1885 / 77 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 31 Mar 1885 18:00:01 GMT) scan diff

zum Deut

schen

Die dritte internationale Vereinskonferenz

1 des Rothen Kreuzes zu Genf vom 1. bis 6. September 1884.

8 LEE1“

No. F.

4 Vortrag, auf Allerhöchsten Befehl Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin,

P gehalten in der 19. Generalversammlung des Vaterländischen Frauen⸗

vereins vom Geheimen Legations⸗Rath Dr. Hepke.

Am 1. September 1884 trat in Genf die dritte internat Vereinskonferenz des Rothen Kreuzes zusammen; an der Erbetlonale welcher der Gedanke desselben seinen Ausgang genommen und wo er, durch die Uebereinkunft vom 20. August 1864, die völkerrechtliche Sanktion erhalten.*) Es waren 15 Jahre vergangen, seitdem die 8 beltr internote ect Vereinskonferenz im April 1869 zu Berlin ge⸗ tagt batte,

In diesem Zeitraum hatten zwei gewaltige europäische Feldzüge zahlreiche Kriege in anderen Welttheilen und kesgretelnbe Fecehage Umwälzungen die Welt bewegt. Die in Berlin beschlossene zwei⸗

jährige Wiederkehr der Konferenzen, um die Solidarität des Rothen

Iige hüs 1e Nationen lebendig zu erhalten und in

allem Nothwendigen Uebereinstimmun ver⸗

vnenc9n .“ ng zu erzielen, hatte nicht ver

Nach einer so langen Unterbrechung war es natürlich, daß in der neuen hochansehnlichen Versammlung der Kreis der Veteranen des Rothen Kreuzes,

welche an den früheren Konferenzen betheiligt gewesen, nicht allzu zahlreich war und daß im Laufe d. ge.

1“ sich bisweilen der Mangel an Tradition etwas bemerkbar xe.

Der französische Regierungsbevollmächtigte, Graf Serurier, ehrte das Gedächtniß der hochverdienten Heimgegangenen; und der Erste, den er nannte, war der frühere Präsident des preußischen und deutschen Central⸗Comités Herr von Sydow. Wir wollen ihm den Generalarzt Dr. Löffler, den Grafen zu Stollberg, den Geheimen Re⸗ gierungs⸗Rath Esse, den Pfarrer Dr. Hahn und den Wirklichen Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Housselle anschlißen, Männer, welche unserer erhabenen Protektorin schon bei ihrem Wirken für die Gründung des

Rothen Kreuzes und der Genfer Konvention treu zur Seite gestanden

haben.

Die Konferenz zählte 86 Delegirte, darunter 25 Regierungs⸗ bevollmächtigte. Von allen Nationen war Deutschland am zahlreichsten vertreten; es zählte 20 Mitglieder. Nächst ihm Frankreich mit

17 Mitgliedern; darunter 3 Damen aus den Centralcomités der

französischen Frauenvereine. Sodann die Schweiz und Italien. In gleichem Verhältniß waren die Deutschen auch unter den Veteranen voertreten, von welchen nur 17 anwesend waren: Appia, Baroffio, v. Cazenove, Furley, Gurlt, Haß, Hepfe, v. Holleben, v. Kriegern, v. Langenbeck, Longmore, Metzel, Moynier, v. Mundy, Niese, Särurier und Staff. Darunter die bedeutendsten fachmännischen MNotabilitäten. Esmarch aus Kiel und de Landa aus Pampelona, wwelche am Erscheinen verhindert worden, hatten doch die übernommenen⸗ Arbeiten eingesandt.

Auch die jüngere Generation hatte zahlreiche Kapazitäten auf⸗ zuweisen, insbesondere unter den Regierungsbevollmächtigten. Aus Deutschland waren als solche Delegirte der Kriegsminister von Preußen und Sachsen erschienen, die Generalärzte v. Coler und Roth, und zwar der Erstere zugleich als Bevollmächtigter der Kaiserl. Deutschen Regierung. Wogegen Bayern, Württemberg, Baden,

essen und Mecklenburg keine Regierungsvertreter gesandt hatten.

ven genannten beiden Generalärzten war übrigens nach ihrer In⸗ struktion die Theilnahme an den Diskussionen versagt. Aus Frank⸗ reich waren drei Regierungsdelegirte anwesend, darunter je einer aus dem Kriegs⸗ und Marine⸗Ministerium. Die Frage über die Neu⸗ tralität der Hospitalschiffe und der Betheiligung des Rothen Kreuzes am Marine⸗Sanitätswesen kam aber nicht zur Erörterung in der Konferenz. Von den 33 Staaten, welche (die römische Kurie mit ein⸗ geschlossen) gegenwärtig der Genfer Konvention angehören, waren nur die Türket, Montenegro, Rumänien, Persien, Bolivien, Chile und S. Salvador gar nicht in der Konferenz vertreten.

Von Japan, das der Konvention noch nicht beigetreten ist, nahm ein hoher Medizinalbeamter an der Konferenz theil, und die Gesell⸗ schaft Haku⸗aiesha, die auf den Grundlagen des Rothen Kreuzes be⸗ ruht und deren Statut der Genfer Konvention entspricht, hatte eines ihrer Mitglieder entsandt.

Das wichtigste Ereigniß für die Konferenz war das Erscheinen der Delegirten der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Sie kamen im Auftrage der Unionsregierung, um diese selbst und das neuerstandene amerikanische Rothe Kreuz zu vertreten. Achtzehn Jahre lang hatte sich die große Republik, welche an der Berathung und Beschlußnahme der Genfer Uebereinkunft betheiligt gewesen, von der⸗ selben zurückgebalten, bis sie am 1. März 1882 mit der Konvention zugleich die Additionalartikel dazu ratisizirte. 1

Der Delegirte des amerikanischen Centralcomités Mr. Sheldon deutete in seiner Rede darauf bhin, daß Füle Zurückhaltung nicht blos auf Gründe der hohen Politik zurückzuführen sei. Die eventuellen Kriegsleistungen, welche das Rothe Kreuz vorwiegend ins Auge fasse, wären dem amerikanischen Volke nicht sympathisch vüessen Erst seit⸗ dem die Friedensthätigkeit des Rothen Kreuzes mit in den Vorder⸗ grund getreten, beginne dasselbe in Amerika populär zu werden. Daß aber Unionsdelegirte zur dritten internationalen Konferenz nach Europa gekommen, sei der Berliner Resolution vom April 1869 zuzuschreiben, welche in so sympathischer Weise den Wunsch nach der Theilnahme des amerikanischen Volkes am Rothen Kreuz ausgesprochen habe. Jene Resolution war von einem in Genf anwesenden Mitglied des Hreußischen Centralcomités beantragt worden, dem Sheldon besonderen

iuk aussprach. 8 An Spitze der Unionsdelegirten stand Miß Clara Barton, die Präsidentin des amerikanischen Rothen Kreuzes, mit dessen Or⸗ ganisation sie von der Regierung betraut ist. Bis zum Ausbruch des Sezessionskrieges hatte sie ein Unionsamt in Wa hington bekleidet, dann aber in hervorragender Weise sich der freiwilligen Krankenpflege gewidmet. Im Anschluß an die Regierungsorgane leitete sie dieselbe auf zahlreichen Schlachtfeldern, zur Rettung von Freund und Feind, ganz nach den Grundsätzen der Genfer Konvention, zu deren Annahme durch die Union sie später erfolgreich mitwirkte. Die Genfer Kon⸗ ferenz hat Miß Bartons außerordentliche Verdienste durch eine be⸗ ondere Resolution anerkannt. 8 Erösess wurden die Vereinskonferenzen durch Präsident Moynier, welcher seit Gründung des Rothen Kreuzes an der Spitze des Feäer Comités steht, mit einem Rückblick auf dessen Thätigkeit seit 1869.

Das Genfer Comité war in der Berliner Vereinskonferen; vom April 1869 als gemeinsames internationales Organ des Rothen Kreuzes anerkannt- und in seinen bisherigen Funktionen bestätigt worden. Diese bestanden: in der Anregung der Vereinsbildung; gs Aufnahme der Landesvereine aus den Staaten der Genfer 8 in die große Gemeinschaft des Rothen Kreuzes, sofern ihre Statuten

der Konferenz er Nationen,

*) Zur Erinnerung hieran soll, nach dem Beschlusse vom 6. September 1884, von den Landesvereinen all welche dem Rothen Kreuz angehören, ein werden.

Reichs⸗Anz

6

Erst

Beilage

Berlin, Dienstag, den 31. Mürz

den Grundsätzen der Konvention entsprachen; in der Vermittelu des Wechselverkehrs der Centralcomités Fö“ Nationen und in der Befürwortung der Interessen des großen Werkes bei den Regierungen.

Es war nicht in Frage gekommen, die Stellung des inter⸗ nationalen Genfer Comités und seine Kompetenz etwa durch ein Statut zu regeln. Doch ermächtigte die Berliner Konferenz dasselbe für Kriegsfälle zur Einsetzung von Agenturen in der Nähe der Kriegs⸗ schauplätze, um die internationalen Hilfsleistungen zu übermitteln; so wie zur Herausgabe eines „Bulletin international“, welches das Gesammtinteresse des Rothen Kreuzes vertreten und durch die Mit⸗ arbeit der Landesvereine das gemeinsame Band lebendig erhalten sollte. Beide Einrichtungen sind ins Leben getreten und haben in den verflossenen 15 Jahren mit Erfolg gewirkt, obwohl die Theil⸗ nahme der Landeesvereine an dem Bulletin den gehegten Erwartungen nicht entsprach.

Das Genfer Comité hat sich sowohl in diesen Aufgaben als auch bei der Verbreitung des Vereinswesens, der Förderung der inter⸗ nationalen Unterstützungen, der Vertretung der völkerrechtllchen Grund⸗ sätze der Konvention vom 22. August 1864, für deren Verbesserung es wiederholt in die Schranken krat, in bewundernswerther Weise als internationales Vereinsorgan bewährt. Zumal wenn man erwäͤgt, daß es nur eine moralische Grundlage war, welche seinem Wirken Kraft verlieh.

In dem Rechenschaftsbericht, der den Delegirten gedruckt vor⸗

lag, waren die Arbeiten des Comités und ihre Ergebnisse in sehr bescheidener Weise dargelegt. CEs erschien durchaus gerechtfertigt, daß der erste Akt der dritten internationalen Vereinskonferenz eine Resolution war, welche dem Genfer Comité die vollste Anerkennung aussprach und ihm für seine künftige Thätigkeit bereitwillige Unterstützung zusicherte. Die Resolution forderte in letzter Beziehung zugleich das Comité auf, seine Wünsche der Konferenz mitzutheilen. Sie ging von deutscher Seite aus und wurde einstimmig votirt. Unverkennbar lag ihr die Absicht zu Grunde, vdie Stellung des internationalen Organs zu befestigen und die Hebel seiner Wirtsamteit zu stärken. Zu dem Ende sollten sich im Laufe der Verhandlungen weitere Anträge an die Resolution anschließen.

Diese Absicht wurde durch einen Vorschlag vereitelt, welchen das russische Centralcomité, nachdem er auf der Berliner inter⸗ nationalen Konferenz vertagt worden, in das Programm der Genfer Konferenz wieder hatte aufnehmen lassen und der in seiner neuen Gestalt die Stellung des Genfer Comités in seiner Grundlage zu erschüttern drohte. 1

Das Konferenz⸗Programm enthielt überhaupt fast ausschließlich Aufgaben, deren Lösung in früheren Verhandlungen bereits angeregt oder in Angriff genommen worden war. Einige derselben hatten, allerdings durch die Entwickelung des Rothen Kreuzes erhöhte Be⸗ deutung erlangt und wurden in eingehenderer Weise behandelt. Das Ergebniß führte meist nur zur Wiederholung oder weiteren Aus⸗ führung der Berliner Beschlüsse.

Die Frage der Revision der Genfer Convention, mit der sich die erste internationale Vereins⸗Konferenz in Paris 1867 ganz vorwiegend beschäftigte, von der sich aber die Berliner Konferenz von 1869 ab⸗ gewandt hatte, war von dem Programm der Genfer Konferenz von 1884 ausdrücklich ausgeschlossen. Es zeigte sich jedoch sogleich bet dem russischen Antrage und in den späteren Verhandlungen wiederholt nur zu deutlich, daß ein Fortschritt in manchen der wschtigsten Aufgaben des Rothen Kreuzes, ohne eine Revision der Genfer Uebereinkunft vom 20. August 1864 nicht möglich sein werde.

Vor Allem beschäftigten die Genfer Konferenz, wie die Berliner, Organisationsfragen. Zu einer der tiefgreifendsten gestaltete sich der russische Antrag, welcher, im Falle der Unzulänglichkeit des Militär⸗ Sanitätswesens, die Fürsorge für Verwundete und Kranke von den Kriegführenden dem internationalen Comité und seinen Agenten über⸗ tragen wissen wollte.

Professor v. Martens, Mitglied des Ministeriums des Aus⸗ wärtigen in St. Petersburg und Staatsrath von Oom, Kabinetg⸗ sekretär der Kaiserin von Rußland, befürworteten die völkerrechtliche Anerkennung des internationalen Comités, also die Gründung eines neuen internationalen Instituts, für welches die Genfer Konvention keinen Boden hat. Denn diese anerkennt und schützt die freiwillige Krankenpflege des Rothen Kreuzes und ihre Organe nur, wenn sie dem Militär⸗Sanitätswesen der Kriegführenden angeschlossen ist.

Das internationale Comité selbst hatte, im Gegensatz zu dem russischen Antrage, der Konferenz Vorschläge zur Genehmigung vor⸗ gelegt, welche lediglich diejenige Stellung betrafen, zu der das Comité durch seine eigene Entwickelung und durch die ihm von den früheren Konferenzen ertheilten Autorisationen gelangt ist. Die Grundlage dieser Stellung ist nur eine moralische, keine völkerrechtliche. Und gerade diese moralische Grundlage hat das internationale Comité, wie das Rothe Kreuz überhaupt, zu einer Macht heranwachsen lassen, deren Wirkungskreis sich der allgemeinsten Anerkennung erfreut.

Bei einer Alterirung solcher Verhältnisse ist die größte Vorsicht geboten.

Ob die Erhebung des internationalen Comités zu einem völker⸗ rechtlichen Institut möglich? Ob sie für das Gedeihen des großen Werkes des Rothen Kreuzes erforderlich sei? Diese Fragen sind schwer zu beantworten. Die Erweiterung der völkerrechtlichen Grund⸗ lage der Genfer Konvention muß jedenfalls den Entschlüssen der Re⸗ gierungen vorbehalten bleiben. 1

Diese Gesichtspunkte wurden insbesondere von deutscher Seite, wo man der Auffassung und den Wäünschen des internationalen Comités gern entgegenkam, entschieden zur Geltung gebracht. Auch von französischer Seite geschah das Gleiche. Indessen fand doch die geistvolle Art, in welcher die russischen Delegirten für eine Erweite⸗ rung des Völkerrechts eintraten, sympathischen Anklang in der Ver⸗ sammlung. Hatte doch Rußland sich in den letzten Jahrzehnten durch seine Bemühungen auf diesem Gebiet besonders ausgezeichnet und nam⸗ hafte Erfolge errungen. Wir erinnern an die von sämmtlichen Groß⸗ mächten anerkannte St. Petersburger Deklaration vom 16. No⸗ vember 1868, welche als einziges gesetzliches Ziel im Kriege die Schwächung der militärischen Kräfte des Feindes bezeichnet und die Anwendung gewisser Sprenggeschosse untersagt. Ferner an den Jominischen eceurh zu einer Revision des Kriegsvölkerrechts, üͤber welchen im Juli und August 1874 der diplomatische Kongreß zu Brüssel berieth; so wie an das daraus hervorgegangene und von Rußland im Feldzug von 1877/78 zur Anwendung gebrachte Reglement für die Behandlung der Kriegsgefangenen. Die russischen Delegirten waren bei ihren Ausführungen auch von der Erinnerung an die selbständige Stellung getragen, welche das rusfische Rothe Kreuz im letzten Orientkriege bei seiner großartigen Wirksamkeit ein⸗

nommen. Kaiser Alexander II. hatte dieselbe durch Gewährung . monatlichen Unterstützung von fast einer Million Rubel selbst anerkannt.

Delegirten zeigte sich 6 V be für neue völkerrechtliche Institutionen; das internationale Berleose ant in der Alabama⸗Frage war ihr Ideal. Die Konferenz beschloß, den russischen Antrag, in Verbindung mit den Vorschlägen des internationalen Comités, zunächst zue Vorberathung an die Landes⸗ vereine zu verweisen. Ueber das Ergebniß derselben wird sodann der

Bei den amerikanischen

Denkmal in Genf errichtet

8 internationalen Vereinskonferenz, welche für das Jahr 1886 nüchstrss (zu Karlsruhe) in Aussicht genommen ist, eine Vorluge ge⸗

macht werden. 885 8

eiger und Königlich Preußisch

it diesem Beschlusse wurden leider zugleich die praktischen Wünsche des Genfer Comités, deren Berlicksichtigung die erste Resolution der Konferenz zugesagt hatte, ebenfalls vertagt.

Diefelben betrafen die Hebung des „Bulletin international“ durch regelmäßige Theilnahme der Gesammtheit der Landesvereine an der Redaktion; die Einführung periodischer Konferenzen der Central⸗ Comités ver verschiedenen Nationen zur Erörterung allgemeiner Fragen und Herstellung der solidarischen Hülfsleistung im Kriege; die Er⸗ haltung der gegenmwärtigen Kompetenz des internationalen Comités in Betreff der Aufnahme neuer Landesvereine und der Einrichtung von Agenturen im Kriegsfalle.

In dem Konferenzbeschlusse ist diese Kompetenz und die bisherige V.he des internationalen Comités ausdrücklich aufs Neue bestätigt worden.

Unter den organisatorischen Fragen des Konferenzvrogrammo

war die zweitwichtigste diejenige, auf deren noch ausstehende Lösung in Deutschland das Allerhöchste Handschreiben Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin an das Central 6 des deutschen Rothen Kreutes vom 6. Januar 1885 hindeutet die Frage über die Stellung der Landesvereine zu den Regierungsorganen, „Niachdem in dem Allerhöchsten Schreiben die Bedeutung der jüngsten Genfer Konferenzbeschlüsse für die weitere Gestaltung der Wirksamk,it des deutschen Centralcomitées hervorgehoben worden, wird darin die Schwierigkeit der Aufgabe anerfannt, ein frei⸗ williges Hülfevereinswesen in den feststehendem Organismug des Staates, insbesondere der Armee, so einzufüzen, daß die Grenzen sich bestimmen, innerhalb deren sich dasselbe lebensfähig bewegen kann.

An der Ueberwindung dieser Schwierigkeit hat Ihre Majestät die Kaiserin und Königin zu wiederbolten Malen bei der Einführung und bei der Revision der Kriegs⸗Sanitätsordnugg in angelegentlicher Weise theilgenommen. Wir doürfen hoffen, daß auch in dem gegen⸗ wärtigen Zeitpunkt, wo, dank der wohlwollenden Initiative der kom⸗ petenten Staatsbehörde, die Frage einer gümstigen Entwickelung ent⸗ 7 F Beistand unserer Allerhöchsten Protektorin uns nicht ehlen wird.

Die Verhandlungen der Genfer Konferenz über die „Militari⸗ satione“ des Rothen Kreuzes, wie der französische Regierungs⸗ bevollmächtigte Graf Sérurier die Anschlußfrage bezeichnele, gehörken zu der am lebhastesten geführten. Die Delegirten des stalsenischen Centralcomités, welche den Bericht darüber erstattet hatten, betonten den Anschluß auf das entschiedenste. Ihre Resolution lautete: „unbedingte Untecordnung des Rothen Kreuzes unter die Milstär⸗ behörde im Kriege, und sympathisches, den Forderungen derselben nachkommendes Verhalten im Frieden. Wogegen der Staat dem Rothen Kreuz, als einer Staatgeinrichtung, gesetzlichen Schut zusichert“.

In der That ist in Italien durch Gesetz von 1882 das Rothe Kreuz als eine gemeinnützige Gesellschaft anerkannt und unter die unmittelbare Leitung des Kriegs⸗Ministers gestellt. Im Kriege hat es, wie die Organe der Militärverwaltung, das Recht, Post, Telegraphie und Eisenbahnen zu 1Se

Auch in Frankreich erhielt das Rothe Kreuz durch das Dekret vom 2. März 1878 einen offiztellen Charakter. Das Dekret vom 3. Juli 1884 brachte seine Organtfation in noch engeren Anschluß an die Militärverwaltung und stellte die Art seiner Mienstleistungen fest. Es ist danach die freiwillige Krankenpflege in Frankreich eln Annex der Armee; schon im Frieden nach den Militär⸗Arrondissemento gegliedert, im Kriege in erster Linse zur Verwendung in der Reserve bestimmt. Die Delegirten des Rothen Kreuzes sind den Truppen⸗ Commandeuren zugeordnet.

Datz Sanitätspersonal und Material wird nach dem militärischen Bedürfniß vorbereitet und über dessen Thätiakeit und Leistungö⸗ fäbigkeit von dem Centralcomité alljährlich dem Kriegs⸗Minister un⸗ mittelbar Bericht erstattet. Eine Zwischeninstanz ist nicht vor⸗ handen, auch werden nur Vereine, die sich dem Rothen Kreuz an⸗ geschlo en haben, zu freiwilligen Leistungen im Sanizatsdienst zu⸗ gelassen.

Eine ähnliche Organisation besteht in Oesterreich, wo zugleich die Ritterorden, gemeinschaftlich mit dem Rothen Kreuz, söre vom Kriegs⸗ Ministerium stberwachten Sanitätsleistunger schon im Frieden den Militär⸗Einrichtungen anpassen. Von deutscher Seite wurde in den Genfer Verhandlungen hervorgehoben, daß das Verhähtniß des deutschen⸗ Rothen Kreuzes zur Militär⸗Autorität durch die Kriego⸗Sanitätsordnung vom 10. Januar 1878 gesetzlich geregelt sei. Gine Einordnund in die Militär⸗Organisation schon im Frieden dat bisher nicht statt⸗ gefunden. Das Rothe Kreuz ist außerdem kein vom Staate ausschließlich⸗ anerkannter Hülfsverein für die Militär⸗Sanitähpflege. Der Kaiserliche Militär⸗Inspecteur der freiwilligen Krankenpfiege ist vielmehr er⸗ mäͤchtigt, für dieselbe, welche er beim Kriegs⸗Ministen vertritt, auch alle anderen Vereine neben den Rittervorden beliebig in Anspruch zu nehmen.

Das englische, wie das russische Rothe Kreuz, haden eine felbst⸗ ständige, von den Staatsoarganen fast unabhaͤngige Steltung. Im vollen Gegensatz dazu geht das amanikanische Rothe Kreuz ganz im Staatsorganismus auf. 1

In den Konferenzvarhandlungen kam überhaupt die größte Mannigfaltigkeit in diesen Venhältnissen bet den verschledenen⸗ Nationen zum Vorschein. Auch fand die „Militarisation“ der fret- willigen Krankenpflege manche entschiedene Gegner.

Die Konferenz erklärte dieselbe schließlich alo eine offene Frage und sprach sich überhaupt in Betreff der Organifation der Landesvereine in einer besonderen Resolution dahin aus, daß für⸗ dieselbe die Aufstellung einer internationalen Norm unmöglich sei. In der Resolution bezeichnete sie zugleich:

die Erwerbung des Korporationhrechts Seitens der Landesvereine für wünschenswerth; und 8

die Theilnahme der Frauen an Werke des Rothen Kreuzes für unentbehrhich.

Diese Theilnahme hat in Deueschland ihre großartigste Ver⸗ wirklichung gefunden. In der Organisatiom der Frauenvereine aber tritt die Eigenthümlichkeit der verschiedenen Nationalitäten ganz be⸗ sonders hervor. Während über Fersern deutsche Frauenvereine in selbständiger Wirksamkeit für sich dastehen, kennt das amerikanische Rothe Kreuz keine gekrennten Frauen⸗- und Männervereine. II

rankreich wiederum, wo in den geistlichen Oeden die Franenwelt in

ingebung und Opfermuth mit allen Nationen wetteifert, bietet die Gründung von Frauenvereinen des Rotden Kreuzes oder von weltlichen Verbindungen, die auf den gleichen Bestrehungen beruben, ganz be- 8888 Schwierigkeiten. Gs ist eine außerordentliche Umsicht bei den

nforderungen zu entwickeln, welche man an die Leistungen der französischen Frauen stellt. Und noch den böchst interessanten Dar⸗ legungen des Pariser Delegirten Professor Dr. Duchaussov hängt er⸗ fahrungsmäßig der Erfolg bei Gründung und Erhaltung der französischen Fra zenvereine wesentlich von der aeschickten Wahl und Leitung einer dern National⸗Charakter entsyrechenden Vereinsthätigkeit ab. Die Krankenpflege im Frieden gehöct in der Regel nicht dazu. 1

Von allen Organisatiogen des Rothen Kreuzes verdient die ame rikanische, an derea Spitze im Exccutivcomité gegenwärtig eine Frau steht, und die auf der breitesten, hierin alle anderen Vereine⸗ wesen überbietenden Grandlage einer eigenthümlichen Entwickelung entgegengeht, die auf merksamste Beachtung. Mr. Sheldon, vom amerikanischen Centralcomité, bat im Namen der Präsidentin Miß Clara der Konferenz diese Organisation in großen Zügen

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