wie an die Worte der Bibel. Wenn eine Verständigung erfolgen solle, dann müsse der Artikel 24 erst eine klare und gemein⸗ verständliche Fassung erhalten. Die confessionellen Verhältnisse sollten möglichst berücksichtigt werden; die betreffenden Kirchengemeinschaften sollten den Religionsunterricht leiten. Das lasse eine Trennung des Religionsunterrichts von der Schule zu, aber nicht eine Scheidung der Unterrichtsanstalten nach confessionellen Gesichts⸗ punkten. Diese Auslegung sei auch bei der Berathung der Ver⸗ fassung im Herrenhause zum Ausdruck gekommen. Es sollten jetzt die Verwaltungsvorschriften Gesetz werden, welche dem jetzigen Minister gefielen. Wohin das führe, zeige die neueste Verfügung des Ministers bezüglich des Religionsunterrichts der Kinder der Dissi⸗ denten. Der Minister glaube aber mit solcher Verfügung neues, geltendes Recht schaffen zu können und behaupte darauf, dies geltende Recht sei in der Vorlage nur kodificirt. Diese Bestimmung sei ihm die wichtigste in der ganzen Vorlage, sie zeige die Stellung des Cultus⸗Ministers und der einzelnen Parteien. Charakteristisch sei die Motivirung des Ministers, der damit allen den Kindern eine Wohl⸗ that erweisen wolle, denen nie eine fromme Mutter die Hände zum Gebet gefaltet. Das höre sich ja sehr schön, sehr rührend an; aber mit welchem Recht stelle man denn die Dissidenten als verruchte, gottlose Menschen hin, bei denen die Mutter nie ihren Kindern die Hände zum Gebet gefaltet habe und denen die Erziehung der Kinder aus der Hand genommen werden müsse? Wohl nirgends in Preußen gebe es mehr Dissidenten als in seiner Heimath, aber das seien Alles sehr ernste und fromme Leute, die ihre Kinder meist mit mehr Sorgfalt beten lehrten, als die Dogmengläubigen. Nach der Auf⸗ fassung des Ministers müßte in England der Hälfte der Bevölkerung die Erziehung der Kinder genommen 1edig. iha. salche Fafstg. mungen, wie sie der Minister hier durchführen wolle, w 1“ aus dea. zu den Dissidenten getrieben, namentlich wenn die Stöcker'schen Bestrebungen nach hierarchischer Gliederung der evangelischen Kirche weiter Erfolg haben sollten. Der Minister weise die Auffassung des Abg. Richter 1“ daß 8 Verfassungsinterpretation Faichs. TDETT“ estützt sei; er w wahre denn di Lont ik; — C seüüden 18 hierfür im BJahre 1787 auch von einem Herrn von Jedlls hcgeöichtet Eöö“ aufgehör zu bestehen? Jetzt sei man gewohnt, se Cegehert die Ratte der beiden ersten Abtheilungen. des Cultus⸗Ministeriums, die Provinzial⸗Schulcollegien und die T abtheilungen der Regierungen gewahrt zu sehen, und es sei nicht anzunehmen, daß ein Wechfe in der Person des Cultus⸗Ministers einen vollständigen Wechsel in den Ansichten aller Fe herbeiführen “ eae W“ eMeh emacht? Der Minister sei erst so kurze — I 1 es nöthig sei, wenn er allein das Gesetz verfaßt haben wollte, eine übermenschliche Leistung sein würde. Dieses für die Schule seit Jahrhunderten wichtigste Gesetz, das die Entwickelung der kommen⸗ den Generation regeln solle, sei in nur wenigen Monaten aus⸗ gearbeitet, — da müßten die Räthe sehr mitgearbeitet haben, und man müsse fast glauben, daß die katholische Förhetas ihren 8 das E1““ Hea ehalten abe. eber den Heist nes etzes, - Hehahgenn eh 1.“ der Winiste⸗ selbst: ö 88 12 age finde er tedner) nur den Gei⸗ tes Abg. Windthorst. er Fütwenr stelle C8 Herrschaft der Kirche über die Schule fest. Der Grenzgraben zwischen Staat und Kirche sei zugeschüttet. Der Minister sagoe es sei gut so: so stehe es in der Verfassung. Aber wie sei es denn
bis jetzt gegangen? Habe die große Menge der Bevölkerung den Wunsch nach der confessionell aufgebauten Volks⸗ schule? Bis jetzt sei dies Hervorkehren der confessionellen Gegensätze, wie es der Entwurf. verlange, nicht erforderlich erschienen. Der Lehrer möge der befähigtste Mann sein, seine Stellung hänge ab von der Geistlichkeit. Denn da die meisten Schulen einklassige seien, so könne der Lehrer, welcher nicht Religion lehren dürfe, nicht an diesen angestellt werden. Der Appell an die Behörden werde ihm
hicft helfen. Das sei undurchführbar. Die Staatslehrer würden schließlich ebenso preisgegeben werden, wie seiner Zeit die Staatspfarrer. Der ganze Unterricht werde confessionell
werden auf allen Gebieten, namentlich auf dem Gebiete der Geschichte. Der Gegensatz der Confessionen werde Gegenstand des Unterrichts werden. In den Schulen werde dann gelehrt werden, daß Luther ein schuftiger Selbstmörder gewesen sei, daß der Protestantismus die Mutter der Socialdemokratie sei. (Hört! links.) Der Lehrer könne abgesetzt werden von seinem Staatsamt durch eine Macht, die außerhalb des Staats liege; das sei ein Eingriff in die Kron⸗ rechte, eine Verletzung des Artikels 47 der Verfassung. Bei jedem Grenzstreit zwischen Kirche und Staat sei der Lehrer verloren. Die Lehrer müßten sich den Anforderungen der Vorgesetzten anbequemen und in erster Linie würden sie sich dem Schutz des Geistlichen anver⸗ trauen. Daß die confessionelle Volksschule nur der Anfang sei, wisse man ja; die confessionelle katholische Universität sei schon lange eine Forderung der Ultramontanen. Katholische Minister habe Windthorst mehrfach verlangt. So werde schließlich die ganze Nation in zwei Hälften getheilt. Es möge sein, daß einzelne Lehrer sich selbst über⸗ schätzten. Deshalb könne man doch nicht den ganzen Stand ver⸗ urtheilen. Mache denn Herr Stöcker immer von dem Vereins⸗ gesetz und pon der Presse den richtigen. Gebrauch? Ueberschätze er nicht manchmal seine Persönlichkeit? Eterkeit. Sollten denn deshalb alle Geistlichen unter Aufsicht gestellt werden? Man brauche solcher einzelnen Vorkommnisse wegen nicht Bestimmungen in die Vorlage zu bringen, welche die Selbständigkeit der Lehrer ver⸗ nichten. Wenn die Eö“ der Regierungen aufgehoben werde, dann werde der Regierungs⸗Präsident sich einen jungen Assessor nehmen, welcher die Sache bearbeite. Der Regierungs⸗Präsident, namentlich wenn er noch ein Mandat ausübe, könne doch schließlich nicht die Durchführung dieses Gesetzes allein übernehmen ohne eeinen collegialen Beirath. Der Regierungs⸗Präsident werde vielleicht auch von oben herab angewiesen, in dieser oder jener Richtung vorzugehen, und in die Selbständigkeit der Städte Wund Gemeinden in einer Weise einzugreifen, wovon man heuter noch gar keine Ahnung habe. Seine Partei wolle den legitimen Einfluß der Religion wahren, aber nicht die Lehrer in die Herrschaft, der Geistlichkeit stellen. Die Schulvorstände im Ber⸗ ischen entsprächen durchaus nicht den Schulvorständen der Vorlage; s seien nicht Vertreter der Confession, sondern würden von der Schuldeputation ernannt. Daß zur Zeit Friedrich's des Großen die G Fftlie⸗ einen erheblichen Einfluß auf die Schulen gehabt hätten, eistlichen eine Friedrich der Große habe den Minister von Zedlitz sei nicht richtig. Friedrich der Große ho⸗ d m Ane Iaistakt in Leiter des Unterrichtswesens eingesetzt un ihm eine Instruktion Fesfrer die nicht so kleinlichen confessionellen Gesichtspunkten ent⸗ ge sei. Der Abg. Richter habe wohl aus der Vorlage gesehen, wohin es führe, wenn man mit dem Getgan Sea c Uh ner habe das aussprechen müssen, weil seine Partei dem Centrum gegen⸗ über immer einen ablehnenden Standpunkt eingenommen habe, wohei sie nicht immer die Unterstützung der Freisinnigen ge⸗ funden habe. Wenn ihr jetzt die Bundesgenossenschaft angeboten werde, so müsse sie darin die Führung haben. 8 Hetterfeit Uinge 18 kbC aschtt. Fh ie Prirotschüen andech über⸗ e H rfahrung g 1 Uhe “ minden Schulen gründen, die Jesuiten würden zurückkeh d Unterrichtsanstalten gründen u. s. w. (Heiter⸗ vi eehren ung utecee Vorlage wolle er nicht näher eit.) Auf den bconomischen Theil der Vorlage bee orl - gingehen. Der Vorwurf des Abg. Sattler, daß, die Vorlage 88 Ausführung des Windthorstschen Schulantrags sei, sei volsstindig zu⸗ treffend. Der Beirather des Ministers, der selbst aus Schlesien sei, sei der schlesische eürftbischof gewesen, und der eifrigste Vertheidiger der Vorlage sei ebenfalls ein Schlesier; Herr von Huene. Schlesien verdanke b Stellung dem preußischen König Friedrich II. Er hoffe, daß es diesen Schlesiern nicht gelingen werde, die preußische Volksschule in ihrer Stellung zu erschüttern. Er
Vor⸗ hoffe, 88 8 Vorlage nicht Hes e daß für grundlegende Elemeike 9 werde Gesetz werden, ohn ß
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Bestimmungen darin geändert würden.
zed der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Graf von edlitz:
Meine Herren! Ich bitte Sie, mir zu gestatten, zunächst nicht auf die Einwendungen des Herrn von Eynern einzugehen, — ich be⸗ halte mir das vor —, sondern auf eine Frage zurückzugreifen die von Vorrednern zunächst in der vorigen oder vorvorigen Sitzung — das weiß ich nicht genau — und heute wieder angeschnitten worden ist; das ist die Frage der Schulaufsicht und die Berücksichtigung der Muttersprache in dem Volksschulunterricht.
Meine Herren, ich glaube, ich habe in den ersten Tagen der Ver⸗ handlungen über das Volksschulgesetz keinen Zweifel darüber gelassen, wie ich zu der Durchführung der Schulaufsicht stehe. Ich kann mich darin dem anschließen, was der Hr. Abg. Graf Limburg⸗Stirum heut gesagt hat: die Schulaufsicht ist ein staatliches Amt; der, welcher sie führt, führt sie im Auftrage des Staats. Damit ist gegeben, daß dieselben Grundsätze, welche für staatliche Beauftragungen und Beamtenstellungen maßgebend sind, auch für diese Aufsicht maßgebend sein müssen. Demgemäß kann meines Erachtens die Forderung, die Schulaufsicht in allen Beziehungen und namenglich auch in der Kreis⸗ Schulinspection überall confessionell zu gestalten, niemals ge⸗ setzliches Recht werden; sie ist auch thatsächlich gar nicht durchführbar, und ich würde jedem der Herren Abgeordneten, der mich mit seinem Besuche beehren will, in dieser Beziehung aus den einzelnen Districten sofort nach statistischen Nachrichten zweifellos nachweisen können, daß diese Forderung in Preußen undurchführbar ist, ganz abgesehen davon, daß sie principiell für die Regierung — nach meiner Auffassung wenigstens — nicht acceptabel sein würde. Das schließt ja selbstverständlich nicht aus, daß man in vielen Fällen, wie dies auch jetzt schon immer geschehen ist, die Schulen so gruppirt und unter solche Kreis⸗Schulinspectionen stellt, wie dies auch den confessionellen Verhältnissen am meisten entspricht.
Dann, meine Herren, der muttersprachliche Unterricht. Es ist nach meiner Ansicht ganz unmöglich, daß in Preußen eine Bestimmung in ein Gesetz aufgenommen wird, welche ein Recht auf Ertheilung des Unterrichts in der Muttersprache giebt — schon um deswillen nicht, weil es unvereinbar wäre mit unserm Hauptgrundsatze, daß wir in Deutschland national ungetheilt sind, und zweitens deswegen nicht, weil nach den Verhältnissen unserer neueren Zeit die Vermischung der Nationalitäten und der Confessionen so stark geworden ist, daß eine muttersprachliche Ertheilung des Unterrichts in der Volksschule immer zur Verletzung einer anderen Nationalität führen müßte, — natürlich da, wo sie nicht in der deutschen Sprache geschieht, zur Verletzung der deutschen Nationalität, und ich glaube, keine Regierung kann das zugeben. Aber auch hier, meine Herren, sage ich, ist es sehr wohl mööglich, wirkliche Bedürfnisse im einzelnen zu prüfen und auch zu berücksich⸗ tigen, ganz besonders auf dem Gebiete des Religionsunterrichts. Ich scheue mich nicht, es hier auszusprechen, auch nach den Aeußerungen nicht, die der Herr Abg. von Eynern hier eben gethan hat: mir ist es durchaus kein unfaßbarer Gedanke, daß man den Religionsunterricht in der Schule den Kindern in derjenigen Sprache ertheilt, die die Kirchen⸗ sprache ihrer Eltern ist. Ich würde darin keine Herabminderung des Einflusses des Staates erblicken; nur das kann nicht zugegeben werden, daß es überall geschieht, und daß es unter Verletzung der Interessen der deutschen Kinder irgendwo geschehen dürfte. (Sehr richtig!)
Der Herr Abg. Graf Limburg hat dann einen Gedanken ausge⸗ sprochen, den ich lebhaft bedauere: das ist der der Hinausschiebung der Inkraftsetzurg des Gesetzes auf eine spätere Zeit. Ich glaube, dieses Gesetz, das jetzt so schwere Kämpfe hervorruft, so tiefgreifende Fragen berührt, wo, meine Herren, man sich doch jeden Tag auch unter uns sagen muß: Es scheiden sich die Geister — dieses Gesetz
durch die gesetzgebenden Factoren zu sanctioniren und dann noch.
ein Jahr in den Repositorien der Ministerien liegen zu lassen, das halte ich für eine Unmöglichkeit. (Sehr richtig!) Ich glaube, man mag auf einem Standpunkt stehen, auf welchem man will: Wird das Gesetz Gesetz, dann muß man auch auf dieser Seite (rechts) wünschen, daß es sofort ausgeführt wird. (Zurufe von den National⸗ liberalen.) Ja, lieber gar nicht — das verstehe ich; aber ob Sie die fürchterlichen Folgen, die Sie nun alle von diesem Gesetz besorgen, zehn Monate früher oder später bekommen, das scheint mir doch ziemlich gleich zu sein. (Zurufe von den Nationalliberalen.) Sie könnten lieber ganz ausbleiben? — Ich streite mich nicht darüber; nach meiner Auffassung ist es richtig, es anders zu machen.
Nun, meine Herren, muß ich mich leider wieder direct an einen Herrn wenden, und das ist der Hr. Abg. von Eynern; ich spreche lieber allgemein. Der Herr Abg. von Eynern hat seine Rede be⸗
gonnen mit der Ausführung: „Meine Art ist nicht die des Herrn Abg. Richter.’“ Das erkenne ich an; aber er wird mir das Urtheil gestatten, die Art des Herrn Abg. Richter
ist mir erheblich sympathischer. (Große Heiterkeit.) In dem Abg. Richter steht mir ein principieller, offener und energischer Gegner gegenüber; mit einem solchen Herrn, von dem ich die Ueberzeugung habe, daß er auch in mir die selbständige Auffassung achtet, mit einem solchen Herrn über so tiefe und wichtige Fragen zu debattiren, das ist mir eine Ehre. (Bewegung.) Aber ich muß leider bekennen, die Art und Weise, in der der Herr Abg. von Eynern seine Ausführungen kleidet, ist nicht so offen, und stellt doch eine ganze Reihe von Dingen in eine Beleuchtung, die nicht die Beleuchtung der Dinge, sondern die Beleuchtung des Herrn Abg. von Eynern ist, und die in einem sehr bedenklichen Maß persönlich verletzend und objectiv nicht zutreffend ist. (Sehr gut!)
Meine Herren, die Rede des Herrn Abg. von Eynern scheidet sich in zwei ganz getrennte Theile: einen rein kriti⸗ schen negativen und einen positiven. Diesen kritischen Theil werde ich zuerst einnal vornehmen. Da kommt er mit der Behauptung: Dieses Gesetz, das der neue Minister uns vorgelegt hat, construirt ein condominium der Kirche in der Schule. Der Herr Abgeordnete ist so gütig, dabei durchleuchten zu lassen — das geht ja aus seinen ganzen Ausführungen hervor —, daß ich eigentlich gar nicht der so schlimme Mann bin; dazu wäre ich viel zu unfähig, das müßten die Leute sein, die neben mir stehen, ich wäre ja, wie ich vorgestern schon gesagt habe, eigentlich nur der negotiorum gestor Anderer; er sagt, es wäre ja auch gar nicht möglich, daß ein Mensch in den paar Monaten dieses Gebiet so beherrschen gelernt habe.
Mein verehrter Herr Abgeordneter, ich habe es wirklich be⸗ herrschen gelernt, und überhaupt in meinem Leben gelernt zu arbeiten, und weil ich das gelernt habe, deshalb finde ich mich auch auf diesem Gebiete zurecht. (ebhafter Beifall rechts und im Centrum.)
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Und was heißt denn nun das mit dem condominium? Die Herren von der nationalliberalen Partei haben von Anfang an eine völlig principielle Gegnerschaft gegen das Gesetz eingenommen. Mir war dies unverständlich; ich habe auch heute noch nicht einen völlig klaren Einblick, worauf es beruht.
Es wird ja alles Mögliche gefabelt von großen politischen Ge⸗ danken, die in der Ausführung begriffen sind; (Zuruf links) — ge⸗ fabelt, ja, das nehme ich auch an, selbst die rührende Rütli⸗Scene im Reichstage.. . . (Stürmische Heiterkeit.)
Ich kann doch wirklich nicht annehmen, daß die nationalliberale Partei dieses Gesetz benutzen will, und in dieser Form, um es als Eckstein einer neuen großen Parteigruppirung zu gebrauchen. Und mit dieser Begründung, meine Herren! Alles, was hier bisher gegen das Gesetz gesagt worden ist, in seinen einzelnen positiven Theilen läßt sich Wort für Wort widerlegen. Nicht ich habe aus dem Wust von undurchsichtigem Actenmaterial, welches angeblich im Cultus⸗Ministerium vorhanden sein soll, die Ihrer Meinung nach natürlich schauderhaftesten und schlimmsten Rescripte herausgeschnitten
und wie ein untergeordneter Redacteur einer Zeitung mit der Papierscheere gearbeitet und etwas compilatorisch zusammen⸗ geschnitten; (Zurufe von den Nationalliberalen: Sehr ge⸗ schickt!) — sehr geschickt? Ich danke sehr! (Geiterkeit.)
Aber das ist doch leider einmal Thatsache, und Sie können es doch garnicht leugnen, daß diese also geschickt compilirten Bestimmungen von Leuten Ihrer Farbe concipirt worden sind. Es ist doch der Herr Staats⸗Minister Dr. Falk und die vorjährige Commission des Abgeordnetenhauses gewesen, welche dies gemacht hat.
Herr von Eynern hat mit der größten sittlichen Entrüstung darauf hingewiesen, daß ich es so machen wollte, daß der Lehrer durch den Geistlichen aus der Schule vertrieben werden könne, und daß man den Lehrer dadurch zu einem Augenverdreher, zu einem Heuchler, und ich weiß nicht was alles, zu einem sittlich heruntergekommenen Subject mache, der lediglich dem Geistlichen in die Hand gegeben werde. Und nun, meine Herren, steht es wörtlich in den Beschlüssen erster Berathung Ihrer Commission aus dem vorigen Jahre, von der Majo⸗ rität dieser Commission zugesetzt:
Die eigene Uebernahme des Religionsunterrichts durch die Geistlichen ist mit Genehmigung der Bezirksregierung zulässig.
Ja, meine Herren, dann verstehen wir überhaupt nicht mehr Deutsch, ich construire ganz dasselbe; (Zurufe links) — ja, es steht aber doch drin, ich glaube, Herr von Eynern ist sogar mit in der Commission gewesen. (Zuruf.) Das weiß ich nicht. Ich habe es vorhin festzustellen versucht, aber leider geben die Protocolle über die Abstimmung der einzelnen Herren keine Auskunft, und deswegen kann ich nicht sagen, Herr von Eynern hätte dafür gestimmt. Sie können sich schon darauf verlassen, daß ich sonst nicht unterlassen haben würde, diesen Effect zu verwerthen. (Heiterkeit.) Jedenfalls ist das doch zweifellos, daß der Herr Abg. von Cynern einen ganz scharfen Gegensatz construirt hat zwischen den vorjährigen Beschlüssen, zwischen dem vorjährigen Gesetzentwurf und zwischen dem diesjährigen.
Nun, meine Herren, sagt Herr Abg. von Eynern ferner: dieser Gesetzentwurf hat eine Aufregung in allen Klassen der Bevölkerung hervorgerufen, die gar nicht zu beschreiben ist, und diese beschränke sich — ich recitire wörtlich — nicht auf Preußen, sondern erstrecke sich sogar auf Deutschland. Nun, das ist ganz merkwürdig. Ich war nämlich auf diesen Einwand gefaßt und habe den gestrigen Tag dazu benutzt, um mich zu informiren, wie es in der Gesetzgebung der andern deutschen Staaten aussieht. Da kam ich zuerst auf Sachsen und auf Bayern, dort ist es natürlich viel schlimmer, als wie ich es Ihnen vorschlage. Da dachte ich: du mußt auf das Musterland des Liberalismus zurück⸗ gehen und die Bestimmungen heraussuchen, die dort jetzt bestehen. Sie erlauben vielleicht, daß ich sie Ihnen vorlese, der Herr Präsident wird wohl nichts dagegen haben. Da steht im §. 22 des im Jahre 1888 emanirten badischen Volksschulgesetzes Folgendes:
Der Religionsunterricht wird durch die betreffenden Kirchen⸗ und Religionsgemeinschaften besorgt und überwacht. Sie werden bei Er⸗ theilung desselben durch den gemäß § 26, Absatz 3 als befähigt erklärten Schullehrer unterstützt. Die Geistlichen sind als Religions⸗
lehrer in der Volksschule an die Schulordnung gebunden. Den staatlichen sowohl als den geistlichen Behörden bleibt
vorbehalten, die Ertheilung des Religionsunterrichts durch den Schullehrer abzustellen. (Hört! hört! im Centrum.) Und meine Herren, wenn Sie nun hören wollen, was über die Prüfung der Lehrer gesagt ist: Bei der Prüfung der Lehrer sind die betreffenden Kirchen⸗
und Religionsgemeinschaften durch Beauftragte vertreten, welche die Candidaten hinsichtlich ihrer Befähigung zur
Ertheilung des Religionsunterrichts prüfen. Die Entscheidung über die Befähigung zur Ertheilung des Religionsunterrichts steht den betreffenden Kirchen⸗ und Religionsgemeinschaften zu. (Hört! Hört! im Centrum und rechts.) Meine Herren, nun kommt hinterher noch etwas über die Privatschulen. Ich will den Ausdruck „abschreiben“ nicht mehr gebrauchen, ich habe wirklich nicht abge⸗ schrieben, aber es ist beinahe so.
Und derartig amtlich konstatirten Thatsachen gegenüber wird mir hier vorgeworfen, ich wollte die Gesetzgebung des preußischen Staats auf eine, ich weiß nicht welche Periode zurückschrauben und ich wollte die Schule des preußischen Staats zu einer Kirchenschule machen, ich wollte den Geistlichen ein Condominat einräumen. Wo ist denn in Deutschland eine Schule, die Ihrem Ideal entspricht? Sie existirt nicht, weil sie überhaupt nicht möglich ist. (Sehr richtig! im Centrum und rechts.) Denn wenn sie möglich wäre, würde sie auf einen Widerstand in der Bevölkerung stoßen, der alles wegfegt, was Sie damit geschaffen haben. (Bravo! im Centrum und rechts.) Meine Herren, meine Stellung gegenüber der Verfassung und der sogenannten Verwaltungspraxis ist auch von dem Herrn Abgeordneten wiederholt bemängelt worden. Nun, daß ich die Verfassung nicht als Offenbarung behandele und nicht bibel⸗ gläubig in Bezug auf die Verfassung bin — das waren die Ausdrücke des Herrn Abg. von Eynern —, das werden mir die meisten von Ihnen selbst aus der eigenen Partei des Herrn von Eynern zugeben. Solche Uebertreibungen haben noch niemals weder einem Redner, noch einer Partei genützt. (Heiterkeit und sehr gut! im Centrum.) Sie haben „Offenbarung“ und „bibelgläubig“ ausge⸗ gesprochen. (Widerspruch des Abg. von Eynern.) Ja, ich kann doch nur so auffassen, wie ich es gehört habe. (Sehr richtig! im Centrum.) — Das ist ja gleichgültig, aber das habe ich aus dieser Bezugnahme jedenfalls doch herausgehört, daß der