L“ 1“ Frankreich.
Der chinesische Gesandte in Paris Fchang, .“ ist, dem „W. T. B.“ zufolge, gestern von dem Minister des Aeußern Hanotaux empfangen worden.
Die Deputirtenkammer nahm gestern bei der weiteren Berathung der Börsenreformvorlage das Amendement des sozialistischen Deputirten Viviani an, wonach die Börsen⸗ makler alljährlich ihre Rechnungen und Bücher dem Rechnungs⸗ hofe unterbreiten müssen, ebenso ein weiteres Amendement Viviani'’s des Inhalts, daß die Genossenschaften der Makler auch in der Provinz für alle Delikte solidarisch haftbar sein sollen.
Eine gestern abgehaltene Versammlung von etwa 200 Deputirten aller Parteien hat sich für den zwei⸗ jährigen Militärdienst ausgesprochen und eine Resolution angenommen, in welcher die Regierung ersucht wird, einen Gesetzentwurf auf der Grundlage dieses Prinzips vorzubereiten.
Rußland.
Nach einem heute veröffentlichten Bulletin nähert sich der Gesundheitszustand der Kaiserin Alexandra Feodorowna dem normalen; der Schlaf und das Wohlbefinden sind durch⸗ aus gut; Temperatur 36,70, Puls 75.
Wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg berichtet, ist ein Kaiserlicher Ukas an den Fin anz⸗Minister ergangen, in welchem diesem anbefohlen wird, da es nothwendig erscheine, die Kriegsflotte zu verstärken, unabhängig von der bereits er⸗ olgten Erhöhung der Anweisungen für die ordentlichen Ausgaben ves Marine⸗Ministeriums in den Jahren 1898 bis 1904, gegen⸗ wärtig aus den freien Baarbeständen der Reichsrentei 90 Millionen Rubel für Schiffsbauten, abz lassen, unter Registrierung dieser Summe als überbudgetäre Ausgabe in dem Abschnitt „Außer⸗ ordentliche Ausgaben“ des Reichsbudgets für das laufende Jahr. Außerdem veröffentlicht der „Negierungsbote“ ein Kaiserliches Handschreiben an den Finanz⸗Minister von Witte, welches besagt: da am Schlusse des Jahres 1897 sich in den Staatskassen ein Ueberschuß von 200 Millionen Rubel befunden habe, von denen 106 Millionen zur Deckung außerordentlicher Ausgaben pro 1898,99 übernommen worden seien, bleibe ein genügender Rest zur Deckung der zur Flottenverstärkung bereit zu stellenden außerordentlichen Ausgabe von 90 Millionen Rubel. Das Handschreiben schließt mit der Anerkennung der Thätigkeit von Witte’s und dem Ausdruck des ferneren Kaiserlichen Wohlwollens. — Amerita.
Der Senat hat, wie „W. T. B.“ aus Washington meldet, gestern einstimmig und ohne Debatte den Gesetzentwurf, be⸗ treffend die Bewilligung von 50 Millionen Dollars für die Landesvertheidigung, angenommen. Der Gesetzentwurf ist darauf alsbald von dem Präsidenten Me Kinley unter⸗ zeichnet worden. 8
Der amerikanische Kreuzer „Montgomery“ ist gestern in Havanna eingetroffen.
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Asien.
In Bombay ist es, dem „Reuter'schen Bureau“ zufolge, iu dem dortigen Eingeborenen⸗Viertel zu ernsten Unruhen gekommen, bei denen mehrere Personen getödtet und ver⸗ wundet wurden. Truppen mußten zur Wiederherstellung der Ruhe entsandt werden. Veranlaßt wurden die Un⸗ ruhen durch den Versuch der Sanitätsbeamten, den Grund der Krankheit einer Mohamedanerin zu er⸗ fahren, welche in Ripon⸗Road wohnte. Es wurde ihnen er Zutritt zu dem betreffenden Hause verweigert. Als⸗ bald sammelte sich eine große Menschenmenge an, welche nach den Beamten mit Steinen warf, sodaß sich diese nach dem Revierbureau des Polizeidistrikts zurückzogen, um sich Unterstützung zu holen. Bewaffnete Polizisten begleiteten nunmehr die Beamten nach dem Hause zurück. Es wurde jedoch der erneuten Aufforderung, die Kranke auszuliefern, nicht stattgegeben. Ein parsischer Beamter forderte die Menge auf, auseinanderzugehen, und gab, als man nach ihm schlug, der Ppolizei den Befehl zum Angriff. Vier Mohamedaner wurden ggetödtet und mehrere verwundet. Die 1.“ verbreitete sg nun mit großer Geschwindigkeit weiter; die Hindus schlossen sich den Mohamedanern an. Kein Christ, welcher Nationalilät er auch war, kam unbehelligt davon, wenn er in ihre Hände Viele wurden thätlich angegriffen, zwei europäische oldaten sollen beinahe getödtet worden sein. In der Vorstadt Byculla griff der Pöbel die Victoria⸗Gebäude an. Die Bewohner verbarrikadierten die Häuser und gaben von den Fenstern aus blinde Schüsse ab. Die Truppen der Garnison mußten mit zwei
Feldgeschüten zum Entsatz einschreiten.
. ach einer weiteren Meldung desselben Bureaus hat sich die Unruhe theilweise gelegt, doch werde die Lage immer noch für sehr ernst gehalten. Es sei Kavallerie von Poona herbei⸗ Ferufen worden, um sich an dem Patrouillendienst in den
traßen zu betheiligen; auch Freiwillige seien dazu auf⸗ Frrufen worden. Die Stadt sei jetzt in den Händen des
ilitärs. Zwei britische Soldaten seien getödtet worden. Die Menge habe versucht, die Hospitäler in Brand zu stecken, sei aber zurückgetrieben worden. Der gesammte Verlust der Auf⸗ rührer sei noch nicht genau bekannt.
Einer Meldung aus Hongkong zufolge sind die russischen Kriegsschiffe „Sissoi Weliki“ und „Navarin“ dort eingetroffen. Es ist noch unbestimmt, wohin dieselben von dort weiter gehen werden.
Afrika.
Aus Pretoria meldet das „Reuter'sche Bureau“, daß
die Regierung heute den Volksraad um die Ermächtigung zur
Aufnahme einer Anleihe von sechs Millionen Pfund Sterling ersuchen werde.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Berichte über die gestrigen Sitzungen des Reichstages und des Hauses der Abgeordneten be⸗ sinden sich in der Ersten Beilage.
— In der heutigen (59.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner, der Justiz⸗Minister Schönstedt, der Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Dr. Nieberding und der Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielski beiwohnten, wurde zunächst auf Grund eines schleunigen Antrages der Abgg. Zimmermann sfaeahe und Genossen die Einstellung des gegen den
bg. Müller⸗Waldeck schwebenden Privatklageverfahrens gen Reichstagssession beschlossen.
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für die Dauer der gegenwaͤrti
ganzen Reihe anderer Schriften.
die dritte Berathung des Gesetzentwurf
uf w genheiten der freiwilligen Gerichts⸗
3 8 bie Angeie arkeit fortgesetzt.
reeFn faheae Berathung war die Vorlage ohne Debatte en bloc angenommen worden. Jetzt liegen mehrere Ab⸗ änderungsanträge der Abgg. Auer und Genossen
Soz.) vor.
b din Antrag zu § 10, wonach die Vormundschaftssachen auch während der Ferien bearbeitet werden sollen, wird nach dem Widerspruch des Abg. Günther (nl.) abgelehnt.
Ebenso wird ein sozialdemokratischer Antrag zu § 11, wonach eine Erklärung, die an eine bestimmte Frist gebunden ist, gültig abgegeben sein soll, wenn sie innerhalb der Frist zu Prokokoll irgend eines Gerichtsschreibers, nicht nur des⸗ jenigen des zuständigen Gerichts, abgegeben ist, nachdem sich der Abg. Welkstein (Zentr.) und der Geheime Ober⸗Regierungs⸗ Rath im Reichs⸗Justizamt Dr. Struckmann dagegen und der Abg. von Strombeck (Zentr.) dafür ausgesprochen
aben, abgelehnt. 8 2
8 Heabglch der Vormundschaftssachen beantragen die Sozial⸗ demokraten zu § 32, in gewissen Fällen zu den Entscheidungen der Vormundschaftsgerichte zwei Schöffen hinzuzuziehen.
An der durch diesen Antrag hervorgerufenen Debatte betheiligen sich bis zum Schluß des Blattes die Abgg. Stadt⸗ hagen (Soz.), Günther (nl., Wellstein, Dr. Rintelen (Zentr.), Dr. von Cuny (nl.) und der Geheime Ober⸗Ne⸗ gierungs⸗Rath Dr. Struckmann.
— Im Hause der Abgeordneten gelangte in der hentt enea Sitzung, welcher der Vize⸗Präsident des Staats⸗ Ministeriums, Finanz⸗ Minister Dr. von Miquel, der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten D. Dr. Bosse, der Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammerstein und der Minister des Innern Freiherr von der Recke bei⸗ wohnten, zunächst der Gesetzentwurf, betreffend die Be⸗ willigung von Staatsmitteln zur Beseitigung der durch die Hochwasser des Sommers 1897 herbei⸗ geführten Beschädigungen, zur dritten Berathung.
Nach § 1 der Beschlüsse zweiter Lesung wird der Staats⸗ regierung ein Betrag von 5 Millionen Mark zur Verfügung gestellt, der im Bedürfnißfall bis zu 10 Millionen Mark erhöht werden kann. 1“ 1
Abg. Letocha (Zentr.) und Genossen beantragen, die gesperrt gedruckten Worte in § 1 zu streichen und dafür folgende Resolution anzunehmen:
in Erwägung einerseits, daß nach den Verhandlungen der zweiten Lesung das Gesetz gefährdet erscheint, wenn der zum § 1 gefaßte Beschluß, betreffend die Erhöhung der Beitragssumme „bis zu 10 Millionen Mark', in der dritten Lesung aufrecht erhalten bleibt, andererseits aber, daß durch die zum § 1 Abs. 2 beschlossenen Abänderungen eine Erweiterung der Verwendungszwecke vorgenommen ist, daß die zu Grunde gelegte Schätzung der Schäden hinter dem wirk⸗ lichen Bedürfniß in vielen Fällen zurückbleibt, und daß Bezirke hinzu⸗ treten, sür welche nach der Begründungdes Gesetzes Entschädigungen nicht in Aussicht genommen waren, hiernach also die in der Regierungs⸗ vorlage vorgesehene staatliche Beitragssumme von 5 Millisnen Mark voraussichtlich nicht ausreichen wird, — an die Königliche Staatsregierung nunmehr die Aufforderung zu richten, den über den Betrag von 5 Millionen Mark nothwendig werdenden Bedarf aus bereitstehenden Staatsmitteln ohne Verzug zu entnehmen.“
Abg. Letocha weist darauf hin, daß der Finanz⸗Minister aus Budgetgründen in zweiter Lesung sich entschieden gegen die Erhöhung der Entschädigungssumme ausgesprochen habe, somit keine Aussicht sei, die Vorlage mit dieser Erweiterung durchzubringen. Das Abgeordneten⸗ haus dürfe erwarten, daß seine Wünsche auch in dieser, von Mit⸗ gliedern aller Parteien unterstützten Form zum Besten der geschädigten Landestheile berücksichtigt werden würden.
Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, „Minister Dr. von Miquel: Obwohl ich die Fassung der Resolution etwas anders gewünscht hätte, habe ich doch gegen dieselbe seitens der Staats⸗ regierung keine Bedenken zu erheben, weil sie sachlich das ausdrückt, was die Staatsregierung selbst beabsichtigt.
§ 1 wird einstimmig mit dem Antrage Letocha ange⸗ nommen, ebenso einstimmig der Rest des Gesetzes und darauf endgültig das Gesetz im Ganzen sowie die Resolution Letocha unter dem Beifall des Hauses. Zwei Petitionen aus Schlesien werden der Staatsregierung als Material überwiesen.
Hierauf folgt die dritte Berathung der Novelle zum Ansiedelungsgesetz für Westpreußen und Posen.
In der Generaldiskussion erklärt
Abg. Motty (Pole): Meine Freunde und ich haben sich an der ersten und zweiten Berathung des Gesetzentwurfs nicht betheiligt und haben bei Beginn der zweiten Berathung den Saal verlassen. In dem jetzigen Stadium der Verhandlungen erachten wir es für unsere Pflicht, zwar nicht an der Berathung theilhunehmen gemäß unserer früheren Haltung, wohl aber an der Abstimmung. Deshalb werden wir den Saal nicht verlassen, aber an der Berathung nicht theilnehmen.
Abg. von Staudy (kons.) stellt den von dem Abg. Rickert in zweiter Lesung behaupteten Fall richtig, daß ein deutscher Gutsbesitzer in Posen von der Ansiedelungskommission weit über den Werth des Grundstücks ausgekauft worden sei. Die Ansiedelungskommission sei in diesem wie in andern Fällen ganz korrekt und ohne Ansehen der Person vorgegangen. Es sei falsch, daß das Gut von polnischen Sequestratoren verwaltet worden sei. Die Kommission mache deshalb kein größeres Geschäft, weil sie banuptsächlich schlecht bewirthschaftete Güter aufkaufe und darauf Deutsche ansiedle. Der Abg. Jaeckel, fährt Redner fort, hat einen großen Theil der Deutschen in den Ostmarken schwer angegriffen, und ich bin gebeten worden, diese Angriffe zurückzuweisen. Ich thue das um so lieber, als nach Herrn Jaeckel nur noch Herr Seer gesprochen hat. Ich will Herrn Jaeckel seine deutsche Qualität nicht absprechen,
aber ich mache ihm den Vorwurf, daß er in diesem Hause als Deutscher Deutsche nur deshalb angeklagt hat, weil sie ihre Nationalität hochhalten. So etwas hat ein
Pole noch nicht gethan. Herrn Jaeckel's Vorgehen beruht auf ein⸗ seitiger Parteipolitik. Ich gehöre dem H. K. T.⸗Verein nicht an habe aber seine Wirksamkeit verfolgt und gefunden, daß er lediglich zur Abwehr polnischer Aspirationen ins Leben gerufen ist. Mit der Broschüre des Redakteurs Fink hat die Vereins⸗ leitung absolut nichts zu thun, ebenso wenig mit einer Herr Jaeckel hat die pol⸗ nischen Bestrebungen nicht mit einem Wort erwähnt. Jenem
ꝛVereine gehören die hervorragendsten Männer an, und doch behauptet
er, daß er von vornherein Mißtrauen gegen ihn gehabt hat, weil er selbstfüchtige Zwecke verfolge. Als 8 von Tiedemann⸗Bomst bereits auf der Bahre lag, hat jemand gesagt: Ich habe manchen Strauß mit ihm gehabt, aber meine Achtung habe ich ihm nicht versagen wollen. Wir Deutsche wollen den Frieden.
Abg. Gerlich (fr. kons.): Herr Jaeckel hat einen deutschen Namen, aber kein deutsches Herz. Man hat gesagt: wie kann ein Mann im Abgeordnetenhause sitzen, der so sein Deutschthum ver⸗ leugnet! Die Antwort wird ihm auch bei den Wahlen egeben werden. Ich hätte ewünscht, daß der Antrag Sieg dahsr ab⸗ asaeest würde, daß Restgüter nicht nur in Ausnahmefällen ondern überhaupt gebildet werden; der Minister sollte seinen Einflus dahin geltend machen, daß auch größere Güter reserviert werden; die kleinen sind Rullen, vor die eine Eins gehört.
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Die Ansiedelungskommission sollte auch einmal den Versuch machen,
groͤßere Etablissement gründen und mit einer elektrischen Anlage zu versehen. Herr von Czarlinski hat mich auf Grund von Zeitungs⸗ nachrichten hier heftig angegriffen. Als ich ihn darüber zur Rede stellte, nahm er seine Akten unter den Arm, da er nach dem Reichs⸗ tage gehen mußte. Nach dem Stenogramm seiner Rede soll in einer Gerichtssitzung ein Brief von mir verlesen worden sein. Das ist falsch, wie mir ein Rechtsanwalt mittheilt; der Brief ist durch die Indiskretion eines Polen zur Kenntniß der polnischen Partei und dann in die Akten gelangt. Mit solchen Waffen kämpft man! Wer ein Bischen Gefühl für Anstand hat, verschmäht solche Waffen! räsident von Kröcher ruft den Redner wegen dieses ngriffs gegen den Abg. von Czarlinski zur Ordnung.) Mein Angriff richtet sich gegen die polnische Partei. Der Minister warnte neulich die Polen: Spielen Sie nicht mit dem Feuer. Ich sage: Wehe einer Partei, die 8 solcher Waffen bedient, wehe einer Nation, die nicht mehr unterscheiden kann, was anständig und was nicht anständig ist! Ibre Angriffe sind nicht ehrliches Feuer, sondern schleichendes Gift des Verraths. b Präsident von Kröcher: Ich nehme an, daß Sie nicht von einer Partei im Hause gesprochen haben. Abg. Gerlich verneint dies. 8 2 Abg. Im Walle (SZentr.) spricht sich in Konsequenz der früberen Haltung des Zentrums auch gegen dieses Gesetz aus. Es sei verfassungswidrig und durchbreche das Budgetrecht; es führe ein Aeternat ein, da es die Verwendung des Fonds der Einwirkung des Landtages entziehe. Da eine Verfassungsänderung vorliege, so beantrage er eine abermalige Abstimmung nach 21 Tagen.
Dieser Antrag wird genügend unterstützt, jedoch nur von dem Zentrum und den Polen. 2 1
Abg. Dr. Stephan (Zentr.): Der Landwirthschafts⸗Minister hat uns die Vorlegung einer Statistik über die Verschiebung des Grundbesitzes zu Ungunsten des Deutschthums versprochen. Ich bin auf diese Statistik neugierig. Die Katholiken sind bei der Ansiedelung nur in dem Verhältniß von 1:6 berücksichtigt worden. In der Diözefe Kulm befindet sich eine ganze Menge deutscher Geistlicher, sodaß die Kommission dort sehr wohl national gesinnte katholische Deutsche ansiedeln könnte. Auch der Erzbischof hat sich bereit erklärt, eine genügende Zahl von Geistlichen für die Ansiedelungen herzugeben. Der Finanz⸗Minister hat sich bereit erklärt, dahin zu wirken, daß Katholiken bei der Ansiedelung mehr berücksichtigt werden. Hoffentli wird dagegen aus dem Hause kein Wider⸗ spruch erhoben. Im Jahre 1886 hat auch der nationalliberale Abg. von Benda sich gegen ein Aeternat erklärt. Ich würde die Zurückweisung der Vorlage an die Budgetkommission beantragen, wenn Herr Im Walle nicht die nochmalige Abstimmung wegen der Verfassungsbedenken beantragt hätte. Wenn wir gegen das Gesetz stimmen, so müssen wir dagegen protestieren, daß uns deutsche Ge⸗ sinnung abgesprochen wird. 8 Hierauf nimmt der des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel und sodann der Justiz⸗ Minister Schönstedt das Wort, deren Reden morgen im Wortlaut mitgetheilt werden.
(Schluß des Blattes.)
Statistik und Volkswirthschaft.
Zur Arbeiterbewegung. 3 .
In Stuttgart fand am Sonnabend eine Versammlung der in den städtischen Betrieben beschäftigten Arbeiter statt, in welcher, wie der „Württb. St.⸗A.“ berichtet, „Stellungnahme zu der Er⸗ ringung der zehnstündigen Arbeitszeit“ auf der Tagesordnung stand. Eine auf die Verkürzung der Arbeitszeit und auf die Schaffung einer eigenen Organisation hinzielende Resolution fand einstimmige An⸗ nahme; es wurde eine aus 14 städtischen Arbeitern bestehende Kom⸗ mission gewählt, welche in Verbindung mit den Vereinigten Gewerk⸗ schaften die weiteren Schritte einleiten soll.
Aus Berlin berichtet die Berliner „Volks⸗Ztg.“ zum Aus⸗ stande der Schuhfabrikarbeiter, daß der Verband der Schuh⸗ und Schäfte⸗Fabrikanten das Anerbieten des Ausschusses der Berliner Gewerkschaftskommission, die Vermittelung zwischen ihm und den aus⸗ ständigen Arbeitern zu übernehmen, abgelehnt habe. Der Verband erklärte in seinem Antwortschreiben, angesichts der augenblicklichen Sehlag⸗ sich in keinerlei Unterhandlungen einzulassen, während er vor Ausbruch des Ausstandes gern zu Verhandlungen mit der Ge⸗ werkschaftskommission bereit gewesen wäre.
Theater und Mufik.
. Berliner Theater.
Dem ernsten Charakter des patriotischen Gedenktages ent⸗ sprechend, brachte die Direktion des Berliner Theaters gestern ein Drama zur ersten Aufführung, das dazu bestimmt ist, den Segen der nationalen Einigkeit zu preisen. „Alarich, König der Westgothen“
betitelt sich das fünfaktige Drama, welches den ehemaligen preußische Kriegs⸗Minister J. von Verdy du Vernois dgen Prenh se⸗ hat, und welches bereits mehrfach außerhalb Berlins seine
Bühnenwirksamkeit erprobte. Der Verfasser hat sich nicht darauf beschränkt, die Geschichte, wie sie überliefert ist, einfach zu dramatisieren, er hat vielmehr den blonden Recken Alarich zu einer symbolischen Figur gestaltet, welche Deutschland personifizieren soll. „Ich singh eim Lied aus ferner, ferner Zeit — Ein mahnend Lied an deutsche Einigkeit“ lautet das dem Stück vorangesetzte Motto; zur Einigkeit mahnen auch die letzten Worte des sterbenden Alarich, der nicht im Kampfe fällt, sondern, von schleichender Krankheit verzehrt, in seiner Blüthe dahinsiecht — gewissermaßen auch den Tod symbolisierend, den ein uneiniges Deutschland sterben müßte. Ueber seinem Leichnam aber verbinden sich die einander ent⸗ fremdeten Gothenstämme zu neuer Verbrüderung. Innerhalb der an⸗ edeuteten Grundlinien hat der Verfasser in b vhenn freier Verssprache eine Handlung aufgebaut, die einen sicheren nstinkt für bühnenwirksame Scenen und die Fähigkeit bekundet, di Charaktere psychologisch aus⸗ugestalten, die sehr angenehm berühr Neben dem Helden Alarich, der mit der Kraft auch die Weichhe des Germanen verbindet, hat er als Hauptfigur diejenige de ehrgeizigen Severa, der Wittwe des ehemaligen oströmischen Minister Rufinus, gestellt, welche als der Typus jener Frauen Welschlands gelten darf, welche, wie Scheffel treffend sagt, „so falsch und so schön“ sind und von jeher den Germanen gefährlich waren. Mit ihrer Hilfe erobert Alarich Rom, durch ihre Rache wird er später verrathen. — Die Aufführung war sorgfältig vorbereitet und errang einen vollen Erfolg. Die Rolle des Alarich lag in den Händen des Herrn Pittschau, dessen imponierende Persönlichkeit vorzüglich für den Gothenkönig paßte; die Severa spielte Frau Pospischil, deren temperamentvolle Lei stung mehrfach bei offener Scene lauten Beifall erweckte. Von den übrigen zahlreichen Mitwirkenden sind die Damen Dassow, Wulf und Vely sowie die Herren Wehrlin, Jessen und Graul hervorzuheben. Der Verfasser, welcher in einer Loge der Aufführung beiwohnte, dankte von seinem Platze aus für den starken und aufrichtig gespendeten
Beifall. Schiller⸗Theater Eduard Jacobson's alte Posse Ein emacht 8 ging auf dieser Bühne gestern Abend zum 8 N hter Mang licher Darstellung mit schönem 8 8 ud. bee tef⸗
er eem Erfolge in Scene. 28 welcher sich in dieser Posse den Geldstolz des reich
chlächtermeisters Pasewalk zum Ziel wa söfer⸗ ebenso wie vor Jahren viele 8 “ 1 nfse hat es eben verstanden, den volksthümlichen Ton sowohl n salog wie in den eingefügten Kuplets und Gesangs⸗ strophen so gut zu treffen, daß darüber die Dürftigkeit der Handlung zum Bewußtsein kommt. Zu diesem Erfolge
8 naturgem e Darstellung der verschied iner 7 b dunch Fesciche schauspielerische Kräfte hect⸗ bei. Seren - 8
ießender, von Wort.