1889 / 14 p. 1 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 16 Jan 1889 18:00:01 GMT) scan diff

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die Königliche Expedition des Deutschen Reichs-Anzeigers

und Königlich Preußischen Staats-Anzeigers

Berlin 8W., Wilhelmstraße Nr. 32.

Berlin, Mittwoch,

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Auf Ihren Bericht vom 13. d. M. beauftrage Ich Sie, den Bundesregierungen und dem „Reichs⸗Anzeiger“ die amtlichen Mittheilungen zu machen, welche eerforderlich sind, um den Regierungen und den Reichsangehörigen ein eigenes Urtheil über das Verhalten der Reichs⸗Justizverwaltung in der Unter⸗ suchungssache wider den Professor Dr. Geffcken zu ermöglichen. Zu diesem Zwecke bestimme Ich, daß die Anklageschrift gegen den Dr. Geffcken im „Reichs⸗Anzeiger“ veröffentlicht und nebst den Anlagen derselben dem Bundesrath behufs Verwerthung im Sinne Ihres Berichts mitgetheilt werde.

Berlin, den 13. Januar 1889. .“ Wilhelm. I. R. von Bismarck.

An den Reichska

Berlin, den 13. Januar 1889. UMUnter ehrfurchtsvoller Bezugnahme auf meinen Immediat⸗ bericht vom 23. September v. J. erlaube ich mir Ew. Mageüct den in der Strafsache gegen den Geheimen Justiz⸗Rath Dr. Geffcken ergangenen Beschluß des Reichsgerichts vom 4. d. M. allerunterthänigst vorzulegen. Ausweislich, dieses Beschlusses hat das Gericht anerkannt, daß nach dem Ergebniß der Voruntersuchung hinreichende Verdachtsgründe für die Annahme vorliegen, daß der Beschuldigte durch seine Publikation in der „Deutschen Rundschau“ Nachrichten, deren Geheim⸗ altung anderen Regierungen gegenüber für das Wohl des eutschen Reichs erforderlich war, öffentlich bekannt gemacht habe. Der Angeschuldigte ist jedoch außer Verfolgung gesetzt worden, weil für die Annahme des Bewußtseins desselben von der Strafbarkeit seiner Handlung nach Ansicht des Gerichts gnacgfne Gründe nicht vorlagen. ein ehrfurchtsvoller Bericht vom 23. September war durch den Umstand veranlaßt worden, daß die Veröffentlichung des Tagebuchs weiland Kaiser Friedrich's, deren Urheber damals noch unbekannt war, von einem großen Theil der Presse des n- und Auslandes zu Entstellungen benutzt wurde, vermöge deren die Schädlichkeit jener unberechtigten Berosenceihung üͤr das Reich und für das Königliche Haus wesentlich ge⸗ fuger wurde. Analoge Entstellungen der Thatsachen und des gerichtlichen Verfahrens, sowie der Gründe der Einleitung und der Einstellung desselben finden gegen⸗ wärtig in der reichsfeindlichen Presse des In⸗ und Auslandes statt und werden ausgebeutet, um die Unparteilichkeit und das Ansehen der Kaiserlichen Justizverwaltung im Reich zu ver⸗ dächtigen. Dieselben haben den Zweck, das Verfahren der Reichsanwaltschaft und des Reichsgerichts im Lichte der Par⸗ teilichkeit und der tendenziösen Verfolgung darzustellen. Es ist daher für Ew. Majestät Justizverwaltung im Reich ein hehesg die Möglichkeit eigenen, durch die reichsfeindliche Presse nicht gefälschten Urtheils über das eingehaltene zunächst bei den verbündeten Regierungen, dann aber auch in der öffentlichen Meinung der Reichsangehörigen herzustellen. Dies kann nur⸗ auf dem Wege eschehen, daß das gesammte Material, durch welches die Entschließungen der Reichsanwalt⸗ schaft und des Reichsgerichts bestimmt worden sind, zur Kennt⸗ niß aller Derer gebracht werde, welche ein berechtigtes Interesse daran haben, daß das Verhalten der Reichs⸗Justizbehörden sich überall als ein gerechtes und sachgemäßes erweise. Dieser Zweck würde meines ehrfurchtsvollen Dafürhaltens erreicht werden, wenn Ew. Majestät geruhen wollten, die Ver⸗ öffentlichung der Anklageschrift durch den „RNeichs⸗ Anzeiger“ befehlen, und durch das Organ des Bueggsraths den verbündeten Regierungen mit die⸗ sem meinem ehrsurchtsvollen Bericht die gesammten Unterlagen der Anklage gegen Professor Geffcken behufs weiterer Verwerthung in dem oben gedachten Sinne mit⸗ zutheilen. rhs Finnorhsnd 1 88* es Allerhöchsten Einverständnisses mit eneci gehrs bas ich ehrfurchtsvoll anheimstellen, den nliegenden Ordre⸗Entwurf huldreichst vollziehen zu wollen.

von Bismarck. Sr. Majestät dem Kaiser und Könige. 8

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zu

Beschluß.

Iustiz⸗ 9 8 g. e gegen den Geheimen Justiz⸗Rath, Proschyor 88 18 Friedrich Heinrich Geffcken aus hegen Landesverraths, 2

mbürg, wegen Lan Lenvefsenat des Reichsgerichts in seiner nicht öffentlichen Sitzung vom 4. Januar 1889, auf 8 den Antrag des Ober⸗Reichsanwalts, in rvng

daß zwar nach dem Ergebnisse der Voruntersuchung hinreichende Verdachtsgründe für die Annahme vorliegen, daß der Be⸗ schuldigte ꝛc. Geffcken im September 1888 durch die in Berlin⸗ erscheinende Zeitschrift „Deutsche Rundschau“ Heft 1 Oktober 1888 zDmn Arlikel mit der Ueberschrift „Aus Kaiser

Anklageschrift des Ober⸗Reichsanwalts unter I. 1 bis 15, II. 1 bis 2, III. 1 bis 2, IV. 1 bis 2, V., VI. 1 bis 3 her⸗ vorgehobenen Stellen, Nachrichten, deren Geheimhaltung anderen Regierungen gegenüber für das Wohl des Deutschen Reichs erforderlich war, öffentlich bekannt gemacht hat, daß jedoch für die Annahme des Bewußtseins des Beschuldigten ꝛc. Geffcken, daß der fragliche Artikel Nachrichten der bezeichneten Art enthalte, genügende Gründe nicht vorhanden sind, beschlossen: 1) den Beschuldigten ꝛc. Geffcken hinsichtlich der Beschul⸗ digung des Landesverraths 5. §5. 92 Füßher 1) außer Verfolgung zu setzen, 2) die Haft des Beschuldigten aufzuheben, 3) die Kosten des Verfahrens der Reichskasse aufzuerlegen. Leipzig, den 4. Januar 1889. 8— Das Reichsgericht, Erster Strafsenat. Dr. Wernz. von Geß.

Ankbageschift

gegen

den Geheimen Justiz⸗Rath, Professor a. D. Dr. jur. Friedrich Heinrich Geffcken zu Hamburg, daselbst geboren am 9. Dezember 1830, evangelisch, verheirathet, Vater von 4 Kindern, nicht Soldat gewesen, im Besitz einer Reihe von Orden, insbesondere des Großkreuzes des belgischen Leopolds⸗ Ordens, des Königlich preußischen Kronen⸗Ordens zweiter Klasse mit dem Stern, des Groß⸗Komthurkreuzes des olden⸗

burgischen Peter⸗Paul⸗Ordens.

Die in Berlin von dem Schriftsteller Dr. Julius Roden⸗ berg herausgegebene und von dem Verlagsbuchhändler Elwin Paetel verlegte und redigirte Zeitschrift „Deutsche Rundschau“ brachte in dem am 20. September 1888 ausgegebenen Oktober⸗ heft an erster Stelle einen Aufsatz mit der Ueberschrift: „Aus Kaiser Friedrich's Tagebuch 1870 —71“ und mit folgender Bemerkung:

„Um jeden Zweisel an dem Ursprung dieser Veröffent⸗ lichung auszuschließen, bemerken wir, daß Se. Majestät, der verewigte Kaiser Friedrich, das von ihm während des fran⸗

ösischen Feldzuges geführte Tagebuch Höchstselbst unserem Einsender mitgetheilt, und daß dieser nur aus Gründen der Diskretion sich auf die nachfolgenden Auszüge aus dem⸗ selben beschränkt hat, welche geeignet sind, sowohl die edle Persönlichkeit des Hohen Verfassers in ihrer vollen Bedeu⸗ tung hervortreten zu lassen, als einen wichtigen Beitrag zur Geschichte jener großen Zeit zu bilden.

Die Redaktion der Deutschen Rundschau“

Diese Veröffentlichung erregte das größte Aufsehen. Sie wurde, wie notorisch, alsbald und zwar fortgesetzt von der inländischen regierungs⸗ beziehungsweise reichsfeindlichen Presse für Parteizwecke und von der ausländischen deutschfeindlichen Presse zu Verdächtigungen der Politik des Deutschen Reichs ausgebeutet. 8 8

Der Anfangs angeregte Verdacht einer Fälschung fand sich nicht bestätigt. Der Verleger und Redacteur machte, nachdem er zuerst jede Auskunft über den Einsender des Manuskripts verweigert hatte, auf den Vorhalt, daß ein Verbrechen gegen den §. 92 des Strasgesetzbuchs in Frage stände, den Angeschuldigten als den Einsender namhaft. Der Letztere, welcher sich am 23. September 1888 von Hamburg nach Helgoland begeben hatte, von dort aber, nachdem am 28. desselben Monats in seiner Wohnung zu Hamburg eine ge⸗ richtliche Durchsuchung stattgefunden hatte, auf Veranlassung seiner Familie am 29. desselben Monats zurückgekehrt und bei seiner Rückkehr verhaftet worden war, hat über seine Autorschaft und seine Bezugsquelle folgende Angaben gemacht:

Der Hochselige Kaiser Friedrich, dem er während der gleichzeitigen Studienzeit in Bonn bekannt geworden sei und der ihm, während er in der Zeit von 1856 bis 1868 in Berlin beziehungsweise in London als hanseatischer Minister⸗ Resident fungirt, und auch später großes Wohlwollen be⸗ wiesen, habe ihn im Februar 1873, wo er Professor an der Universität Straßburg gewesen sei, nach Wiesbaden, wo der Hohe Herr damals zur Kur geweilt, eingeladen und ihm bei seinem Besuch zu Ende Februar oder Anfang März 1873 ein Tagebuch über die Ereignisse der Kriegsjahre 1870/71 zur Einsicht mit der Erlaubniß zugehen lassen, dasselbe nach Karlsbad, wohin er sich demnächst zur Kur begeben habe, mit⸗ zunehmen. Nach etwa 3 Wochen habe er das Tagebuch dem damaligen Kronprinzen mit einem Dankschreiben nach Berlin zurückgesandt. Aus dem etwa siebenhundert Seiten umfassenden, voll und ganz von Allerhöchster Hand geschriebe⸗ nen Tagebuche habe er einen etwa zwanzig enggeschriebene Seiten anfüllenden Auszug angefertigt und in denselben vor⸗ zugsweise die politischen Nachrichten, der größte Theil des Tagebuchs habe aus militärischen Nachrichten bestanden, mit Abkürzungen, jedoch ohne Zusätze oder sonstige Aenderun⸗ gen aufgenommen. Obgleich er die Uebergabe des Tagebuchs als ein Zeichen besonderen Allerhöchsten Vertrauens betrachtet und

Januar, Abends.

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1889.

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halten, habe er die Anfertigung doch für erlaubt erachtet. Dabei habe er aber als selbstverständlich angenommen, daß er 5 aus dem Tagebuche Niemandem machen dürfte und sei damals der Ueberzeugung gewesen und habe diese auch jetzt noch, daß der Hochselige Kaiser, der damalige Kronprinzg, ihm das Tagebuch nicht anvertraut haben würde, wenn E hätte voraussetzen können, daß er, der Angeschuldigte, bei Seinen Lebzeiten aus dem Tagebuch Etwas an Dritte mittheilen oder gar veröffentlichen würde. An den Fall, daß der Kronprinz vor ihm versterben könnte, habe er bei der Anferti⸗ ung des Auszugs überhaupt nicht gedacht und sei seine Ab⸗ sicht lediglich dahin gegangen, sich selbst das Andenken an das Gelesene zu bewahren. Nach dem Tode Sr. Majestät des Kaisers Friedrich habe er sich zur Veröffentlichung entschlossen, im August 1888 aus dem Auszuge das durch Weglassung von ihm bedenklich scheinender Stellen um vier bis fünf Seiten verringerte Manuskript für den Druck angefertigt und dasselbe dem Herausgeber der „Deutschen Rundschau“ zum Druck über⸗ sandt. Sein mit der Veröffentlichung verfolgter Zweck sei durchaus kein politischer, sondern ein historischer (2) gewesen und habe er namentlich der viel vertretenen Ansicht gegenüber, Kaiser Friedrich sei ein edler Ideologe gewesen, dessen poli⸗ tische Bedeutung und insbesondere den Umstand, daß Er bei Gründung des Deutschen Reichs die treibende Kraft gewesen sei, hervorheben wollen. Allerdings habe er zu der Veröffent⸗ lichung keinerlei Ermächtigung gehabt, insbesondere auch nicht geglaubt, daß er auf etwaige Anfrage bei Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich eine solche erhalten werde.

Indem die Angaben des Angeschuldigten über den Zweck der Veröffentlichung weiter unten ihre Würdigung finden werden, wird hier nur noch Folgendes bemerkt:

Daß die Veröffentlichung sich als ein Auszug aus echten Aufzeichnungen des Hochseligen Kaisers darstellt, ist nicht zu bezweifeln. Nach der amtlichen Auskunft des Ministeriums des ö—— Hauses befanden sich im 2 lichen Hausarchiv drei Exemplare des Tagebuches Sr. Majest des Kaisers und Königs Friedrich, von denen zwei dem Wort⸗ laut nach identisch und anscheinend auf mechanischem Wege hergestellte Abdrücke eigenhändiger Niederschriften Sr. damaligen Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen sind, während das dritte Exemplar eine veränderte Redaktion jener ersteren Niederschriften ist, aus einer Anzahl von losen Feler deren einzelne Blätter von einer Kanzleihand einseitig beschrieben und auf der von dem Kanzlisten leergelassenen Seite mit umfangreichen Zusätzen und Einschaltungen von der Hand Sr. Kaiserlichen Hoheit versehen sind, besteht, und Aufzeichnungen enthält, wie sie in dem Rundschau⸗Artikel zum Abdruck gelangt sind. Dieses letztere Exemplar selbst kann jedoch dem Angeschuldigten nicht vorgelegen haben, da nach seiner ganz bestimmten Angabe das von ihm eingesehene Tagebuch voll und ganz von der Hand des Hoch⸗ seligen Kaisers geschrieben gewesen ist. Die vorh erwähnte Kanzleihand ist höchst wahrscheinlich die des im Januar 1887 verstorbenen Kronprinzlichen Haushofmeisters Krug gewesen. Wie dessen Wittwe und Bruder bekunden, ist derselbe, der das besondere Vertrauen des Hochseli een Kaisers Enossen, von Diesem vielfach mit der Abschrift geheimer Schriftstücke, insbesondere der Tagebücher über den Feldzug von 1866, über die orientalische Reise und über den Krieg von 1870/71 betraut worden. Die letzteren eigen⸗ händigen Aufzeichnungen seien sehr umfangreich gewesen und dem Krug nachbeendigtem Kriege im Spätsommer 1871 zur Ab⸗ schrift übergeben worden. Nachdem die erste Abschrift der einzelnen Blätter von Allerhöchster durchkorrigirt worden, habe Krug. eine neue Reinschrift anfertigen müssen und diese im Frübjahr 1872 von dem Hochseligen Kaiser, dem damaligen ronprinzen, Der vieles darin korrigirt, anderes gestrichen und geändert habe, zur Anfertigung einer abermaligen Rein⸗ schrift zurückerhalten. Nach des Krug habe der Kronprinz die Ihm zurückgelieferten Aufzeichnungen und korrigirten Abschriften stets Selbst vernichtet. Diese letzte Reinschrift wird der Kontext des oben erwähnten dritten Exemplars sein, welches sich, wie die Zeugenaussagen

als kein eigentliches Tagebuch darstellt. Ist

das von dem Angeschuldigten eingesehene und e. cerpirte Exemplar ganz von Allerhöchster Hand g. schrieben gewesen, so wird der Hohe Herr, nachdem Er jenes Exemplar nochmals durchkorrigirt und mit umfangreichen ign⸗ sätzen und Einschaltungen versehen, auf Grund desselben eigenhändig ein neues Exemplar angefertigt haben. Ueber den Verbleib des letzteren ist nichts ermittelt worden. Die Behauptung der Vertheidigung, daß der Hochselige Kaiser dem Krug eine Abschrift des Tagebuchs von 1870/71 geschenkt habe, ist durch das Zeugniß der Wittwe Krug widerlegt worden. Hiernach hat ihr verstorbener Ehemann von dem ochseligen Kaiser nur einen metallographischen Abzug des agebuchs von 1866 und von 1869 (orientalische Reise) zum Geschenk erhalten, bezüglich des Tagebuchs von 12192 aber ihr mitgetheilt, daß dieses Tagebuch niemals in bie 2— lichkeit kommen würde. Auch der von der Vertheidigung sonst noch versuchte Nachweis, daß der Hohe Herr auf die

ergeben,