worden.
über Gewalt schrie und mich korrigieren würde.
stellen wollte. Aber solche Lohntarife sind in verschiedenen Gewerbe zweigen eingeführt, bei der Buchdruckerei. Man kann den Arbei⸗ tern die schönsten Reden halten über die Harmonie der Interessen, über das Angebot und die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt ꝛc., es wird immer Arbeiter geben, welche daran nicht glauben, welche den Versuch machen werden, einen höheren Lohn bei gegebener Gelegenheit zu erzielen. Damit thut der Arbeitnehmer nichts Anderes als der Arbeitgeber. Die Bauern schließen sich zusammen zu Verkaufsgenossen⸗ schaften, um bessere Preise zu erzielen. Das thun die Arbeiter auch. Die Fabrikanten thun sich auch zu Syndikaten zusammen, um bessere Preise zu erzielen; sowohl in der Eisenindustrie wie in der Kohlen⸗ industrie. Die gemeinsame Organisation von Arbeitern und Arbeitgebern ist ein alter Zentrumsgedanke, vielleicht wird er wieder lebendig Ich möchte Herrn von Heyl bitten, mit uns gemeinsam Arbeitskammern mit gewissen Kompetenzen zu schaffen; dafür werden sogar die Sozial⸗ demokraten zu haben sein. Herr von Stumm hat die englischen Ge⸗ werkvereine sehr abfällig kritisiert; aber diese Gewerkvereine müssen doch nicht so übel sein, da selbst das konservative englische Ministerium sie hätschelt. Meine Herren! Was ist Ihnen lieber? Die englischen Gewerkvereine, oder die deutsche Sozialdemokratie? Das ist die Frage. Der Unterschied zwischen beiden ist doch sehr groß. Die Frage der Berufsvereine ist seit Jahren immer wieder angeregt worden, aber sie wurde niemals gelöst. Endlich kam 1890 das erlösende Wort, und wir dürfen nun wohl hoffen, daß die Frage sch i Interesse der Arbeiter gelöst wird. 1“] Ein Vertagungsantrag wird angenommen. Persönlich bemerkt Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Ich habe von Herrn Webb selbst ein in hböflichen Ausdrücken abgefaßtes Schreiben erhalten, daß ich ein gewisses Mißverständniß, welches vorliegt, berichtigen sollte. Das hätte ich auch ohne den Appell des Herrn von Elm gethan. Schluß 6 Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 1 Uhr. (Seftis Berathung des Gesetzentwurfs über die freiwillige erichtsbarkeit und zweite Lesung des Postdampfergesetzes.)
Pvreußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 42. Sitzung vom 9. März 1898.
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Die zweite Berathung des Staatshaushalts⸗
Etats für 1898,99 wird im Etat des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗An⸗ gelegenheiten fortgesetzt.
Ueber den ersten Theil der Debatte ist schon berichtet
Bei dem Ausgabetitel „Evangelischer Ober⸗Kirchen⸗ rath“ bringt
Abg. Rickert (fr. Vgg.), wie hier kurz wiederholt sei, den Fall des Pfarrers Kötzschke und dessen sozialvolitische Thätigkeit zur Sprache. Der Ober⸗Kirchenrath habe die jungen Geistlichen an⸗ gewiesen, die Arbeiter aufzusuchen, Versammlungen zu besuchen, Vereine zu gründen, um die vorhandenen Nothstände zu mildern. Pfarrer Kötzschke in Sangerhausen sei indeß seines Amtes entsetzt worden. Redner schildert das Disziplinarverfahren gegen denselben und hebt hervor, daß dieser in seiner Gemeinde ein großes Vertrauen besessen, daß ein Comité sich mit einer Eingabe an den Ober⸗Kirchen⸗ rath gewendet und darauf hingewiesen habe, daß Pastor Kötzschke die
Sozialdemokratie mit Erfolg bekämpft habe.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten D. Dr. Bosse: G Meine Herren! Ich habe mir die äußerste Mühe gegeben, wie ich das immer thue, den Ausführungen des Herrn Abg. Rickert genau zu folgen. Es ist mir nicht gelungen, die Gründe und namentlich den Rechtsgrund zu entdecken, welcher ihn veranlaßt hat, diese Frage und diesen Fall Kötzschke hier im Landtage zur Sprache zu bringen. (Sehr richtig! rechts.) Wenn der Fall Kötzschke überhaupt eine öffentliche Besprechung verlangt und in einer öffentlichen Versammlung, dann gehört er zweifellos in die General⸗Synode, aber nicht in den inter⸗ konfessionellen Landtag. (Sehr richtig! rechts.) 8 3 Nun, meine Herren, es handelt sich hier lediglich um ein im gesetzlich geordneten kirchlichen Disziplinarverfahren ergangenes Urtheil des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths. Wenn das nicht eine rein interne Angelegenheit der evangelischen Kirche ist, dann weiß ich nicht, ob es solche Interna der Kirche überhaupt giebt. (Sehr richtig!) Und, meine Herren, wenn ich versuchen wollte, auch nur versuchen, eine Einwirkung in dieser Beziehung zu üben, so bin ich überzeugt, daß der Herr Abg. Rickert der erste sein würde, der Diesen Versuch der Staatsregierung an 8 einzuschreiten. Es wäre auch nach meiner Ueberzeugung garnicht erwünscht, daß der Staat und die Staatsbehörden in diese Dinge, die durch Gesetz der selbständigen Entscheidung der Kirche überlassen sind, ein⸗ greift, und ich lehne einen solchen Eingriff durchaus ab.
Im übrigen, meine Herren, muß ich doch sagen, daß ich dem Evangelischen Ober⸗Kirchenrath darin nur beipflichten kann, wenn er gegen Geistliche, die nicht etwa sozial, sondern sozialistisch und sozial⸗ demokratisch wirken, mit allem Ernst einschreitet. (Bravo! rechts.)
lehne jeder
ich vollständig ab. Es gesetzlichen Handhabe,
fehlt hier
Damit thut der Ober⸗Kirchenrath einfach seine Pflicht und Schuldigkeit. Ich gebe Herrn Rickert vollkommen zu, daß es unter Umständen außerordentlich schwer sein kann, wenn ein solches Einschreiten einem Manne gegenüber
ggeschehen muß, der persönlich wohlwollend, persönlich von anständiger
Gesinnung ist. Das kann dem Disziplinarrichter seine Aufgabe außerordentlich erschweren, aber es kann ihn nicht von der Pflicht entbinden, dafür zu sorgen, daß solche widernatürlichen Unordnungen vermieden werden in der evangelischen Kirche und in unserem Staate. Meine Herren, ich habe auch den Eindruck gehabt, daß Herr Rickert selbst sich hat hin und her winden müssen. Mit der einen Hand hat er Herrn Kötzschke zu decken gesucht, andererseits hat er gesagt, daß er seine Anschauungen und Aussprüche nicht billige. Meine Herren, wohin sollen wir kommen, wenn wir diese Dinge, die nicht hierher gehören, hier erörtern! Ich möchte vorschlagen, daß wir uns in dieser Beziehung die Zurückhaltung auferlegen, die ohnehin so nöthig ist bei unserem diesjährigen Etat. (Bravol rechts.)
Abg. Dr. Irmer (kons.): Das formelle Recht, diese Dinge hier zur Sprache zu bringen, kann man Herrn Rickert nicht bestreiten; er unterliegt nur der Disziplinargewalt des Präsidenten. Aber daraus, daß wir Geld zu bewilligen haben, folgt doch noch nicht, daß wir über alle möglichen Dinge, z. B. die Verwendung der Kronfidei⸗
kommißgelder, Rechenschaft fordern. Wir müssen die Gelder dem Ervangelischen Ober⸗Kirchenrath bewilligen, dies beruht auf rechtlicher Verpflichtung. Der Fall Witte ist hier nicht anzuziehen. Stöcker gehört nicht mehr uaserer Partei an, wir können ihn also nicht einmal rektifizieren. Ein Eingehen auf die Canisius⸗Encyklika und den Papst haben wir ausdrücklich abgelehnt. Kirchenangelegenheiten gehören nicht vor den Landtag. Abg. Dr. Freiherr von Heereman (Zentr.): Uns geht der halt dieser Debatte garnichts an. Vor dieses Parlament Dinge absolut ni ht. Wir halten uns
große Anzahl dieser Gesetze
stet fern von
den Angelegenheiten der evongelischen Kirche. Von diesem Prinzip sind es nicht better, Z⸗ Ich hoffe, daß die Herren diesen Grundsatz auch gegen uns fernerhin anwenden werden. Zur Zeit des Kultur⸗ kampfes hat die Mehrheit einen anderen Standpunkt eingenommen. Ein Theil der damals beschlossenen kirchlichen Gesetze besteht noch fort, und ich hoffe, dnß die Herren rechts uns unterstützen werden,
diese Ueberreste zu beseitigen. 8— des. 1“ (nl.): Was Herr von Heereman in die Debatte hineingezogen hat, ist etwas ganz Anderes. Es handelt sich hier um die staatsbürgerlichen Rechte der Geistlichen, das Staats⸗ kirchenrecht; hier muß der Staat durch seine Gesetze regelnd ein⸗ greifen, und ich muß dagegen protestieren. daß innere Angelegenbeiten der Kirche verwechselt werden mit dem Staatskirchenrecht und seinem
Dish von Heereman: Die Auffassung des Vor⸗ redners ist eine gan persbolshescg wneisen 8 sin hic atskirchenrecht, sondern ein Ein nersten An⸗ Sekaags 8 Kirche. Ist die Beichte, die Spendung von Sakra⸗ menten eine innere kirchliche Angelegenheit? Das nennen Sie Staats⸗ kirchenrecht. Dann ist es mit unserer ganzen Kultur in christlicher Auffassung zu Ende. Fürst Bismarck war zu sehr Staatsmann, um nicht einzusehen, daß der Staat früher auf einer falschen Bahn war, und doch halten die Herren an der Auffassung fest, die Bismarck nicht getheilt hat. Ich protestiere desbalb dagegen, daß man hier als Staatskirchenrecht hinstellen will, was in die inneren kirchlichen Rechte Hmfe (nl.): Solche Bestimmungen sind ja bereits aufgehoben; die Grenzen zwischen Staat und Kirche müssen doch fest⸗ gesetzt werden, und diesen Rest wollen wir uns allerdings nicht nehmen lassen, er hemmt durchaus nicht die freie Entwickelung der Kirche. 8 8 de. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (sr. kons.): Auf den Kulturkampf wollen wir nicht weiter eingehen. Ueber die Grenz⸗ linie zwischen Staat und Kirche kann man verschiedener Meinung sein, aber das Recht, die Grenzlinie zu ziehen, kann man dem Staat nicht
bestreiten. . Dr. debrand und der Lasa (kons.): Wir 11“ Hesds- Angelegenheiten der Beschlußfassung des
1 s ab, innere n zu unterstellen. Eine Zahl der früheren Kulturkampfgesetze
Jhat ja eine erhebliche Rückwirkung auf die inneren kirchlichen Angelegen⸗
Meine Partei ist damit einverstanden gewesen, eine abzuändern, und wir werden auch in Zukunst dem Wunsche unserer katholischen Mitbürger so weit entgegen⸗ kommen, wie es die Interessen des Staates zulassen. Wie weit dies geschehen kann, darüber müssen wir uns die Entscheidung vorbehalten; ein bestimmtes Versprechen haben wir nicht abgegeben. 1
Abg. Dr. Freiherr von Heereman: Die nstellung der Geist⸗ lichen, der Bischöfe, die ganze Disziplinargewalt gehören doch zu den inneren Angelegenheiten der Kirche. Der Staat kann die Grenze zwischen sich und der Kirche nicht nach seinem Gutdünken ziehen. Beide Kirchen haben das Recht, nach ihren Glaubensvorschriften zu leben. Die Kirche muß frei sein, wenn sie ihre heilige Aufgabe er⸗ füllen soll. Die christliche Kirche hat eine höhere Aufgabe als der Staat, sie war früher da. Die Staatsoberhoheit ist die von Gott gesetzte Autorität; streichen Sie diese Grundlage, so erschüttern Sie auch die Monarchie. Die eg sollte erkennen, daß sie sich selbst die beste Unterlage schafft, wenn sie die Kirche fre läßt. Am meisten schädigt sie dadurch den Staat und das öffentliche Wohl. Die einzelnen Kirchen müssen nach ihren Organisationen verschieden be⸗ handelt werden. Wir verlangen ja nicht, daß die evangelische Kirche nach katholischen Grundsätzen geleitet werde. Auf einigen Gebieten, die nicht zu den inneren Angelegenheiten gehören, müssen Staat und Kirche sich einigen; das wird, wenn man bona voluntate und bona fide handelt, leicht zu erreichen sein. Hat die Kirche das Recht be⸗ halten, zu lehren, so hat sie auch das erste Recht auf die Schule, das muß in einem christlichen Staate anerkannt werden. Der Religions⸗ unterricht darf ihr nicht entzogen werden.
Abg. Dr. Sattler: Herr von Heereman hat eben sein kirchen⸗ politisches Programm entwickelt; dasselbe muß doch unseren Wider⸗ spruch hervorrufen; damit verlängert er aber die Debatte, wie ich es mir nicht schlimmer denken kann. Die Sache gehört garnicht hierher. Daß die religiöse Kultur auch die Grundlage sein muß, auf der unsere Gesetze sich bewegen müssen, wer leugnet das? Wir haben uns ja das Bismarck'sche Wort von dem praktischen Christenthum angeeignet. Etwas anderes aber ist es, wie sich der Staat verhält zu den einzelnen Kirchen. Sie werden doch von Menschen geleitet, menschliche Leidenschaften und Schwächen spielen da eine Rolle, und deshalb kann der Staat der Kirche nicht freie Hand lassen. Die Kirchen bewegen sich auch nicht im leeren Raum. Die Kirche kommt tagtäglich in Konflikt mit anderen Personen und anderen rertgi s⸗ Anschauungen. Darum muß der Staat dafür sorgen, daß diese Konflikte nicht über⸗ handnehmen. In anderen Ländern mit lediglich katholischer Konfession haben die Regierungen viel weitergehende Rechte als wir. Der Unter⸗ richt in der Schule gehört durchaus nicht allein der Kirche, das Gegen⸗ theil läßt sich durch die Verfassung nicht rechtfertigen. Die Souveränität des Staats verlangt, daß die Grenzregulierung zwischen Staat und Kirche durch Staatsgesetze erfolge, wenn auch auf Grund von Verein⸗ barungen. — bg. Dauzenberg (Zentr.): Die einzelnen Organe der Kirche können fehlen; thun sie etwas, was nicht recht und in der Ordnung ist, so können sie ja bestraft werden. Ich kann mich in dieser Be⸗ ziehung nur auf Herrn von Heereman beziehen. Die konservative Partei hat zur Zeit des Kulturkampfes einen anderen Standpunkt ein⸗ genommen, als sie jetzt erfreulicherweise einnimmt.
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch: Der Staat hat das Recht, die Grenzlinie mit der Kirche selbst zu ziehen. Die preußische Schule des Hohenzollernstaates ist eine christliche, nicht eine heidnische. Erst als die Kirche nicht mehr in der Lage war, die all⸗ gemeine Schulpflicht durchzuführen, hat er die Schule übernommen, um sie mit den Forderungen der Zeit in Einklang zu bringen.
Damit schließt die Debatte.
Bei den Ausgaben für die evangelischen Konsistorien beschwert sich u““ .
Abg. Brütt (fr. kons.) über die Entscheidung des Konsistoriums in Schleswig⸗Holstein hinsichtlich der Beschlüsse der Gemeinde⸗ vertrckung. Die Hesammtfynode von Schleswig⸗Holstein habe empfohlen, daß die Beschlüsse der Gemeindevertretungen berücksichtigt werden möchten.
Abg. Dr. Lotichius (nl.) tritt dafür ein, daß dem Bezirks⸗ Synodalausschuß in Wiesbaden das Recht gewährt werde, für die Besetzung der Dekanate Vorschläge zu machen, und daß das Amt des Direktors des Konsistoriums in Wiesbaden in ein hauptamtliches ver⸗ wandelt werde, er also von der Regierung unabhängig werde, im Interesse der evangelischen Kirche in Nassau.
Ministerial⸗Direktor D. Dr. von Bartsch: Die erste Frage ist, streng genommen, auch eine innere Angelegenheit der evangelischen Kirche. Indessen will ich zur Beruhigung mittheilen, daß wir eine gesetzliche Revision der Kirchengemeinde⸗ und Synodal⸗Ordnung für Riüssan vorbereiten, wobei dieser Punkt eventuell mitgeregelt werden könnte. Bis jetzt ist die Nothwendigkeit dazu nicht hervorgetreten. Ob die Sache auf dem Wege administrativer Anordnung erfolgen kann, ist eine Frage, für die ich nur eine wohlwollende Erwägung versprechen kann. Aus der Vereinigung der Stellung des Konsistorial⸗
räsidenten mit seinem Hauptstaatsamt im Schulwesen haben sich is jetzt Unzuträglichkeiten nicht ergeben.
Bei den Ausgaben für evangelische Kirchen und Geistliche empfiehlt
Abg. Haacke (fr. kons.) eine anderweitige Regelung der Bureau⸗ und Reisekosten⸗Entschädigung und der Funktionszulagen für die Wangeüschen 1“ 8
Miinisterial⸗Direktor Dr. von Bartsch: Für die älteren . vinzen stehen uns zu diesem Zwecke 78 000 ℳ, für die neuen 46 zur Verfügung. Diese Summen sind bestimmt zu Funktionszulagen und Entschädigungen für Bureaukosten. Vielleicht wäre es wünschens⸗
heiten gehabt.
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esse Ausgaben zu erhöhen, aber der jetzige Augenblick ist am wenigsten dazu geeignet, da uns ja ein Besoldungsgesetz für die evan⸗ gelischen Geistlichen beschäftigen wird.
Bei den Ausgaben für die Bisthümer beschwert sich
Abg. Brandenburg (Zentr.) darüber, daß ein für das katholische Krankenhaus im Bisthum Münster bestimmtes Legat von 9000 ℳ nicht diesem, sondern der politischen Gemeinde behufs Gründung eines Krankenhauses übergeben worden sei. Auch die Annahme einiger anderen Legate habe die Regierung dem katholischen Krankenhause nicht gestattet.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:
Meine Herren! Ich möchte wirklich glauben, daß diese Sache über das Maß ihrer Bedeutung hinaus behandelt wird. Ich bin aber gern bereit, wenn die Sache noch einmal an mich herankommt, sie auch unter dem von dem Herrn Vorredner hervorgehobenen Gesichts⸗ punkt anzusehen. Jetzt möchte ich mir nur die eine kurze Bemerkung an den Herrn Vorredner erlauben, daß ich doch glaube, daß die von uns getroffene Entscheidung nicht ausschließlich unter kirchlichen Gesichtspunkten angesehen werden darf. Bei der Entscheidung sind in erster Linie Gesichtspunkte der Kommunalverwaltung entscheidend gewesen. Es handelte sich um die Frage, ob eine Zivilgemeinde in der Lage ist, ihr Vermögen geschenkweise an eine kirchliche Gemeinde zu überlassen, und zwar zu einem Zwecke, von dem wir allerdings, ich glaube mit gutem Grunde, behauptet haben, daß er nicht in erster Linie ein kirchlicher ist. Denn in erster Linie dient das Vermögen der Kirchengemeinde den Kultuszwecken, wie aus § 4 des Vermögens⸗ verwaltungsgesetzes sich schließen läßt, und erst in zweiter Linie stehen die charitativen Aufgaben, die sonstigen kirchlichen Zwecke, Wohlthätig⸗ keitszwecke u. s. w.
So haben wir die Sache angesehen, und lediglich der kommunale Gesichtspunkt oder der Gesichtspunkt, den die Aufsichtsbehörde der Kommunalverwaltung geltend gemacht hat, den auch die Provinzial⸗ regierung uns gegenüber in den Vordergrund gestellt, hat uns be⸗ stimmt, anzunehmen: es sei nicht zulässig, daß eine Zivilgemeinde ihr Vermögen an eine Kirchengemeinde verschenkt, damit diese ein Kranken⸗ haus baue, während doch die Krankenpflege auch nach unseren zivilen Gesetzen in erster Linie der Zivilgemeinde obliegt. So ist die Ent⸗ scheidung entstanden. Nun sind da kirchliche Gesichtspunkte hinein⸗ gebracht, und uns kirchliche Tendenzen oder vielmehr antikirchliche Tendenzen untergeschoben, die uns ganz fern gelegen haben. Ich habe, als ich die Verfügung unterschrieben habe, garnicht daran gedacht, daß in dieser Beziehung auch nur ein Zweifel obwalten könnte. Ich bin erst darauf aufmerksam geworden durch einen sehr heftigen Artikel eines westfälischen katholischen politischen Blattes, der in dieser Ver⸗ fügung allerhand kirchenfeindliche Tendenzen sah, die uns gänzlich fern gelegen haben. Kommt die Sache nochmals an mich heran so will ich sie unter dem kirchlichen Gesichtspunkte prüfen, den der Herr Abg. Brandenburg hervorgehoben hat.
Abg. Cahensly (Zentr.) beklagt die ungenügende Pastorierung der Katholiken in Frankfurt a. M. infolge der geringen Zahl der Kirchen und bittet, in der Abtei Lahnstein eine Niederlassung der Prämonstratenser zu genehmigen.
Abg. Freiherr von Eynatten (Zentr.) kommt wiederum auf die Frage der konfessionellen Kirchhöfe zurück, in welcher er bei Be⸗ rathung des Etats des Ministeriums des Innern keine genügende Antwort erhalten habe. In früheren Zeiten habe die Regierung auf dem Standpunkt gestanden, daß die Friedhöfe konfessionell getrennt sein sollten; diesen Standpunkt habe sie leider verlassen. Der „Reichsbote“ habe kürzlich einen Artikel darüber gebracht, auf dessen Verlesung er im Interesse einer ruhtgen, sachlichen Erörterung ver-. zichte; solche Artikel könnten dem Frieden nicht dienen.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:
Ich möchte vorausschicken, daß ich es dem Herrn Abg. Freiherrn von Eynatten und seinen Freunden keinen Augenblick verdenken will, wenn sie eine gesetzgeberische Forderung, die sie für berechtigt halten, von der sie glauben, daß sie nützlich im kirchlichen und im staatlichen Interesse sein werde, hier mit allen Kräften vertreten; das ist ihr gutes Recht, dagegen werde ich auch keine Silbe sagen. Ich will auch — indem ich auf die Behandlung der Frage bei der Debatte des Ministe riums des Innern zurückgreife, das noch hinzufügen: sehr böse würd ich nicht gewesen sein, wenn mir damals die Antwort auf die Frage
des Herrn Freiberrn von Eynatten abgenommen wäre; in⸗ dessen es ist allerdings nach dem Verlaufe, den diese Verhandlung im Hause genommen hat, meine Pflicht,
daß ich die Antwort übernehme auch dann, wenn es mir wenig an⸗ genehm ist. Ich muß, um unsere Antwort — sie ist eine ablehnend — zu begründen, zurückgreifen auf den Verlauf, den die Angelegenheit hier genommen hat. Der Herr Abg. Dr. Bachem und Genossen hatten im Februar 1895 in diesem hohen Hause einen Gesetzentwurf aus ihrer Initiative eingebracht, dessen einziger Paragraph dahin lautete:
Die Kirchengemeinden der anerkannten Religionsgesellschaften haben im ganzen Umfange der Monarchie das Recht, auf ihre Kosten Begräbnißstätten für ihre Konfessionsangehörigen zu er⸗ richten.
Dieser Vorschlag fand hier im hohen Hause bei der ersten Lesung zwar einigen Widerspruch, wurde aber doch in eine Kommission ver⸗ wiesen; er fand auch in dieser Anklang und erschien prima vista vielen Mitgliedern des Hauses ziemlich unbedenklich und in mancher Hinsicht einer gewissen Billigkeit entsprechend. Ich mache gar kein Hehl daraus, daß ich damals theoretisch denselben Eindruck gehabt habe. Ich habe dem Antrage nicht seindselig gegenübergestanden — und feindselig stehe ich ihm auch heute nicht gegenüber —, aber ich habe damals nicht auf dem ablehnenden Standpunkt gestanden, den ich heute hier zu vertreten habe.
Die Königliche Staatsregierung hatte einige Jahre vor dem Bachem'schen Antrage aus Anlaß von ein paar einzelnen Fällen, die in der Rheinprovinz hervorgetreten waren, bereits in dieser Frage Ermittelungen angestellt. Wir waren von den Provinzial⸗ behörden darauf aufmersam gemacht worden, daß die Sache im Gebiete des französischen Rechts, in welchem die kommunalen Kirchhöfe die gesetzliche Regel bilden, doch nicht so einfach liege, wie es auf den ersten Anblick erscheint. Namentlich hatten in aabl⸗ reichen Fällen konfessionelle Minderheiten darauf hingewiesen, daß bei der Freigabe der konfessionellen Friedhöfe die kommunalen Friedhöfe nur zu leicht zu Friedhöfen minderer Ordnung herabsinken, und daß die konfessionellen Minderheiten dadurch verletzt und der konfessionelle Frieden geschädigt würde. Die kommunalen Kirchhöfe bestehen über⸗ dies auch noch im vormaligen Herzogthum Nassau und Frank⸗ furt a. M., und es erschien uns dem Bachem'schen Antrage gegenüber
nicht unbedenklich, ohne genaue Ermittelung der thatsächlichen Ver⸗ hältnisse, ohne nochmalige Befragung der Provinzial⸗, Bezirks⸗ und