dendig war; — sobald sie sich Bahn brach, war auch aller Groll vergessen, und wir konnten schon im Jahre 1870 uns überzeugen, daß das Gefühl der nationalen Einheit durch das Andenken dieses Bürgerkrieges nicht gestört war, und daß wir Alle als „ein einig Volk von Brüdern“ den Angriffen des Auslandes entgegentreten onnten. . Das schwebte mir als „Völkerfrühling“ vor, daß wir darauf die alten deutschen Grenzländer wieder gewannen, die nationale Einheit des Reichs begründeten, einen deutschen Reichstag um uns versam⸗ melt sahen, den Deutschen Kaiser wieder erstehen sahen, das alles schwebte mir als „Völkerfrühling“ vor, nicht die heutige Kolonial⸗ politik, die blos eine Episode bildet im Rückgange, den wir seitdem ge⸗ macht haben. Dieser Völkerfrühling hielt nur wenig Jahre nach den großen Siegen vor. Ich weiß nicht, ob der Milliardensegen schon erstickend auf ihn gewirkt hat. Aber dann kamen, was ich unter dem Begriff „Loki“ verstand, der alte deutsche Erbfeind des Parteihaders, der in dynastischen und in konfessionellen, in Stammesverschiedenheiten und in den Fraktionskämpfen seine Nahrung findet, — der übertrug sich auf unser öffentliches Leben, auf unsere Parlamente, und wir sind angekommen in einem Zustand unseres öffentlichen Lebens, wo die Regierungen zwar treu zusammenhalten, im Deutschen Reichstage aber der Hort der Einheit, den ich darin gesucht und gehofft hatte, nicht zu finden ist, sondern der Parteigeist überwuchert uns, und der Parteigeist, wenn der mit seiner Lokistimme an den Urwähler Hödur, der die Tragweite der Dinge nicht beurtheilen kann, verleitet, daß er das eigene Vaterland erschlage, der ist es, den ich anklage vor Gott und der Geschichte, wenn das ganze herrliche Werk unserer Nation don 1866 und 1870 wieder in Verfall geräth, durch die Feder hier verdorben wird, nachdem es durch das Schwert geschaffen wurde. (Ervhaftes Bravo rechts. Zischen links. Erneuerter Beifall rechts. — Beifallklatschen auf den Tribünen.)
Der Präsident von Wedell⸗Piesdorf machte auf die Unzulässig⸗ dit der Beifallsbezeugungen auf den Tribünen aufmerksam und allärte, im Wiederholungsfall die Tribünen räumen zu lassen.
Der Abg. Graf von Behr⸗Behrenhoff (auf der Tribüne
siwer verständlich) bat, die Angelegenheit nicht vom Fraktions⸗ sandpunkt zu behandeln. Für die afrikanische Linie liege das mürfniß nicht so klar zu Tage, wie für die anderen Linien. ün dieselbe sei wünschenswerth mit Rücksicht auf die großen mimalgebiete, die jetzt bereits in Afrika erworben seien. Er Uwaus diesem Grunde das Haus, dem Antrage seiner und wnationalliberalen Partei zuzustimmen.
Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, durch das Eingreifen des Keichskanzlers in die Debatte habe die Diskussion eine uner⸗ wartete Wendung genommen. Man sei weit abgekommen von dem Gegenstande, der das Haus beschäftige, hinaus auf das Gebiet der hohen Politik der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Er fange zunächst mit den sachlichen Be⸗ merkungen des Reichskanzlers an. Es sei ihm klar geworden, daß im Reichstage eine große Majorität vorhanden sei, welche einen Versuch mit den subventionirten Dampferlinien machen wolle. Was ihn und seine Partei betreffe, so sei das Centrum bereit, für die ostasiatische Linie einzutreten. Daß diese Linie durchgebracht werde, stehe fest. Was nachher in der Rede des Rächskanzlers gefolgt sei, sei die Erklärung, daß der Kanzler ene solche erhebliche Abschlagszahlung — und diese Linie sei in der That von den geforderten die wichtigste — zu accep⸗
mem bereit sei, und nicht die Kabinetsfrage stellen werde, wan nicht alle Linien bewilligt würden. Das sei eine weise Politi, die sich zuerst auf einen kleinen Versuch beschränke, um genn derselbe gelinge, das Tempo zu beschleunigen. NMar sollte uns nach dieser Erklärung also nicht weiter Vor⸗ wllfe machen, auch nicht Komplimente; alle Parteien seien Kereit, einen ernsten Versuch in dieser Richtung zu machen; und das Haus würde daher füglich seine Arbeiten heute schon beschließen können; die weiteren Erörterungen würden die rage der Subvention zu fördern nicht im Stande sein. Was hhn (den Redner) veranlaßt habe, in diesem Stadium der Verhandlung noch das Wort zu ergreifen, seien die Be⸗ merkungen, welche der Reichskanzler seinen sachlichen Aus⸗ lassungen angehängt habe. Der Reichskanzler habe die Kolo⸗ nisationspolitik im Allgemeinen in den Kreis seiner Betrach⸗ tungen gezogen, einen Rückblick auf die Vergangenheit der neuesten Geschichte und einen Hinblick auf die Zukunft der⸗ selben geworfen, für die Gegenwart aber einen herben Tadel ausgesprochen. Er habe die Ueberzeugung, daß durch allgemeine Erörterungen eine Aufklärung über die Kolonisations⸗ wolitik nicht gebracht werden könne. Man würde zu einem zraktischen Resultate nur dann kommen, wenn man sich be⸗ immte Kolonialgebiete vergegenwärtige, und sich dann fragen ane, was für dieselbe zu thun nothwendig sei. Er habe etholt gesagt, daß es keinen einzigen Deutschen gebe, iinhier noch draußen, der nicht wünsche, daß sein Vater⸗ mnbuch über dem Meere geachtet und für dasselbe Gelegen⸗ hitmnutzbringender Arbeit geschaffen werde. Es wäre ein imn, das nicht zu wollen, die Frage sei nur, ob eine solche dusntbe nicht die Kräfte Deutschlands übersteige und ob das denpo, das jetzt vorgeschlagen werde, nicht zu rasch sei, wenn nan die übrigen Erfordernisse, deren Erfüllung Deutschland oüliege, nicht vernachlässigen wolle. Für ihn erhebe sich da dee Frage, habe die deutsche Nation die Mannschaft und das eld, welches erforderlich sei zur Vertheidigung auch über⸗ seischer Interessen? Für die Deutschen, die inmitten nei⸗ discher Nationen lebten, bleibe die wichtigste Aufgabe doch die, daß sie ihre Stellung hier in Deutschland unter allen Um⸗ inden aufrecht erhielten. Daß Deutschland zu diesem Zweck fange Zeit noch unter Waffen stehen müsse, habe die wichtigste
Autcrikät für diese Frage, der Feldmarschall Graf von olike, wiederholt erklärt. Nun frage er sich, wenn Deutschland diese Rüstung tragen müsse, habe es dann noch Geld und Mannschaften für die Kolonien, die Deutschland in Verwickelungen führen könnten, die nicht gering zu veranschlagen seien? Man müsse Be⸗ dacht darauf nehmen, daß die Konzentration der deutschen Kraft nicht unter der Kolonialpolitik leide. Andere Staaten atten auch darunter gelitten. Sei denn England und Frank⸗ reich noch so stark wie früher? Ziele und Zwecke der Kolonial⸗ politik kenne man nicht, man habe nur utopische Auffassungen and er fürchte, daß man hier ein böses Erwachen darnach naben werde. Er wolle auf dem Wege der Kolonialpolitik nitgehen, aber bedacht und gezügelt. Das Centrum habe die erstärkung der Flotte bewilligt, auch die Konsulate und auch t fürchte, daß man der militärischen Hülfe bei den Kon⸗ ulaten nicht würde entbehren können. Aber die deutschen Mähler müßten das Geld in Form von Steuern für dle diese Ausgaben hergeben, und die Abgeordneten tt Wählern Rechnung zu legen. Schöne nicht, er wolle wissen, wohin die Reise gehe d was sie koste. Für eine verständige Kolonialpolitik sei as Centrum so gut wie irgend eine andere Partei, aber furch schöne Redensarten lasse es sich nicht hinreißen. — Die zaft der Ueberzeugung, mit welcher der Reichskanzler von ir Vernichtung des Völkerfrühlings gesprochen habe, habe 6 1“ “ “
ihm gezeigt, daß die Ueberzeugung eine echte gewesen sei, aber — sie sei grundfalsch! Der Reichskanzler ziehe nicht in Rech⸗ nung, daß der deutsche Charakter sich nicht für großen Enthusiasmus eigne; der Deutsche sei gewohnt, seine Ver⸗ hältnisse mit Ruhe und Bedacht zu ordnen und hätte man hier in etwas ruhigerer und beschaulicherer Art Politik ge⸗ trieben, so würde man besser gefahren sein. Ob es eine Noth⸗ wendigkeit gewesen sei, auf die Ereignisse von 1866 hinzu⸗ weisen, wisse er nicht. Der Reichstag sei versammelt der Einigkeit und der Wohlfahrt des Vaterlandes wegen, diesem Zwecke aber schade die Erinnerung an 1866. DVarüber sei die Meinung im Volke vielfach anders als der Reichskanzler glaube. Der Reichskanzler selbst habe ja von dem Bruder⸗ kriege gesprochen. Es sei ja richtig, daß Deutschland geeint worden sei; er könne aber, wenn er das sage, nicht umhin, der Brüder zu gedenken, die lange Zeit in Deutschland unter gleichen Verhältnissen gelebt hätten. Weiter auf 1866 wolle er nicht eingehen. Kein Akt sei seit diesem Jahre größer ge⸗ wesen, als der, wo Deutschland mit Oesterreich wieder in Verbindung getreten sei, er habe die Hoffnung, daß das Ver⸗ hältniß noch inniger werde, das sei nöthig für Oesterreich wie für Deutschland. Wie komme es nun, daß der Reichskanzler keine Begeisterung finde? Einfach daher, weil Deutschland viele Arbeiter beschäftige, bei denen eine Begeisterung nicht zu Tage treten könne. Die Arbeiter bewegten sich um das tägliche Brot. Was die Parteien anbetreffe, über die der Reichskanzler klage, so sei doch der Reichskanzler selbst der Schöpfer derselben. Habe der Kanzler nicht große Parteien an sich ge⸗ zogen, habe derselbe sie nicht verbraucht, daß sie jetzt in Trümmer gefallen seien? Habe Deutschland weiter eine einige Regierung? Habe man nicht eine Regierung, die hier nur hören wolle, was der Reichstag ihr bringe? Früher habe die Regierung die Initia⸗ tive gehabt und der Reichstag die Kritik, jetzt sei es gerade umgekehrt! Der Reichstag solle rascher arbeiten! Das sei aber Sache einer großen Nation nicht, langsam und bedächtig solle sie handeln. Der Reichskanzler habe selbst gesagt, es sei richtig und nützlich, auch dem künftigen Ge⸗ schlecht Arbeit zu überlassen. — Habe man denn eine ruhige Politik gehabt; bis 1879 habe es gegolten: Freihandel à outrance! Jetzt habe man eine gemäßigte verständige Schutzzollpolitik. Hüten müsse man sich hier vor dem à outrance. Der Hauptgrund aller Verwilderung sei der Kultur⸗ kampf! Der Kulturkampfsvater sei aber der Reichskanzler, und nur dieser allein! Die Nationalliberalen hätten die Kohlen zu dem Feuer geschürt. Der Kulturkampf müsse beseitigt werden à tout prix! Das werde man freilich nicht thun, aber es werde schon der Moment kommen, wo den Nationalliberalen die Augen aufgehen würden. — Das sei es gewesen, was ihm während der Rede des Kanzlers eingefallen sei. Er schließe mit dem Wunsche, daß die Klärung wie ein Gewitter durch den Saal gehen möchte, daß man des Haders quitt werde, sich die Hand reiche und einsehe, daß das Vaterland groß genug sei, daß jede Konfession darin bestehen könne, jede Konfession, die keinen anderen Ehrgeiz kenne als die Gottes⸗ und Nächstenliebe.
Demnächst nahm der Staatssekretär des Reichs⸗Postamts Dr. Stephan das Wort:
Meine Herren, es mag ja sehr schwierig sein und dennoch will und muß ich den Versuch wagen, die Diskussion von dem hohen Fluge, die sie durch den letzten Herrn Redner genommen hat, zurück⸗ zuführen, (Wiederspruch links und im Centrum) (Rufe: Reichs⸗ kanzler!) — die Herren rufen mir zu: von dem Hrrn Reichskanzler. Der
Herr Reichskanzler hat dem Postdampfer nur eine kleine Wendung gegeben am Schluß seiner Rede, in Folge der Ausführungen des 8 8 Rintelen. Der Hr. Abg. Dr. Windhorst hat ihn aber durch den ganzen Ozean geschifft und zwar hat er einen ganzen falschen Kurs gesteuert; die Postdampfer sollen nach Australien und China gehen, er hat sie nach Oesterreich, nach Rom, ja selbst bis zum alten Propheten Jeremias, nach Jerusalem gesteuert.
Meine Herren, es handelt sich hier weder um Schutzzoll noch um Kulturkampf; es handelt sich um 5 400 000 ℳ auf 15 Jahre. Wenn der Herr Reichskanzler gesagt hat, er glaube voraussetzen zu dürfen, daß die verbündeten Regierungen auch die Bewilligung der einen Linie nach Ostasien annehmen würden, so ist diese Aeußerung keineswegs so aufzufassen, als ob die anderen Linien von den verbün⸗ deten Regierungen und von dem Herrn Reichskanzler aufgegeben würden. Das ist in keiner Weise der Fall, und ich muß dies hervor⸗ heben, um dem Irrthum vorzubeugen, der etwa daraus in der Richtung entstehen könnte, daß die verbündeten Regierungen weniger Werth auf die Linien nach Afrika und Auftralien mit den entsprechenden Zweiglinien legen. Ich hebe ausdrücklich hervor, daß der Herr Reichs⸗ kanzler die asiatische Linie nur als eine kümmerliche Abschlagszahlung bezeichnet und daß er ausgeführt hat, wenn eine oder einige der von mir zuletzt genannten Linien nicht bewilligt werden sollten, dann die⸗ jenigen Herren Volksvertreter, welche gegen die Bewilligung stimmen, die Verantwortung dafür vor dem Lande zu tragen hätten. (Zuruf: Sehr leicht!) Der Herr Abgeordnete, der vor mir steht, hat eben gerufen: Sehr leicht! Ja, wenn Sie sich die Folgen näher klar machen, die der Aufschub in dieser Hinsicht hervorrufen würde, so, glaube ich, würde doch dieser Zuruf der Begründung entbehren.
Es ist vor Kurzem in einer englischen Versammlung eine Rede gehalten von einem in Handelssachen außerordentlich erfahrenen Manne, der da Folgendes gesagt hat: 1 1
„Ich beziehe mich auf die neulich vom Fürsten Bismarck im Deutschen Reichstag eingebrachte Vorlage bezüglich der Einrichtung subventionirter Ozeandampfer für den Handel zwischen den deutschen Häfen und unseren australischen Kolonien.“ 1
Nun weist er die große Wichtigkeit dieser Kolonien vom kommer⸗ ziellen Standpunkte aus nach und knüpft daran die Bemerkung, daß der Handel mit deutschen Erzeugnissen, nach denen große Nachfrage in Australien sei, sehr zugenommen habe. Daraus schließt er:
„Wenn aber erst Bismarcks Ozeandampfer schwimmen, so ist es nicht nur wahrscheinlich, daß wir die Vermittelung des Handels zum Schaden des englischen Handels verlieren, sondern man wird auch unsern Speditionshandel um einen großen Theil der englischen Frachten wieder zu Gunsten der deutschen Ozeandampfer berauben.“
Ein anderer Vortrag, der in Frankreich neulich gehalten worden ist, auch von einem namhaften Nationalökonomen, spricht hier von brillant avenire, welches den französischen Dampfern und den Ko⸗ lonialbestrebungen in der Südsee bevorstehe; es heißt in demselben:
„Pourvu que nous profitions de l'opposition faite per le „Reichstag“ au projet de loi de M. de Bismarek, rélatif aux lignes de paquebots transocéaniques, et que nous nous assurions des ports environnants.
Ske sehen hieraus, meine Herren, daß in der That hier Gefahr im Verzug ist, wenn diese deutschen Linien nicht eingerichtet werden, und wie der Herr Abgeordnete, der vorhin mich unterbrach mit dem Ausrufe „Sehr leicht!“ das dem gegenüber noch aufrecht erhalten kann, ist mir unverständlich. Weiter aber, die Kolonie Neuseeland hat neuerdings erhebliche Anstrengungen gemacht, um einige Linien im Gebiet des Südens dort einzurichten. Sie haben eine Linie ein⸗ gerichtet nach den Samoa⸗Inseln; zunächst eine neue Postdampfer⸗ linie zwischen England und Neuseeland.é Dieselbe geht von Ply⸗ mouth über Kapstadt nach Neuseeland und über das Kap Horn nach Plymouth zurück. Die Dampfer fahren alle vier Wochen einmal; der Fahrplan ist so eingerichtet, daß diese Schiffe im Verein mit den Postdampfern der Pacificlinie San Francisco⸗Auckland eine
14 tägige Verbindung zwischen Europa und Neuseeland, also bis zu
unseren Gegenfüßlern herstellen. Daraus ersehen Sie, welche Ein⸗ richtungen auf diesem Gebiete getroffen werden. Das Parlament von Neuseeland hat der Regierung für die Linie 13 000 Pfd. Sterl. = 260 000 ℳ bewilligt. Es ist dann ferner noch von derselben Kolonie Neufeeland eine neue subventionirte Dampferlinie zwischen Auckland, den Tongo⸗ und Samoa⸗Inseln eingerichtet worden. Das Parlament hat für die Linie zwischen Tongo und Tahiti 100 000 ℳ bewilliat. Ferner werden Sie gelesen haben, daß in England bedeutende Mittel bewilligt werden sollen, um ein unterseeisches Telegraphenkabel zur Verbindung mit Afrika herzustellen. Auf allen diesen Gebieten regen sich die Bewegungen zur Förderung des Handels und Verkehrs, zur Ausbeutung des großen Weltmarktes, wie ihn die Kolonien darbieten.
Ich werde, was Afrika betrifft, vielleicht Gelegenheit haben, im Verlaufe der Diskussion, wenn die afrikanischen Linien spezieller
behandelt werden, das Nähere auszuführen, ich will mich jetzt lediglich auf Australien beschränken. Die englischen Kolonien von Australien sind im großen Aufblühen be⸗
griffen, ihre Bevölkerung hat sich in den letzten 10 Jahren von 2 Millionen auf 3 Millionen vermehrt. Die Staatseinnahmen sind von 11 500 000 Pfd. Sterl. auf 21 900 000 Pfd. Sterl. gestiegen, die Einfuhrartikel aus Deutschland sind schon jetzt ganz bedeutend; es sind das namentlich Maschinen, landwirthschaftliche Geräthe, Eisenbahnschienen — ich komme nachher auf den Eisenbahnbau — Leder, Nähmaschinen, Papier, Bier, Pianinos, Spielwaaren, Manu⸗ fakturwgaren, Musikinstrumente, Uhren und Waffen. Die Einsuhr betrug im Jahre 1872 35 Millionen, sie beträgt jetzt nach 10 Jahren 63 Millionen Pfd. Sterl., also Sie sehen, in welcher Entwickelung dort die Verhältnisse begriffen sind.
Wie eifrig da am Bau von Eisenbahnen gearbeitet wird, was sehr wichtig ist für unsere Eisenproduktion und Fabrikation, geht daraus hervor, daß die Länge des Schienenwegs sich von 1362 eng- lischen Meilen im Jahre 1872 auf 6207 Meilen im Jahre 1882 ge⸗ hoben hat, und daß eine Eisenbahn im Projekt sich befindet von Freemantle bis Eucla, welche allein 840 englische Meilen umfaßt.
Aus allem diesem werden Sie ersehen, wie wesentlich unser Handel, unsere Industrie, unsere Schiffahrt bei dem Verkehre mit Australien betheiligt sind, ja auch die Landwirthschaft. Bei der Be⸗ rathung im vorigen Jahre bei der ersten Lesung der Dampfervorlage ist versucht worden, die Vertreter der Landwirthschaft gegen die Dampfer zu bestimmen, mit der Bemerkung, die von der linken Seite des Hauses fiel, es wird ja dann auch Weizen aus Bombay und Wolle von Kapland und Wolle aus Australien nach Europa hereingebracht zum Schaden der Land⸗ wirthschaft. Meine Herren, ich glaube, diese Bemerkung ist damals schon vom Hrn. Grafen von Holstein, wenn ich nicht irre, zurück⸗ gewiesen worden, indem er ausführte, daß eine der besten Grund⸗ lagen des Gedeihens der Landwirthschaft eine blühende Industrie, Fiffabe und Handel sei. Das wird auch hier im vollsten Maße zutreffen.
Es ist dann erwähnt worden, namentlich vom Hrn. Abg. Rintelen, daß die Motive das nicht so vollständig darstellten, und daß erst in der Kommission die verschiedenen Seiten der Motive haben ergänzt werden müssen. Meine Herren, das räume ich gern ein, man kann nicht immer voraussehen, auf welchen Gebieten sich gerade die Fragen und Diskussionen bewegen werden, sonst würde es ja leicht sein, diese Gebiete in den Motiven besonders zu behandeln. Ich habe aber aus den Verhandlungen der Kommission, denen ich ja acht Wochen hintereinander beizuwohnen das (Zuruf) ja, zweifelhafte Glück hatte, entnommen, daß gerade über diejenigen Stellen der Motive, welche am ausführlichsten hehandelt waren, die längsten Reden gehalten worden sind, und daß dieienigen Stellen, welche knapp und kurz gehalten waren in den Motiven, zu viel weniger Bemerkungen Anlaß gegeben haben.
Es hat dann der Hr. Abg. Rintelen gesagt, daß die einzigen Gewährsmänner der verbündeten Regierungen die Herren Meier und Woermann gewesen seien, er hat nicht gesagt „zu sein schienen“, er hat gesagt „seien“. Das ist unrichtig, es würde auch unrichtig sein, wenn er gesagt hätte „zu sein schienen“. Wir haben unsere eigenen Erfahrungen auf dem Gebiete des Dampfschiffwesens, wir kennen die Resultate, die in England, in Frankreich, in Oesterreich, in Italien, in Amerika vorliegen, ganz genau, und wir haben uns nicht nur bei den Besprechungen mit verschiedenen Rhedern, die der Einbringung der Dampfervorlage vorangegangen sind, nicht Unterhandlungen — ich möchte das nochmals betonen — sondern bei den Besprechungen nicht allein an die beiden verehrten Herren gewendet, die hier Mitglieder des Reichstages sind, und die uns in der That mit der größten Bereitwilligkeit ihr Material zur Disposition gestellt haben, sondern auch an andere Männer, die auch zu den Unterrichtetsten auf diesem Gebiete gehören.
Der Hr. Abg. Rintelen hat dann den Satz geäußert, die Regierung führe Alles aus, ohne Rücksicht zu nehmen, ob es unumgänglich nöthig sei, und ob es nicht durch Private geleistet werden könne. Nun, meine Herren, in dieser Allgemeinheit wird wohl Niemand der Anwesenden diesen Satz unterschreiben, und was seine spezielle An⸗
wendung auf den vorliegenden Fall betrifft, so geht eben aus dem bisherigen Verlaufe des ganzen Post⸗ dampfschiffswesens in Deutschland weiter hervor, daß die
Privatindustrie das eben nicht leisten kann, was hier geleistet werden soll, nämlich regelmäßige pünktliche Dampfer, die den Postdampfern der anderen Nationen ebenbürtig zur Seite stehen, einzurichten.
Alles, was bisher gegangen ist, sind Frachtdampfer, die Sie un⸗ möglich in diese Kategorie hineinsortiren könen. Also die Privat⸗ industrie hat es entschieden abgelehnt. Wir haben mit ihr verhandelt, es ist uns aber gesagt worden, bestimmte Fahrpläne können wir nicht inne⸗ halten, regelmäßige Fahrten auch nicht, kurz alle Hauptforderungen, die an Postdampfer zu stellen sind, hat die Privatindustrie nicht leisten können, und eben darum, weil sie es nicht gekonnt hat, — und da
laube ich mich auch der Zustimmung des geehrten Hrn. Abg. intelen zu erfreuen, — darum tritt der Staat hier ein.
Was das Angebot des Rheders Sloman betrifft, so steht das nach der Prüfung, welcher dasselre unterzogen worden ist in den be⸗ theiligten Instanzen, doch auf sehr schwachen Füßen. Wir können weder die Berechnungen darin für richtig ansehen, noch die Schlu folgerungen, zu denen er sich bekennt. Wir sind überzeugt, daß die
Summe, die hier genannt ist, bei welcher nicht undeut⸗ lich gesagt ist, daß man sie wohl annehmen würde, wenn der Reichstag sie bewilligen wird, in keiner Weise
hinreichen würde, um das zu haben, was Sie ja Alle wünschen, wenn Sie sich überhaupt für die Sache erwärmen: nämlich einen Dienst üirst rate, der nicht den anderen Nationen nachsteht und der unsere Dampfer an der Spitze anderer Nationen oder wenigstens in gleicher Front mit ihnen gehen läßt. Ich glaube, diese Behauptung wird mir schwerlich widerlegt werden. Sollte es aber der Fall sein, so behalte ich mir vor, mit Zahlen und einzelnen Ausfü rungen die Richtigkeit der Slomanschen Vorschläge im Einzelnen vollständig dar⸗ zulegen. Vorläufig sage ich, sie sind völlig unbrauchbar für den Zweck, den wir vorhaben, vortreffliche Dampferlinien einzurichten, was von verschiedenen Seiten schon betont worden ist.
Wenn der Hr. Abg. Rintelen dann gesagt hat, der Hauptzweck sei hier die Samoaer Nebenlinie, so ist das einfach nicht richtig. Unser Hauptzweck ist die Verbindung mit Australien und im Anschluß daran allerdings die Verbindung mit den Südseeinseln, aber kemes⸗ wegs ist das der erste Zweck. Diese beiden Zwecke dürfen in der That nicht verwechselt werden.
Dann hat der Herr Abgeordnete noch auf von Hansemann und von Bleichröder hingewiesen. Er hat gesagt, das wären die Urheber der Sache, oder er hat das wenigstens angedeutet. Das ist that⸗ sächlich nicht richtig, stimmt auch historisch nicht, denn die ersten Projekte zur Dampfervorlage, die Ihnen vorliegt, sind bereits vor 10 Jahren im Reichs⸗Postamt ausgearbeitet worden, wo noch kein Mensch an Samoa und Neu⸗Guinea und Korea dachte, die jetzt in Frage kommen. Sogar dieser Gesetzentwurf, der Ihnen hier vorliegt, ist bereits, ehe diese Eingaben gemacht worden sind, an den Herrn Reichskanzler gelangt und von ihm genehmigt worden, ohne Rücksicht