die Vorbildungsfrage so ge⸗ wie sie in Baden 1880 geregelt ist. Auf dieser Basis trat der Frieden ein zwischen der Kurie und dem badischen Staat, und wir Se abzuwarten, ob wenn in Preußen ein gleicher gesetzlicher Zu⸗ stand besteht, die Kurie bereit sein wird, den Bischöfen die Freiheit, die Mitwirkung des Staates bei Anstellung der oberen Geistlichen in Anspruch zu nehmen, wieder zu gewähren, die ihnen ingneuerer Zeit
entzogen ist ist der Blick, der auf
Wichtiger, als alle diese Betrachtungen, is r die Zukunft gerichtet ist, und die Frage, wie wirkt das Gesetz. welches wir heute berathen, und wie sind seine Folgen?
Das ist die Frage, welche die Regierung anzustellen hatte, ehe sie die Vorlage einbrachte und diese Frage gewinnt eine erhöhte Bedeutung, wenn wir am Schlusse einer großen Aktion stehen und auf den zurückgelegten Weg der Berathungen zurückblicken. Das Entscheidende ist der Artikel 1: Ertheilt die Kurie den Bischöfen die Ermächtigung, die Mitwirkung bei Besetzung der Pfarrämter und den gleichstehenden Aemtern eintreten zu lassen, stellt sich die Kurie auf den Boden des Gesetzes, so ist klar, daß auch für den Gegner des Gesetzes ein er⸗ wünschter friedlicher, hoffnungsreicher Zustand eintritt; denn auch diejenigen, die Herrn Dr. Dove politisch nahe stehen, haben immer durchblicken lassen, daß, wenn die Vorlage das erreiche, was sie anstrebe, auch sie selbst die Vorlage rückwärts billigen würden. In kirchenpolitischen Dingen sind Prophezeiungen besonders schwierig, aber nochmals ist zu konstatiren, daß ein Zustand etablirt wird, den wir alle mit voller Freude begrüßen würden. Ein Theil der Schranken, welche jetzt die Gesetzgebung gegen die freie Bewegung der Kirchen errichtet hat, sinkt man selbst dahin, andere Schranken wird die Königliche Staatsregierung fallen lassen können und auch die Parteien des Landtags werden gerne bereit sein, nachdem auf dem wichtigsten Gebiete eine freundliche Berührung eingetreten ist, die Hand dazu zu bieten, auch noch weitere Schwierigkeiten zu beseitigen. Darüber kann kein Zweifel herrschen. Allerdings ist von Herrn Grafen von Brühl angeführt worden, man solle sich nicht darin täuschen, die Vorlage würde nicht den Zweck erreichen, daß eine größere Anzahl von Geistlichen in die Seelsorge eintritt. Das gebe ich in gewisser Beschränkung zu. Aber vergessen dürfen wir nicht, daß wir im vorigen Jahre die Mittel gegeben haben, nach dieser Richtung erheb⸗ liche Erleichterungen zu schaffen, und daß, je länger der Art. 1 der Vorlage unausgeführt bleibt, je länger die Bischöfe es ablehnen, auf dem Boden dieses Gesetzes sich mit der Regierung ins Einvernehmen zu setzen, desto mehr für die katholische Kirche die Schwierigkeiten, geeignete Kräfte für die Seelsorge zu ver⸗ wenden, naturgemäß wachsen. 1 1 Was aber nach der Auffassung vieler Herren näher liegend erscheint, ist die zweite Alternative, die nämlich, daß die Bischöße eine Besetzung von geistlichen Aemtern unter staatlicher Mitwirkund nicht eintrefen lassen und es in Betreff der Ernennung von Geist⸗ lichen so bleibt wie es bisher gewesen. Auch bei diesem, den be⸗ rechtigten Erwartungen nicht entsprechenden, aber möglichen Zustande wird nach der Auffassung der Königlichen Staatsregierung folgender Gewinn sich ergeben und unverschränkt bleiben. die Erreichung eines Zustandes, daß eine Seelsorge für die Katholiken möglich ist. Wie ich schon vorher erwähnt habe, ist durch Artikel 3 der gegenwärtigen Vorlage in Verbindung mit Artikel 5 der Novelle von 1880 die ausreichende Möglichkeit gewährt, daß den Katholiken, welche von der Spendung der Sakramente und von dem Messelesen Tröstung und Heil erhoffen, dieselbe auch zu Theil werde. Das ist ein Gewinn, den die Katho⸗ liken ihrerseits zu verzeichnen haben. Aber auch das Konto der Königlichen Staatsregierung zeigt einen Gewinn, den nämlich, daß, wenn auf die angedeutete Weise eine Seelsorge ermöglicht ist, der Regierung nicht mehr der Vorwurf gemacht werden kann, daß sie Schuld habe, wenn so viele Katholiken ohne die Tröstungen der Re⸗ ligion leben und sterben und dieses irritirende und excitirende Mittel aus der allgemeinen Bewegung entfernt wird. Wenn Sie sich das in vollem Umfange vergegenwärtigen, so werden Sie den politischen Gedanken würdigen, daß die Regierung durch diesen Akt der Gesetz⸗ gebung sich auch des Druckes entledigen will, der sowohl innerhalb des Parlaments wie außerhalb desselben auf alle ihre Handlungen ausgeübt worden ist.
Aber, meine Herren, wir pflegen bekanntlich bei gesetzgeberischen Maßnahmen mehr nach der schwarzen als nach der rosigen Seite zu blicken. Die Staatsregierung hat sich daher nicht der Ansicht ver⸗ schließen können und dürfen, daß durch die Nichtausführung des Art. 1 auch Nachtheile, erhebliche Nachtheile eintreten können. Die Nach⸗ theile sind zunächst für die Katholiken selbst unverkennbar. Unsere deutschen Gemeinden verlangen einen festen Pfarrer und der deutsche Pfarrer eine feste Gemeinde; darüber ist kein Zweifel, und mögen auch einzelne Bischöfe seit Jahrzehnten eine andere Praxis haben ein⸗ führen wollen, das Ziel und das Ideal, welches unseren Gemeinden und Pfarrern vorschwebt, sind unverändert geblieben. Klar würde vor Allem sein, daß wenn hier Seitens der Leiter der Diözesen ein Wandel geschaffen würde, dem Klerus jedenfalls der ausreichende Nachwuchs fehlen würde. Denn, wie ich schon in der Kommission hervorgehoben, der junge Katholik, der sich dem theologischen Stu⸗ dium widmet, empfängt im Allgemeinen die erste Anregung nicht von sich, sondern von den Eltern, und die Schichten unseres Volkes, aus welchen erfahrungsmäßig die Mehrzahl der katholischen Geistlichen hervorgeht, werden ihre Söhne nicht einer ungewissen Zukunft aus⸗ setzen wollen, denn auch ihr Ideal, ist und bleibt der Pfarrherr. Nun will ich nicht verkennen, daß die Bedenken, welche anknüpfen an die frühere Thätigkeit der Bischöfe in Cöln und Posen, dem Gedanken Raum geben können, als würde die missionirende Thätigkeit der katholischen Geistlichen immer mehr Platz greisen, und ich kann es der konservativen Partei des andern Hauses nur hoch an⸗ rechnen, daß sie auch nach dieser Richtung hin den warnenden Finger dem Hause und dem Lande gegenüber erhoben hat. Ich kann dem weiter hinzufügen, daß auch in zahlreichen Kreisen der Katholiken, namentlich außerhalb des Landtages, auch in leitenden Kreisen die ernste Besorgniß besteht, daß, wenn der Art. 1 nicht zur Ausführung gelangt, die Verhältnisse der katholischen Gemeinden und der katho⸗ lischen Geistlichkeit schwer geschädigt werden. Denn auch darüber herrscht kein Zweifel und es liegt in der Natur der Verhältnisse, daß die — ich will mich vorsichtig ausdrücken — mangelnde Fähigkeit der jüngeren katholischen Geistlichen, sich leiten zu lassen, in der That in einer für die katholische kirchliche Ordnung immer unbe⸗ qguemer sich gestaltenden Weise hervortritt und daß die Seel⸗ sorge, die nach dem sogenannten irischen Modus namentlich in Posen eingeführt ist, nicht diejenigen Vortheile mit sich bringt, die, wenn man die Sache im Landtage diskutirt, ihr zuschreiben möchte, sondern daß gerade in Posen man die sog. Maivikare in katholischen Gemeinden zuweilen lieber ziehen als kommen sieht. Verkennen will ich andererseits nicht, daß auch für den Staat aus der Nichtausführung des Art. 1 Nachtheile eintreten können — in welchem Umfang, steht dahin — aber was ich vor allen Dingen als sicheren Nachtheil in Aussicht nehmen muß — und hiermit wende ich mich vorzugsweise an den Herrn Grafen Brühl und seine — das ist, daß die Weiterentwickelungsfähigkeit unserer irchenpolitischen Verhältnisse im Wege der Gesetzgebung außerordent⸗ lich gehemmt sein würde. Herr Graf Brühl hat es als einen Vor⸗
tung der Maigesetzgebung in sich schließe, daß ein Vorwärtsschreiten Seitens der Mehrheit des anderen Hauses in Aussicht genommen sei, daß die Vorlage sich mehr als eine Art Abschlagszahlung darstelle und daß man von seinem Standpunkte die Hoffnung auf weitere Vorlagen hegen kann. Meine Herren, das sind gewiß alles ganz treffende Worte, aber doch fehlt ihnen die richtige Beleuchtung. Ich wieder⸗ hole: Alle Aenderungen an der kirchenpolitischen Gesetzgebung können nur durch neue Gesetze eintreten und jede Regierung, die diese Wege betritt, und meines Erachtens auch jede politische Partei, muß sich fragen: wie denkt man sich eine legislative Arbeit in der Landes⸗ vertretung, wie gruppiren sich die Parteien, mit denen die Regie⸗ rung Gesetze machen will? Bei der Beantwortung dieser Frage wird auch Herr Graf Brühl nicht verkennen, daß das Rück⸗ grat der gegenwärtigen kirchenpolitischen Gesetzgebung in der
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zug der Vorlage gerühmt, daß die Vorlage nicht die Aufrechterhal⸗
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