1901 / 152 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 29 Jun 1901 18:00:01 GMT) scan diff

der Angelegenheit Ugron⸗Rimler als zu nachsichtsvoll und lau aufgefaft werden könne, dürfe daher ungenügender Orientie⸗ rung über die in ausländischen Kreisen herrschende Stim⸗ mung ebeingen. Bezüglich der strengsten Verdammung der gann Machenschaften seitens des Minister⸗Präsidenten ist selbst⸗

tändlich kein Zweifel möglich. Einer Betheiligung an der Er⸗ örterung im Unterhause, wo die viel besprochene Angelegenheit nicht in einer an den Minister⸗Präsidenten gerichteten Anfrage, sondern nur als Zwischenfall berührt worden 88 at sich der Minister⸗ ssddent von Szell mit gutem Grunde enthalten, da andern alls ieser, persönlicher Spekulation entsprungenen Mackenschat eine politische Bedeutung perliehen worden wäre, die ihr nach der Ansicht aller zuständigen Kreise durchaus nicht beigelegt werden darf. 821 .

Großbritannien und Irland.

Die Proklamation des Königs, in welcher Allerhöchst⸗ derselbe die Zeit der Krönung bekannt giebt, wurde, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern Vormittag von dem Balkon des St. James⸗Palastes verlesen. Eine große Menschenmenge hatte sich in der Umgebung des Palastes angesammelt. Der König, in der Uniform eines Admirals der Flotte, nahm mit der Königin, der Prinzessin Victoriä und den Kindern des Hrrhags von Cornwall und York von den Anlagen des

giccoroügh Hatses aus die Zeremonie in Augenschein.

Die marokkanische Gesandtschaft ist gestern von dem König in Abschiedsaudienz empfangen worden. Seine Majestät übergab dem Führer der Gesandtschaft ein Schreiben und das Großkreuz des Bath⸗Ordens für den Sultan.

Das Oberhaus setzte gestern die Verhandlungen über die von dem Herzog von Bedford am 24. d. M. eingebrachte Resolution, in welcher erklärt wird, daß die den Rekruten gewährten Vortheile nicht ausreichend seien, fort. In Erwiderung auf eine Anfrage Lord Monkwell'’s erklärte der Staats⸗ esetät des Auswärtigen Lord Lansdowne, die Regierung abe die Konskription für den Militärdienst im Auslande nicht als einen möglichen Ausweg aus den bestehenden Schwierigkeiten in Erwägung gezogen, und Fffheibgs die Regierungsanträge, Bee. übrigens keine endgültigen seien. Das Problem der Aushebung müsse mit der größten Vorsicht und Ueberlegung angefaßt werden. Lord Wolseleny billigte die neue Armee⸗Korps⸗Organisation, kritisierte jedoch einige Punkte der Antraͤge; er bestritt, daß die Ausbildung der britischen Offiziere mangelhaft sei, und erklärte, die Prufungen, welche die britischen Offiziere zu bestehen hätten, könnten sche wohl mit denjenigen der deutschen Offiziere verglichen werden. Ferner hob er die Nothwendigkeit hervor, daß für Manöyver mehr. Nittel gewährt würden, und erklärte, die britische Armee sei zu klein. Nach weiterer unerheblicher Debatte zog der Herzog von Bedford seinen Antrag zurück.

Im Unterhause erklärte der Parlamentssekretär der Admiralität Arnold Forster, bei dem Mittelmeergeschwader befänden sich jetzt 16 Torpedobootzerstörer; die Admiralität beabsichtige, diese Zahl zu erhöhen, sobald Schiffe für diesen Zweck zur Verfügung ständen.

Frankreich.

Die Deputirtenkammer setzte gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, in ihrer Vormittagssitzung die Berathung der Vorlage, betreffend die Invaliditätsversicherung der Ar⸗ beiter, fort. Es wurde beschlossen, zwei Abänderungsanträge des Deputirten Bienvenu Martin in Erwägung zu ziehen, wonach das Gesetz auch den ländlichen Arbeitern und den kleinen Arbeitgebern zu gute kommen soll. In der Nachmittagssitzung sagt der Deputirte Gauthier an, welche Maßregeln der Minister⸗ Präsident Waldeck⸗Rousseau zu ergreifen gedenke, um den durch die Wetifahrten der Automobile veranlaßten Unglücksfällen ent⸗ gegenzutreten. Am 26. d. M. habe eine Wettfahrt von Paris nach Bordeaux stattgefunden, am 27. d. M. eine solche von Paris nach Berlin. Der Redner nahm dabei Bezug auf das Unglück in Reims. Der Minister⸗Präsident Waldeck⸗Rousseau erwiderte, er würde die Automobilwettfahrten nicht zugelassen haben, wenn es sich dabei nur um eine Frage des Sports und des Vergnügens gehandelt hätte. Er habe sie aber nur unter sehr strengen Bedingungen erlaubt. Künftig werde er indessen keine Wettfahrt mehr genehmigen, welche eine höhere als die normale Geschwindigkeit des Verkehrs habe. Die Landstraßen würden tünftig für Rennzwecke nicht mehr zur beliebigen Verfügung gestellt werden, und Automobile, welche auf den Landstraßen verkehrten, sollten künftig ge⸗ halten sein, sehr deutlich Nummern zu tragen. Das Haus

ing hierauf zur Berathung des Vereinsgesetzes über. er Deputirte Graf de Mun sagte, die Vorlage bedeute den Krieg gegen den Katholizismus, und fragte an, wie die Regierung die Antraͤge der Kon Festtene; auf Autorisierung aufnehmen werde. Der Minister⸗

Präsident Waldeck⸗Rousseau berief sich auf seine früheren sagte, er werde denselben treu bleiben. Der Deputirte Ribot erklärte, er könne nicht für ein Gescs stimmen, das von einer Politik des Hasses eingegeben sei. Schließlich nahm die Kammer mit 313 gegen 249 Stimmen das Vereinsgesetz in der vom Senat angenommenen Fassung an.

Das „Journal Officiel“ veröffentlicht eine Verordnung, wonach bis zum 23. Februar 1902 einschließlich die Anwendung des Minimaltarifs auf die Kolontal⸗Erzeugnisse und den Kaffee aus den deutschen, britischen, dänischen u. s. w. Kolonien und Schutzgebieten stattfindet.

Rußland.

Wie dem „W. T. B.“ aus St. Petersburg berichtet wird, wurden der Generalmajor von Moltke und die deutsche Militärdeputation gestern von der Kaiserin⸗ Wittwe empfangen. 1b

Die vom Lama Dordschiew geführte tibetanische Mission ist gestern in Begleitung von Beamten des Ministeriums des Aeußern von Odessa⸗ nach St. Petersburg abgereist. b

Gestern ist ein Erlaß, betreffend die Errichtung von ollbehörden in Wladiwostok und Nikolajewsk, ver⸗

offentlicht worden.

Erklärungen und

Italien. Nach einer dem „W. T. B.“ zugegangenen Meldung hat der König gestern die Stiftungsurkunde einer Denkmuͤnze für den Feldzug in China unterzeichnet. Das Panzerschiff „Doria“ ist in der Nähe von Gallipoli leicht aufgelaufen. Der Admiral Resasco ist mit zwei Schiffen dahin abgegangen, um es wieder flott

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v In der gestrigen Sitzung des Senats sprach, dem W. T. B.“ ssüg der Vicomte Campo seinen Abscheu

über die Ruchlosen aus, welche in Asturien Kirchen in Brand

steckten, und betonte, daß geschichtliche und künstlerische Denk⸗ mäler bedroht seien. Der Marine⸗Minister Herzog von Veragua erwiderte, die Regierung habe nachdrückliche Maß⸗ nahmen gegen einen derartigen Vandalismus getroffen.

Der Präsident der Deputirtenkammer Vega de Armijo hat seine Stelle niedergelegt. .

Der „Heraldo“ meldek aus Barcelona, die Geistlichkeit habe auf ein Telegramm des Papstes hin beschlossen, am Sonnabend und Sonntag eine Jubeljahrfeier zu veran⸗ stalten. Die Liberalen beabsichtigten eine Gegenkundgebung. Der Rektor der Universität Barcelona habe die Professoren aufgefordert, gegen die antiklerikale Bewegung Einspruch zu erheben. Die liberalen Professoren hätten dies abgelehnt.

Belgien.

Die Repräsentantenkammer lehnte gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, mit 85 gegen 50 Stimmen bei zwei Stimmenthaltungen den Antrag des Mitglieds der Fortschritts⸗ partei Janson ab, welcher dahin geht, die Befragung des Landes in Sachen der Einführung des allgemeinen und gleichen Stimmrechts auf dem Wege des Referendums in Erwägung zu ziehen.

Türkei. Nach einer Meldung des Wiener „Telegr.⸗Corresp.⸗ Bureaus“ aus Konstantinopel wurde der serbische Ge⸗

sandte Gruitsch gestern von dem Sultan in Audienz empfangen. Es verlaute, der Sultan habe die den Grenz⸗ zum Zwecke künftiger Hintanhaltung von Zwischen⸗ fällen ertheilten Befehle dem Gesandten mitgetheilt und ihn ersucht, zu veranlassen, daß gleichlautende Be⸗ fehle auch den serbischen Grenzbehörden zugingen. Gruitsch habe die Frage der Weihe des serbischen Metro⸗ politen in Uesküb Firmilian berührt, worauf der Sultan erwidert habe, daß der gegfnwärtige Moment hierfür nicht günstig sei. Auch der griechische Gesandte Fürst Maprocor⸗ dato wurde vom Sultan in Audienz empfangen. Es heißt, der Sultan habe ihm seine Genugthuung über die Aufrecht⸗ erhaltung der Ordnung und über die güten Beziehungen der beiden Länder ausgedrückt. Rumänien.

Der Senat hat, dem „W. T. B.“ zufolge, gestern mit 55 gegen 4 Stimmen den Auslieferungsvertrag mit Oesterreich⸗Ungarn angenommen. Die Deputirten⸗ kammer nahm den Gesetzentwurf, betreffend die Annullie⸗ rung von 79 ⅛½ Millionen außerordentlicher Kredite, an. Zu dieser Annullierung hatte sich die lesvotive Re⸗

ierung bei der Aufnahme der Anleihe von 175 Millionen im Jahre 1899 verpflichtet. Serbien.

Nach einer Meldung des Wiener „Telegr.⸗Korresp.⸗ Bureaus“ ist in B elgrad amtlich erklärt worden, daß die Mittheilungen der Blätter über angebliche Vorkehrungen u einer Reise des Königs Alexander nach St. Peters⸗ urg durchaus verfrüht seien. Einstweilen stehe nur fest, daß die Reise im Herbst erfolgen und eine Begegnung der Monarchen in St. Petersburg stattfinden werde.

Bulgarien.

Die Sobranje hat, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern. das Kriegsbudget und das Budget der Staatsschulden angenommen. Auf eine Anfrage erklärte der Lcces ,ger sgic Karawelow, daß seiner Zeit die Streichung des ost⸗ rumelischen Tributs im Budget geplant gewesen ses doch sei die Tributzahlung in den Anleiheverträgen vorgesehen worden.

Amerika.

Nach einer Depesche der „Times“ aus Buenos Aires empfiehlt die Finanzkommission der Deputirten⸗ kammer mit einer Stimme Mehrheit die Annahme des vom Senat genehmigten Gesetzes, betreffend die Unifizierung der auswärtigen Schuld. Die Berathung des Gesetzes werde wahrscheinlich am Mittwoch beginnen und die Ab⸗ stimmung am Freitag erfolgen. .

Anecg.

Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Peking vom 28. d. M., es sei daselbst die Nachricht eingegangen, der Ferlog Lan und der Prinz Tuan seien zu Uru m gh in Turkestan, wohin sie verbannt worden, eheerffhm Der russische Konsul

in Urumtsi werde, falls sie diesen Platz verließen, ihre Abreise seiner Regierung melden. Die von der fremden Presse gebrachte die

Meldung, daß chinesische Regierung fremde Hilfe gegen Tungfuhsiang erbeten habe, sei Unzutreffend. Tungfuhsiang sei, den in Peking vorliegenden chinesischen Nachrichten zufolge, ruhig in seiner Heimath, ohne Beschäftigung und ohne Truppen. Li⸗Hung⸗Tschang habe eine Depesche des Gouverneurs von Schansi erhalten, welche besage, die Nachrichten über die Ermordung belgischer Mifflonare seien falsch. Das Gebiet sei vollständig ruhig.

Aus Schanghai berichtet dasselbe Bureau: auf Ersuchen des General⸗Gouverneurs von Nanking Lin⸗kun⸗yi habe der Taotai Scheng allen Konsuln in Schanghai Besuche ab⸗ gestattet, um 8 zu dringen, daß, da alle fremden Streit⸗ kräfte Peking verließen, auch ün. geräumt werde. Dem

Zernehmen nach hätten die Konsuln diese Frage ihren Re⸗ gierungen zur Entscheidung unterbreitet. 1““

Nach einer Meldung des „Reuter'schen Burcaus“ aus Middelburg vom gestrigen Tage hatte die dortige britische Garnison bei dem Angriff, welchen die Buren am 27. d. M. machten, einen Verlust von 6 Todten und 6 Verwundeten.

Aus Upington wird berichtet, eine kleine britische Ab⸗ theilung habe nach einem den ganzen Tag währenden heftigen Gefechte das Kommando Conroy’s aus einer starken Stellung vertrieben. Die Buren hätten fünf Todte verloren. Die Engländer hätten einen Gefangenen gemacht und mehrere Pferde erbeutet.

Kunst und Wissenschaft.

Die vor einiger Zeit vom Antiquarium der Königlichen Museen erworbenen Bronzegefäße und Geräthe aus Boscoreale bei Pompei sind jetzt zusammen mit den Funden aus den Ausgrabungen der Königlichen Museen in Priene im sogenannten griechischen Kabinet der Sammlung antik Skulpturen aufgestellt und der Besichtigung

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sugangle gemacht. In der vorderen Hälfte des Zimmers ind die Funde von Boscoreale aufbewahrt, Funde, die zum theil aus derselben antiken Villa stammen, in der seiner Zeit der ses im Loupremuseum befindliche Silberschatz entdeckt wurde. Es ind zumeist zu dekorativen Zwecken und zum täglichen Ge⸗ beauch bestimmte größere und kleinere Gefäße, unter ihnen Stücke von ausgezeichneter Arbeit und ungewöhnlicher Schön⸗ heit der Form. Hinzu kommen Kandelaber, Lampen und ein reich mit Silber eingelegtes Bettgestell, an welchem der Holz⸗ rahmen modern ergänzt ist. Sämmtliche Bronzen zeichnen sich durch glänzende blaugrüne Patina aus, wie man sie ge⸗ wöhnlich bei den Bronzen aus Pompei bemerkt. 1 In der hinteren Hälfte des Zimmers sind die Fnss aus Priene aufgestellt, hauptsächlich Figuren aus Terrakotta, wie ie zur Ausschmückung der Zimmer in hellenistischer Zeit be⸗ onders beliebt waren. Ein zierliches Bettgestell mit ergänzten Holztheilen zeigt den feiner entwickelten griechischen 69 mack im Gegensaß zu den weniger leichten Verhältnissen des Bettes aus Boscoreale. An den Wänden stehen auf besonderen Postamenten kleine, meist dekorative Skulpturen, während in dem Pultschrank vor dem Ferster eine Auswahl von kleineren e

Gebrauchsgeräthen und Gefäßscherben ausgelegt ist. 1u“

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A. F. Ueber die Herstellung des en.6

9 . dustrielle Zwecke unter Anwendung von flüssiger Luft 8 sprach gestern im Theatersaal der „Urania“, Taubenstraße, Professor Raoul Pictet, bekannt als der erste, dem es vor jetzt 25 Jahren elungen war, Sauerstoff in lüsligem Zustande darzustellen. Seitdem aat, wie der Redner einleitend ausführte, der Fortschritt der Wissenschaft und Technik uns verhältnißmäßig einfache Mittel

gebracht, Sauerstoff nicht bloß zu bereiten, sondern ihn auch zu verflüssigen, ja dieset letztere Fesbe ist in un⸗- erwarteter Art zu der billigsten Methode der Sauerstoff⸗

bereitung erwachsen, und ihm verdanken wir es, wenn wir heute schon, wo diese Entwickelung soeben erst einsetzt, 8. uns phantastischer Uebertreibung schuldig zu machen, auf eine nahe bevorstehende technische Verwerthung des Sauerstoffs von ungeahnter Großartigkeit hinzu⸗ weisen vermögen. Es ist nicht lange her, daß Sauerstoff noch zu den kostspieligen Laboratoriums⸗Erzeugnissen gehörte. Man bereitete ihn zuerst durch Erwärmung des kostharen Quecksilberorydes, dann durch Be⸗ handlung des Kaliumbichromates mit Schwefelsäure, später det chlor⸗ sauren Kalis, das, mit seines Gewichts Braunstein gemengt, erhebliche Mengen Sauerstoff bei seiner Erwärmung liefert. Alle diese Verfahrens⸗ weisen hatten einen beträchtlichen Materlalverbrauch zur Folge und waren deshalb technisch unverwerthbar. Das letztere gilt auch von der Gewinnung von Sauerstoff durch den elektrischen Strom mittels Wasserzerlegung. Von einer technischen Gewinnung des Gases konnte deshalb erst die Rede sein, als man auf Methoden kam, die eine leichte und billige Regenerierung des angewandten Materials gestatteten. Deren giebt es eine gewisse Anzahl: Mangansaures Natron entwickelt, mit einem Dampfstrom behandelt hoher Tempergtur Sauerstoff und wird durch einen heißen Büfsfon regeneriert; feuchtes Kupferchlorid nimmt an der Luft Sauerstoff 89- und glebi 9 ihn bei Erwärmung bis 400 ° ab; Baryumoryd oxvdiert sich bei dunkler Rothgluth zu Superoxyd und giebt bei heller Rothgluth den auf- enommenen Sauerstoff wieder ab u. s. f. In den meisten dieser häle wird Sauerstoff auf ähnliche Weise gewonnen wie man einen Schwamm sich mit Flüssigkeit vollsaugen läßt und letztere dann durch Auspressen des Schwamms wiedergewinnt; doch erweisen sich auch alle diese Methoden als zu kostspielig, um Sauerstoff so billig zu Heehan wie es seine hohe Nützlichkeit wünschenswerth macht. Immerhin ist unter ihrer Anwendung Sauerstoff zu einem technischen Artikel für solche Zwecke geworden, denen ein Marktpreisg des auf 100 Atm. dnleaene gee sen Gases von 10 für 1000 1 nicht zu theuer ist. Erst die Erfcndung von Linde’s Maschine zur Verflüfsigung der atmosphärischen Luft hat uns das Mittel an die 6888 segeben, Sauerstoff zu einem so billigen Preise herzustellen, baß eine Henutzung für eine Menge ihm bisber verschlossener Fweche 8 nahe bevorsteht, ja theilweise schon im Zuge ist. Dies könnte 1 überraschen, da flüssige Luft doch kein ferstost üt und man annehmen sollte, die wiederverdampfte üssige Luft müsse wieder atmosp b se Luft, d. h. vorher bestandene Gemisch von % tickstoff und Sauerstoff ergeben. Dies ist jedoch nicht der Fall⸗ vielmehr vollzieht sich beim Verdampfen der flüssigen Luft eine ziemlich reinliche Trennung der beiden sie zu- sammensetzenden Gase, und zwar Lanh anaglog der Trennung zwischen Alkohol und Wasser, wie solche bei Destillation eines Alkohalwasser⸗ 89 gemisches vor sich geht. Weil Alkohol bei viel niedrigerer Temperatur shß und verdampft als Wasser, scheidet er aus dem Genntsch aus,

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obald die Erwärmung süen Siedepunkt erreicht hat. Das⸗

elbe geschieht bei der fluüssigen Luft, weil der Siedepunkt des Stickstoffs wesentlich niedriger liegt, nämlich unter gewöhn⸗ lichem Luftdruck bei 194 ½ 0 C., als der

erst bei einer Temperaturerhöhung auf 183° C. siedet. Professor Pictet bewies dies im Verlauf seiner Experimente, indem er in einem großen gläsernen Gefäß flüssige Luft auf Wasser von der Temperatur des Wasserleitungswassers goß, wobei natürlich sofort eine Erwärmung der wie Oel auf dem Wasser schwimmenden flüssigen Luftschicht ein⸗ trat, die sich durch heftiges Dampfen anzeigte. Diese Hampfe waren im Anfang aber ausschließlich von Stickstoff, wie ein hineingehaltenes brennendes Streichholz, das erlosch, bezeugte. Dann trat ein kurzes 8 G und hierauf ein heftiger

der des Farae

der Verdampfung

Wiederbeginn derselben ein. Jetzt aber machten die Dämpfe ein glimmendes Streichholz hell aufflammen, sie waren also der Sauerstoff und würden, in einem Gasometer aufgefangen, ein Gas von entsprechender Reinheit ergeben haben. So ungefähr hat man sich also die Gewinnung von Sauerste gas aus flüssiger Luft zu denken, und es liegt nahe, daß der praktische Erfolg steht und fällt mit der Möglichkeit, flussige Luft aufs Billigste und in ausgiebigster Menge herzustellen: das Rohmaterial ist in der uns umgebenden Atmosphäre ja in unerschöpflicher Menge vorhanden und allgegenwärtig. Wie diese Aufgabe zu lösen ist, zeigte der Vortragende durch eine Reihe sehr anschaulicher Experimente. Es genügt, Luft unter dem mäßigen, durch eine Pumpe leicht herstell⸗ baren Druck von 2 ½ Atm. durch ein von fluͤssiger Luft umspültes Schlangenrohr zu schicken, um sie zu verflüssigen und sie in ununter⸗ brochenem Strahl aus dem Rohr zu gewinnen, vorausgesetzt, daß man den Verlust an flüssiger Luft in dem äußeren Gefäß immer wieder ersetzt. Professor Pictet zeigte diesen Versuch durch den Bild- werfer, und zwar erst an Luft aus dem Saale, dann auch an Sauer⸗ stoff, der einer damit angefuͤllten Bombe entnommen wurde. Man sab deutlich die flüssig werdende Luft in dem gläsernen Schlangenrohr rinnen, vermischt mit flockiger Kohlensäure, die in der Saalluft ziemlich reichlich⸗ vorhanden war, bei der Temperatur der flüssigen Luft aber schon in Schnee verwandelt wird und nachher, wie das Experiment erwies, leicht abfiltriert werden kann. Als Gefäße für die flüssige Lust waren die von Dewall erfundenen doppelwandigen, kugeligen Glas⸗ gefäße in Anwendung, die, wie der Redner rühmend hervorhob, in einer auch im Auslande bewunderten Vorzüglichkeit von dem Glas⸗ techniker R. Burger in Berlin, Chausseestraße, hergestellt werden. Der flüssig gemachte Sauerstoff gab dem Vortragenden Gelegenheitt zu einem überraschenden Experiment. Er goß denselben in ein Weinglas, dasselbe, halb anfüllend, und tauchte in die stark dampfende Flüssigkeit eine schwach glühende Stahlfeder, die troz des enormen Temperaturunterschiedes auch im flüssigen Sauerstof sofort unter Funkensprühen verbrannte, bezw. kuglig zusammenschmolz. Der zweite Theil des Vortrags heschäftigte sich, nachdem in dene vorangehenden die Möglichkeit massenhafter Harstellung billigen Sauer. stoffgases erwiesen, mit dessen technischer Verwerthung. Auch hier ist natürlich durch den Preis, so billig er zu erreichen sein wird, wenn obige Anordnung benutzt wird und die Linde⸗Maschine nur eben soweit mit⸗