1889 / 259 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 30 Oct 1889 18:00:01 GMT) scan diff

werden.

schäftigt, zum Etat des Jahres 1890/91. Die Abschlußzahlen dieses Etats kennen Sie Alle. Ich bin im Anfange meiner Ausführungen bereits darauf eingegangen, ich will aber nicht verschweigen, daß in einer Beziehung ich Ihnen schon heute sagen kann, daß diese Abschluß⸗ zahlen nicht richtig sind; in einer Beziehung nämlich weicht bei den Ausgaben, welche auf Schäßung beruhen, die von uns vorgenommene Schätzungsart von dem Verfahren der vorigen Jahre ab. Es betrifft dies die Naturalienbeschaffungen der Heeresverwaltung. Wir haben in früheren Jahren diese Aufstellung so gemacht, daß die Hälfte der für diesen Titel anzufordernden Ausgaben bemessen wurde nach dem Durchschnitt der in den letzten 10 Jahren gezahlten Preise, unter Fortlassung des theuersten und billigsten Jahres, daß dagegen die andere Hälfte bemessen wurde nach denjenigen Preisen, welche im Monat Oktober des laufenden Jahres thatsächlich gezahlt worden sind. Das haben wir natürlich in diesem Jahre nicht thun können, weil wir im September den Etat aufstellten, und wir haben deshalb in den Etat nur diejenige Summe eingestellt, welche sich er⸗ geben würde, wenn die gesammte Veranschlagung auf Grund der zehnjährigen Durchschnittspreise erfolgen würde Diese Art der Auf⸗ stellung hat in einem Theile der Presse eine Kritik erfahren, die zu charakteristisch ist, als daß ich es mir verfagen könnte, sie hier mit einigen Worten zu erwähnen. Die „Freisinnige Zeitung“ vom 26. Oktober d. J. bringt einen Artikel mit der Ueberschrift: „Es darf nicht theuer sein“, dessen Inhalt im Wesentlichen darauf hinausläuft, daß es eine ganz besondere Bosheit der Reichs⸗Finanzverwaltung sei, daß sie, um ja nicht zu zeigen, daß die augenblicklich höheren Kornpreise das Land stärker belasteten, absichtlich die Naturalausgaben der Militärverwal⸗ tung geringer veranschlagt habe, als sie hätte thun müssen, indem sie nur die zehnjährigen Durchschnittspreise angesetzt habe und nicht die Preise des Oktobers berücksichtige. Ich möchte den Herrn Verfasser dieses Artikels in der That bitten, mir dasjenige Mittel anzugeben, mit dem ich bei der Veranschlagung im September 1889 die Preise hätte berücksichtigen können, die im Oktober 1889 würden gezahlt worden sein.

Ich kenne diese Preise auch heute noch nicht. (Zuruf links: Courszettel!) Der Hr. Abg. Richter schlägt mir vor, die Preise nach dem Courszettel zu bemessen,. Ich lehne dies von vornherein ab. Die Preise, welche wir in früheren Jahren eingestellt haben, sind nicht nach den Preisen der Börsenspekulation angesetzt worden, sondern sie sind angesetzt worden nach denjenigen Preisen, welche die Militär⸗ verwaltung im Durchschnitt thatsächlich und effettiv bezahlt hat. Ich kenne die im Oktober 1889 von der Militärverwaltung in ganz Deutschland bezahlten Preise für Korn auch heute noch nicht, denn wir leben noch im Oktober. Ich kenne sie noch nicht einmal für zwei Drittel des

Monats; ich kenne sie heute nur für das erste Drittel, und dieses erste Drittel des Monats hat allerdings ein Resultat ergeben, welches diejenigen Herren, die eine sehr erheb⸗

liche Steigerung der Gesammtausgaben aus diesem Moment erwarten, etwas enttäuschen dürfte. Wenn man, wie in früheren Jahren, die eine Hälfte des Naturalienbedarfs nach den Oktoberpreisen, und zwar nach den im ersten Drittel des Oktobers 1889 gezahlten Preisen ver⸗ anschlagen, für die andere Hälfte aber die Durchschnittspreise der letzten zehn Jahre zu Grunde legen würde, so würde man für das gesammte preußische, sächsische und württembergische Kontingent statt 58 326 800 eine Summe von 60 330 616 einzustellen haben. Es würde also einschließlich der bayerischen Quote die aus diesem Moment vorauszusehende Steigerung der Gesammtausgabe sich wenig über 2 Millionen erstrecken, eine Summe, die in einem Etat von 1208 Millionen nicht eine sehr erhebliche Bedeutung bean⸗ spruchen kann.

Nun aber weiter, was in aller Welt hätten wir eigentlich für ein Interesse daran, diese Zahl falsch einzusetzen? Was hartsächlich auf diesem Gebiet gebraucht wird, muß gezahlt werden und ist durch den Etat bewilligt, und die Mittel dafür würden uns auch nicht fehlen. Ich glaube, daß auch hier die verbündeten Regierungen voll⸗ ständig das gleiche Interesse wie der Reichstag haben, auf Grund fester und gleichbleibender Prinzipien eine gleichmäßige und möglichst sichere Veranschlagung der voraussichtlichen Ausgaben und Einnahmen vorzunehmen.

Sie finden nun die Mehrausgaben des Ordinariums in dem Haupt⸗Etat Seite 48 zusammengestellt, die des außerordentlichen Etats auf Seite 26 desselben Etats. Bei dem Durchsehen dieser Ansätze fällt nun ja sofort ins Auge, daß weitaus die meisten Aus⸗ gaben auf dem Gebiet der Landesvertheidigung gefordert werden. Meine Herren, das ist kein Symptom kriegerischer Besorgniß. Bereits in der Thronrede und wie Sie Alle wissen, ist gerade dieser Theil der Thronrede der einzige gewesen, der von der Zuhörerschaft mit einer lauten Aeußerung der Zustimmung begrüßt wurde bereits in der Thronrede ist hervorgehoben, daß die verbündeten Regierungen fest auf die Erhaltung des Friedens hoffen. Aber, meine Herren, diese feste Hoffnung auf Erhaltung des Friedens für absehbare Zeit, der feste Wille Deutschlands, so viel an ihm ist, Frieden zu halten und den Frieden zu erhalten, berechtigt uns das, die Mittel, welche uns zur Erhaltung des Friedens wesentlich in den Stand setzen, ver⸗ fallen zu lassen? Darüber, glaube ich, kann doch Niemand, der die letzten 20 Jahre denkend durchlebt hat, zweifelhaft sein, daß bei einem schwachen Deutschland nach dem Kriege von 1870/71 die Erhaltung des Friedens weniger gesichert gewesen wäre, als sie es bei dem starken Deutschland gewesen ist. Ist das der Fall, so werden wir uns den⸗ jenigen Ausgaben nicht entziehen können, die sich als nothwendig herausstellen, um unsere Kraft voll ausnutzbar zu echalten. Wir können den Leuten das Erfinden nicht verbieten. Wenn sich neue Erfindungen auf dem Gebiete des Militärwesens geltend machen, welche andere Völker sich für die Stärkung ihrer Wehrkraft zu Nutze machen, so werden wir uns dem nicht entziehen können, zu folgen. Wir werden aber weiter uns auch dem nicht entziehen können, solche Organisationen, die im Ernstfoll nothwendig sind und deren schnelle Schaffung unmsglich ist, bereits im Frieden vorzubereiten. Alles das, was dazu dient, wenn es einmal zum Ernste komm;t, das kostbare Material, welches wir dem Feinde entgegenstellen, möglichst gut auszurüsten und möglichst zu sichern: alle diese Ausgaben werden wir machen müssen, und die dafür verwendeten Kosten werden immer noch billiger sein, als die Resultate eines unglücklichen Krieges. Ich sage, um das kostbare Material zu schützen, welches wir im Ernstfalle dem Feinde entgegen⸗ stellen: das kostbare Material ist unsere gesammte Jugend, und ich bitte, bei der Erörterung der für militärische und Marinezwecke mehr giforderten Ausgaben diesen eben von mir erörterten Gesichtspunkt im Auge zu behalten. Es wird das zur Milderung der sachlichen E 11“ über diesen und jenen Punkt ohne Zweifel

beitragen.

Ich habe gesagt, wir werden auch diejenigen Ausgaben nicht ver⸗ meiden dürfen, welche dazu bestimmt sind, gewisse Organisationen bereits im Frieden zu machen, die wir im Kriege brauchen. Meine Herren, die Organisation eines Armee⸗Corps, für welches im Frieden bereits die Truppen und Mannschaften vorhanden sind, und der dazu gehörigen unteren Militärkörper, die macht sich nicht von heut auf morgen. Die Forderung der Kosten für zwei neue Armee⸗Corps und was dazu gebört, bedeutet nicht, daß wir einen Krieg vor Augen sehen, sondern im Gegentheil daß wir mit Sicherheit hoffen und erwarten, daß wir eine hinreichend geraume Zeit vor uns haben, um diese Or⸗ nisation ins wirkliche Leben überzuführen.

Wenn ich vorher bereits die Marine erwähnte, so kann ich mein Erstaunen darüber nicht unterdrücken, daß man in der Presse der Ausführung begegnet, als ob die Mehrforderung für die Marine im laufenden Etat etwas völlig Unerwartetes sei. Das ist nicht der Fall. Das Gros der Mehrforderung bewegt sich in dem Rahmen derjenigen Denkschrift, welche Ihnen im vorigen Jahre vorgelegen hat. Diese Denkschrift ist allerdings in einzelnen Beziehungen über⸗ schritten worden. (Hört, hört! links). Jawohl, wir haben Ersatz⸗ bauten eingestellt für die Schiffe „Adler“ und „Eber“, welche durch Naturereignisse, über die wir nicht Herr sind, untergegangen sind. Wir hbaben weiter eine Forderung gestellt für den Bau ei des A 11 Faaei Kommandoverbände, behen Nothwendigkeit bei 88— Speztol⸗ erathung dieses Etats, wie ich annehme, Ihnen wird nachgewiesen

Ich verzichte darauf, die übrigen Positionen der Mehrforderungen bei den Ausgaben des laufenden Etats, wie ich es im vorigen Jahre gethan habe, nach den einzelnen Etats durchzugehen. Sie beziehen sich auf Veränderungen in der Organisation einzelner Behörden, bei⸗ spielsweise im Auswärtigen Amt, bei dem technischen Personal der Werften im Marine⸗Etat, auf Schaffung einzelner neuer Behörden, Konsulate u. dgl

Es sind im Militärwesen noch verschiedene Organisationsänderun⸗ gen geplant, über die man bei der Spezialberathung des Etats sich wird verständigen können. Es ist gefordert eine Haferzulage von 250 g pro Tag und Pferd, zu deren Vertheidigung ich mich auf das Urtheil derjenigen Reichstags⸗Abgeordneten berufe, welche wissen, was ein Pferd leisten kann, und was ein Kavallerie⸗ pferd heute leisten muß. Es sind dann die Durchschnittspreise für den Remonteankauf erhöht. Es sind, wie immer, eine Reihe von Bauten und Grundstücksankäufen eingestellt, die noch eine ausgiebige Diskussion erfahren werden. Es ist dann eine Steigerung des Pen⸗ sionsfonds vorgesehen, eine Steigerung der Ausgaben für Schulden, zwei Ausgaben, gegen die wir uns als Resultate der Verwaltung und Finanzwirthschaft der vergangenen Jahre nicht werden ablehnend verhalten können. 1—

Ich leugne nicht, daß ich bei der Gesammtlage dieses Etats es mir habe versagen müssen, gewisse Forderungen einzustellen, die ich an und für sich gern eingestellt hätte, als ich den Etat entwarf. Sie werden an Gehaltsaufbesserungen in dem laufenden Etat sehr wenig finden.

Es ist in diesem Etat der Frage der Schuldentilgung, auch in der Form der Resolution, welche unter dem Namen des Hrn. Abg. von Bennigsen im vorigen Jahre hier eingebracht war und die darauf ging, daß man einen Theil der Ausgaben, welche zur Zeit auf Anleihe⸗ mitteln liegen, auf das Ordinarium des Etats übernehmen möge, eine weitere Folge noch nicht gegeben. Es ist dies geschehen mit Rücksicht auf die Zefammtabschlußzahlen dieses Etats. Diese Reso⸗ lution ist im Bundesrath verhandelt worden, sie ist dem Vorsitzenden überwiesen, sodaß die Frage selber, ob und in welcher Weise man in späteren Etats dem angeregten Gedanken gerecht werden könne, noch eine offene ist, deren Entscheidung der Zukunft vorbehalten wird.

Nicht unerwähnt lassen will ich, daß für die Ausgaben auf Grund des Gesetzes wegen der Versorgung der invaliden Arbeiter eine Forderung in den Etat noch nicht eingestellt ist. Die Zahlen, welche hier event. eingestellt werden müßten, lassen sich zur Zeit noch nicht annähernd mit Sicherheit übersehen. Wenn überhaupt dieses Gefetz auf die Etatsperiode 1890/91 von Einfluß sein wird, so wird das jedenfalls ein so geringer Abschnitt dieses Jahres sein und der Beginn dieser Periode so spät liegen, daß ein Nachholen dieser Aus⸗ lassung leicht möglich sein wird.

Wenn ich nun auf die Veranschlagun] der eigenen Einnahmen komme, so haben wir erwartet: bei der Post⸗ und Telegraphen⸗ verwaltung eine Mehreinnahme von 3 ½ Millionen Mark, bei der Eisenbahnverwaltung eine Mehreinnahme von 800 000 ℳ, bei den verschiedenen Verwaltangseinnahmen eine solche von etwas über 2 Millionen Mark. Dagegen haben wir bei der Zuckersteuer eine Mindereinnahme von etwas über 2 Millionen Mark in Aussicht nehmen zu müssen geglaubt. Wir rechnen auf ein Weniger gegen das vorige Jahr bei der Materialiensteuer von etwas über 1 ½ Millionen Mark, bei der Verbrauchsabgabe von 380 000 Der Einfluß, welchen die Londoner Zuckerkonvention auf die Gestaltung unserer Zuckersteuer etwa haben könnte, ist in diesem Etat noch nicht berücksichtigt; falls ein solcher Einfluß überhaupt eintreten würde, wird er jedenfalls im künftigen Jahre nicht zur Erscheinung kommen. Wir haben die Verbrauchsabgabe bei Zucker veranschlagt auf Grund der wirklichen Resultate, welche uns vorlagen. Diese Resultate be⸗ zogen sich allerdings auf einen sehr kurzen Zeitraum; wir haben erst ein Jahr hinter uns, dessen Resultate wir berücksichtigen konnten, und auch in diesem Jahre fielen die ersten Monate noch in eine Ueber⸗ gangsperiode, welche die Nutzbarmachung ihrer Ergebnisse für die Schätzung beeinträchtigte. So haben wir, wie Sie in dem Spezial⸗ Etat finden werden, die Schätzung nur auf Grund derjenigen Monate des letzten Jahres vorgenommen, die uns in ihren Resultaten einwands⸗ frei schienen, und haben den Rest des Etatsjahres durch Schätzung er⸗ gänzt. Normal ist diese Veranschlagung noch nicht; wir haben im Allgemeinen ja die Norm nicht nach einjährigen, sondern nach drei⸗ jährigen Resultaten zu veranschlagen. Bei dieser Steuer war dies thatfächlich unmöglich. Bei den Zöllen und Verbrauchssteuern sonst haben wir, wie im vorigen Jahre, die Veranschlagung vorgenommen auf Grund der dreijährigen Fraktionen unter Berücksichtigung der⸗ jenigen Momente, welche auf das Resultat dieser Fraktionen ab⸗ ändernd von Einfluß waren. Wir haben aber nicht geglaubt, von diesem festen Boden abgehen zu sollen, obwohl, wie ich vorhin aus⸗ geführt habe, in dem vorigen Jahre die damals aͤhnlich vorgenommene Schätzung dem wirklichen Ergebniß gegenüber als zu gering sich herausgestellt hat. Es ist nicht richtig, bei diesen Ansätzen im Etat wechselnde Grundlagen zu Grunde zu legen. Wenn man also nicht sachliche Gründe hat, von den einmal angenommenen Prinzipien der Schätzung abzuweichen, so muß man dieselbe beibehalten. Es können die Resultate in diesem Jahre dem Etat⸗Soll gegenüber günstiger, in einem anderen Jahre ebensowohl dem Etat⸗Soll gegen⸗ über ungünstiger werden, und ich habe bereits vorhin bei Erörterung des Jahres 1889/90 bervorgehoben, daß auf eine Fortdauer derjenigen Umstände, welche im laufenden Jahre die Mehrerträge an Zöllen und Verbrauchssteuern hervorgerufen haben, für den Rest dieses Etats⸗ jahres nicht, noch weniger aber für das nächste Etatsjahr mit Sicher⸗ eit zu rechnen ist.

Eine gewisse Schwierigkeit hat uns gemacht die Veranschlagung der Einnahmen aus der Branntweinsteuer. Die Ergebnisse der letzten Jahre haben bei dieser Steuer ein erhebliches Zurückbleiben hinter den Erwartungen zur Erscheinung gebracht, welche bei der Verab⸗ schiedung des Gesetzes gehegt wurden, und es entstand für uns die Frage, ob bei der Veranschlagung der Einnahmen aus der Brannt⸗ weinsteuer auch in diesem Jahre zurückgegriffen werden solle auf die Schätzungen, welche bei Vorlegung des neuen Branntweinsteuergesetzes vorgenommen sind, oder ob die wirklichen Refultate der letzten Jahre zu Grunde gelegt werden sollen. Bei der Materialsteuer, wo wir einen sicheren Boden unter den Füßen zu haben glauben, haben wir den letzteren Weg beschritten; bei der Verbrauchsabgabe von Brannt⸗ wein haben wir uns entschlossen, auch in diesem Jahre wie in den beiden vorhergehenden und fast unverändert diejenige Zahl einzustellen, welche in den Motiven des Gesetzes angenommen worden war.

Es ist hier der Versuch gemacht worden, eine Schätzung auf Grund der wirklichen Einnahmeergebnisse aufzumachen. Diese Schätzung ergab natürlich eine geringere Ziffer als diejenige, welche wir eingestellt haben. Wir haben uns aber doch überzeugen müssen, daß diese Schätzung auf so unsicheren Grundlagen beruht, daß wir es vorgezogen haben, auch in diesem Jahre noch auf die ursprüngliche Ziffer, welche bei der Einbringung des Gesetzes berechnet war, zurück⸗ zugehen. Wir haben das gethan namentlich um deswillen, weil auch

heute noch nicht mit Sicherheit zu übersehen ist, welche die durchschlagenden Ursachen sind, welche das Zurückbleiben der Einnahmen aus der Verbrauchsabgabe für Brannt⸗

wein hinter den Erwartungen herbeigeführt haben. Es wirken ja zweifellos verschiedene Ursachen zusammen, es wird nicht zu leugnen sein, daß in Folge des neuen Gesetzes der Konsum einen Rückgang erfahren hat. Es wird auch vielleicht der Verbrauch von Spiritus zu gewerblichen Zwecken unterschätzt worden sein, desjenigen Spiritus, der jetzt im Denaturirungszustande zur Verwendung kommt. Beide Umstände wirken natürlich auf Verminderung der Ein⸗ nahme hin. Es wirken aber vor Allem zweifellos bis in die Gegenwart oder wenigstens bis in eine nahe Vergangenheit hinein noch mit die Anfangsbestände, welche zur Zeit des Inkraft⸗ tretens des Gesetzes in Deutschland vorhanden waren, und durch diesen letzteren Umstand sind namentlich die Resultate des vorletzten Etatsjahres so influirt, daß es uns unmöglich schien, eine

sichere Basis für die Veranschlagung der wirklichen Einnahme aus der Steuer zu gewinnen, weshalb wir es vorgezogen haben, wie im Vorjahre, es noch bei der ursprünglichen Schätzung zu belassen. Auf

den Reichs⸗Etat hat dieses Verfahren einen Einfluß nicht; es influirt

dagegen auf die Etats der Einzelstaaten, denen die Mehrerträge aus Steuern und Zöllen überwiesen werden. Was nun die Vertheilung der Gesammtausgaben zwischen den Anleihen und sonstigen außer⸗ ordentlichen Mitteln und den Mitteln des ordentlichen Etats anlangt, so ist diese Vertheilung im Ganzen genau nach denselben Prinzipien wie im vorigen Jahre, auch in diesem Jahre erfolgt.

Das Gesammtbild stellt sich danach folgendermaßen. Um die in den Etat eingestellten Bedürfnisse zu befriedigen, sollen angeliehen werden 266 789 307 Von dieser Summe sind aber nur 246 789 307 in das Anleihegesetz aufgenommen, weil die übrigen 20 Millionen bereits durch frühere Anleihegesetze bewilligt waren; es sind dies 16 Millionen für den Nord⸗Ostsee⸗Kanal und 4 Millionen für den Zollanschluß von Hamburg. 3

An sonstigen außerordentlichen Zuschüssen für die Ausgabebedürf⸗ nisse des Etats finden Sie den Beitrag Preußens zum Nord⸗Ostsee⸗ Kanal mit 7 600 000 ℳ, die Rückerstattung zum Festungsbaufonde mit 511 000 ℳ, die Einnahmen für die Kölner Festungswerke mit 1 Million und 1 800 000 aus dem Reichstagsgebäude, Fonds für iie Zwecke, welchen dieser Fonds gewidmet ist giebt zusammen ie N77 700 307 ℳ, welche den außerordentlichen Etat nach der Vork⸗ ausmachen. 28

Von den übrigen Ausgaben fallen 25 837 893 auf den Inva⸗ lidenfonds, weil dieser Fonds für diese Ausgaben reservirt ist. Von den dann verbleibenden Ausgaben werden gedeckt durch die eigenen Einnahmen des Reichs nach Abzug der Ueberweisungen an die Einel⸗ staaten 336 930 708 ℳ, so daß von den Einzelstaaten nominell einzu⸗ zahlen sind 269 685 831 ℳ, um die eigenen Bedürfnisse des Reichs zu decken, während außerdem noch aus den eigenen Einnahmen des Reichs eine Summe von 298 510 000 den Einzelstaaten zu⸗ fließt. Hieraus ergiebt sich dann die Abschlußsumme, wie sie im Etatsgesetz mit etwas über 1200 Millionen aufgeführt ist.

8 die Einzelstaaten gestaltet sich das Resultat dagegen folgender⸗ maßen:

Die Matrikularbeiträge, wie sie im Etat stehen, betragen 269 685 831 In diesen Matrikularbeiträgen steckt aber eine Summe von 11 856 641 ℳ, welche Matrikularbeiträge im engeren Sinne nicht sind. Sie finden auf der Anlage XIX „Berechnung der Matrikularbeiträge“, auf Seite 5 das Exempel, aus dem sich diese Zahl ergiebt. Es sind die Aequivalente, welche von den Staaten, die der Gemeinschaft der Reichs⸗Post⸗ und Telegraphenverwaltung, der Brausteuergemeinschaft nicht angehören, bezw. von Bayern für ihm nicht zu Gute kommende Einnahmen der Militärverwaltung zur Reichskasse gezahlt werden müssen dafür, daß die übrigen Staaten die ihnen besonders zukommenden Einnahmen aus der Post⸗ und Tele⸗ graphenverwaltung, aus der Brausteuer, bezw. aus der Verwaltung

des Reichsheeres der Reichskasse zufließen lassen. Wenn man diese 11 856 641 von den Matrikularbeiträgen abzieht, so verbleiben 257 829 190 ℳ, welche den Ueberweisungen von 298 510 000 gegenüberstehen. Es werden also nach dem Ctat, wie er heute vorliegt, den Einzelstaaten noch 40 680 810 überwiesen werden; allerdings 24 Millionen weniger als im vorigen Jahre, aber doch noch ebenso viel wie im Jahre 1884/85, und ich möchte dieser Zahl gegenüberstellen, daß vor der Durchführung der letzten Zoll⸗ reform die Einzelstaaten zur Reichskasse Summen bis zu 70, bis zu 82 Millionen jährlich abführen mußten, Summen, welche eine Be⸗ lastung für Reichszwecke bis zu 2 pro Kopf der Bevölkerung repraäsentirten, während nach dem laufenden Etat diejenige Summe, die nach Befriedigung der Reichsbedürfnisse den Einzelstaaten etats⸗ mäßig verbleibt, 0,84 auf den Kopf der Bevölkerung, in Preußen wenigstens, betragen würde.

Ich möchte hiermit meine einleitenden Worte schließen, und Sie bitten, sine ira et studio dem Etat Ihr Studium zuzuwenden, und ihn, wie ich Namens der verbündeten Regierungen bitte, möglichst unverändert anzunehmen.

Hierauf ergriff der Abg. Rickert das Wort zu nachfolgender Ausführung: Der Anfang und Schluß der Thronrede, in welcher die Rede ist von den Bemühungen des Deutschen Kaisers und der verbündeten Regierungen, den Frieden in Europa zu erhalten, wird sicherlich in der ganzen deutschen Nation mit lebhafter Zustimmung aufgenommen worden sein. Das Ausland wird sicherlich überzeugt sein, daß das deutsche Volk in allen seinen Theilen die ehrliche Friedensliebe des Deutschen Kaisers und der verbündeten Regierungen theilt. Die Volksvertretung ist entschlossen, jedes Opfer für die Er⸗ haltung der staatlichen Existenz zu bringen und hat dies auch in der letzten Zeit durch die That bewiesen. Bei der An⸗ nahme der Septennats⸗Vorlage hat uns der Vorgänger des Kriegs⸗Ministers wiederholt die beruhigende Mittheilung ge⸗ macht, daß nunmehr in den Bewilligungen für das Militär ein Stillstand zu erwarten sei. Bei aller Anerkennung des Bedürfnisses der Nation, jedem Friedensstörer das Handwerk zu legen, wird die Nation, und ihre Vertreter insbesondere, nies⸗ mals vergessen dürfen, daß zu einem guten Rüstzeug für den Fil

des Angriffs durch einen auswärtigen Feind auch die sat⸗ fältige Schonung der Volkskraft gehört. Dies ist vae

preußischen Herrschern, namentlich auch von Friedrich den Großen, stets anerkannt worden. Von dem Gesichtspunkte finanziellen Schonung der Kräfte wird dieser Etat mehr vo der Volksvertretung zu betrachten sein als irgend ein frühere Die Volksvertretung ist mehr als die Regierung berufen, den Bedürfnissen des Volkes entsprechend die Schonung der Finanr⸗ kräfte zur Geltung zu bringen. Ich kann mich hier auf eime Autorität stützen. Am 15. März 1884, als hier über de Bedeutung des Parlaments überhaupt und auch in Deutst land gesprochen wurde, führte Jemand aus, daß de Parlament überall Uebel verhindern könne und den Ge fahren, welche bei einer monarchischen Regierung und bei jeder Regierung mit Verschwendung, bureaukratischer Be⸗ schränktheit und Auffassung vom grünen Tisch aus, mit Pro⸗ tektionswesen, männlichem wie weiblichem, entstehen könnten, sein Veto entgegenstellen könnte. Dieser Redner war kein Anderer, als der Reichskanzler Fürst Bismarck. In der Thut soll das Parlament einem übergroßen Ressorteifer, dem Ressor⸗ fanatismus, entgegentreten. Wir verdenken es den Herren nicht, wenn sie vom Ressortstandpunkte aus die Dringlichket der Bedürfnisse anders auffassen, als die Volksvertretung. G wäre der Untergang des Parlamentarismus, wenn die M⸗ nung Oberhand gewinnen könnte, daß das Parlament ur⸗ flichtet ist, Alles ohne weiteres zu bewilligen, was die Regiermng ür nöthig erklärt. Da ist wirklich der aufgeklärte Absolutis⸗ mus besser, denn er ist für das Volk billiger. Dieser würde nie eine solche Anspannung der Finanzkräfte zugelassen haben, wie es gegenwärtig der Fall ist. In der Beziehung, daß dat Parlament ein Schutz gegen Ressortverschwendung und bureau kratische Beschränktheit am grünen Tisch ist, bin ich ein ge⸗ lehriger Schüler des Reichskanzlers. Dem Deutschen Reich ist dieser Schutz um so nothwendiger, als wir keine Behoch. haben mit jener Machtvollkommenheit, wie sie das preu⸗ zische Finanz⸗Ministerium früher hatte, früher hatte, ich sage das

absichtlich, ohne dem gegenwärtigen preußischen Finanz⸗ Minister irgendwbie zu nahe treten zu wollen. Noch zur Zeit Camphausen’s konnten durch das Finanf⸗ Ministerium die anderen Ressorts beschnitten werden.

⸗Minister war für jede e iih 1 d hatte auch im Uebrigen eine daa ;

Der Finanz antwortlich und ch in heit, die der Schatzsekretär im Reiche nicht

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