1893 / 22 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 25 Jan 1893 18:00:01 GMT) scan diff

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Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preufischen

Berlin, Mittwoch, den 25. Januar

Staats⸗Anzeiger.

1893.

Personalveränderungen.

Königlich Prenßische Armee.

4 Offiziere, Portepee⸗Fähnriche ꝛc. Ernennungen Beförderungen und Versetzungen. Im activen Heere. Berlin, 16. Januar. v. Heydebreck, Sec⸗ Lt. a. D., früher im Gren. Regt. Prinz Carl von Preußen (2. Brandenburg.) Nr. 12, isher in der Schutztruppe für Deutsch⸗Ostafrika, mit dem 26. Ja⸗ nuar d. J. in der. Armee, und zwar als Sec. Lt. bei dem Gren. Regt. König Friedrich Wilhelm IV. (1. Pomm.) Nr. 2, angestellt. Berlin, 21. Januar. Schlüter, Pr. Lt. vom Ulan. Regt. von Schmidt (1. Pomm.) Nr. 4, vom 1. Februar d. J. ab auf sechs Monate zur Gestüts⸗Verwalt. commandirt. 8 Berlin, 22. Januar. Bronsart v. Schellendorff, Gen. der Inf. und commandirender General des X. Armee⸗Corps, in Genehmigung seines Abschiedsgesuches mit Pension zur Disp. und leichzeitig à la suite des Großh. Meckl. Gren. Regts. Nr. 89 ge⸗ tellt; auch ferner in der Anciennetätsliste der Generalität zu führen. Abschiedsbewilligungen. Im activen Heere. Berlin, 19. Januar. Kirchner, Oberst⸗Lt. a. D., zuletzt etatsmäß. Stabs⸗ offizier im damaligen 5. Ostpreuß. Inf. Regt. Nr. 41, unter Er⸗ theilung der Erlaubniß zum ferneren Tragen der Uniform des Füs. Regts. General⸗Feldmarschall Graf Moltke (Schles.) Nr. 38, mit seiner Pension, Sellmer, Major a. D., zuletzt Abtheil. Com⸗ mandeur im 2. Pofm. Feld⸗Art. Regt. Nr. 17, unter Ertheilung der Erlaubniß zum ferneren Tragen der Uniform des 1. Pomm. Feld⸗Art. Regts. Nr. 2, mit seiner Pension, zur Disp. gestellt. . Im Sanitäts⸗Corps. Berlin, 14. Januar. Dr. Brie⸗ ger 1. Assist. Arzt 1. Kl. der Res. vom Landw. Bezirk I Breslau, us allen Militärverhältnissen entlassen.

Berlin, 19. Januar. Dr. Bliesener, Stabs⸗ und Bats. Arzt Füs. Bat. des Gren. Regts. Graf Kleist von Nollendorf 1(1. Westpreuß.) Nr. 6, zum Ober⸗Stabsarzt 2. Kl. und Regts.

Arzt des Hus. Regts. Landgraf Friedrich II. von Hessen Homburg

(2. Hess.) Nr. 14, Dr. Moriz, Stabs⸗ und Bats. Arzt vom Pommer. Jäger⸗Bat. Nr. 2, zum Ober⸗Stabsarzt 2. Kl. und Regts. Arzt des Gren. Regts. Graf Kleist von Nollendorf (1. Westpreuß.)

Nr. 6; die Unterärzte: Dr. Eggel vom Kolberg. Gren. Regt. Graf Gneisenau (2. Pommer.) Nr. 9, unter gleichzeitiger Versetzung zum Großherzogl. Mecklenburg. Jäger⸗Bat. Nr. 14, Dr. Franz vom Inf. Regt. von Alvensleben (6. Brandenburg.) Nr. 52, unter leichzeitiger Versetzung zum Inf. Regt. von Stülpnagel (5. Branden⸗ burg.) Nr. 48, Dr. Gotthold vom Magdeburg. Drag. Regt. Nr. 6, unter gleichzeitiger Versetzung zum Feld⸗Art. Regt. von

Scharnhorst (1. Hannover.) Nr. 10; die Unterärzte der Reserve

Kohtz, Dr. Hertzfeld vom Landw. Bezirk Königsberg, Dr. Romey vom Landw. Bezirk Osterode, Dr. Leiser

vom Landw. Bezirk Stolp, Matusch vom Landw. Bezirk Bitterfeld, Dr. Pütz vom Landw. Bezirk I Braunschweig, Dr. Hennig vom Landw. Bezirk Freistadt, Dr. Gisevius vom Landw. Bezirk I Berlin, Dr. Steinkopf vom Landw. Bezirk Halle, Dr. Schild vom Landw. Bezirk Bitterfeld, Urbanowicz vom Landw. Bezirk Rawitsch, Dr. E“ vom Landw. Bezirk Lauban, Schubert vom Landw. Bezirk Rawitsch, Dr. John vom Landw. Bezirk Schweidnitz, Dr. Goldschmidt vom Landw. Bezirk I Breslau, Strashler vom Landw. Bezirk Potsdam, Dr. Illner vom andw. Bezirk Oppeln, Hubrich vom Landw. Bezirk Glogau, Rosner vom Landw. Bezirk Wohlau, Wolff vom Landw. Bezirk Gleiwitz, Dr. Tornier vom Landw. Bezirk Essen,

Dr. Viering vom Landw. Bezirk Siegen, Dr. Peren Landw. Bezirk Montjoie, Dr. Reuter vom Landw. ezirk Bonn, Roßmann vom Landw. Bezirk Neuß, Ronde

vom Landw. Bezirk Düsseldorf, Dr. Pohl vom Landw. Bezirk g, Dr. Bardey vom Landw. Bezirk Schwerin, Dr. mann vom Landw. Bezirk Köln, vom Landw. irk Jülich, Dr. Herbel vom Landw. Bezirk Oberlahnstein, Dr. Stern vom Landw. Bezirk Altona, Dr. Wulf vom Landw. ezirk Rendsburg, Seidler vom Landw. Bezirk Göttingen, Fricke vom Landw. Bezirk Rostock, Dr. Reimers vom Landw. Bezirk Hamburg, Schroeder vom Landw. Bezirk Schwerin, Dr. Fischer vom Landw. Bezirk Minden, Dr. Seeger vom Landw. Bezirk Potsdam, Dr. Willgerodt vom Landw. Bezirk I Braunschweig, Dr. van Nes vom Landw. Bezirk Hannover, Haake vom Landw. Bezirk 1 Braunschweig, Dr. Golliner vom Landw. Bezirk Celle, Dr. Regenbogen vom Landw. Bezirk Lingen, Dr. Klingelhöfer vom Landw. Bezirk Marburg, Simon vom Landw. Bezirk Mainz, Dr. Schrank vom Landw. Bezirk Wiesbaden, Dr. Colombara, -. Katz vom Landw. Bezirk I Berlin, Dr. Rothfuchs vom Bezirk Marburg, Dr. Reißner vom Landw. Bezirk I. Darmstadt, Bucherer, Zimmermann vom Landw. Bezirk Freiburg, Ludwig vom Landw. Bezirk Straßburg; die Unterärzte der Marine⸗Res.: Dr. Bock, Sprengel, Reintjes, Dr. Sick vom Landw. Bezirk Kiel, Dr. Schubert, Unterarzt der Landw. 1. Aufgebots vom Landw. Bezirk Teltow, zu Assist. Aerzten 2. Kl., befördert. Dr. Dunbar, Assist. Arzt 1. Kl. der Res. vom Landw. Bezirk I Braunschweig, früher Assist. Arzt 1. Kl. bei dem 1. Pomm. Feld⸗Art. Regt. Nr. 2, im activen Sanitäts⸗Corps, und zwar als Assist. Arzt 1. Kl. mit einem Patent vom 2. August 1890 bei dem Braunschweig. Inf. Regt. Nr. 92, wieder angestellt. Dr. Pfuhl, Ober⸗Stabsarzt 2. Kl. und Regts. Arzt vom Hus. Regt. Landgraf Friedrich II. von Hessen⸗Homburg (2. Hess.) Nr. 14, als Garn. Arzt. nach Hannover, Baehr, Stabs⸗ und Bats. Arzt vom 3. Bat. des Inf. Regts. Graf Dönhoff (7. Ostpreuß.) Nr. 44, als Abtheil. Arzt zur 2. Abtheil. des Feld⸗Art. Regts. von Pod⸗ bielski (Niederschles.) Nr. 5, Dr. Bieck, Assist. Arzt 2. Kl. vom Inf. Regt. von Stülpnagel (5. Brandenburg.) Nr. 48, zum Cadetten⸗ hause in Köslin, versetzt. Dr. Ruprecht, Ober⸗Stabsarzt 2. Kl. und Regts. Arzt vom Gren. Regt. Graf Kleist von Nollendorf (1. Westpreuß.) Nr. 6, mit Pension und seiner bisherigen Uniform, Dr. Paeprer, Stabs⸗ und Abtheil. Arzt von der 2. Abtheil. es Feld⸗Art. Regts. von Podbielski (Niederschles.) Nr. 5, mit Pension, Dr. Jockwer, Stabsarzt der Landw. 1. Aufgebots vom Landw. Bezirk Neuß, Dr. Brill, Stabsarzt der Landw. 2. Auf⸗ gebots vom Landw. Bezirk II Cassel, Dr. Killian, Assist. Arzt 1. Kl. der Landw. 1. Aufgebots vom Landw. Bezirk Molsheim, der Abschied bewilligt. Militär⸗Justizbeamte. Durch Verfügung des General⸗Auditeurs der Armee. 20. Januar. Kiy, Div. Auditeur der 34. Div., vom 1. Februar d. J. ab zur 2. Garde⸗Inf. Div. versetzt. 11“

Königlich Bayerische Armee.

Offiziere, Portepee⸗Fähnriche ꝛc. Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im activen Heere. 15. Januar. Auracher, Major, bisher à la suite des 2. Inf. Regts. Kronprinz und commandirt zur EE1“ dortselbst, auf die erste Hauptmannsstelle im 7. Inf. Regt. Prinz Leopold versetzt.

Durch Verfügung der Inspection der Fuß⸗Artillerie. Merkl, Feuerwerks⸗Pr. Lt. vom Art. Depot Außeburg, commandirt

beim Filial⸗Art. Depot Lechfeld, zum Haupt⸗Laboratorium, Ruß, Feuerwerks⸗Pr. Lt. vom Haupt⸗Laboratorium, zum 2. Fuß⸗Art. Regt., Schreiber, Feuerwerks⸗Lt. vom 2. Fuß⸗Art. Regt., zum Art. Depot

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Rupsburg, unter Commandirung zum Filial⸗Art. Depot Lechfeld, ersetzt. Fn Beurlaubtenstande. 13. Januar. Bräutigam, Sec. Lt. vom 9. Inf. Regt. Wrede, zum 2. Inf. Regt. Kronprinz, Raschbacher, Sec. Lt. vom 10. Inf. Regt. Prinz Ludwig, zum 3. Inf. Regt. Prinz Karl von Bayern beide im Res. Verhältniß, versetzt. Jäger (Regensburg), Sec. Lt. in der Landw. Inf. 1. Auf⸗ gebots, zum Pr. Lt.; die Vice⸗Feldwebel bezw. Vice⸗Wachtmeister: Kraus ([ München) im Inf. Leib⸗Regt., Frhr. v. Liebig (1 München), Port. Fähnr. im 1. Inf. Regt. König, Edler v. Stockhammern, Dimroth (I München) im 2. Inf. Regt. Kronprinz, Gummer (Bamberg) im 5. Inf. Regt. vacant Großherzog Ludwig IV. von hessen, Clarner, Diehm (FIngolstadt) im 10. Inf. Regt. Prinz Ludwig, Krauß (I München) im 12. Inf. Regt. Prinz Arnulf, Mayer (I München), Brunner (Landshut) im 16. Inf. Regt., vacant König Alfons von Spanien, Schickendantz (Kaiserslautern) im 18. Inf. Regt. Prinz Ludwig Ferdinand, Riederer, Keßler (I München) im 3. Feld⸗ Art. Regt. Königin Mutter, Pracher (I München) im 1. Train⸗Bat., zu Sec. Lts. der Res., Hey (I München), Vice⸗Feldw. bei der Inf., zum Sec. Lt. der Landw. 1. Aufgebots, befördert. Abschiedsbewilligungen. Im activen Heere. 15. Ja⸗ nuar. 7. Inf. Regt. Prinz Leopold,

Weinzierl, Major vom 7. mit Pension und mit der Erlaubniß zum Tragen der Uniform der Abschied bewilligt. .

Im Beurlaubtenstande. 13. Januar. Dessauer (Aschaffenburg), Pr. Lt. von der Landw. Cav. 1. Aufgebots, mit der Erlaubniß zum Tragen der Landw. Uniform, Scheibenbogen (Amberg), Sec. Lt. von der Landw. Inf. 1. Aufgebots, der Abschied vewilligt.

Im Sanitäts⸗Corps. 8. Januar. Kemmler, Assist. Arzt 2. Kl. vom 17. Inf. Regt. Orff, zur Res. des Sanitätscorps, Dr. Schanzenbach (I München), Assist. Arzt 2. Kl. der Res., in den Friedensstand des 17. Inf. Regts. Orff, versetzt. Kullmer (Ludwigshafen), Dr. Sielmann (Würzburg), Dr. Banholzer (Augsburg), Dr. Stiller, Dr. Krummacher (I München), Dr. Ritter und Edler v. Peßl (Dillingen), Dr. Rogler, Dr. Aurn⸗ hammer, Dr. Dreysel, Pingen, Dr. Reußner, Dr. Pistor, Dr. Veith (I München), Gerber (Augsburg), Stabel, Neu⸗ mayer, Dauß, Schmidtlein (1 München), Mohr (Würz⸗ burg), Dr. Schild (1 München), Unterärzte der Res., zu Assist. Aerzten 2. Kl. der Res. befördert. .

Beamte der Militär⸗Verwaltung. 14. Januar. Weiß, Unter⸗Veterinär des 4. Feld⸗Art. Regts. König, zum Veterinär 2. Kl. in diesem Truppentheil befördert.

Deutscher Reichstag.

29. Sitzung vom Dienstag, 24. Januar, 1 Uhr.

Die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend Er⸗ gänzung der Bestimmungen über den Wucher, wird fortgesetzt. Ueber die Rede des Abg. Frohme, der zunächst das Wort hatte, haben wir bereits in der Dienstags⸗Nummer berichtet. Nach ihm erhält das Wort der Abg. Hitze (Centr.): Ich kann mit dem Vorredner an⸗ erkennen, daß nicht alle Formen des Wuchers durch dieses Gesetz getroffen werden; aber er hat keinen Versuch gemacht, den Be⸗ rriff des Wuchers nach irgend einer Richtung hin zu erweitern. Das Bedürfniß, den Begriff des Wuchers weiter auszudehnen, er⸗ kenne auch ich an. Der Vorredner will ein Gesetz gegen Termin⸗ handel, Börse, Miethswucher, gegen die wucherischen Wirkungen des Arbeitsertrages. Daß da große wucherische Geschäfte vorgehen, gebe ich zu; aber zeigen Sie uns doch einen Weg, der zu ihrer Unterdrückung führt! Wenn der Vorredner gegen den Miethswucher ein scharfes Wort spricht, so kann ich ihm meine volle Unterstützung zusagen auch nach der Seite des Retentionsrechts hin. Die Bestrebungen zum Schutz der nationalen Arbeit können wir freilich nicht unter den Begriff des Wuchers stellen, sind aber gern bereit, ihm nach jeder Richtung hin entgegen zu arbeiten, und der Versuch, der mit diesem Gesetz dazu gemacht wird, ist ein sehr bescheidener. Wir werden versuchen in der Commission die Sache schärfer zu formuliren. Der Abg. Dr. Horwitz spricht sich gegen ein solches Gesetz aus und bestreitet zunächst das Bedürfniß. Allerdings hat die Zahl der Verur⸗

theilungen wegen Wuchers abgenommen, aber das beweist nur, daß das Wuchergesetz von 1880 gewirkt hat. Diese Vorlage Fhnt es nur weiter aus, denn der Wucher tritt in anderen

Ferce auf, die Wucherer sind schlauer geworden, und diese will das Gesetz abschrecken und treffen. Der Abg. Dr. Horwitz bezweifelt

die Zweckmäßigkeit eines solchen gesebgeberischen Eingreifens, es werde

lähmend auf den Geschäftsverkehr wirken. Dafür liegen jedoch

keine Erfahrungen vor. Die Regierungsvorlage will ja auch in

Betreff des Sachwuchers nur den gewohnheitsmäßigen und gewerbs⸗

mäßigen Wucher treffen. Er hat sich ferner gewendet gegen den Vor⸗

schlag des Abg. Dr. Giese, daß der Richter nicht bloß strafrechtlich

gegen den Wucherer vorgehen, sondern auch gleich die Entschädigung

der Vermögensbenachtheiligung regeln soll in Form einer Buße, die dem

Bestraften auferlegt wird. Der Abg. Dr. Giese denkt da nicht an

die jeunesse dorée, die vor den Händen des Wucherers beschützt

werden soll. Deshalb würde ich kaum die Hand rühren, um gesetz⸗

8 dagegen einschreiten zu lassen. Wir denken dabei an die

Opfer, die nicht aus sätliche Verkommenheit oder Dummheit, son⸗

dern aus Noth dem Wucherer verfallen: an Handwerker, Bauern,

Arbeiter, Näherinnen, denen systematisch die Schlinge um den

Hals gelegt und zugezogen wird. In der Commission

kann vielleicht ein Weg gefunden werden, um das sofortige

Einschreiten des Strafrichters zu regeln, vielleicht auch

schärfere Bestimmungen, gegen die Auswucherung durch Wechsel,

wenigstens eine Zinsgrenze, deren Ueberschreitung bestraft wird.

Der Abg. Wöllmer meinte, es sei des Deutschen Reichs wenig

würdig, mit solchen kleinlichen Maßnahmen den Geschäftsverkehr zu lähmen. Ich sehe darin keinen Nachtheil; daß Deutschland auf diesem Boden zuerst vorgeht, liegt vielleicht daran, daß das deutsche Volk vor allen anderen den Wucher haßt und sich empört gegen solche Bestrebungen, daß das deutsche Volk ein ausgeprägtes Rechts⸗ und Sittlichkeitsgefühl in dieser Frage hat.

Abg. Schrader (dfr.): Meine Absicht war es nicht, heute hier zu sprechen. Heute vor 25 Jahren wurde in meiner Heimath ein Creditverein gegründet, der die Absicht verfolgt, dem Wucher ent⸗ gegenzutreten. Heute sollte das 25 jährige Stiftungsfest stattfinden und ich hoffte bei dieser Gelegenheit eine weitere Propaganda für das Eintreten gegen den Wucher zu machen. Daß ich mich heute hier theoretisch mit dieser Feage beschäftigen muß, ver⸗ anlaßt eine Aeußerung des Abg. Freiherrn von Buol, welcher meinte, daß die Rede, welche ich bei Gelegenheit der Berathung über die Petition gegen den Wucher im Saargebiet 1880 gehalten habe, nicht übereinstimme mit der Rede des Abg. Dr. Horwitz in der Beurthei⸗ lung dieser Ich habe damals ausgeführt, daß der Punkt der Petition, der die Ausdehnung des Wuchergesetzes auf den Sachwucher verlangte, für mich unannehmbar wäre. Auf demselben Stand⸗ punkt stehe ich noch heute und das deckt sich auch mit den Aus⸗

führungen des Abg. Dr. Horwitz. Ich bin der Meinung, wir

mit der Formulirung verläßt sich immer emacht werden.

müssen uns hier im Plenum eingehender

gesetzlicher Bestimmungen befassen; man darauf, das wird ja schon in der Commission ge⸗ we Der Reichstag verzichtet aber dadurch auf eins seiner wichtigsten Rechte. Solche Fragen müssen im Interesse des Volkes im Plenum werden, damit wir nicht nachher einfach

nur vor die E gestellt werden: anzunehmen oder ab⸗ zulehnen. Die Frage, was als Wucher anzusehen sei, ist schon 1887 in der Petitionscommission erwogen worden.

Damals nahmen die Regierungsvertreter bezüglich des Sachwuchers noch einen anderen Standpunkt ein als heute und motivirten ihn ausführlich. Heute sind die Motive sehr allgemein; man sagt, auf dem Gebiete des Sachwuchers könne ebenso Schlimmes vorkommen wie auf dem Gebiete des Creditwuchers. Das mag sein, aber schon das bestehende b über die Bestrafung des Wuchers ist auf diese Fälle anwendbar. Es ist nicht leicht, die im gegenwärtigen Entwurf angegebenen Kriterien des Wuchers anzuwenden; viele ehrliche Leute werden dadurch geschädigt werden und die Wirkung nach der anderen Seite wird eine außerordentlich geringe sein. Welcher Anreiz liegt in der neuen Form, die das Gesetz vorschlägt für jeden Menschen, der sich übervortheilt glaubt, sich an den Strafrichter zu wenden und das Einschreiten der Gerichte wegen Wuchers zu verlangen! Eine solche Untersuchung kann auch gegen den ehrlichsten Mann eingeleitet werden, und für jeden Geschäftsmann ist es außerordentlich gefährlich, einer solchen ausgesetzt zu werden. Wenn auch die Untersuchung niedergeschlagen wird oder eine Freisprechung erfolgt, so ist damit nicht die ungeheure Schädigung gehoben, die sich aus der Einleitung des Verfahrens ergiebt. Die Feststellung des Begriffs des Gewerbs⸗ und Gewohnheitsmäßigen ist nicht leicht. Ein wohlhabender Mann, welcher die Gewohnheit hat, unterstützungsbedürftigen Leuten Geld zu leihen, kann leicht der Gefahr ausgesetzt werden, daß jemand, der von ihm unterstützt ist, ihn des Wuchers bezichtigt. Der Nutzen für denjenigen, der unvortheilhafte Bedingungen eingeht, ist nicht so groß, als man glaubt. Die Consequenz der vorgeschlagenen Bestimmung ist nur die, daß die Kreise, die sich mit Geldleihen unter unsicheren Bedingungen befassen, immer raffinirter und die Prämien immer höher werden. Bedenklich ist die Vorschrift, daß binnen drei Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres eine Abrechnung erfolgen muß, widri⸗ genfalls der Geldleiher den Anspruch auf die Zinsen verliert und einer Strafe bis zu 500 ausgesetzt ist. Eine besondere Qualifi⸗ cation ist hierin nicht enthalten. Die einfache Thatsache, daß die Abrechnung nicht binnen drei Monaten geliefert wird, kann den ehr⸗ lichsten Mann ins Gefängniß bringen, auch wenn er sich nur eine Nachlässigkeit dabei hat zu schulden kommen lassen. Das ist ungerecht. Man scheint mir bei dem Entwurf zu sehr den Strö⸗ mungen nachzugeben, die sich im Reichstage, weniger im Lande geltend gemacht haben. Einigen conservativen Herren geht das Gesetz sogar noch nicht weit genug. Der Abg. Dr. Giese will sogar die civil⸗

rechtlichen Folgen des Sachwuchers oder des Wuchers überhaupt durch den Strafrichter bestimmen lassen. Das ist äußerst bedenklich. Das Ver⸗ fahren giebt bei solchen Geschäften nicht die nöthige Garantie dafür, daß in sachgemäßer Weise ein Urtheil erfolgt. Die verbündeten Re⸗ gierungen sind dagegen, aber nach den Erfahrungen, die wir 1887 90 gemacht haben, ist es möglich, daß sie auch diesen Wünschen nachkom⸗ men. Wohin soll der fortgesetzte Eingriff des Staates in das ge⸗ werbliche Leben führen? Die Socialdemokraten sagen angesichts der Mißstände im gewerblichen Leben: Seht ihr, da zeigt ihr uns wieder, daß euer System nichts taugt, und was ihr vorschlagt, wird so wenig helfen, daß ihr doch einmal zu einer gründlichen Umgestaltung der socia⸗ len Zustände schreiten müßt. Gehen Sie auf dem beschrittenen Wege weiter, dann werden Sie vielleicht den Herren, die Sie zu bekämpfen beabsichtigen, die Wege bahnen. Das deutsche Volk ist nicht so un⸗ mündig, wie es nach derartigen Gesetzen erscheint. Je mehr die Leute in den Glauben versetzt werden, daß sie sich nicht selbst helfen können und daß ihnen von Staatswegen geholfen werden müsse, desto unselbständiger wird das Volk und desto mehr staatliche Eingriffe müssen Sie machen. Jeder Schritt auf diesem Wege ist ein Schritt zur Socialdemokratie. Wir haben uns von jeher gegen diese über⸗ mäßige Ausdehnung des staatlichen Eingreifens erklärt, weil wir weg daß die Nation, welche eine solche Gesetzgebung hat, keine kräftige Nation ist und gewerblich nicht auf dem Höhepunkt sein und bleiben kann. Bei den Verhandlungen im Jahre 1888 über die Petition wegen Einschränkung des Wuchers standen der Reichstag und die Regierung auf einem viel ruhigeren Standpunkte. Die weit⸗ gehenden Forderungen, die in der Petition ausgesprochen wurden, wurden einmüthig abgelehnt. Man war der Meinung, daß man vielmehr für eine wirthschaftliche Belehrung der Bevölkerung sorgen müsse, und daß die Bewucherten in übler waren, ehe sie dem Wucherer in die Hände fielen. Man war der Meinung, daß auch der Verein gegen Wucher im Saargebiet vor allen Dingen die Bevölkerung aufklären und daß man Mittel zur Verfügung stellen müsse, um ehrlichen Credit zu verschaffen. Wir standen damals enau auf demselben Standpunkt, wie heute. Alle Ihre Wuchergesetze fad werthlos im Vergleich, zu dem was von Schulze⸗Delitzsch und eeleistet worden ist. Wenn Sie solche Bestrebungen fördern, werden Sie gegen den Wucher viel mehr thun, als wenn Sie einen ganzen Haufen Gesetzesparagraphen machen. Gerade diejenigen politischen Parteien, die bestrebt sind, dem Gewerbestand, dem Arbeiter zu helfen, sollten ihre Mitwirkung hier nicht versagen. Bei Berathung unseres Antrages, betreffend die Berufsvereine, werden wir sehen, ob die Konservativen geneigt sind, uns auf diesem Gebiete zu folgen. Kuriren Sie auf Symptome, anstatt die Wurzeln der Uebelstände anzugreifen, so werden Sie die Unzufriedenheit im Volke immer größer machen. Dazu wollen wir die Hand nicht bieten. Abg. Schneider⸗Hamm (nl.): Unser Standpunkt gegenüber der Vorlage ist im allgemeinen nicht unfreundlich, wenngleich wir der Meinung sind, daß sie in verschiedener Hinsicht Fergefseenhe bedürftig ist. Auch wir meinen, daß die bisherige Gesetzgebung die Pflichten des Staats dem Wucher gegenüber nicht erfüllen kann und wird, daß ferner eine Aenderung der Zustände, auf denen der Wucher erwächst, dringend wünschenswerth ist, daß ferner eine Aufklärung des Volkes über wirthschaftliche Fragen geboten ist, und daß die Creditinstitute möglichst vermehrt werden müssen. Aber wir stehen auf dem Standpunkt, daß es richtig ist, das eine zu thun und das andere nicht zu lassen. Die Erfahrungen, die wir unter der Herrschaft des bisherigen Wuchergesetzes gemacht haben, sind nicht derart, daß wir die Zumuthung von uns abweisen müßten, die Schäden und Lücken des Geceßes zu verbessern. Es ist hingewiesen auf die geringe Anzahl von Untersuchungen und Bestrebungen auf Grund dieses Gesetzes und auf die Heha ithmagss große Zahl von Freisprechungen. Aber die Wirksamkeit eines Strafgesetzes ist nicht lediglich nach der Zahl der Verurtheilungen zu bemessen, ein Strafgesetz wirkt auch erziehlich auf das Volk. Auch aus der Ferahe Zahl der Verurtheilungen wegen Meineids darf man nicht den Schluß ziehen, daß Strafbestimmungen über den Meineid überflüssig seien. Herr Schulze⸗Delitzsch sagte mit Recht, schon der Ausspruch des sitt⸗ lichen Bannes über den Wucherer werde heilsam wirken. Die Vorlage will auch die sogenannten Zweckgeschäfte in den Kreis des Wuchers ziehen, und mit Recht. Denn wenn man den S bestrafen will, liegt kein Grund vor, diejenigen durch die Maschen des Gesetzes entschlüpfen zu lassen, die Creditwucher betreiben durch Abschluß von Geschäften, welche genau denselben wirthschaftlichen Zweck verfolgen. Insbesondere ist hierbei an die Fälle zu denken, wo

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aiffeisen im Creditwesen