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Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
e Beilage
Berlin, Donnerstag, den 11. März
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Preußen. 2 der gestrigen (63.) Sitzung des Reichstages erklärte bei sortgesetzter Berathung des von den Abgg. Dr. Windthorst und Graf Waldburg⸗Zeil gestellten Antrages betreffs des Zeug⸗ nißzwangsverfahrens gegenüber Reichstagsab⸗ geordneten der Abg. Dr. Hänel: Der Antragsteller habe sich in seiner Auffassung geirrt, daß jede Partei bereit sein würde, den Antrag ernstlich zu prüfen. Eine wahrhaft kon⸗ servative Partei freilich würde dazu bereit gewesen sein. Der Antragsteller habe aber übersehen, daß es im Hause keine kon⸗ servative Partei gebe, sondern daß es da nur eine Regierungs⸗ partei gebe. Der Abg. von Hammerstein habe sich gar nicht die Mühe gegeben, etwaige Verfassungszweifel hier zu erörtern. Die Verfassung bestimme in §. 30, daß jede gerichtliche Pro⸗ zedur gegen Reichstagsabgeordnete ausgeschlossen sei. Der Porredner habe ganz übersehen, daß das Privileg der Zeugniß⸗ verweigerung schon existire für Geistliche und Rechtsanwälte. Parum sollten die Abgeordneten eine mildere Redefreiheit haben, als jene Personen? Gerade dieser Umstand weise diese darauf hin, eine Interpretation der Verfassung zu suchen, welche ihnen dasselbe Recht einräume. Parlamentsjustiz übe das Haus nicht. Er wünschte, daß die Abgeordneten das thun könnten, ebenso wie in England; dort würde ein Richter, welcher sich gegen die Vorrechte des Parlaments vergehe, vor die Barre des Hauses citirt und möglicherweise be⸗ streft werden. Die deutschen Abgeordneten wollten nicht den Mund halten, wo der Richter vielleicht anderer Meinung sei, als sie. Es könnte eine unerhörte Be⸗ schränkung der Redefreiheit eintreten, wenn die Abgeordneten den Zeugnißzwang gegen sich selber einräumen wollten. Dem⸗ genüber seien die Konservativen ohne Weiteres bereit, dieses ct aufzugeben, man hätte nicht die schiefe Stellung der Konservativen gegenüber der Verfassung rhetorischer darstellen können, als es der Abg. von Hammerstein gethan habe. Er oner) sei, überzeugt, daß eine Zeugnißpflicht des Abgeord⸗ neten für seine Aeußerungen im Hause nicht existire, aber er stinme der Ueberweisung an die Kommission bei, um die Ftage eingehend zu erörtern.
Hierauf ergriff der Staatssekretär von Boetticher das Wort:
Meine Herren! Es liegt mir gewiß fern, irgend ein Wort gegen ie Absicht zu sagen, zu untersuchen, wie weit die im Art. 30 der Verfassung den Reichstagsabgeordneten gewährte Immunität geht. hegen den Versuch, die Zweifel, die etwa in dieser Hinsicht ent⸗ anden sind, zu lösen und zunächst durch eine kommissarische
Fehandlung der Lösung entgegenzuführen, habe ich selbstverständlich” nicht das Mindeste zu erinnern. Ich bin überhaupt der Meinung,
man kann diese Sache sine ira et studio behandeln und kann an der Hand ähnlicher Verfassungsbestimmungen untersuchen, ob das, was nach dem Antrag des Hrn. Abg. Windthorst ausgesprochen werden soll, wirklich staatsrechtlich und verfassungsrechtlich haltbar ist.
Meine Herren, ich habe, als der Antrag Windthorst in meine Hände kam, mir die Frage vorgelegt: zu welchem Zwecke ist dieser Antrag gestellt? Er fordert den Reichstag auf, eine Erklärung alzugeben, welche die Interpretation einer Verfassungsbestimmung durh den Reichstag feststellen soll. Darüber kann der Hr. Abg. Windthorst doch nicht zweifelhaft sein, daß eine solche einseitige Er⸗ slärung des Reichstages durchaus nicht im Stande ist, diejenigen Be⸗ dörden, welche den Art. 30 zu konsideriren oder anzuwenden haben, in irgend einer Weise zu binden; und ich war sehr begierig, durch die deutige Verhandlung darüber aufgeklärt zu werden, aus welchen Gründen man gleichwohl diese Form des Antrages gewählt habe. Ich sätte es für viel richtiger gehalten, einfach den Auftrag an die Geschäfts⸗ tonmnission zu geben, zu untersuchen, ob nach Art. 30 ein Zeugnißzwang gegen die Abgeordneten geübt werden kann; oder ich hätte, wenn Zweifel in dieser Beziehung bestehen — und daß Zweifel in dieser Beziehung be⸗ stchen, konnte doch der Herr Abgeordnete wissen, da eine andere Aus⸗ segung als die seinige bereits thatsächlich in Geltung ist — ich hätte
es für richtiger gehalten, einen Antrag auf Abänderung resp. Ergän⸗ aung der Verfassung zu stellen. Von alledem ist nicht die Rede ge⸗
wesen; und ich muß sagen, daß ich auch durch die ausführlicheren Bemerkungen des Hrn. Abg. Hänel nicht darüber aufgeklärt worden iin, aus welchen Gründen der Hr. Abg. Windthorst dem Antrag die gewählte Form gegeben hat. I1“ Der Bundesrath hat sich mit der Frage, die dieser Antrag an⸗ ugt, bisher nicht beschäftigt. Ich bin deshalb nicht in der Lage, Ihnen heute sagen zu können, welches die Auffassung der verbündeten Regierungen in der fraglichen Beziehung ist. Aber die Königlich grenßische Regierung hat die Frage einer Prüfung unterzogen aus dem sehr naheliegenden Grunde, daß das strafrechtliche Verfahren, welches auf Grund der Bemerkung des Hrn. Abg. von Schalscha in einer der früheren Reichstagssitzungen eingeleitet worden ist, vor einem prenischen Gerichtshof schwebt; und die preußische Staatsregierung steinstimmig zu der Ueberzeugung gekommen (Lachen links) — ja, neine Herren, man kann das belächeln, aber mit diesem Belächeln schlägt man unsere Gründe nicht. Sie kennen sie ja noch gar nicht, also warten Sie doch erst ab, bis ich sie Ihnen angebe — ich sage also, man ist einstimmig zu der Ueberzeugung gekommen, daß der Art. 30 der Verfassung die Reichstagsabgeordneten nicht dem Zeugniß⸗ wangsverfahren entzieht. Man ist bei dieser Ueberzeugung zurück⸗ gegangen auf die Entstehungsgeschichte des Art. 30. Der Ark. 30 ist nachgebildet einer Bestimmung der englischen und der belgischen Ver⸗ assung. In beiden Verfassungen ist ausdrücklich davon die Rede, daß es sich blos um strafrechtliche Verfolgungen handle, denen die bgeordneten wegen ihrer Aeußerungen, die sie im Parlament gemacht aben, entzogen werden sollen. .
Nun hat die preußische Regierung auch weiter erwogen, daß, auch tägceben von diesen Vorgängen, die Wortfassung dieses Artikels nicht er Auffassung zur Seite steht, welche der Hr. Abg. Hänel soeben als die seinige hingestellt hat, und welche dahin geht, daß man, indem man den Abgeordneten der Verantwortung für seine Aeußerungen ent⸗ sießt, implicite auch um deswillen das Zeugnißzwangsverfahren aus⸗ geschlosen habe, weil das Zeugnißzwangsverfahren die Auferlegung einer Verantwortung involvire. Meine Herren, diese Auffassung hat ie Königlich preußische Regierung nicht zu der ihrigen machen können; von einer Verantwortung in einem strafprozessualischen Verfahren
ann zunächst nur die Rede sein gegenüber dem Angeklagten, und der Zeuge, der das Material herbeischaffen soll, um die Anklage zu stützen, unterliegt keiner Verantwortung als
er allgemeinen Verantwortung, vor Gericht alles das zu sagen, was man weiß und was der Wahrheit entspricht. Ein Zurverantwortung⸗ sela s also unmöglich dem Wortsinne nach in der Aufforderung, eugniß abzulegen. 1
G Die Königlich preußische Regierung hält aber auch weiter eine inmischung des Reichstages gegenüber dieser Frage insoweit nicht
am Platze, als diese Einmischung darauf abzielt, einen Ausspruch zu thun, der nach außen hin auf die Handhabung des Art. 30 eine Wir⸗ kung äußern soll. Die preußische Regierung ist der Meinung, daß zweifelhafte Verfassungsbestimmungen nur deklarirt werden können durch ein Gesetz. Sie ist ferner der Meinung, daß der Richter die
Pflicht hat, die Gesetze nach ihrer Bedeutung und nach seinem Er⸗ messen zur Anwendung zu bringen, und daß er sich dabei nicht be⸗ einflussen lassen darf durch den einseitigen Spruch eines gesetzgeben⸗ den Faktors. 1
Meine Herren, die preußische Regierung ist nun aber auch materiell der Meinung, daß es gar nicht in der Absicht des Art. 30 gelegen haben kann, und daß die gesetzgebenden Faktoren auch selber nicht die
Absicht gehabt haben, die Immunität, welche der Art. 30 enthält, auf das Zeugnißzwangsverfahren auszudehnen; Hr. von Hammerstein hat die Gründe dafür schon meines Erachtens sehr treffend angegeben. Während im Strafgesetzbuch im §. 11 ausdrücklich davon die Rede ist, daß Abgeordnete wegen der von ihnen gethanen Aeußerungen nicht strafrechtlich verfolgt werden dürfen, finden sich in der Strafprozeß⸗ ordnung die Abgeordneten gar nicht unter denjenigen Personen auf⸗ geführt, welche unter Umständen das Zeugniß verweigern können.
8 Also, meine Herren, aus diesen Gründen hat die preußische Regierung die Ueberzeugung geschöpft, daß der Art. 30 das Zwangs⸗ verfahren gegen einen Abgeordneten nicht ausschließt; sie hat weiter die Ueberzeugung, daß ein Eingriff des Reichstages in der fraglichen Beziehung verfassungsmäßig unzulässig ist, und wenn ich auch dem Antrage, den Sie beschäftigenden Antrag in die Kommission zu ver⸗ weisen, nicht entgegentreten kann, so muß ich doch dringend wünschen, daß aus der Kommission etwas Anderes hervorgeht, als der Antrag Windthorst, der durchaus effektlos bleiben wird.
Der Abg. von Reinbaben erklärte, die Konservativen seien bei Verfassungsfragen mit den anderen Parteien bisher zu⸗ sammengegangen. Die Parlamente besäßen keine Bajonette, sie könnten nur durch moralische Macht wirken. Der vor⸗ liegende Antrag, der eine gewisse Familienähnlichkeit mit jenem Wahlbeeinflussungsantrag habe, aus dem die Kom⸗ mission nichts zu machen gewußt habe, werde zu keinem posi⸗ tiven Resultat führen. Diesen Rechtsbegriffen werde dadurch Gewalt angethan. Man wolle ohne Berechtigung Vorrechte des Reichstages erlangen. Der Antrag erinnere an ein Wort Goethe's: „Im Auslegen seid nur recht munter, legt ihr nicht aus, so legt ihr doch unter“. Möge man doch erst abwarten, wie die höchste Gerichtsinstanz über den Fall urtheilen werde. Ihn wundere, daß die Herren, die immer vom Rechtsstaat sprächen, einen so geringen Respekt vor der Autorität der Gerichte hätten, und daß die Gesetzgeber selbst nicht den Gehorsam gegen die Gesetze leisten wollten.
(Gees parlamentarische Vorgänge hätten bewiesen, daß es recht gut sei, wenn die Gerichte eine gewisse Kontrole über
die Reichstagsverhandlungen ausübten. Vielleicht wäre es viel besser, das ganze Wahlprüfungsverfahren einem geordneten Gerichtshofe zu überweisen. Die Redefreiheit im Parlament möchten auch die Konservativen gewahrt wissen. Die Ab⸗ geordneten hätten in Deutschland schon so viel parlamentarische Privilegien, wie in keinem andern Lande, sie hettef doppelt so viel Privilegien wie in England. Die Möglichkeit des Miß⸗ brauchs der Zeugnißpflicht würde doch nicht ausreichen, um Gesetze zu erlassen. Es müsse doch erst konstatirt werden, daß Miß⸗ brauch getrieben werde. Dieser Fall sei aber nicht zu solchen Maßregeln geeignet, die Abgeordneten könnten sich im Gegen⸗ theil freuen, daß sie Mittel hätten, dem vom Abg. von Schalscha erwähnten Münzverbrechen auf die Spur zu kommen. Einer Kommissionsberathung werde sich seine Partei nicht widersetzen, um alle diese Gesichtspunkte klar zu stellen. b Der Abg. Pfafferott meinte: Die Zeugnißpflicht schließe wohl ein Zurverantwortungziehen in sich, das gehe aus der französischen Verfassung, aus der der §. 30 entnommen sei, hervor. Nach der letzteren sei ein Zeugnißzwangverfahren gegen Abgeordnete entschieden unzulässig. 8 Der Abg. von Maltzahn⸗Guͤltz verwahrte seine Partei egen den Vorwurf des Abg. Hänel, als ob sie nicht zu jeder gat bereit sei, die Rechte des Parlaments zu schützen. Nach dem geltenden Recht und nach der Verfassung hätten die Ab⸗ geordneten in diesem Falle gar kein Recht, die Immunität des Reichstagsabgeordneten auch auf die Zeugnißverweigerung auszudehnen. Die ganze Entstehungsgeschichte dieses Artikels beweise dies. Es habe nur in der Absicht gelegen, die straf⸗ rechtliche Verfolgung wegen Aeußerungen der Abgeordneten im Parlament auszuschließen. Er bitte, den Antrag Windthorst abzulehnen; seine Partei werde sich auch nicht an der Kom⸗ missionsberathung betheiligen. 8 Der Abg. Dr. Windthorst äußerte, er wolle nicht gegen das bestehende Recht handeln, sondern halte es für bestehendes Recht, daß die Abgeordneten nicht zur Zeugnißablegung ge⸗ wungen werden könnten, deshalb habe er seinen Antrag ge⸗ Ftolt und halte ihn für vollkommen berechtigt. Wenn dieses Recht in der Verfassung stehe, so halte er es für überflüssig, daß es noch in der i;.öea. aufgeführt werde, der Richter habe doch in erster Linie die Verfassung zu respektiren. Man sei in Preußen sehr geneigt, die parlamentarischen Prä⸗ rogative einzuschränken, bei so ernsten Fragen sollte man deshalb meinen, daß sich keine Partei von einer ernsten Perne fung ausschließen würde; das hahe der Abg. von Hammerstein Namens der Konservativen gethan. Im englischen Parlament würde man solche Frage nie a limine ablehnen. Die Ver⸗ fassung und ihre Privilegien müßten in erster Linie aufrecht erhalten werden. Er (Redner) finde im Hause aber nicht viel Sinn für konstitutionelle Verfassung. Die Frage sei so ernst, daß er noch einmal die Kommissionsberathung vorschlage. Wenn Jemand hier Verleumdungen vorbringen wollte, so würde die Oeffentlichkeit und vor Allem die Disziplin des Hauses das zu verhindern wissen. Der Abg. Dr. Hänel fragte: Wie die konservative Partei über gute Gründe, die seine Partei habe, so cavalierement hinweggehen könne? Habe man doch gehört, daß sich die preußische Regierung beeile, die Frage zu prüfen und zu ihr Stellung zu nehmen, die preußische Regierung, die doch eigent⸗ lich erst sich mit der Frage zu beschüstigen hätte, wenn sie dem Bundesrath vorläge. Die belgische Verfassung sei nicht, wie gesagt werde, die Quelle der deutschen Verfassung, sondern die französische Verfassung, welche die Zeugnißpflicht ausschließe. Die Königliche Staatsregierung habe sich also “ geirrt. Er beantrage nochmals Ueberweisung an die Ges häfts⸗ ordnungs⸗Kommission.
das
missarisch berathen worden. etwas Neues wurf ablehnen,
ö ein entschieden feindseliger Schachzug seiner (des Red⸗
1886.
Hierauf bemerkte der Staats⸗Minister von Boetticher: Mieine Herren! Nur wenige Worte. Der Herr Abg. Hänel hat mich bezichtigt, daß ich eine falsche Quelle für die Verfassungsbestim⸗ mung des Art. 30 zitirt hätte. Er hat diese Bezichtigung mit dem Scherz begleitet, das ganze preußische Staats⸗Ministerium habe sich einstimmig geirrt. Nun ist aber dieser Vorwurf nicht begründet. Ich habe gesprochen von einem Vorbilde, was für den Art. 30 genommen worden ist, und ich habe mich nicht auf die belgische Verfassung be⸗ schränkt, sondern ich habe ausdrücklich gesagt, daß auch die englische Verfassung von 1689 hierbei zu Rathe gezogen worden sei. Daß der Abg. Hänel diesen beiden Vorbildern gegenüber, die aktenmäßig ei der Herstellung unserer Verfassung benutzt worden sind, sich auf die französische Verfassung beruft, das ist ja von seinem Standpunkte aus ganz geschickt, weil in Frankreich ein Fall vorgekommen ist, in welchem man aus der betreffenden Bestimmung der französischen Verfassung deduzirt hat, daß der Zeugnißzwang unzulässig sei. Damit ist aber gar nicht gesagt, daß ich etwas Unrichtiges behauptet hätte, denn, wie gesagt, meine Behauptung wird durch die Akten gestützt. (Abg. Hänel: Nein!) Ich weiß nicht, ob die Akten über die Herstellung des ersten Entwurfs der deutschen Verfassung dem Hrn. Abg. Hänel zur Dis⸗ position stehen oder uns? (Abg. Hänel: Sie stehen mir zur Dis⸗ position.) Wir wollen die Akten gegenseitig gegen einander halten, und dann wollen wir sehen, wer Recht hat.
„Dann hat der Hr. Abg. Hänel gesagt, die preußische Regierung, die mit der Sache gar nichts zu thun habe, habe sich veranlaßt gesehen, in die Materie sich hineinzubegeben, und er könne dem Reichstag nur empfehlen, dasselbe zu thun, was die preußische Regierung gethan hat. Meine Herren, daß die preußische Regierung diese Frage nichts angeht, ist doch eine zu kühne Be⸗ hauptung. Erstens ist die preußische Regierung bekanntlich Mitglied des deutschen Bundes und des deutschen Bundesraths, und hat als solches auch ein Urtheil darüber abzugeben, wie Verfassungsbestim⸗ mungen auszulegen sind. Wenn also die Auslegung einer Ver⸗ fassungsbestimmung in Frage kommt, so hat die preußische Regierung ebenso gut wie jedes andere Bundesmitglied Veranlassung, die Pflicht und das Recht, sich damit zu beschäftigen; und ich weise den Vorwurf ganz entschieden zurück, daß die preußische Regierung nichts mit der Sache zu thun habe. 8
Dieser Vorwurf ist aber auch aus einem andern Grunde ganz unbegründet. Es handelt sich hier um ein Verfahren vor preußischen Gerichten, und die preußische Regierung hat ebenso wie jede andere Regierung das Recht und die Pflicht, jeden Einfluß abzuwenden, der unberechtigterweise gegen die Freiheit der Entschließungen ihrer Gerichte geübt werden könnte.
„Aus diesem Grunde allein hat sich die Königlich preußische Re⸗ gierung mit der Frage beschäftigt, und sie wird in allen ähnlichen Fragen ganz mit derselben Gewissenhaftigkeit und mit derselben Energie thätig wirken.
Der Abg. Freiherr von Hammerstein wandte sich gegen die Ausführungen des Abg. Hänel. Die thatsächliche Rede⸗ freiheit sei in Deutschland größer, als in England, dort sei jeder Abgeordnete für seine Aeußerungen im Parlament, wenn sie öffentlich verbreitet würden, strafrechtlich verantwortlich. Auch in Nordamerika herrschten nicht solche Freiheiten, wie in Deutschland. Er bleibe bei seiner Weigerung gegen eine Kommissionsberathung.
Der Abg. Dr. Hänel betonte, in Nordamerika habe aller⸗ dings der oberste Gerichtshof das Recht, die Verfassungs⸗ mäßigkeit ganzer Gesetze zu 1 nicht nur die der Be⸗ schlüsse des Parlaments. Solchen Gerichtshof mit den nöthi⸗ gen Garantien ließe er sich auch in Deutschland gefallen. Der Staatssekretär habe seine Aeußerungen mißverstanden. Die Akten über die Reichsverfassung ständen in Deutschland ebenso gut zur Verfügung wie der Regierung. Es existirten darüber nämlich nur Vorlagen und Kommissionsbeschlüsse.
Der Staatssekretär von Boetticher äußerte: Die Reichs⸗ verfassung habe doch ihre Vorgeschichte, die der Vorlage voran⸗ gegangen sei. Die ersten Entwürfe seien der englischen und belgischen Verfassung nachgebildet. b
Der Antrag wurde der Geschäftsordnungskommission überwiesen. Dagegen stimmten nur die Deutschkonservativen.
Der Antrag des Abg. Grafen Moltke, welcher von der deutschkonservativen Partei unterstützt ist, lautet:
„An Stelle des §. 9 und des ersten Absatzes des §. 21 des Mie sn .. vom 27. Juni 1871 treten folgende Vor⸗
riften: 1
„§. 9. Die Pension beträgt, wenn die Verabschiedung nach vollendetem zehnten, jedoch vor vollendetem elften Dienstjahre ein⸗ tritt, 15 0 und steigt von da ab mit jedem weiter zurückgelegten Dienstjahre um 1‧¼60 des pensionsfähigen Diensteinkommens.
Ueber den Betrag von ⁄%0 dieses Diensteinkommens hinaus findet eine Steigerung der Pension nicht statt. “
In dem im §. 2 Absatz 2 erwähnten Falle beträgt die Pension 15⁄60, in dem Falle des §. 5 höchstens 15 ⁄60 des pensionsfähigen Diensteinkommens.“ 1“ 1 8
„§. 21. Die Zeit, während welcher ein mit Pensionsansprüchen aus dem aktiven Dienst geschiedener Offizier oder im Offiziersrange stehender Militärarzt zu demselben wieder herangezogen worden ist und in einer etatsmäßigen Stellung Verwendung findet, begründet bei einer Gesammtdienstzeit von mindestens 10 Jahren mit jedem weiter erfüllten Dienstjahre den Anspruch auf Erhöhung der bisher
5 ; vor: für die bis zum 1. April 1885 er⸗ bezogenen Pension und zwar: für die b 8 füllte
füllten Dienstjahre um je 10, für die nach Fresett 8g 1 8
Dienstjabre um je ¼0 des derselben zu. Grunde liegen en vxan
fähigen Diensteinkommens bis zur Erreichung des im §. 9 Absatz?
immte öchstbetrages.“ 8 1 1“ ergriff der Abg. Graf Dr. von Moltke
Wort: Das Militärpensionsgesetz sei in drei verschie⸗
— rioden im Hause durchgesprochen und kom⸗ denen Legislaturperi Seseerte scher, sein, irgens darüber zu sagen. Zunächst müsse er einen Vor⸗ der von jener Seite (links) erhoben worden
ei. Es sei gesagt worden, daß das Einbringen dieses An⸗
artei gegen das Zustandekommen des Beamtengesetzes Genr Norrag, obgleich er die frühere Regierungsvorlage wiederherstelle, sei doch keineswegs im Auftrage der Regierung eingebracht oder als eine bestellte Arbeit seiner Fraktion zu be⸗ zeichnen. Er habe aus eigenem Antriebe diesen An⸗ trag gestellt. Das Beamten⸗ und Militärpensionsgesetz sei dem Hause allerdings geichfetige vorgelegt worden, aber gesondert, jedes für sich, selbständig. Es sei auch der Vorwurf erhoben worden, daß die Regierung dieselben vor zwei Jahren mit einander verschmolzen eingebracht habe. Beide Gesetze seien aber nach Inhalt und Form durchaus parallel saena Er könne sich denken, daß man beide Gesetze ablehne, vielleicht aus Rücksicht auf finanzielle Gründe — oder