Herr Abg. von Eynern mit einer ganz außerordentlichen Leichtigkeit über das Grundgesetz unseres ganzen preußischen Staats urtheilt. auch
(Sehr gut! im Centrum.) Ich muß gestehen: ich bin
kein Rechtsgelehrter, aber ich habe eine außerordent⸗ liche Achtung und Scheu vor der Heiligkeit der Ge⸗ setze und vor allen Dingen vor der Heeiligkeit unserer
Grundverfassung, und ich würde es mir zehnmal überlegen, zehnmal mit meinem Gewissen zu Rathe gehen, ehe ich überhaupt den Ge⸗ danken faßte, an dieser Grundlage unserer ganzen gesetzlichen Existenz zu rühren. (Bravo! im Centrum.)
Dann, meine Herren, gestatten Sie mir, mich nun zu dem posi⸗ tiven Theile der Rede des Herrn Abg. von Eynern zu wenden. Der⸗ selbe mußte ja naturgemäß viel schwächer ausfallen als der negative. (Heiterkeit.) Das ist selbstverständlich; wenn man wesentlich kritisch angelegt ist, ist man meist nicht sehr geeignet, aufzubauen. Der Herr
Abgeordnete hat da zunächst gesagt, wir wollen die Selbst⸗ ständigkeit des Lehrerthums ausbilden. Meine Herren, ich will auch einen selbständigen Lehrer, und ich glaube: so
lange ich die Ehre habe, an dieser Stelle zu stehen, haben sich die Lehrer des preußischen Staats — weder die Volksschullehrer noch die Lehrer an den höheren Unterrichtsanstalten — darüber zu be⸗ klagen, daß ich sie nicht in allen Beziehungen vertreten hätte. (Sehr richtig! rechts.) Mir liegt jede Reglementirung fern; ich will sie unter kein Condominat stellen, aber ich wünsche, daß die Lehrer selbständige Personen sind, ich gehe so weit — die Verfügungen werden natürlich nicht bekannt, die etwa nach der anderen Seite unbequem werden könnten —, daß ich mich selbst berichtige, wenn ich zu der Ueberzeugung komme, daß ich mich geirrt habe.
Meine Herren, der Herr Abg. Knörcke — ich glaube er war es — hat im vorigen Jahre an mich einen scharfen Angriff gerichtet, weil, ich den Lehrern nicht eine Verlängerung der Pfingstferien behufs Besuches der Lehrerversammlungen gewährt hätte. Ich habe damals gesagt: nach meiner Auffassung müsse sich doch in der Zeit der Sommerferien ein gemeinsam benutzbarer Zeitpunkt finden lassen, zu welchem die Herren diese Versammlungen besuchen könnten. Ich habe das geprüft; ich habe mich überzeugt, daß das nicht der Fall ist, weil die Interessen von Stadt und Land und von den ver⸗ schiedenen Provinzen sich zu sehr gegenüberstehen. Infolge dessen habe ich ganz einfach jetzt verfügt: die Pfingst⸗ ferien werden um zwei Tage verlängert. Die Lehrer be⸗ kommen dadurch die Möglichkeit, jene Versammlungen zu besuchen. Sie sehen, ich fürchte mich auch vor der weitesten Dis⸗ cussion des Lehrerstandes über ihre eigenen Dinge und über das, was ich thue, nicht. (Bravo! rechts und im Centrum.) Dann hat der Herr Abg. von Eynern nun auch in derselben abfälligen Weise meine Verwaltungsorganisation kritisirt. Jaf, ob es gerade sehr glücklich war, dem Herrn Abg. Richter zu folgen und den Regierungs⸗Präsidenten als den Mittelpunkt der künftigen Schul⸗ verwaltung zu schildern, lasse ich dahingestellt; denn für diejenigen Herren, welche den Gesetzentwurf gelesen haben, kann es doch keinem Zweifel unterliegen, daß davon auch nicht die Spur richtig ist.
Meine Herren, was an wesentlich äußeren und zu einem Theil auch an inneren Angelegenheiten jetzt die zweiten Abtheilungen der Königlichen Regierungen bearbeiten, soll auf die Gemeindeorgane und auf die Kreisorgane übergehen, in den Städten also auf die Gemeinde⸗ organe; und ich bin so weit gegangen, daß ich nicht einmal den vor⸗ jährigen Unterschied von Städten bis zu 10 000 Einwohnern und darüber aufrechterhalten habe, sondern daß ich die Städte allgemein mit diesen weitgehenden Befugnissen ausrüsten will. Was dann aber noch übrig bleibt, das sind ja wesentlich innere Fragen, das sind Bestimmungen, wie sie in den ersten Paragraphen des Gesetzes ent⸗ halten sind über Feststellung von Lehrplänen, Berücksichtigung der confessionellen Verhältnisse, Aufsichtsbefugnisse; das geht an die Firma des Regierungs⸗Präsidenten über, aber wenn Sie den entsprechenden Gesetzentwurf gelesen hätten, würden Sie sehen, unter Beifügung aller der Räthe, welche jetzt die Abtheilungen der Regierung aus⸗ machen, also auch des Ober⸗Regierungs⸗Raths und der technischen Herren Räthe. Herr von Eynern, Sie beurtheilen mich natürlich — und das kann ich Ihnen nicht verdenken — sehr ungünstig, aber daß ich die Arbeiten von Schulangelegenheiten eben aus dem Examen kommenden Assessoren überliefern sollte, für so thöricht müssen Sie mich wirklich nicht halten. Ich bin mir sehr wohl bewußt, daß ein großer Theil der Opposition gegen diesen Schulgesetzentwurf aus technischen Kreisen stammt, aber trotz dessen weiß ich und erkenne sehr dankbar an, daß diese Schultechnik, wie sie bisher stattfand, dem preußischen Staat und auch der preußischen Schule erhalten werden soll. Ob diese Herren einem Collegium, und zwar einem solchen, in dem, wenn ich Ihnen einmal aus der Schule plaudern soll, doch der Regierungs⸗Präsident das ausschlaggebende Wort spricht, angehören oder ob sie direct dem Regierungs⸗Präsidenten beigegeben sein sollen, das ist sachlich ganz gleich. Aber der Unterschied ist in meiner Organisation doch der: während jetzt diese werthvollen technischen Kräfte mit einer Anzahl nebensächlichen, kleinlichen, statistischen, äußerlichen Materials belastet sind, während sie, obwohl sie häufig davon sehr wenig verstanden, ge⸗ zwungen wurden, in die Gemeinden hinein zu regieren, sollen sie sich jetzt den idealen und großen Aufgaben ihres Amts widmen, sie sollen revidiren, sie sollen eine Stütze und Hilfe des Lehrers werden. (Sehr gut! rechts.)
Meine Herren, der Herr Abg. von Eynern ist dann auf den Re⸗
ligionsunterricht übergegangen, als den dritten Gegenstand seiner posi⸗
tiven Gesichtspunkte. Nebensächlich hat er hervorgehoben, daß er ja gar kein Befürworter des Schulvorstandes, wie ich ihn construirt hätte, wäre. Das erkenne ich jetzt nach seinen Ausführungen auch an, aus den vorjährigen Berichten war das nicht zu ersehen; indessen auch das sind Fragen der Erörterung im einzelnen. Ich glaube, über diese Dinge hätten wir uns sehr leicht verständigen können, wenn die Herren nicht durch ihre principiell ablehnende Stellungnahme von Anfang an jede Discussion über derartige Fragen im Detail unmöglich gemacht hätten. Aber die Ausführungen bezüglich des Religionsunterrichts treffen den Kern der ganzen Sache und beweisen, daß wir wirklich auf einem innerlich so verschiedenen Boden stehen, daß wir nicht zusammen kommen können. Meine Herren, Sie sagen: wir wollen arch Religion! und haben mit vieler Entrüstung — aber doch an eine falsche Adresse, als Sie sich an mich wandten abgewiesen, daß man Ihnen unterstellt, Sie wollten eine religionslose Schule. Ich habe ausdrücklich am letzten Tage erklärt: ich erkenne dankbar an, daß die Herren keine religions⸗ ose Schule wollen. Wie kommen Sie dazu, ein derartiges Fechter⸗
kunststück — ich brauche den Ausdruck, den Sie angewandt haben —, mir zu unterschieben!
Also die Herren sagen: Grundlehren des Christenthums. Ja, was sind denn Grundlehren des Christenthums? Darüber ist ja eben der Streit. Wir sind der Meinung, daß diese Grundlehren des Christenthums den Kindern nur in den For⸗ men beigebracht werden können, wie sie Katechismus und Christenlehre geben. Sie nicht? (Abg. Dr. Enneccerus: Ich habe mich doch über alle diese Dinge genau ausgesprochen!) Ja, ich weiß wirklich nicht — ich vermuthe, daß auch den übrigen Herren im Hause der Eindruck der Rede des Herrn Abg. Enneccerus nicht so lebhaft gewesen ist, daß nun jede Erörterung über entsprechende Ueber⸗ zeugungen unmöglich gemacht worden sei.
Meine Herren, wenn man so steht, wie der Herr Abg. von Eynern, so sollte man nicht so scharf in der Beurtheilung derjenigen Leute sein, die mit mir auf anderer Seite stehen. Man muß uns nicht Pietismus und Unduldsamkeit vorwerfen. Ich glaube, das ist nicht günstig und nicht vermittelnd, und ich glaube auch nicht, daß es zweckmäßig ist, an Zeiten zu erinnern, in denen gerade diese Gegen⸗ sätze zu den allerschroffsten Spaltungen im Staatsleben geführt haben. Praktisch werden wir uns über alle diese Fragen nach meiner Auffassung ganz leicht verständigen. In der Praxis existiren sie gar nicht, aber sobald wir sie principiell erörtern, kommen wir zu solchen Gegensätzen, wie wir sie heute gehört haben.
Der Herr Abg. von Eynern hat dann in einer Schlußbemerkung mich an die Traditionen meiner Familie aus einer vorhundertjährigen Zeit, aus der Fridericianischen Periode erinnert. Meine Herren, Sie können sich denken, daß jemand wie ich eine lebhafte Empfindung dafür hat, daß das, was im Laufe der Jahrhunderte geschehen ist — wie eine Familie sich erhalten, was sie durchgemacht hat, wie sie auch im öffentlichen Leben seit Jahrhunderten gestanden hat, herabtröpfelt auf den Epigonen. Wir, die Zedlitze, in Schlesien, sind diejenigen gewesen, welche in einer ganz besonderen Treue zu dem protestantischen und evangelischen Bekenntnisse allezeit gestanden haben. Es war ein Zedlitz, der als der Freund Melanchthon's die erste evangelische Kirche in Schlesien erbaut hat, und ich glaube, es giebt viele Kirchen und Schulen auch in Schlesien, die dieser
Familie ihre Fürsorge bis auf den heutigen Tag verdanken. Es ist nicht leicht, dem Nachkommen und dem Sproß einer solchen Familie ununterbrochen ins Gesicht zu schleudern: Du bist nichts weiter als ein Berathener — Berathener
des Centrums, des Bischofs, des Herrn von Huene und anderer Leute! Ich scheue mich garnicht, das auszusprechen: ich schätze auch in meinem katholischen Mitbürger, wenn er voll auf dem Boden seiner Ueberzeugung steht, den Mann in jeder Beziehung, ich nehme gern auch von ihm Rath an, ich nehme ihn auch gern an von dem, der auf der ganz entgegengesetzten Seite steht; aber ich ermächtige nie⸗ manden, mir deswegen nachzusagen, daß ich nichts weiter als der ab⸗ hängige Nachbeter entgegengesetzter Auffassungen sei. (Bravo! sehr gut! rechts und im Centrum. Zuruf links.) — In der Sache haben Sie das gesagt.
Meine Herren, beim Beginn des Eintritts in diese Berathung sind von den verschiedensten Seiten Wünsche nach Abänderung des Gesetzes an mich herangetreten, ich kann versichern, von allen Seiten dieses Hauses. Ich habe darüber mit den Herren in der freundschaftlichsten und offensten Weise gesprochen, habe gebeten, die Generaldiscussion nicht durch eine zu scharfe Zuspitzung der Gegensätze zu verschärfen, habe meinerseits
35,9 und 30,5, die Zahl der Todesfälle an acuten Erkrankungen der Athmungsorgane von 303 und 52 auf 380 und 67 gestiegen. — Auch aus verschiedenen Orten Italiens, Livorno, Parma, Modena, Padua Vicenza, Spezia, Ferrara, Mantug, Bologna wird eine stärkere Ver⸗ breitung der Seuche gemeldet. In Genua ist die Influenza, einer amtlichen Mittheilung zufolge, Mitte Dezember v. J. sporadisch, Ende des Monats aber in stark epidemischer Form aufgetreten. Im dortigen städtischen Krankenhause befanden sich am 28. Dezember 74 slucnja kranke, zu denen am folgenden Tage 50 neue hinzukamen. Man bea sichtigt daselbst, ein besonderes Krankenhaus für die Influenzakranken zu er⸗ öffnen; die Schließung der Schulen wurde in Aussicht genommen. In Venedig stieg die Gesammtsterblichkeit von 53,1 % in der Vor⸗ woche auf 93,2, die Zahl der Todesfälle an acuten Erkrankungen der Athmungsorgane von 56 auf 134. — In Malta soll die Fufluenza unter den britischen Seeleuten große Verheerungen anrichten. Au
in einzelnen Theilen der Niederlande, besonders in der Provin Nord⸗ Brabant, soll sich die Seuche mit besonderer Heftigkeit zeigen. Aus der Berichtsstadt Amsterdam sind, wie in der Vorwoche, 9 Tohesfälle an Influenza gemeldet worden.
In den mehr östlich ö Staaten des Auslandes scheint sich die Seuche bereits in der Abnahme zu befinden. Dies gilt beson⸗ ders von Oesterreich⸗Ungarn, Polen und Dänemark. In Prag hat die Gesammtsterblichkeit (St. 29,8 % gegen 32,7 in der Vorwoche) und die Zahl der Todesfälle an acuten Erkrankungen der Athmungsorgane (A. 17 gegen 21) abgenommen, desgleichen in Krakau (St. 34,8 gegen 40,4, A. 5 gegen 6), in Budapest (St. 40,4 gegen 43,9, A. 106 gegen 109), in Warschau (St. 26,7 gegen 34,6, A. 31 gegen 58) und Kopenhagen bei 57 Todesfällen und 954 Erkrankungen an Influenza gegen 72 und 1632 (St. 30,1 gegen 39,7, A. 91 gegen 112). Nur in Wien hat die Influenza bei 532 Erkrankungen gegen 311 (St. 31,4 gegen 30,3, A. 244 gegen 214), noch zugenommen. In Stockholm ist zwar eine höhere Zahl von Todesfällen an Influenza (76 gegen 53), aber ein geringerer Zugang an Neuerkrankungen (711 gegen 1129) zu verzeichnen (St. 45,8 gegen 48,1, A. 112 gegen 106).
Von den deutschen Berichtsorten sind aus Braunschweig7 (3), Danzig 3 (7), Dortmund 3 (5), Dresden 8 (5), Frankfurt a. O. 3 (5), Halle 4 (3), Kiel 1 (5), Magdeburg 11 (29), Münster 5 (3), Stettin 5 (5), Straßburg 2 Todesfälle; aus Berlin (3 Kranken⸗ häuser) 18 (31), Frankfurt a. O. 102 (129), Nürnberg 400 (79), Reg.⸗Bez. Posen 76 (64) Erkrankungen gemeldet worden. Unter diesen Orten zeigten Kiel, Magdeburg und Danzig gegenüber der Vor⸗ woche eine erheblichere Abnahme, Dresden und Braunschweig eine Zu⸗ nahme der Todesfälle an Influenza. In den beiden letzteren Orten war eine Sterblichkeit von 25,6 und 28,9 % gegen 21,1 und 21,6 in der Vorwoche zu verzeichnen (A. 27 und 17 gegen 10 und 9). In Magdeburg hat die Zahl der Todesfälle an acuten Erkrankungen der Athmungsorgane mit 34 gegen 51 ab⸗, die Sterbeziffer dagegen (28,7 gegen 28,0) etwas zugenommen; in Kiel (St. 16,0 gegen 29,7, A. 6 gegen 15) und Danzig (St. 21,7 gegen 26,4, A. 14 gegen 16) ist nach beiden Richtungen hin eine Abnahme zu verzeichnen. Von den sonstigen deutschen Berichtsorten war eine Zunahme der Gesammtsterblichkeit und der Todesfälle an acuten Erkrankungen der Athmungsorgane für Altona (St. 27,6 gegen 23,8, A. 17 gegen 9), Elberfeld (St. 19,8 gegen 11,9, A. 8 gegen 3), Mainz (St. 23,2 gegen 15,5, A. 8 gegen 3), Münster (St. 40,8 gegen 32,6, A. 11 gegen 5), Zwickau (St. 22,7 gegen 13,6, A. 3 gegen 0), eine Abnahme für Düsseldorf (St. 16,5 gegen 21,6, A. 7 gegen 9), Elbing (St. 25,6 gegen 31,7, A. 0 gegen 3), Essen (St. 23,8 gegen 32,6,
öffentlich und privatim wiederholt erklärt, daß ich bei einer ganzen Reihe von Fragen durchaus bereit wäre, mit mir reden zu lassen, daß ich bereit wäre, mich auch überzeugen zu lassen. Wenn nun trotz dessen ununterbrochen von dieser (links) Seite hier in der allerschärfsten Weise gegen das Princip gearbeitet wird, dann, bitte ich, nehmen Sie mir es nicht übel, wenn ich selbst sage: dann beseitigen Sie jede Hoffnung auf eine Verständigung. (Lebhaftes Bravo.)
Abg. Freiherr von Hammerstein (cons.—) wendet sich zunächst gegen den Abg. von Eynern und führt dann aus, daß Herr von Bennigsen mit seinem Aufruf an das liberale Bürgerthum das Tischtuch zerschnitten habe, als überhaupt vom Volksschulgesetz noch keine Rede gewesen sei. Man habe auch sofort die gesammteé aus⸗ wärtige Presse in Bewegung gesetzt, allen voran die jüdische liberale österreichische Presse. Ernster sei, daß man auch den Particularismus anzuregen versucht habe, wie die Aeußerungen des „Mann⸗ heimer Amtsverkündiger“ bewiesen. In Baden hätte man doch etwas vorsichtiger sein sollen. Prinz Wilhelm, der die Revolution in Baden vernichtet habe, habe als ihren Ursprung die Vernachlässigung der Schule erkannt. Es handele sich hier nur um einen Vorstoß des Protestantenvereins, unternommen gegen eine Regierung, welche sich offen zum Christenthum bekannt, habe. (Zustimmung im Centrum und “ Fühlten die nationalliberalen Führer das Bedürfniß, ihre morsche Stütze durch grünes, freisinniges Holz zu . Wollten sie die übrigen führenden Parteien ein⸗ schüchtern? Jedenfalls sei es eine wohlüberlegte Action der nationalliberalen Partei. Er wünsche dringend, daß die Vorlage Gesetz werde, und er hoffe, daß es gelingen werde, den letzten Para⸗ graphen aus der Welt zu schaffen.
Darauf wird um 4 ½ Uhr die Berathung bis auf Freitag 11 Uhr vertagt.
verstärken?
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
1 Ueber die Influenza berichtet Nr. 4 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheits⸗ amts“ im Folgenden:
Nach den im Laufe der letzten Woche eingegangen Mittheilungen scheint die Verbreitung der Seuche in England (und Irland), Frankreich und Italien in weiterer S begriffen zu sein. In den eng⸗ lischen (und irländischen) Berichtsstädten, deren Gesundheitszustand in der Vorwoche theilweise erheblich besser geworden war, hat die Sterb⸗ lichkeit während der Berichtswoche wieder zugenommen. In London
stieg sie von 32,8 auf je 1000 Einwohner in der Berichts⸗ woche auf 40,0, bei gleichzeitiger Erhöhung der Zahl 88 Todesfälle an Influenza von auf 271, derjenigen an
acuten Erkrankungen der Athmungsorgane von 499 auf 725, an, des⸗ gleichen in Liverpool von 36,3 8 42,0, in Manchester von 24,0 auf 26,6, in Dublin von 35,0 auf 43,8 %. Umgekehrt verhält es sich mit Edinburg, wo in der Vorwoche eine Zunahme der Zahl 88 Todesfälle an Influenza und der Sterblichkeit im allgemeinen, in der Berichtswoche eine entsprechende Abnahme (4 gegen 12 in der Vor⸗ woche und 20,5 gegen 24,0 %0 ) festgestellt wurde. — Frankreich an⸗ langend, melden die Zeitungen ein Umsichgreifen der Influenza in verschiedenen Städten, wie in Lille, Nancy, Brest Nimes u. s. w. In den Berichtsstädten Paris (bei 60 Todes⸗ fällen an Influenza gegen 34 der Vorwoche) und Lyon ist die
Gesammtsterblichkeit von 31,5 und 24,8 % in der Vorwoche auf
A. 10 gegen 26), Görlitz (St. 22,7 gegen 34,0, A. 10 gegen 15), Krefeld (St. 9,9 gegen 15,1, A. 2 gegen 7), Spandau (St. 16,8 gegen 26,2. A. 2 gegen 8) und Stettin (21,4 gegen 27,4, A. 8 gegen 11) festzustellen. Wesentliche Unterschiede hinsichtlich der geographischen Lage lassen die den eben erwähnten Gruppen angehörigen Städte nicht erkennen.
Im übrigen starben in der Berichtswoche mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen an Masern (Durchschnitt aller deutschen Berichtsorte für 1878/87: 1,26 %): in Mannheim; außer⸗ dem sind in Berlin 126, in den Regierungsbezirken Arnsberg 108, Düsseldorf 149, Trier 204, Wien 312 Erkrankungen gemeldet worden; an Scharlach (1878/87: 1,72 %): in Plauen; an Diphtherie und Croup (1878/87: 4,34 %); in Duisburg, Osnabrück, Remscheid, Stuttgart; Erkrankungen wurden aus den Regierungsbezirken As⸗ berg 139, Düsseldorf 106, Wiesbaden 102 und aus Wien 102 gemeldet.
Dithion bei Aphthenseuche.
Die „Neuen Hessischen Volksblätter“ Nr. 10 vom 13. Januar 1892 enthalten folgende für die Thierhaltung wichtige Mittheilung:
„Aus dem Odenwald. Die Maul⸗ und Klauenseuche tritt, allen Schutz⸗ und Sperrmaßregeln zum Trotz, in verschiedenen Orten unter dem Klauenvieh wieder auf; es dürfte deshalb für die Landwirthe sehr angenehm sein, ein Mittel kennen zu lernen, welches gegen diese Krankheit mit sehr tthh Fffg⸗ angewendet wurde. Vor etwa einem Jahre habe ich durch die Seuche mehrere Kühe verloren und war deshalb sehr erschrocken, als ich am 14. Dezember die Wahr⸗ nehmung machte, da die Seuche durch eine kurze Zeit vorher von einem Viehhändler gekaufte Kuh abermals in meinen Stall, in welchem 42 Milchkühe und mehrere Rinder stehen, eingeschleyppt wurde. Zum guten Glück traf ich am folgenden Tage Herrn Kreis⸗Veterinärarzt Renner aus Dieburg. Dieser Herr gab mir den Rath, sämmtlichen Thieren pro Kopf 100 g Dithion (Natrium dithiosalicylis) zu geben. Bis das Arzneimittel, welches von Dr. F. von Heyden Na folger in Radebeul bei Dresden zum Preise von 22,50 ℳ pro Kilo bezogen wurde, ankam, waren etwa 25 Milchkühe von der Seuche ergriffen. Die Anwendung ist sehr einfach, das in Pulverform dargestellte Mittel wird in Wasser aufgelöst. Ein Theil der Lösung wurde dazu verwendet, den bereits erkrankten Thieren Maul, Klauen und Euter abzuwaschen, während der größere Theil, unter das Getränke geschüttet, von den Thieren sehr gern genommen wurde. Die Wirkung war eine sehr gute, alle Kühe seuchten sehr schnell und leicht durch, während die Rinder gar nicht von der Seuche ergriffen wurden. Letztere stehen von den Kühen etwas getrennt. Eine leichte Entzündung der Klauen ist nur bei sehr wenigen Kühen eingetreten, bereits 14 Tage n. Ausbruch der Seuche hatten alle in dem Stalle stehenden Thiere wieder ein gesundes und munteres Aussehen. Nach der Erfahrung, welche ich mit dem Mittel machte, kann ich jedem rathen, dasselbe erforderlichen Falles anzuwenden.“
Nr. 4 der Veröffentlichungen des Kaiserlichen Ge⸗ sundheitsamts vom 26. Januar Hat folgenden Inhalt: Personal⸗ Nachricht. — Gesundheitsstand. Mittheilungen über Volkskrank⸗ heiten, insb. Influenza. — Sterbefälle in deutschen Städten mit 40 000 und Einwohnern. — Desgl. in größeren Städten des Auslandes. — Erkrankungen in Berliner Krankenhäusern. — Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. — 19. Jahresbericht des Local Government Board 1889/90. Mittheilungen aus Britisch⸗ Ostindien. — Witterung. — Zeitweilige Maßregeln gegen Volks⸗ krankheiten. (Egypten.) — Thierseuchen und Vieheinfuht in Groß⸗ britannien 1890. — Thierseuchen in Portugal 1891, 1. Vierteljahr. — Desgl. in den Niederlanden. — Veterinär⸗polizeiliche Maßregeln. FPreußer⸗ Reg.⸗Bez. Oppeln.) — Gesetzgebung u. s. w. (Deutsches Reich.) Arznei⸗Taxren. — (Oesterreich.) Nahrungs⸗ und Genußmittel. Arzneitare. — (Ober⸗Oesterreich.) Aerzte und Wundärzte. — (Italien.) Apotheken⸗Besichtigungen.) — (Schweiz.) Influenza. — (Belgien.) Kunstbutter. — Rechtsprechung. (Ober⸗Landesgericht Ham⸗ burg.) Wiederholte Nichterfüllung der Impfpflicht. — Verhandlungen von gesetzgebenden Körperschaften. (Deutsches Reich.) Amerikanisches Schweinefleisch. — Chemikerprüfung. — Bekämpfung der Trunksucht. Gesetzentwurf. — Vermischtes. (Preußen.) Irrennastalten.