1887 / 94 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 22 Apr 1887 18:00:01 GMT) scan diff

Friedensakt aus einem Guß herzustellen, der in 2 Tagen redigirt, unterzeichnet und abgeschlossen wird. Die heutige Vorlage bildet das Ergeßni von dem, was in Preußen die Regierung nach achtjährigen Erwägungen und Unterhandlungen in der Sache glaubt gewähren zu können, ohne ihre Stellung im eigenen Lande zu ge⸗ fährden. Daß das in Form von 5 oder 6 Novellen geschehen ist, ist nicht unsere Schuld. Meine Ueberzeugung ist 1878 dieselbe gewesen, wie heut; aber es ist nöthig daß man auch die Ueberzeugung Anderer dafür gewinnt, und namentlich, daß man die Bereitwilligkeit des anderen Theiles gewinnt ich will nicht sagen des Gegners, aber des andern Paciscenten. Das habe ich versucht von dem Augenblick ab, wo ich es für möglich hielt. Ich habe den Kampf als solchen mit mehr oder weniger Theilnahme, je nachdem meine Anwesenheit oder der Zustand meiner Gesundheit es erlaubte, geführt bis zum Jahre 1878, wo ich glaube, es war im Februar, der Thron⸗ wechsel auf dem päpstlichen Stuͤhl eintrat. Von dem Augenblick an habe ich die Hoffnung auf Frieden gehabt, und ich habe keine Gelegen⸗ heit versäumt, den Frieden anzubahnen. Die Verhandlungen, die wir darüber in Kissingen, in Gastein, in Wien geführt haben mit Masella, Jacobini, sind ja publici juris. Es war schwer, zu einem definitiven Resultat zu kommen. Und nachdem wir jetzt es endlich erreicht haben, daß wir wenigstens über einen modus vivendi uns zur Zeit verständigt haben, so möchte ich doch an die befreundeten Fraktionen, an die natio⸗ nalen Fraktionen möchte ich sagen, die dringende Bitte richten, die Benutzung dieses guten Moments zum Friedensschluß oder wie der Hr. Abg. Windthorst sich ausgedrückt hat: zur Anbahnung des Friedens das sind Worte, über deren Bedeutung ich hier nicht streiten will aber zur Herstellung eines modus vivendi, den günsti⸗ gen Moment nicht zu versäumen und die Regierung nicht in die Un⸗ möglichkeit zu setzen, ihn ihrerseits zu benutzen. Die Herren sollten doch erwägen, daß eine richtige, den Moment wahrnehmende Politik leichter zu stören als zu machen und durchzuführen ist; und ich möchte sie bitten, sich nicht dem Gedanken hinzugeben, daß das Resultat, welches hiermit erreicht wird, dem Bemühen eines 13⸗ oder 14 jährigen Kampfes nicht entspreche. 1 Erinnern Sie sich, daß Friedrich der Große den 7 jährigen Krieg mit schweren gewonnenen und verlorenen Schlachten, mit Verheerung ganzer Provinzen und mit Eroberung und mit Verlust mancher festen Städte geführt hat, und nach 7 jährigen Schlachten den Frieden auf im status quo ante geschlossen hat. Nichtsdestoweniger war der Friede ein ehrenvoller, wenn er auch nur die volle Abwehr des auf Preußen gerichteten Angriffs bestätigte. In unserem Kampfe ist glücklicherweise kein Blut vergossen, keine Städte sind zerstört worden, es hat nur Redeschlachten gegeben. Es ist viel Athem verbraucht und viel Tinte vergossen worden; aber wir haben auf keine verheerten Gefilde und verlorenen Provinzen zu blicken; und ich sage den Herren, die namentlich dem Papst gegenüber sich auf das Pferd sezene: wir haben so lange gekämpft und uns geopfert und Karen in Gefahr denen sage ich: was haben sie denn für Gefahren gehabt, was haben sie für Opfer gebracht? Sie haben große Reden gehalten d starke Reden gehalten. (Zuruf: Zwei Jahre Gefängniß!) Darf ich bitten, deutlicher zu reden? Nachher kommt diese Unterbrechung in das Protokoll, und wenn man nicht darauf geantwortet hat, so sieht es aus, als ob man nicht Also: zwei Jahre gesessen. Das kommt ja auch vor; im jährigen Krieg haben Viele viel länger gesessen. Das ist doch nicht ein so großes Opfer, daß Sie deshalb verlangen können, daß der Friede der ganzen Nation deshalb gestört bleibt, und haf ein hoher Herr, der vor allen Dingen Friedensfürst ist, nun deshalb, weil einer seiner Anhänger 2 Jahre gesessen hat was Jedem passiren kann den Kampf fortsetzt. Das zu verlangen ist eine Uebertreibung, die mit den Opfern, die Sie durch Fortsetzung des Kampfes Ihren Landsleuten auf⸗ erlegen, in gar keinem Verhältniß steht. Also ich glaube, wir können

zufrieden sein, wenn es uns jetzt gelingt, zu einem modus vivendi zu gelangen, ohne damit zu behaupten, daß die Opfer, die wir von beiden Seiten gebracht haben, außer Verhältniß stehen zu dem Refultate. Blut hat dieses Resultat nicht gekostet, nur Reden, Schriften und, wie ich allerdings zu meinem Bedauern höre, Gefängnißstrafen. Meine Herren, wenn ich mich entschlossen habe, Sr. Majestät dem König zur Genehmigung einer Einigung mit der Kurie, wie sie tzt im vollen Einverständniß vorliegt, zu rathen, so habe ich das cht gethan, ohne einen Blick in unsere Zukunft und in unser eigenes Lager zu thun. Niemand von uns kann die Zukunft voraussehen, und auch der mächtigste Monarch und der geschickteste Staatsmann kann sie nicht beherrschen und leiten. Es bildet die geschichtliche Ent⸗ wickelung unseres Landes einen zu gewaltigen und zu breiten Strom, als daß ein Einzelner und selbst der Herrscher des Landes ihn vorher bestimmen kann. Die ganze Weltgeschichte läßt sich überhaupt nicht machen; auf ihrem Strom kann man ein Staatsschiff steuern, wenn man sorgfältig auf den Kompaß der salus publica blickt und diese richtig zu beurtheilen weiß. Wenn Sie nun zu mir das Zutrauen haben, daß ich nach 25 jähriger Probezeit in diesem Gewerbe des Steuerns einige Erfahrung und Einsicht gewonnen habe, dann bitte ich: Bethätigen Sie dieses Zutrauen dadurch, daß Sie einstimmig ohne mendements wenn ich „einstimmig“ sage, so nehme ich immer een Hrn. Abg. Richter aus die Vorlage, wie sie aus dem Herren⸗ hause gekommen ist, annehmen. Wenn Sie das Vertrauen zu mir nicht haben, daß ich dies leisten könnte, daß mein Blick der richtige gewesen wäre, wenn ich Ihnen rathe, so vorzugehen, wenn mich meine Freunde bei dem zustandebringen, bei dem Abschluß dieses langen mühsamen Werkes wirklich i Stiche lassen sollten was ich nicht hoffe —, so wird es mir auch unmöglich sein, an einem Staatswesen, das mir solche Er⸗ fahrungen bietet, ferner mitzuwirken, ich würde mich aus dem preu⸗ ßischen Staatswesen vollständig herausziehen müssen und nur noch meine Erfahrungen im auswärtigen Dienste dem Kaiser zur Verfügung stellen, d. h. im Reichsdienst. Ich würde dazu genöthigt sein nicht dus Verstimmung, sondern im Interesse meines eigenen politischen

msehens und meiner politischen Ehre. In Deutschland ist ja möglich, daß die besten Freunde unter Umständen wegen einer persönlichen Meinungsverschiedenheit gegen einander

stimmen,

außerhalb Deutschlands aber wird mir das Niemand glauben,

1 daß, wenn die mir nächststehenden Freunde gegen die Vorlage stimmen, die ich mit dem Papste verabredet, die ich im Herrenhause vertreten habe, daß das gegen meine heimliche Billigung geschehen ist. Deshalb sage ich: meine politische Ehre ist dafür engagirt; ich kann an einem Staatswesen nicht länger theilnehmen, welches mich in dieser Richtung kompromittirt, schon deshalb, weil auf dem Vertrauen meiner politischen Rechtlichkeit und Zuverlässigkeit ein wesentlicher Theil des Einflusses beruht, den ich in Europa übe. Wir können schweren Prüfungen entgegengehen in auswärtigen Kämpfen und in inneren Kämpfen gegenüber Umsturz⸗ parteien verschiedener Kategorien. Mein Bedürfniß ist gewesen, ehe wir diesen Prüfungen ausgesetzt werden, alle inneren Streitigkeiten von uns abzuthun, die in der That entbehrlich für uns sind. Und für entbehrlich halte ich den Kirchenstreit, wenn er hiermit beigelegt werden kann, weshalb ich die Annahme der Vorlage empfehle.

Der Abg. Graf von Schwerin erklärte: Unter dem Frieden wischen dem Kaiser und König, dem Staat und dem Papst verstehe er die Rückkehr des gegenseitigen Vertrauens und des Bestrebens gemeinsamer Arbeit in der Hebung des sittlichen unnd materiellen Wohls des katholischen Volkes. In hesem Sinne sei der Frieden jetzt schon da. welcher dieses Vertrauen zu Stande gekommen sei und über die Dauer desselben habe man eine überaus unvollständige Kenntniß, weil die Vorbereitungen im Gesinnungswechsel sich nicht hier im Parlament, sondern auf dem Boden diplomati⸗ scher Verhandlungen mit der Kurie abgespielt hätten. Die ganze Angelegenheit spitze sich zu einer Vertrauensfrage zu. Der Reichskanzler habe dies Vertrauen für sich in Anspruch enommen ünd er, wie seine Freunde hätten keine Veranlas⸗ ung, ihm dieses Vertrauen zu versagen. Wenn an maß⸗

gebender Stelle Friede geschlossen sei, sollte derselbe nicht ge⸗

von beiden Seiten, von der protestantischen wie von der katholischen,

Ueber die Basis, auf

ährdet oder vielleicht zerstört werden dadurch, daß man die führhe, des Herrenhauses zu Falle bringe. Die große Mehr⸗

eit seiner politischen Freunde habe ihn beauftragt, zu Se 8 ssch diese Verantwortlichkeit nicht über⸗

nehmen könnten. Sie würden für die Vorlage des Herren⸗ sanls stimmen und sämmtliche etwaigen Amendements ab⸗ ehnen. Daß das Einspruchsrecht ein politisches sei, habe auch der Reichskanzler zugegeben; daß es aber so gemißbraucht werden könne, wie der Abg. Richter fürchte, glaube er nicht. Der Friede werde geschlossen mit dem Papst und den preußischen Bischöfen, nicht mit dem Centrum. Im katho⸗ lischen Volk gebe es konservative und demokratische Strömungen. Daß letztere eine Organisation, wie die katholische Kirche, am Wenigsten ertragen könne, erkenne auch der Papst. Seine Freunde hätten nun als Protestanten manche Bedenken gegen dieses Gesetz, zumal gegen die Wiederzulassung der Orden. Man dürfe sich aber in der Gesetzgebung nicht auf den kon⸗ fessionellen Boden stellen, bei einer Regelung nicht zwischen den beiden Kirchen, sondern zwischen der katholischen Kirche und dem Staat. Außerdem müsse man anerkennen, daß vom Standpunkte der Verfassung das Ordensgesetz ein sehr scharfes Ausnahmegesetz sei. Wenn die Regierung dasselbe nicht mehr brauche, so werde es verfehlt sein, dasselbe umsonst erhalten zu wollen. Dasselbe gelte von der Zulassung der Unterrichtsorden. Es sei immer besser, wenn die Eltern ihre Töchter in inlän⸗ dische Klosterschulen schickten, als in ausländische, wie es jetzt vielfach geschehe. Schließlich müsse er seinem Bedauern Aus⸗ druck geben über die schroffe Haltung, welche die Staatsregie⸗ rung immer noch gegenüber einer größeren Unabhängigkeit der evangelischen Kirche einnehme. Er halte dafür, daß der evangelischen Kirche eine freiere Aktion und Unabhängigkeit von den rein politischen Behörden und Parlamenten eingeräumt werden müsse. Eine rein formelle Gleichstellung der evan⸗ gelischen Kirche mit der katholischen zu fordern, falle ihm nicht ein. Er wolle aber nicht in den Fehler verfallen, parlamen⸗ tarisch etwas durchzusetzen, an einer Stelle, die mit dem Gegen⸗ stand des Votums nicht unmittelbar zusammenhänge. Er hoffe, daß die Regierung ihre schroffe ablehnende Haltung für die Zukunft nicht festhalten werde, sondern diesen Anträgen

egenüber sich auf eine ruhige und sachliche Erörterung ein⸗ assen werde. Was die geschäftliche Behandlung dieser Vor⸗ lage betreffe, so halte er bei der gründlichen Durcharbeitung derselben im Herrenhause eine kommissarische Berathung nicht für nothwendig.

Der Abg. Dr. Virchow bemerkte: Es sei ihm etwas schwer gemacht, in diesem Augenblick eine Materie von dieser Schwierigkeit nüchtern und objektiv zu behandeln, nachdem der Reichskanzler die freisinnige Partei in so heftiger und, wie er Egige ungerechtfertigter Weise angegriffen habe. Es würde ihm ungemein schwer werden, in denselben Ausdrücken zu antworten, wie der Reichskanzler sie angewendet habe. Derselbe habe von einer Schädigung des Landes durch eine gewissenlose Opposition gesprochen; er (Redner) wisse nicht, ob sich das auf seine (des Redners) Partei beziehen solle. Es trage doch nicht dazu bei, den Kampf unter den Landsleuten, den der Reichskanzler so vielfach bedauert habe, zu unter⸗ drücken, wenn von der höchsten Stelle des Landes aus der⸗ artige Ausdrücke in die parlamentarische Diskussion geworfen würden. Der Reichskanzler habe von subversiven Tendenzen gesprochen, die, wie es scheine, der freisinnigen Partei zugeschoben werden sollen. Die Regierung habe nie⸗ mals Veranlassung gehabt, diese Partei wegen subversiver Tendenzen anzugreifen; im Gegentheil, wenn dieselbe mit ihr in Disput komme, habe sie die Verfassung gegen die Regierung zu vertheidigen. Gerade in dieser Angelegenheit habe die Re⸗ jerung keine Veranlassung, sich über die Haltung der frei⸗ Partei zu beschweren. Dieselbe habe die Regierung bei dem ersten Schritt, als es sich um das Schulaufsichtswesen 1“ habe, unterstützt. Die Differenz mit der Regierung habe begonnen, als die Regierung selbst angefangen habe ab⸗ zubrechen, unter Umständen, welche Denjenigen hätten höchst wunderbar erscheinen müssen, welche bis dahin mit der Regie⸗ rung gestimmt hätten. Der Reichskanzler habe damals in keiner Weise zu verstehen gegeben, daß diese Angelegenheit als eine bloße Kampfesangelegenheit zu betrachten sei, sondern er habe mit großem Ernste den tiefen Gegensatz zwischen dem römischen Papstthum und der deutschen nationalen Entwickelung hervorgehoben. Sein (des Redners) Ausspruch: „Nach Canossa⸗ gehn wir nicht!“ sei in eine Zeit gefallen, wo die Besorgniß geherrscht habe, daß die Regierung von dem allgemeineren Standpunkte sich entfernen und zu schwächlichen Konzessionen übergehen könne. Damals habe man gehofft, endlich zu einer allgemeinen materiellen Ordnung des Kirchenrechts, soweit es vom Staate gemacht werden könne, zu gelangen. Das Civil⸗ standsgesetz sei ein Versuch dazu gewesen. Freilich habe man später vom Reichskanzler hören müssen, daß er bei diesen ver⸗ schiedenen Akten der Gesetzgebung entweder gar nicht oder nur widerwillig betheiligt gewesen sei. Hätten er (Redner) und N Freunde gleich gewußt, daß die Regierung nicht die Absicht habe, zu einer befriedigenden Lösung im Sinne seiner Partei zu gelangen, dann würden sie sich nicht für berechtigt erachtet haben, die Schritte mitzumachen, zu denen sie die Regierung verleitet habe: daß das Verhältniß der katholischen Kirche zum Staat geregelt werden solle durch Verträge mit Rom. Und wenn er (Redner) auch zugestehe, daß der Reichs⸗ kanzler nicht nach Canossa gegangen sei, so stehe doch die Einmischung des Papstes in deutsche Verhältnisse nahezu auf gleicher Linie. Niemand habe sich träumen lassen, als der Reichskanzler im Herrenhause seine berühmte Rede gehalten habe, in der er es für Christenpflicht gehalten habe, für die Maigesetze einzutreten und sein Seelenheil für gefährdet erachtete, wenn diese Gesetze nicht beständen, daß er sich so sehr abkühlen würde. Jetzt seien wir nun dahin gelangt, daß wir, wie man sich ausdrücke, vor dem „Frieden“ ständen. Wie komme man eigentlich dazu, dies einen Frieden zu nennen? Die ganze Sache drehe sich wesentlich um das Einspruchsrecht. Der Papst abe die Anzeigepflicht konzedirt. Wie man aber aus dem

Nunde des Papstes selbst in seinem Schreiben an den Erz⸗ bischof von Köln erfahren habe, habe er keineswegs anerkannt, daß die Regierung durch ihren Einspruch die Besetzung geist⸗ licher Stellen verhindern solle. Wäre der Papst schon mit dem Einspruchsrecht der Regierung einverstanden, dann brauchten keine Verhandlungen stattzufinden, von denen Niemand wisse, was aus ihnen werden würde. So lange diese Verhandlungen nicht abgeschlossen seien, könne von einem wirklichen Frieden nicht die Rede sein. Er persönlich habe auf die Anzeigepflicht nie einen großen Werth gelegt. Das Einspruchsrecht aber habe insofern eine größere Bedeutung gehabt, als es auch für

2 Erreiche aber die Regierung, was sie wolle, dann 88 wie der 9. „Richter mit Recht befürchte, eine neue Kategorie von cöhangt en Personen geschaffen. Das Vat⸗ kanum habe die päpst iche Gewalt über Bischöfe und Klerus wesentlich erweitert. In dem Maße, in welchem man dem

apst solche Dinge konzedire, schwäche man immer mehr den

leinen Klerus, den man im Kulturkampf gerade unabhängiger habe machen wollen. Bei den letzten Wahlen habe man gesehen, wohin die enorme Gewalt der Regie⸗ rung gegenüber dem endlosen Heere der kleinen Beamten reiche. Durch das Einspruchsrecht werde der Regierung ein noch größerer Einfluß auf. andere Kategorieen eingeräumt werden. Besonders bedenklich erscheine ihm die Aufhebung des Gesetzes über die Grenzen des Gebrauchs der kirchlichen Straf⸗ und Zuchtmittel. Gerade davor habe seine Partei schützen wollen, daß die kirchliche Gewalt das freie Wahlrecht der Bürger angreife, und daß der Wähler wegen seiner Ab⸗ stimmung eine Censur erfahre. Habe die Regierung Ver⸗ anlassung, diese Censur durch die Geistlichkeit wieder einzu⸗ führen? Er könne sich nicht denken, daß der Papst einen so großen Werth darauf lege, daß dieses Gesetz aufgehoben werde, welches ohne Schädigung kirchlicher Rechte ganz

im Sinne der bürgerlichen Gesetzgebung aufrecht erhalten werden könne. Er könne unmöglich einem Gesetze zustimmen, daß solche Konzessionen mache. Was die Orden anbetreffe, so habe seine Partei niemals einen Zweifel darüber gelassen, daß sie ihr Urtheil über dieselhen keineswegs auf spezifisch protestantische Bedenken und cuf h⸗ fessionelle Voreingenommenheit stütze. Er habe seit ds Ordensgesetzes manche katholische Länder gesehen und sichtze⸗ bei überzeugt, daß sie es ganz erträglich fänden, den Kathtze⸗ mus ohne Orden zu sehen. Nöthig seien diese nur fürse Propaganda. Er und seine Freunde seien die Einzigen g⸗ wesen, welche im Laufe dieses Kampfes ein bestimmtes Prr⸗ gramm aufgestellt, positive Gesichtspunkte angegeben hätten, so⸗ daß man ihnen den Vorwurf negativer, subversiver oder feindlicher Haltung gegen die Kirche nicht machen könne. Sie hätten sich bemüht, eine solide Basis für alle Seiten zu finden. Der Reichskanzler habe aber auch hier nach einigen Jahren die frühere Arbeit selbst wieder abgetragen und sich gesagt. nun wollen wir etwas Anderes anfangen. Er (Redner) ůnt sehr, daß das Mittel, welches der Reichskanzler hier anwen vielleicht im entscheidenden Augenblick versagen werde. Immer

bleibe ein Punkt übrig, über den verhandelt werden müsse, und da komme es auf den guten Willen an. Wenn die Haltung des zeitigen Papstes eine freund⸗

liche sei, so könne doch Niemand wissen, wie sein Nachfolger sich uns gegenüber stellen werde. Vielleicht würden sich auch unsere Verhältnisse mit Frankreich ändern, bei der Unsicherheit der politischen Lage, die der Reichskanzler so sehr betone. Hier aber behandele der Reichskanzler eine Angelegenheit, die

nur durch eine organische Gesetzgebung gelöst werden könne, rein nach Opportunitätsrücksichten. In Fragen der aus⸗ wärtigen Politik habe ja der Reichskanzler mit dieser Oppor⸗ tunität große Erfolge erzielt. Auf seine gegenwärtige Kirchen⸗ politik aber sehe man nicht bloß im Inlande, sondern auch in Amerika und anderswo, z. B. in Italien, mit Besorgniß. Für die innere Politik sei die Methode der Diplomatie wenig er⸗ sprießlich, hier wirke sie geradezu zerstörend, weil sie die ver⸗ schiedenen Parteien veranlasse, ihre Grundsätze aufzugeben und sich nach den Anweisungen des Reichskanzlers zu fügen. So viel sollte doch der Reichskanzler dem deutschen Gemüth b. und dem deutschen Geist zugestehen, daß ein deutscher Mann, der auf Ehre und Anstand halte, nicht in jedem Augen⸗ blick von seinem Prinzip abweichen könne. Wenn der Reichs⸗ kanzler in vielen Fragen der inneren Politik in der freisinnigen Partei seine Gegner sehen zu müssen glaube, so leugne er (Redner) doch, daß diese in irgend einer Frage ihm nicht aus innerer Ueber⸗ zeugung entgegengetreten sei. Die Vorgänger des Kanzlers, Stein und Hardenberg, seien der Meinung gewesen, daß der Staat selbständige, unabhängige Charaktere brauche, Bürger von Festigkeit und Sicherheit, die nicht ihre Ueberzeugung alle Augenblicke änderten. Er und seine Freunde seien gegen die Vorlage, weil sie eine wirkliche Lösung der streitigen Fragen

in ihr nicht finden könnten. Es werde ein Verhältnis für eine Konfession geschaffen, auf das alle anderen auch Anspruch hätten. Der Reichskanzler aber gehe so weit, den Papst, dessen Hülfe er in verschiedenen inneren Angelegenheiten ange⸗ rufen habe, jetzt nicht als Ausländer zu bezeichnen. So weit sei derselbe in seiner Opportunitätspolitik gekommen, daß er Ausländer für Inländer halte. Die Selbstüberwindung, die er sich in diesen Fragen auferlegt haben müsse, zeuge von Stärke. Diese bestehe aber sonst mehr darin, daß man eine mit Besonnenheit genommene Position auch zu halten suche. Die Nachgiebigkeit der Regierung gehe jetzt aber über jedes Maß hinaus. Wer die Verhandlungen des Herrenhauses über diese Vorlage gelesen habe, sehe klar, wie der Kultus⸗ Minister von einer Position zur anderen herunterklettere. Gerade in Deutschland seien sonst religiöse Fragen immer mit hohem Interesse verfolgt worden, und dieses wolle er (Redner) gern dem deutschen Volke erhalten. Der Regierung müsse seine Partei deshalb die volle Verantwortung überlassen und ihr ihre Mitarbeit an einem Gesetze versagen, welches das Inter⸗ esse an religiösen Fragen mindere und als ein Stückwerk nicht im Stande sei, den schweren Konflikt mit der Kirche endgültig zu beseitigen.

(Schluß in der Zwei

die evangelische Kirche mitbezogen gewesen sei. Solle d Einspruchsrecht auch für di 1 irch 5 chsrecht auch ch aufgehoben

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