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zum Deutschen Reichs⸗Anz
Erste Beilage
eiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
N 213.
Berlin, Donnerstag, den 4. September
Rekursentscheidungen, Bescheide und Beschlüsse des Reichs⸗Versicherungsamts.
(871.) Ein Verletzter hatte sich auf Veranlassung der Berufs⸗ zmossenschaft nach “ freiwillig einer Operation arterzogen, die völlige Durchführung der ärztlichen Behandlung aber
äacch eigenmächtige grundlose Entfernung aus dem Krankenhaufe ver⸗
tteit und dadurch das Maß der ihm demnächst verbliebenen Erwerbs⸗ übigkeit in einem bestimmten, vom behandelnden Arzte geschätzten aade beeinträchtigt. Das Reichs⸗Versicherungsamt hat im Anschluß seine Entscheidung 752 („Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A. w Seite 358) durch Rekursurtheil vom 2. Juni 1890 ausgesprochen, der Verletzte, nachdem einmal durch die Vornahme der Operation
eilverfahren wieder eröffnet worden war (§. 7 des Unfall⸗ esicherungsgesetzes), verpflichtet gewesen wäre, die Durchführung des⸗
süben im Krankenhause abzuwarten. Demgemäß wurde nach den aus in Entscheidungen 500 und 610 (Amtliche Nachrichten des R.⸗ 1n. 1888 Seite 196 und 333) ersichtlichen Grundsätzen bei Be⸗ asung der Rente derjenige Theil der Erwerbsunfähigkeit außer Be⸗ dit gelassen, welcher nach begründeter ärztlicher Schätzung auf das nungswidrige Verhalten des Verletzten zurückgeführt werden konnte.
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(872.) Einem verletzten Arbeiter war in der ersten Woche nach üntritt des Unfalls von dem behandelnden Krankenkassenarzte
ohlen worden, im Interesse einer möglichst vollständigen Heilung
ie angeblich gefahrlose Operation an sich
vornehmen zu isen, was der Verletzte indessen ablehnte. Als die Be⸗
usgenossenschaft lange nach Beendigung des Heilverfahrens ion Kenntniß erhielt, entzog sie dem Verletzten die bis ahin bewilligte Rente besonders aus dem Grunde, weil anzunehmen h daß, wenn der Verletzte seiner Zeit die Operation hätte vor⸗ uimen lassen, inzwischen eine erhebliche Erhöhung seiner Erwerbs⸗ stigkeit eingetreten sein würde. Nachdem das Schiedsgericht die fühere Rente wiederhergestellt hatte, hat das Reichs⸗Versicherungs⸗ at mittelst Entscheidung vom 9. Juni 1890 den Rekurs ir Berufsgenossenschaft zurückgewiesen. Die Unterwerfung unter die „Rede stehende ärztliche Maßregel ist dem Kläger nicht nach Ein⸗ titt der Fürsorgepflicht der Berufsgenossenschaft von einem zuständigen zmossenschaftlichen Organ abverlangt, sondern nur beiläufig vom Arzt n einer Zeit nahe gelegt worden, als die Beklagte einen ent⸗ scheidenden selbständigen Einfluß auf den Fortgang des Heilverfahrens zu nehmen an sich gesetzlich noch nicht berechtigt war und sich denseben auch nicht durch etwaige Herbeiführung eines Einverständ⸗ rises mit der betheiligten Krankenkasse gesichert hatte. Dabei kann as dahin gestellt bleiben, welche Folgen daraus herzuleiten sein möchten, wenn die Beklagte im Wege des Einvernehmens mit der beihelicten Krankenkasse (zu vergleichen „Amtliche Nachrichten des RB.A 1887 Seite 55, Rekursentscheidung 552, ebenda 1888 Seche Wb oben, 1889 Seite 133, Bescheid 756, ebenda Seite 361) scon watend der ersten dreizehn Wochen nach dem Unfall einen wicsamen Eofluß auf die Gestaltung des Heilverfahrens gewonnen und alsdann den Näger, unter Belehrung desselben über die nach⸗ theiligen Folgen einer etwaigen Weigerung, zur Duldung der opera⸗ 8 Matzmahme — deren Zulässigkeit vorausgesetzt — aufgefordert älte.
(873.) Das Reichs⸗Versicherungsamt hat auf den Rekurs einer zaufsgenossenschaft mittelst Entscheidung vom 3. Februar 1890 gesprochen, daß die dem Heilzweck nicht dienliche, eher schädliche thandlung durch Kurpfuscher einen Einfluß auf die Höhe der Rente ciht hat, wenn der Verletzte ohne vorsätzlich⸗gesetzwidriges Verhalten, guter Absicht und seiner Einsicht entsprechend, der in manchen genden verbreiteten, wenn auch nicht zu billigenden Gewohnheit illgend, bei Arm⸗ oder Beinbrüchen, Verrenkungen und ähnlichen baletzungen die Behandlung durch einen Kurpfuscher derjenigen durch inen approbirten Arzt vorzieht. Dies war auch die Meinung des Kächs⸗Versicherungsamts bei dem Bescheide 130, „Amtliche Nach⸗ ichten des R.⸗V.⸗A.“ 1886 Seite 17 und in den Rekursentscheidungen 500 8 610, „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1886 Seite 196 ind 333.
(874.) Ein Arbeiter, welcher durch einen Betriesunfall einen
Beinbruch erlitten hatte, brach nach einiger Zeit, als der Knochen⸗ iuch zwar verheilt, das Bein jedoch noch nicht wieder völlig ge⸗ nuchsfähig geworden war, das Bein in Folge eines Falles auf aer Erde außerhalb des Betriebes von Neuem, und zwar genau nder alten Stelle. Nachdem es durch die ärztlichen Gutachten als sar wahrscheinlich hingestellt worden war, daß die Schwäche und ge⸗ undtette Widerstandsfähigkeit der alten Bruchstelle zur Herbeiführung waen Bruchs wesentlich beigetragen hatte, hat das Reichs⸗ öscherunasamt durch Entscheidung vom 3. März 1890 die betheiligte hetenossenschaft auch für die Folgen des neuen Unfalls entschä⸗ mglichtig erktärt, da der ältere Betriebsunfall als mitwirkende nae für dessen Herbeiführung angesehen werden mußte. In dem e Eitscheidung 462 („Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1888 it z) zu Grunde liegenden Falle fehlte es an einem derartigen — Zusammenhange zwischen der früheren und der späteren Naltzung.
6875)) Aus Anlaß der Beschwerde eines zur Selbstversicherung ragfüichteten Bangewerbetreibenden hat das Reichs⸗Versicherungsamt am 1. Jani 1890 beschlossen, daß aus den allgemeinen im Wesentlichen auch sier zutteffenden Gründen des Bescheides 616 („Amtliche Nachrichten 1s K⸗P.⸗A. 1888 Seite 335) die Prämien der selbstversicherungs⸗ Ulichigen Gewerbetreibenden nachträglich nur für das dem laufenden aahre vorhergehende Kalenderjahr von den Versicherungsanstalten der Baugewerks⸗Berufsgenossenschaften beansprucht werden dürfen. Zur
ahrung dieser Frist genügt es, wenn der Vorstand bis zum 31. De⸗ fmber des laufenden Jahres dem Gewerbetreibenden die Hoͤhe der von ihm sir das Vorjahr zu zahlenden Prämie bekannt giebt und ihm dabei
afenden Jahres werde eingestellt werden.
876.) In einem Kreise ist es üblich, daß die größeren Grund⸗ säitzer an landwirthschaftliche Arbeiter (sogenannte Heuerleute) auf iren Bauernstellen Wohnungen nebst etwas Ackerland gegen geringe gacht und mit der Verpflichtung vergeben, auf dem Bauernhofe gegen lüsge Vaagtung mit Handdiensten im landwirthschaftlichen Beiriebe es Verpächters Hülfe zu leisten. Um sich einen Nebenverdienst zu sschaffen, arbeiten diese Heuerleute auch als landwirthschaft⸗ 88 Tagelöhner bei Anderen oder führen Baureparaturen an andwirthschaftlichen Gebäuden ohne Gehülfen aus. Sie arbeiten ehen Tagelohn, zuweilen auch gegen Akkordlohn, und es betden der Regel nach die Materialien von den Gebäude⸗ üstbern geliefeet. Die Heuerleute arbeiten durchschnittlich in eser Weise nicht mehr als fünfzig Tage im Jahre. n Uebereinstimmung mit dem Vorstande der zuständigen landwirth⸗ ürftlichen Berufsgenossenschaft und im Anschluß an den Bescheid Rei „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1889 Seite 194, hat das Rechs Versicherungsamt unter dem 25. Juni 1890 entschieden, daß de Heverleute bei den erwähnten Bauarbeiten der Regel nach als eiter der Gebäud sitzer anzusehe äß §. 1 Absatz 4
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nüffnet, daß dieselbe in die Heberolle für das letzte Vierteljahr des i ate. blaben
lichen Berufsgenossenschaft versichert sind. Ihrer im Wesentlichen wirthschaftlich abhängigen Stellung würde es nicht entsprechen, wenn man sie bei der Ausführung der Baureparaturarbeiten als selbst⸗ ständige Gewerbetreibende und Unternehmer behandelte. Soweit sie in Tagelohn oder für Lohnzahlungen nach Aufmaß arbeiten, sind sie lediglich Tagelohn⸗ oder Akkordarbeiter der Gebäudebesitzer. Aber auch dann, wenn ihnen einmal eine Arbeit in Pausch und Bogen aufgetragen ist, erscheint die Ge⸗ sammtsumme des hieraus fließenden Verdienstes regelmäßig nur als ein Entgelt für die bei der eigentlichen Bauarbeit oder für deren Vorbereitung aufgewendete Arbeitszeit und Arbeitsleistung unter Einschluß des Werthsersatzes für das etwa ausnahmsweise von ihnen gelieferte Material. Ein Unternehmergewinn wird nicht erzielt.
des Räbzensaatgsenastegihe bei der zuständigen landwirthschaft⸗
Rundschan über den Getreidehandel im Monat Juli.
Die Witterung des Juli hat den Getreidehandel nicht minder lebhaft gehalten, als die des Vormonats, denn Regen hielt an, und der nicht mehr aufzuhaltende Schnitt des Roggens wurde bei nassem Wetter begonnen, da große Güter nicht über die Schnittreife hinaus warten können, und die kleineren Wirthschaften zur zeitigen Bergung der Roggenernte infolge des Strohmangels gezwungen waren; ein
roßer Theil unseres diesjährigen Roggens wurde daher feucht in die
cheune gebracht. Gegen Ende des Monats wurde die Witterung beständiger, und diejenigen Gegenden, die noch nicht ge⸗ schnitten hatten, konnten unter besseren Bedingungen ihr Korn einholen. Das Urtheil über die Roggenernte hat “ durch die Erdruschresultate schon festere Gestalt gewonnen, entspricht aber nicht den frohen Hoffnungen, welche man früher gehegt hatte. Die starken Werthunterschiede, welche für den an den Markt kommenden neuen Roggen bezahlt werden, die zwischen 154 und 166 ℳ per Tonne schwanken, beweisen schon, wie verschiedenartig die Beschaffenheit aus⸗ fällt. In Folge der starken Garbenzahl ist der quantitative Ertrag allerdings größer als im Vorjahre, allein es muß abgewartet werden, ob nicht dieses Plus durch die Qualitätdifferenz ausgeglichen wird. Die jedenfalls zum Theil schlechte Beschaffenheit des Roggens wird um so fühlbarer, als die Vorräthe alter Waare, die zur Vermischung und Verbesserung des neuen Gewächses dienen könnte, vollständig ge⸗ räumt sind, und dasselbe in einem nie erlebten Maße auch Betreffs unserer russischen Roggenvorräthe der Fall ist. Später wird nun rus⸗ sische Zufuhr ja nicht ausbleiben, für die erste Zeit aber ist daran für Berlin und Mitteldeutschland wenig zu denken, da die Quantitäten, welche unterwegs sind, zumeist niederländischen, belgischen und skandi⸗ navischen Häfen zuschwimmen. Erschöpfung der Vorräthe alter Ernte herrscht auch in den Niederlanden und Schweden und Norwegen. Ueber die Roggenernte Rußlands liegen aus den südlichen Gouver⸗ nements meist günstige Berichte vor, im Nordosten und anscheinend auch im Norden sind dagegen die Meinungen weniger gut, da nord⸗ russische Getreidefirmen sich an den Terminmärkten für spätere Termine als spekulative Käufer zeigten.
Ueber Deutschlands Ernte in anderen Getreidearten läßt sich im Allgemeinen nur vermuthungsweise ein Urtheil fällen; immerhin ist anzunehmen, daß ähnliche Schäden wie bei Roggen weder beim Weizen, noch bei der Gerste, am allerwenigsten aber bei Hafer zu konstatiren sind. Besonders der letztere hat von der Witterung ganz ungewöhnlich profitirt, der Stand ist dicht, die Qualität nach bis⸗ herigen Erstlingsproben schwer, und die Hoffnungen sind allgemein derart geschwellt, daß der Konsum nur noch widerstrebend, und nur den täglichen Bedarf deckend, das alte Gewächs kauft. Auch für Weizen hat der Regen nicht soviel wie beim Roggen geschadet, wenn auch Lagerkorn sehr viel vorkommen wird, die seit Ende Juli herr⸗ schende warme Witterung aber auffallend genützt.
Unter den Ernteberichten vom Auslande interessiren zunächst die⸗ jenigen Oesterreich⸗Ungarns. Nach den offiziellen Berichten sind die Erträge, welche bei meist schönem Wetter eingeheimst sind, trotz mancher Schäden durch Lagerfrucht und Rost, quantitativ und quali⸗ tativ recht befriedigend. Was bisher allerdings an die Märkte kam, hat keineswegs immer befriedigt. — Recht befriedigt von seiner Ernte ist diesmal Rumänien, und man rüstet sich zu einer flotten Konkurrenz gegenüber dem ungarischen und süd⸗ russischen Handel. Die Ernte Südrußlands in Winterweizen ist quantitativ eine recht große und man schätzt sie an Menge derjenigen von 1887 und 1888 mindestens ebenbürtig, wenn auch die Qualitäten mehrfach gelitten haben. Ueber Sommerweizen dagegen lauten die Berichte weniger günstig. Im Allgemeinen lauten übrigens die russischen Ernteberichte widersprechend, sodaß ein klares Urtheil über die Ernte des gesammten Rußlands noch aussteht. In West⸗ Europa ist die Witterung erst später als in den eben genannten Ländern der Weizenernte zu Hülfe gekommen. In Frankreich hat man wegen des Regenwetters, der die schnittreife Ernte traf, die Hoffnungen wesentlich herabstimmen müssen. Inzwischen haben sich die Aussichten seit Eintritt schönen Wetters wieder erheblich gebessert, zumal im Norden, wo der meiste Weizen überhaupt gebaut wird, die Ernte erst bevorsteht. — Weniger in die Wagschale fallend für den Weltmarkt sind in Bezug auf Mehrbedarf an Weizen die Mittheilungen aus England. Für Gerste rechnet man in England wegen des Mangels an Wärme und Sonnenschein nicht auf schöne Farbe und feinschaliges Korn, doch hofft man bei günstigem Erntewetter auf eine
esunde Malzwaare. — Aus den Berichten der Vereinigten Staaten Amerikas ist viel Günstigeres als im Vormonat nicht herauszulesen. Ein Werth ist den ziffermäßigen Angaben über die Ernte nicht bei⸗ zumessen; zu entnehmen ist ihnen nur die Thatsache, daß Amerika eine wesentlich schlechtere Ernte als im Vorjahre hat. Von großer Bedeutung sind die gegen Schluß des Monats eingelaufenen Hiobs⸗ posten über die in Aussicht stehende schwache Maisernte in Folge von unzeitiger Dürre. Ein Aufhören der amerikanischen Maiszufuhr würde trotz guter Haferernte nicht ohne Einfluß auf den diesseitigen Futter⸗ — Aus Indien liegt noch ein Abschlußbericht der dortigen Regierung über die Ernte vor, nach welchem 6 303 700 To. Weizen geerntet sind gegen 6 362 200 in 1888/89 und 7 259 300 im Durchschnitt der letzten fünf Jahre, sodaß gegen letztere ein Minus von 955 400 To. konstatirt ist. 1 1
Im Getreidehandel hat für Weizen Amerika am Weltmarkt nicht mehr die leitende Stellung behauptet, welche ihr gewöhnlich im Monat Juli mehr noch als in anderen Monaten in früheren Jahren eigenthümlich war. Amerika hat Angesichts der theilweise guten südrussischen, der sehr befriedigenden ungarischen und rumänischen Ernte eine um so stärkere Konkurrenz der Exportländer in Aussicht, als auch West⸗Europa selbst guten Erträgen entgegensahh und der verminderte Verbrauch für die neue Campagne nicht unwahrscheinlich war. Dies war der Punkt, um den sich die Aufmerksamteit der amerikanischen Spekulation drehte. Zum Theil erklärt sich dies auch aus der unlustigen Betheiligung der sonst so wagemuthigen amerikanischen Spekulation. Wenn das Re⸗ sultat des Monats ein mäßiger Aufschwung der amerikanischen Preise ist, so darf dies zumeist den französischen ungünstigen Wetterberichten zugeschrieben werden, während die mehrfachen Klagen über die eigene
Ernte erst in zweiter Reihe mitsprechen.
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1890.
Die Verschiffungen betrugen von Weizen im Juli nach Europa:
Quarters. 1890 1889 aus den atlantischen Häfen nach Großbritannien 328 000 156 000 „ dem Kontinent 168 500 81 500 aus Kalifornien und Oregon nach Großbritannien 158 000 217 000 „ dem Kontinent 11 000 12 000 8. zusammen 665 500 466 500 Weizenmehl 8 Sack “ 1890 1889 nach Großbritannien 566 000 637 000 nach dem Kontinent. 168 500 90 500 zusammen 649,500 667 500
Indiens Ausfuhr von Weizen betrug im Juli nach Groß⸗ britannien 961 000 Quarters, nach dem europäischen Festlande 105 000 Quarters. Bisher sind die Hoffnungen, welche man bezüglich des Exports an die letzte Ernte geknüpft hatte, trotz der schließlichen Ausfuhrsteigerung nicht ganz in Erfüllung gegangen.
Die Küstenplätze klagen über schwache Zufuhren, was der Ansicht Vorschub leistet, daß die letztjährige Ernte wohl eher noch schwächer gewesen, als die offiziellen Zahlen dies ausweisen.
Rußland hat aus alter Ernte noch ziemlich große Mengen dem Auslande zur Verfügung gestellt. Gegen⸗ über der Furcht vor einem vielleicht möglichen Preisdruck des frischen Getreides auf die Märkte siel die Rubelhausse wenig ins Gewicht, doch dürfte dieselbe in der Zukunft sicher noch auf die Preis⸗ gestaltung am Weltmarkt einwirken. Thatsächlich besteht für Roggen zwischen Rußland und Deutschland kein Rendementsverhältniß mehr; dieser Zustand wird sich ändern müssen, bevor zwischen diesen beiden Ländern wieder ein regerer Verkehr entstehen kann. Die Ausfuhr Rußlands betrug in den 4 Wochen, welche mit dem 26 Juli enden: an Weizen 745 196 Quarters und an Roggen 410,515 Quarters.
In England herrschte während des Juli eine vorwiegend feste Haltung, die einerseits in ungünstigem Wetter und in Aussicht stehender Ernteverspätung, andererseits aber in stark abnehmenden Zufuhren der einheimischen Landwirthe begründet war. Dem gegen⸗ über waren die auswärtigen Weizenankäufe zeitweise sehr bedeutend, waren aber meist schnell vergriffen, da neben dem großen eigenen Bedarf auch das Festland, besonders Frankreich, australischen und kalifornischen feinen Weizen stark kaufte. Von Mehl waren die Zufuhren nur mäßig, die englischen Müller gelangten daher wieder in bessere Position; auch Ungarn konnte neue Abschlüsse nach Großbritannien machen. Zum Schluß des Monats richteten sich die englischen Anfragen wegen Mehllieferung auch nach den Niederlanden. Die Einfuhr Groß⸗ britanniens und Irlands betrug in den vier Juliwochen an Weizen 5 755 046 Ctr. und an Weizenmehl 868 617 Ctr. — Es schwammen von Weizen und Weizenmehl
Anfang Juli Ende Juli
nach England.. 2 415 000 2 165 000 nach dem Festlande. 1 631 000 584 000 zusammen 3 046 000 2 749 000
gleichzeitig 1889. 118932 000 2 144 000 1889 weniger. 1 009 000 605 000
In Frankreich hat sich die schon früher konstatirte schwache Versorgung der Märkte mit einheimischem Gewächs in einer Weise verschärft, daß die verstärkte Hülfe des Auslandes in zunehmendem Maße in Anspruch genommen werden mußte. Da neue direkte An⸗ käufe in den Exportländern nicht rechtzeitig eintreffen konnten, so wurden neben diesen in London größere Abschlüsse schwimmender, ursprünglich für England bestimmter Waare gemacht, und auch von den an der englischen Küste angekommenen Dampfern ein Theil acquirirt. Die vorherige Sorglosigkeit in der Deckung eigenen Bedarfs hatte sich auf die Erwartung eines frühzeitigen Erscheinens neuen Gewächses gestützt, und als diese getäuscht und auch die früher so günstige Ernte⸗ hoffnung überhaupt herabgestimmt wurde, da zeigte der französische Markt seit langer Zeit zum ersten Male wieder größere Anregung. Belgien stand in seiner Tendenz unter dem Einfluß der eben ge⸗ nannten Länder. Antwerpen hatte einen regen Bedarf des nach dort gravitirenden Gebiets zu vermitteln und dasselbe läßt sich für die Häfen der Niederlande sagen. In U Lande spielte namentlich Roggen eine bedeutende Rolle, man bewilligte daselbst Preise für die russischen Abladungen, welche die Gebote Deutschlands wesentlich übertrafen und Letzterem die Zufuhr fast ganz abschnitten. — In Oesterreich⸗ Ungarn hat sich bisher der Export noch nicht sonderlich entwickelt, obwohl Wien und Pest ihre Course durch zeitweise starkes Fgah . möglichst den auswärtigen Preisverhältnissen anzupassen suchten. Man rechnet erst darauf, wenn feinere Qualitäten, die bisher erst vereinzelt auf den Märkten erscheinen, von den Produzenten zur Anfuhr gelangen werden. Die alten Bestände sind ganz außerordentlich gering.
In Deutschland haben gleichfalls die knappen Vorräthe die Situation im Juli wesentlich verschärft, was im Geschäftsgange des Berliner Marktes deutlich zum Ausdruck gelangte, Hier herrschte Weizen per Juli noch ein starkes Hausse⸗Interesse in kräftiger Hand vereint, während die Lieferungsverpflichtungen sich auf sehr viele Firmen vertheilten. Die Haussepartei hielt wohl auf hohe Preise, machte es im Ganzen aber der Baisse nicht schwer, von ihr Rückdeckung zu erhalten, namentlich so lange die Möglichkeit vorlag, vom Auslande noch rechtzeitig Waare heranzuziehen. Allein die Baisse war sorgloser, als die täglich mahnende Berichterstattung; so kam denn per Juli die Steigerung bis 231 ℳ, das war 30 ℳ über Augusttermin, und nur von dem Belieben der Empfänger hätte es abgehangen, die Forderungen noch wesentlich höher zu steigern. Zwar hatte eine sächsische Firma noch einen größeren Posten zur An⸗ kündigung nach hier gesandt, allein zumeist war die Waare nicht kontraktlich und die Absender hatten neben den Transportkosten noch die hohen Regulirungspreise zu bewilligen. Die starke Differenz zwischen Juli und August hatte dem letzteren gleichfalls vermehrte Aufmerksamkeit zugelenkt. Spätere Sichten gingen mit den vorderen Monaten in der Werthsteigerung nur wenig mit, da sich die Hoffnung einer guten Weizenernte erhielt, immerhin haben sie ihren Werthstand im Juli eher etwas verbessert. .
Roggen zog in vollstem Maße die Konsequenzen der Sachlage, wie sie im Junibericht geschildert wurden. Die Knappheit der Waare hielt nicht nur an, sie stieg bis zur völligen Erschöpfung der Bestände, und die Mühlen waren nicht im Stande, das nöthige Rohmaterial zur Aufrechterhaltung des vollen Betriebes zu erlangen. Russische Zufuhr war sehr schwach, inländisches Gewächs kam in alter Waare fast gar nicht mehr heran und in neuer gegen Monatsschluß nur ver⸗ einzelt und in meist feuchter Beschaffenheit. Unter diesen Verhält⸗ nissen war es ein Glück, daß per Juli keinerlei Interesse bestand, da sicher hierbei die Sachlage sich noch prekärer gestaltet hätte, als bei Weizen. Um so reger entwickelte sich der Handel in anderen Terminen. Die Provinzkundschaft war wenigstens zum Theil zur Ueberlegung der Gefahr gekommen, An⸗ gesichts des Wartens auf die neue Waare, die in den ersten Monaten jede Zufuhr in den Konsum verschwinden lassen muß, und Angesichts der täglich sich mehrenden Enttäuschungen im Erdrusch, per Herbst in so außerordentlich starker Weise à la baisse engagirt zu sein; sie ging mit starken Deckungen vor, gleichzeitig aber berheiligte sich die plaps fpekulation sehr stark à la hausse und das Resultat war eine nicht
unerhebliche Steigerung der Preise.
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