mmen Zeit, die Vorlage zu prüfen; es müssen die Besitzverhältnisse der Gesellschaft geprüft werden. 1895 ist die Frage im Reichstag besprochen worden, und alle Redner mit Einschluß des Direktors der Kolonialabtheilung Kayser äußerten sich dahin, daß, wenn das Reich die Verwaltung an sich nehmen würde, die Neu⸗Guinea⸗Gesellschaft dem Reiche eine Entschädigung zahlen müßte. Der Stille Ozean wird in Zukunft ein Feld des Wettstreites für die Nationen werden. Es gehört keine Phantasie dazu, um eine große Entwicklung dieser Gebiete in den nächsten 30 bis 40 Jabren vorauszusehen. In der Budgetkommission kann die Sache jjetzt nicht so schnell entschieden werden, wie die Neu⸗ Guinea⸗Kompagnie es wünscht; deshalb sollte man die Sache ruhig bis zum Herbst
Abg. Richter (fr. Volksp.): Dunkle Prophezeiungen sind von unserer Seite allerdings immer vorgebracht worden, aber wir sind es auch gewohnt, daß die dunkelsten Prophezeiungen von der Wirklich⸗ keit noch übertroffen werden. Wer hätte gedacht, daß die Sand⸗ büchse Südwest. Afrika so viel Geld verschlingen würde! Wir haben bessere Gelegenheit, im Inlande Geld zu verwenden als für koloniale Zwecke. Die Aufgabe Samoas war sehr dankenswerth, denn es
rathen worden; wir haben vollko
würde sonst nur viel Geld ausgegeben werden, um einigen Plantagengesellschaften ein klägliches Dasein zu fristen. Hätte
man amberger's Warnungen ganz befolgt, dann würden uns viele Millionen erspart geblieben sein. Man glaubt, daß man vom Reichstag Alles bewilligt erhält. Was hat sich geändert seit 1892/93, daß plöͤtzlich das Reich die Landesverwaltung wieder übernehmen soll, die es erst 1892 an die Kom⸗ pagnie jurückgegeben hat, weil sonst der oberste Beamte der Kolonie nicht genügend zu thun gehabt hätte? Die ganze Sache ist ja akut geworden durch die beweglichen Klagen des Abg. Bachem über die Haltung der Beamten der Gesellschaft gegenüber den Missionen im Bismarck⸗Archipel. Aber die Streitigkeiten entstanden daraus, daß die Mifsionen konfessionell gegen einander abgegrenzt wurden. Was bat ein Reichsbeamter eigentlich für eine Bedeutung? Er ist in der Ausfübrung seiner Anordnungen und der Gesetze auf die Organe der Gesellschaft angewiesen; er bleibt von der Gesellschaft in Bezug auf seine Versorgung abhängig. Für die Gesundung der Landschaften und für die Erschließung von Steuerquellen wird der Beamte nichts thun können. Es sind für keine Kolonie soviel Ver⸗ ordnungen und Steuerreglements erlassen, wie gerade für Neu⸗ Guinea. Aber die direkten Steuern bringen nur 7000 ℳ, die gesammten Zölle 21,000 ℳ ein. Die Bedeutung des Stillen Ozeans ist schon früher dieselbe gewesen, aber niemals hat jemand daran Neu⸗Guinea zu nehmen; am allerwenigsten haben die Eng⸗ änder früher daran gedacht, trotzdem Australien so nahe liegt. möchte Sie bitten, etwas Mitleid mit der Bodgetkommission zu haben, zumal die Frage gar nicht so eilig ist. Verhandeln Sie die Sache im Plenum und lehnen Sie die Vorlage ab!
Direktor der Kolonial⸗Abtheilung im Auswärtigen Amt Dr. Kayser: Es wird leicht sein, die Bedenken des Vorredners zu widerlegen. Der Vorredner hat Unrecht, daß er es als naiv bezeichnet, mit dieser Vorlage heute an das Haus zu kommen. Bereits seit dem Herbst vorigen Jahres wird zwischen dem Reichs⸗Schatzamt und der Neu⸗ Guinea⸗Kompagnie über diese Frage verhandelt. Es ist bei früherer Gelegenheit anerkannt worden, daß es nicht möglich sei, durch eine souveräne Gesellschaft, wie die Engländer sagen, durch eine royal chartered companx, die Verwaltung zu führen. Die Klagen des Abg. Dr. Bachem bewiesen das. Erst nach mehrjährigen Erfahrungen kam man zu einer Entschließung. Die Königlichen Kompagnien waren vor 300 oder 400 Jahren am latz. Aber wenn man vor 12 Jahren an die Gründung solcher Kompagnien gedacht hat und ihnen die Ausübung der Hoheitsrechte übertragen wollte, so hat man dabei nicht die Lehren der Geschichte zu Rathe gezogen. Man bhat jeden⸗ falls nur daran gedacht, diese Form als ein Uebergangs⸗ stadium zu betrachten. Die Erfahrungen sprechen dafür, daß die Hoheitsrechte vom Reich ausgeübt werden. In Ost⸗Afrika wird niemand mehr Neigung finden, die Hoheitsrechte der Gesellscha zu übertragen. Der Südwestafrikanischen Gesellschaft ist die Gewäh⸗ rung von Hoheitsrechten abgeschlagen worden, und sie hat es wohl niemals bereut. In England giebt es nur zwei royal chartered companies, die Niger⸗Ge ellschaft und die Südafrikanische Gesellschaft. Aber die Verhältnisse dieser Kompagnien bringen manche Mißstände mit sich, ich will nur an den Fall Hönigsberg erinnern. Im englischen
lament ist oft genug der Antrag gestellt worden, der Niger⸗
mpagnie ihren Freibrief zu entziehen. Von der Südafrikanischen Gesellschaft brauche ich wohl nicht erst zu reden. Nicht bloß die Ansiedler in Süd⸗Afrika beschweren sich über diese Gesellschaft, sondern auch an anderer Stelle ist man wohl der Meinung geworden, daß solche Gesellschaften nicht mehr am sind. Die Neu⸗Guinea⸗ Gesellschaft ist in erster Linie Erwerbsgesellschaft. Danach muß sie ihre Beamten auswählen. Diese Beamten können sehr gute Kaufleute sein, aber sehr schlechte Verwaltungsbeamte. Auf Grund der Reichsgesetze, an denen der Reichs⸗ tag selbst mitgewirkt hat, muß eine geordnete Verwaltung und Rechtspflege geschaffen werden. Eine Privatgesellschaft kann ich ein Perscnal dafür nicht beschaffen, sie steht den anderen
nsiedlern als Mitbewerberin gegenüber und es begegnet ihr des⸗ halb ein Mißtrauen, welches die Erschließung des Landes erschwert. Die Klagen gegen die Neu⸗Guinea⸗Gesellschaft sind sehr vielfach: die Stevern sind zu hoch, der Rechtsschutz ist zu mangelhaft. Aus Anlaß des Falles Stokes wurde festgestellt, daß im Congostaat ein lauterer Wettbewerb nicht möglich sei, weil die Beamten an demselben mit erheblichen Prozenten betheiligt sind. Die Klagen der Missionen sind in dem Schutzgebiet der Neu⸗Guinea⸗Gesellschaft lebhafter gewesen, als in allen anderen Schußsehetn weil die Beamten der Privatgesellschaft kein Verständniß für diese Dinge haben. Es ist auf die Werthlosigkeit des Gebietes hingewiesen worden, welches bis jetzt noch keinen Nutzen aufzuweisen habe. Aber es handelt sich um ein Gebiet, welches zwei Drittel so groß wie Deutschland ist; es ist daher begreiflich, daß die Nutzungen der Taback⸗ und Baumwollenplantagen noch nicht ausgereicht haben, die öffentlichen Ausgaben zu decken. Es sind ver⸗ sscchiedene Aufwendungen gemacht worden, welche jetzt Dividenden aus⸗ scchließen. Die Komvagnie hat 2 ½ Millionen aufgewendet für die Herstellung einer Schiffsverbindung, sie hat * Million aufgewendet für die Erforschung des Gebiets. Daraus wird die Gesellschaft niemals selbst einen Nutzen haben; diese Ausgabe kommt nur der Allgemeinheit zu gute. Besonders schmerzlich hat es mich berührt, daß Herr Barth auf die Werthlosigkeit des Gebiets hingewiesen hat. Es liegen objektive Berichte vor von den Herren Finck, von Schleinitz, Dr. Zoller, Landeshauptmann Kraetke u. s. w. Wenn man sehen will, was von Neu⸗Guinea zu erwarten ist, dann sollte man einmal die Sitzung der Budgetkommission in die Kolonialausstellung verlegen. Der Reichstag würde dort den Dank finden für die Bewilligung der Mittel für die Kolonialausstellung. Ich weise auf eine Schrift hin, welche auf Veranlassung der Kolonialabtheilung verfaßt ist, und darstellt, wie die Produkte der Kolonien, namentlich Neu⸗Guineas, von der deutschen Industrie verwendet werden: Taback, Baumwolle, Arzneipflanzen ꝛc. (Redner verliest die betreffenden Stellen aus der angegebenen Schrift.) Das Prinzip des Vertrags bestebt darin, daß der Regierung der gesammte Bismarck⸗Archipel zufällt, während der Gesellschaft das noch wenig erschlossene Kaiser Wilhelms⸗Land zufällt. Es ist im Reichstag ausgesprochen worden, daß die Gesellschaft eine Entschädigung gewähren müsse für die Uebernahme der Hoheitsrechte seitens des Reichs. Diese Ent⸗ schädigung liegt nicht in baarem Gelde, sondern in der Ueber⸗ lassung des Bismarck⸗Archipels, welcher viel mehr dem Verkehre erschlossen ist als Neu⸗Guinea selbst. An diesem Objekt kann das Reich sich für seine Unkosten erholen. Das Reich hat voll⸗ kommene Steuer⸗ und Zollfreiheit und thatsächlich wird die Kompagnie
als die vornehmste Unternehmerin auch die meisten Lasten zu tragen haben. Die großen Kolonialgesellschaften baben sich
immer das Landmonopol vorbehalten. Von diesen G. 8 ) 8 esichts t geht auch die Neu⸗Guinea⸗Gesellschaft aus. müe es Fhtapunte usnahmen von dem Monopol, welche eine ungehinderte Entwickelung
gestatten. Die Gesellschaft muß für Eisenbahnen und öffentliche Wege den Grund und Boden abtreten und herrenloses Land, welches sie in Besitz genommen hat, meistbietend zum Verkauf und zur Verpachtung stellen, wenn sie es nicht für ihre eigenen Unternehmungen gebraucht. Diefe Bestimmungen sollen nicht bloß für die Ansiedler, sondern auch auf die Missionen für ihre Bedürfnisse an Grund und Boden An⸗ wendung finden. Wenn das Reich nicht eintritt, so sind alle auf⸗ gewendeten Mühen vergeblich gewesen. Wenn die Neu⸗Guinea⸗ Kompagnie aus dem Lande scheidet, welcher deutsche Unternehmer wird sich dann finden, um die Ansiedlung zu wagen? Man sollte denen die Anerkennung nicht versagen, welche im Dienste der Kom⸗ pagnie bemüht gewesen sind, das Land zu halten für die Gesellschaft und für das Deutsche Reich.
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (d. kons.): Ich habe selten in den Nachtrags⸗Etats Dinge gefunden, die wirklich sehr eilig waren; so steht es auch besüglich der Position für beu⸗Guinea. Das Debet der Kolonialpolitik ist allerdings größer als das Kredit vom pekuniären Standpunkt aus; indessen, die Kolonialpolitik ist populär, da kann man nicht rechnen wie der Kaufmann. Allein die Sache ist nicht aufgeklärt genug, daß sie snt schon entschieden werden könnte. Was wir geben sollen ohne ichere Gegenleistung, ist sehr bedeutend. Eine ausgiebige Prüfung der Sache sollte erst im nächsten Herbste stattfinden. Für die Kolonien haben wir ein großes Be⸗ amtenpersonal, aber wir bewirthschaften sie nicht richtig; man müßte etwas intensiver und konzentrierter und weniger bureaukratisch wirth⸗ schaften. Den bautechnischen Hilfsarbeiter für die Kolonien z. B. brauchen wir nicht. Bezüglich der elektrischen Beleuchtung im Auswärtigen Amt sollte sich die Reichsregierung mit den preußischen Verwaltungen in der Wilhelmstraße in Verbindung setzen. Auch die Repräsentationskosten für die Moskauer Feierlichteiten sind sehr hoch; solche Kosten wurden früher nicht vom Reiche allein bezahlt.
Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗Minister Freiherr Marschall von Bieberstein:
Ich möchte dem Herrn Vorredner nur erwidern, daß die Forderung für die Moskauer Krönung deshalb nicht in den Haupt⸗Etat auf⸗ genommen wurde, weil damals noch jede Unterlage für den Betrag dieser Forderung fehlte. Es war erst in neuester Zeit möglich, etwas genauer die Rechnung aufzustellen. Richtig ist, daß früher der⸗ artige Forderungen im Etat nicht gestellt wurden; das rührt daher, weil beispielsweise bei der letzten Krönung die betreffenden Forde⸗
rungen auf das Extraordinarium, d. h. außeretatsmäßig verrechnet wurden. Es ist auch in diesem Jahre die Frage an mich herangetreten, ob in gleicher Weise
verfahren werden soll. Ich habe diese Frage verneint, weil ich es für richtiger erachtete, nachdem doch einmal ein Nachtrags⸗Etat dem Reichstag vorgelegt war, die Position in diesen Nachtrags⸗Etat auf⸗ zunehmen, statt wie dies früher geschah, den Reichstag später vor das fait accompli schon geschehener außeretatsmäßiger Ausgaben zu stellen. (Bravo!)
Direktor der Kolonial⸗Abtheilung im Auswärtigen Amt Dr. Kayser: Die Kolonialverwaltung kann nicht alle ihre Bauten selbst ausführen, sie müssen in den Kolonien bergestellt werden. Aber für einzelne Bauten besteht die Nothwendigkeit, sie hier prüfen zu lassen, und dazu leistet der bautechnische Hilfsarbeiter dem Aus⸗ wärtigen Amt sehr gute Dienste. 8
Abg. Beckh (fr. Volksp.) meint, daß die Verhältnisse in Neu⸗Guinea einigermaßen geordnet seien, trotzdem er die Zustände als nicht befriedigend bezeichnen müsse. Es werde als glaubhaft bezeichnet, daß den Einzelnen das Gefühl der Rechtssicherheit beeinträchtigt werde; thatsächliche Beweise seien dafür aber nicht vorhanden. Das Gefühl der Rechtsunsicherheit bestehe zum theil auch in Deutschland und in den anderen Kolonien ebenfalls. Redner tadelt die Auswahl der Beamten und bemängelt ferner, daß die Süddeutschen, welche sich für die Kolonialverwaltung melden, nicht genügend berück⸗ sichtigt würden. Redner behauptet endlich, daß ein Gouverneur das Zimmer eines beurlaubten Beamten durchsucht, sich Gegenstände an⸗
geeignet und diese erst nach energischen Vorhaltungen wieder heraus⸗
gegeben habe. 3 8 1 Direktor der Kolonial⸗Abtheilung im Auswärtigen Amt Dr. Kayser: Ich habe die Ausführungen des Vorredners, die sich augenscheinlich auf den Gouverneur von Puttkamer bezogen, nicht vollständig verstanden; ich kann daher nicht darauf eingehen. Da⸗ gegen muß ich aber protestieren, daß die Süddeutschen in der Kolonial⸗ verwaltung zurückgesetzt würden. Sie finden sich gerade jetzt in sehr wichtigen Verwaltungsposten in Südwest⸗Afrika und Kamerun.
Abg. Dr. Bachem (Zentr.): Ich halte es nicht für zweckmäßig, die Neu⸗Guinea⸗Angelegenheit gleich im Plenum zu erledigen, wenn man nicht von vornherein eine Ablehnung beabsichtigt. Eine
rüfung ist besser in der Kommission zu erzielen. Der Neu⸗Guinea⸗Gesell⸗
ft kann man unmöglich so weitgehende Rechte lassen, während das Reich die Lasten übernimmt. Aendern kann der Reichstag den Vertrag nicht; er kann nur die Position ablehnen, und wenn das geschieht, so wird das für die Herren von der Neu⸗Guinea⸗Kompagnie sehr gut sein. Die Kommissionsberathung wird feststellen müssen, wo die Aenderungen zu treffen sind. Die Theilung des Geschäfts dahin, daß das Reich die Gefahr des Verlustes übernimmt, an dem Gewinn aber nicht be⸗ theiligt wird, ist nicht durchzuführen. Das Zentrum unterstützt die Kolonialpolitik, bei allem Bestreben sie zu mäßigen, aus idealen Gründen, namentlich wegen der Förderung der Mission. Von diesem Standpunkt aus ist der Vertrag nicht zu billigen. Hätte die Gesell⸗ schaft die Mission besser behandelt, dann würden wir eher geneigt sein, ihr entgegen zu kommen.
Abg. Frese (frs. Vgg.) behauptet, daß der Abg. Barth nur das Kaiser⸗Wilhelmsland als werthlos bezeichnet habe, nicht aber den Bismarck⸗Archipel. Die Gesellschaft, fährt Redner fort, hat eine Station aufgeben müssen, trotzdem sie den besten Taback lieferte, weil die Kulis nicht gehalten werden konnten; bei jeder Neurodung brachen heftige Fieber aus. Die Neu⸗Guinea⸗Gesellschaft hat ihre Baumwolle nach Liverpool und nicht nach Bremen verkauft. Den Taback hat sie zuerst in Bremen abgesetzt, aber im nächsten Jahre, nachdem ein hoher Preis erzielt worden, hat sie sich damit nach Holland gewendet und nach Deutschland nur eine schlechte Ladung geschickt, die auch in Holland schlechte Preise erzielt hätte, um zu beweisen, daß sie berechtigt war, nach Holland zu gehen. Das Ürtheil über die Vorlage ist wohl deutlich genug gesprochen, daß ich mich des Weiteren enthalten kann. Abg. Graf von Arnim meint, daß die Vorlage einer Kom⸗
mission überwiesen werden müsse, da die Mehrheit des Reichstags sie nicht a limine zurückzuweisen, sondern Modifikationen des Ver⸗ trages herbeizuführen wünsche. Wenn die Sache bis zum Herbst ver⸗ schoben würde, so könnten sich Dinge ereignen, die vom nationalen Standpunkt aus nicht zu wünschen wären.
Damit schließt die Debatte. Die Vorlage wird der Budget⸗ kommission überwiesen.
Schluß 5 ½2 Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch 2 Uhr (zweite Berathung der Anträge wegen eines Reichs⸗Vereins⸗ gesetzes auf Grund des Berichts der betreffenden Kommission).
Statistik und Volkswirthschaft.
Das Ende Mai d. J. vom Kaiserlichen Statistischen Amt heraus⸗ gegebene zweite Vierteljahrsheft zur Statistik des Deutschen Reichs des Jahrgangs 1896 enthält Nachweisungen über eine große Anzahl von Gegenständen. Zunächst werden die Zahlen für den auswärtigen Handel, des deutschen Zollgebiets (Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr) im Jahre 1895
in der definitiven Feststellung nach Menge und Werth der Waaren⸗
gattungen veröffentlicht, dann für den Verkehr aufdend 1 straßen (1872 — 1894), den Seeverkehr in e lhe plätzen und die Seereisen deutscher Schiffe im Jahre 1894, die An⸗ musterungen von Vollmatrosen und unbefahrenen Schiffsjungen im Jahre 1895. Dann folgt eine vorläufige Mitiheilung über Pro⸗ duktionder Bergwerke, Salinen und Hütten im Jahre 1895 Als Beiträge zur Statistik der Preise werden gegeben Fleisch⸗ preise im Kleinhandel für Berlin (1891 —1893 nach Monaten) ebenso Viehpreise in Paris, berechnet in Reichswahrung unter Be⸗ rücksichtigung des Wechselkurses auf Paris, und Großhandels⸗Preise von 28 Waaren in London für die 50 Jahre 1846. 1865 berechnet für Kilogrammgewicht in deutscher Währung. Statistik der Branntwein⸗Brennerei und 88 das Betriebsjahr 1894/95;
auf die überseeische Auswanderung im ersten Viertelstit. 1896; die Volkszählung vom 2. Dezember 1895 (Bevölkerungs⸗ zahlen der Staaten und Landestheile, sowie der Städte mit mehr als 20 000 Einwohnern); Lehrlingshaltung im Handwerk (aus der im Sommer 1895 veranstalteten Erhebung über Verhältnisse im Handwerk); die Krankenversicherung im Jahre 1894 und die Konkursstatistik für das erste Vierteljahr 1896.
estenerung
Die Viehhaltung im Königreich Preußen.
8 IL.“)
Noch wichtiger, als die Vertheilung der verschiedenen Vieh⸗ gattungen auf d Fläche, ist das Verhältniß derselben zur Einw ohnerzahl, aus welchem zu ersehen ist, ob die Viehhaltung insbesondere den Bedürfnissen der Ernährung und Bekleidung des Menschen sowie des Verkehrs genügt. Die bezüglichen Berechnungen sind auf Grund der Ergebnisse der Volkszählung vom 1. Dezember 1890 erfolgt, weshalb die Zahlen in Anbetracht des weiteren An⸗ wachsens der Bevölkerung während der bis zur letzten Vieh⸗ zählung verflossenen zwei Jahre allerdings etwas zu hohe sind, was gegenüber den Viehziffern für das Areal stets im Auge bebalten werden muß. Es zeigen die größten Verhältnißzahlen an Pferden überhaupt die Provinzen Ost⸗ und Westpreußen, die kleinsten das Rheinland und Hessen⸗Nassau, unter den Regierungsbezirken Gum⸗ binnen, Königsberg, Marienwerder und Stralsund, beiw. Wiesbaden, Düsseldorf, oblenz, Arnsberg, Köln und Aachen. Läßt man die Militärpferde weg, so entfallen auf 1000 Einwohner im Staat 86,00, in den Provinzen Ostpreußen 210,60, Westpreußen 151,09, dem Stadtkreise Berlin 24,56, Brandenburg 100,41, Pommern 128,80, Posen 129,66, Schlesien 68,15, Sachsen 74,63, Schleswig⸗Holstein 138,82, Hannover 95,51, Westfalen 53,82, Hessen⸗Nassau 43,26, Rhein⸗ land 32,86, Hohenzollern 79,32, in den Regierungsbezirken Königs⸗ berg 199,39, Gumbinnen 227,31, Danzig 140,18, Macienwerder 158,71, dem Stadtkreise Berlin 24,56, Potsdam 107,42, Frankfurt 91,74, Stettin 116,87, Köslin 133,14, Stralsund 159,98, Posen 123,05, Bromberg 141,57, Breslau 70,03, Liegnitz 65,62, Oppeln 67,93, Magdeburg 86,12, Mersebur 73,47, Erfurt 49,10, Schleswig 138,82, Hannover 73,17, Hildesheim 75,57, Lüneburg 104,14, Stade 135,23, Osnabrück 85,35, Aurich 127,17, Münster 84,81, Minden 70,83, Arnsberg 34,47, Cassel 59,52, Wiesbaden 27,43, Koblenz 31,06, Düsseldorf 29,51, Köln 33,74, Trier 38,89, Aachen 37,69, Sigmaringen 79,32 Pferde. Auch hier wiederholt sich die Wahrnehmung, daß sich ohne die Militärpferde keine wesentlich höheren Fifern ergeben als mit denselben, wenngleich besonders für die Bezirke Gumbinnen, Potsdam, Bromberg und Stettin, in welchen ziemlich viel Militär steht, die Unterschiede eiwas mehr
hervortreten als beim Verhältniß zur Fläche. In der Rindviehzucht zeichneten sich vorzüglich die Provinzen Schleswig⸗Holstein und Ost⸗ preußen aus, wogegen sie im Rheinlande und in Westfalen am ent⸗ schiedensten zurückgeblieben war. Unter den Regierungsbezirken hatten
Aurich, Schleswig, Stade und Gumbinnen die größten, Düsseldorf, Arnsberg, Köln und Erfurt die kleinsten Zahlen aufzuweisen. Bei den Schafen nahmen die Provinzen Pommern und Westpreußen sowie die Be⸗ zirke Stralsund, Stettin, Köslin und Marienwerder die ersten, hingegen Rheinland, Westfalen und Schlesien sowie die Bezirke Düsseldorf, Köln, Aachen, Oppeln, Arnsberg und Trier die letzten Stellen ein. Die höchste Verhältnißzahl der Schweine traf auf die Provinzen Hannover und Pommern, die niedrigste auf Rheinland und Schlesien, unter den Regierungsbetirken auf Lüneburg, Köslin, Osnabrück, Stade, Minden und Hannover, bezw. auf Köln, Düsseldorf, Aachen, Wiesbaden und Oppeln. Bei den Ziegen stehen die Provinzen Sachsen und Branden⸗ burg, sowie die Bezirke Hildesheim, Erfurt, Lüneburg, Merseburg, Cassel und Minden obenan, in unterster Reihe die Provinzen Ostpreußen, Schleswig⸗Holstein und Schlesien, beiw. die Bezirke Gumbinnen, Königs⸗ berg, Stralsund, Aurich, Schleswig und Breslau. Bienenstöcke kommen am häufigsten in Schleswig⸗Holstein und Pommern, am seltensten im Rheinlande und in Hessen⸗Nassau, ferner in den Regierungsbezirken Lüneburg, Stade, Schleswig, Köslin, Stralsund, Marienwerder und Königeberg, bezw. in Düsseldorf, Wiesbaden, Köln, Hildesheim, Arns⸗ berg, Magdeburg und Oppeln vor. Vergleicht man die Viehziffern für die Einwohnerzahl mit denen für die Fläche, so fallen bei beiden die Höchstbeträge in der Regel auf die nämlichen Provinzen und Regierungsbezirke, während bei den Mindestbeträgen dies nur dreimal vorkommt und sie auch im übrigen eine wenig übereinstimmende Auf⸗ einanderfolge ihrer Zahlen zeigen. 1 . 1
ür die Beurtheilung unserer einheimischen Viehzucht und ⸗haltung ist noch von Wichtigkeit die Keuntniß der im letzten Jahrzehnt eingetretenen Verschiebungen in der Vertheilung des Vieh⸗ bestandes auf die Einwohnerzahl. Im ganzen preußischen Staat entfielen auf je 1000 Einwohner 1892 gegen 1883 mehr (+) bezw.
weniger (—): Pferde — 0,04, Rinder +† 9,21, Schafe — 203,32, Schweine + 44,57, Ziegen + 3,95, Bienenstöcke — 3,53. Eine Be⸗ trachtung dieser Zahlen für den ganzen Staat wie namentlich auch der hier nicht mitgetheilten Ziffern für die einzelnen Provinzen läßt erkennen, daß dieselben viel ungünstiger als die über die Verände⸗ rungen in der Flächendichtigkeit sind. Nicht allein für die Schafe, sondern auch für die Bienenstöcke sowie selbst für die Pferde wird eine Abnahme der Viehhaltung im Verhältniß zur Bevölkerung während der letzten Zählperiode nachgewiesen, und ebenso sind für die übrigen drei Viehgattungen die Ziffern der Zunahme erheb⸗ lich niedrigere. Das darf indeß garnicht befremden, weil in dichter bevölkerten Ländern mit einem nicht zu langsamen Anwachsen der Bewohner dasjenige des Viehstandes mit jenem nicht leicht gleichen Schritt zu balten vermag. Ferner tritt hervor, daß sich lediglich die Zahl der Schweine überall vergrößerte, und daß die der Schafe sich durchgängig — und zwar stärker als gegenüber dem Areale — verminderte, während bei den anderen vier Viehgattungen Steigen und Fallen im einzelnen mit einander abwechselten, da bei den Pferden, Rindern und Ziegen jenes in 8, dieses in 4, bei den Bienenstöcken in 3 bezw. 9 Provinzen ver⸗ treten war. Die Sätze für sämmtliche Pferde, bei welchen sich Ost⸗ reußen an erster und Westsalen an letzter Stelle befindet, zeigen insofern einen Zusammenhang mit der Volksvermehrung, als sie, von kleineren Abweschungen abgesehen, in der Regel dort am höchsten sind, wo diese am niedrigsten ist, und umgekehrt. Wenn man die nee pferde ausscheidet, so kamen 1892 auf 1000 Menschen nach rer Veltstählung von 1890 mehr in Ostpreußen 15,88, Westpreußen 8,49, dem 41* Berlin 0,49, Pommern 9,98, Posen 7,07, Schlesis⸗ 16% hüblca ac Holstein 2,10, Hannover 3,90, Hessen⸗Nassau 0, 1., 18, Sachsen
2,12, jed iger im S in Brandenb ,12, jedoch weniger im Staat 0,17, in Bran bunge. Bei dem
1,66, Westfalen 4,24 und Hohenzollern 0,27 Thier Rheinlande und dem Stadtkreise, Berlin . bee, e des Pferdebestandes eine wesentlich verschie enezt. Daß, mit
man die Militärpferde mit berücksichtigt oder nict. . ¹
der Einwohnerzahl verglichen, die Pferdeziffer bee. den 10. Januar 1883 verringerte, 89. 788 t — 15 getretenen Verbesserung der Rassen her. ündwirthschaft die Ver⸗
Vortheile erkannt hat, welche selbst der 4 2 wendung der kräftigsten und stämmigsten Arten bringt, war zugleich eine
—, Steh. Nr. 130 des „R.⸗ u. St⸗A.“, Crste Beilage.
Alsdann folgt die die weiteren Mittheilungen beujesvten
—