1902 / 35 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 10 Feb 1902 18:00:01 GMT) scan diff

Strafvollzugsreglement, dieses in den Einzelstaaten in Kraft gesetzt und dadurch die Reichsgesetzgebung und die Rechte des Reichstages umgangen. Wir haben das hier schon vor zwei Jahren hervor⸗

eehoben; ich hoffe, daß nach und nach das Volk wieder ein Fnpresfe für diese rage bekommen und sich die Ent⸗ rüstung über diese Mißwirthschaft Bahn brechen wird. In

den letzten Tagen sollen die preußischen Minister des Innern und der Justiz eine Anweisung gegeben haben über die Behandlung von gewerkschaftlichen Vorkommnissen; es soll gegen diejenigen, welche auf den Beitritt zu Gewerkschaften hinwirken, wegen Erpressung vor⸗ eegangen werden. Es ist das die Entwickelung einer ungeschickten die man eigentlich voraussehen konnte. So geht es nicht weiter mit der Auslegung der Erpressungsparagraphen durch die Judikatur. Vergehen wegen Erpressung zeichnen sich durch eine un⸗ gewöhnliche Höhe der Minimalstrafen aus, und das Volk stellt sich darunter eins der niedrigsten Vergehen vor. Das Reichsgericht denkt darüber anders; der rechtswidrige Vermögensvortheil wird vom Reichsgericht dahin aufgefaßt, daß jeder Vermögensvortheil, auf den man noch keinen Anspruch hat, rechtswidrig ist. Wenn andererseits unter Androhung irgend eines Uebels ein Vermögensvortheil angestrebt wird, so kann der T ““ noch so berechtigt sein, die Be⸗ strafung erfolgt doch. uf Grund dieser Auslegung sind Arbeiter wegen Erpressung bestraft worden, die nichts weiter gethan haben, als daß sie dem Arbeitgeber sagten: wir arbeiten nur mit Gewerk⸗ schaftlern zusammen; wenn der und jener nicht geht, gehen wir! Als wir hier im Hause dieser Auslegung vorbeugen wollten, hat uns das ganze Haus, auch Herr Bassermann, im Stich gelassen. Diese ganze verkehrte Praxis hat jetzt einen Effekt erzielt, der viel⸗ leicht eine Aenderung herbeiführen kann; es ist nämlich auch ein Arbeitgeber verurtheilt worden, der einem Dritten angedroht hatte, er werde den Geschäftsverkehr, mit ihm abbrechen, wenn er nicht von einer bestimmten Konvention seine Waaren bezöge. Er ist allerdings sofort zu einer Geldstrafe begnadigt worden. Wohin soll das führen? Die Erklärung jenes Arbeitgebers war ganz berechtigt. Es wäre ja schon einfache Erpressung, wenn ein Arbeitgeber einen früher von

ihm anerkannten Tarif nicht mehr anerkennt und dem Arbeiter, der damit nicht einverstanden ist, mit Entlassung droht. Vor zwei Jahren wollte der Staatssekretär von

einer solchen Entwicklung der Dinge noch nichts hören. Haben die preußischen Minister auch ein Zirkular erlassen gegen die Arbeitgeber? Das ganze Deutsche Reich ist doch von Syndikaten, von Preiskonven⸗ tionen übersponnen, eins der nächstliegenden Beispiele ist der Berliner Milchring, der den Firmen, die nicht von ihm bezogen, öffentlich an⸗ gedroht Feh er ihnen alle Geschäftsverbindungen abschneiden wird. Das ist völlig berechtigt nach meiner Meinuug; daß aber ein Minister in der Hauptstadt, in der er wohnt, trotz jener Judikatur dennoch nicht einschreitet, wäre mir beinahe unverständlich, wenn nicht eben bei unseren preußischen Verhältnissen alles das nur zu begreiflich wäre. Werden Vorarbeiten für eine zeitgemäße Umarbeitung des Strafgesetzbuches gemacht? Dieses Strafgesetzbuch ist als Reichsgesetz über 30 Jahre alt, aber eigentlich über 50, weil man das alte

reußische Gesetz von 1851 ziemlich hastig übernommen hat. Die Zeiten hehen sich seitdem sehr geändert, und eine große Anzahl von Straf⸗

stimmungen hat sich durch die Auslegung der Juristen ins Gegen⸗ theil vereber. Ich erinnere nur an den preußischen Haß⸗ und Ver⸗ achtungsparagraphen, der eine Einschränkung bedeuten sollte, aber durch die Judikatur wieder ganz den Inhalt bekommen hat, den er vor 1871 hatte. Die Begriffsjurisprudenz, die Juristenrechtsprechung ist schuld daran, daß die Strafjustiz jetzt ganz mangelhaft daß das Zutrauen in unsere Justiz in rapider Abnahme begriffen ist. Die Schwierigkeit, die verschiedenen Regierungen unter einen Hut zu bringen, kann doch so groß nicht sein; hat man sich doch unter ihnen seiner Zeit auch über die Zuchthausvorlage geeinigt.

Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Dr. Nieberding:

Meine Herren! Aus den sehr weit auseinander laufenden Aus⸗ führungen des Herrn Vorredners möchte ich zunächst diejenigen drei Punkte herausnehmen und beantmorten, die mir überhaupt einen festen Anhalt für eine sachliche Beantwortung bieten. Das ist zunächst die Frage, die der Herr Vorredner an mich gerichtet hat, indem er Bezug nahm auf eine Verfügung, die angeblich von dem preußischen Herrn Justiz⸗Minister und dem preußischen Herrn Minister des Innern dahin ergangen sei, den Anklagebehörden gewisse Direktiven zu geben für ihr Vorgehen gegen Gewerkschaften unter dem Titel der Erpressung. Er nehme die Thatsache, daß eine solche Anweisung ergangen sei, als gegeben an und richtete an mich mit einer gewissen Spitze dann die Frage, ob mir etwa bekannt geworden sei, daß die preußischen Herren Minister auch eine gleiche Anweisung erlassen hätten bezüglich des Vergehens gegen Arbeitgeber, die etwa unter demselben Titel verfolgt werden könnten.

Ich habe auf diese Anfrage zu erwidern, daß ich nicht weiß, ob solche Anweisungen ergangen sind; sollten sie ergangen sein, so gehören sie zu dem intimen Verkehr des Ressort⸗Ministers mit den Staats⸗ anwaltschaften und Polizeibehörden. Dieser Verkehr der Ressort⸗ Minister eines Staats mit ihren untergeordneten Organen fällt nicht unter diejenigen Dinge, mit denen das Reichs⸗Instizamt sich zu befassen beauftragt ist. Würde ich nach dieser Richtung eine Anfrage an die Herren Minister Preußens richten, so würden sie es ablehnen, darauf zu ant⸗ worten, und mit Recht. Denn wie wir im Reiche verlangen, daß die Landesbehörden in den deutschen Staaten unsere Befugnisse, unsere Machtvollkommenheiten achten und in ihren Grenzen uns freie Be⸗ wegung gestatten, so müssen wir auch den Landesbehörden der einzelnen Bundesstaaten das Recht einräumen, in den Grenzen, die die Reichs⸗ verfassung uns ihnen gegenüber gesetzt hat, frei zu walten, ohne des⸗ halb den Reichsbehörden Rechenschaft zu geben.

Der Herr Abgeordnete hat an diese Frage noch eine längere Aus⸗ einandersetzung geknüpft über die Judikatur namentlich des Reichs⸗ gerichts in Ansehung der Erpressung. Er hält diese Judikatur für unrichtig. Ich lasse das dahingestellt, ich kann mich hier auf eine Kritik der Judikatur des Reichsgerichts nicht einlassen, meine Herren. Immer ist im Reichstage besonderes Gewicht darauf gelegt worden, daß die Verwaltung sich einer Beein⸗ flussung der Rechtsprechung enthalte. Ich werde auch in diesem Fall Zurückhaltung beobachten. Ich sollte meinen, wenn ich das thue, müßte der Herr Vorredner mir beistimmen und nicht im Gegentheil mich veranlassen wollen, vom Standpunkt der Verwaltung aus die Judikatur des höchsten Gerichtshofs kritisch zu beeinflußen.

Die zweite Frage, die der Herr Abgeordnete an mich gerichtet hat, bezog sich auf die gesetzliche Regelung des Strafvollzuges. Er richtete an mich die Frage, ob eine gesetzliche Regelung des Straf⸗ vollzuges in Bälde zu erwarten sei, und wies darauf hin, daß bereits 30 Jahre verflossen seien, seitdem das Strafgesetzbuch die Grundlage für eine solche gesetzliche Regelung gegeben habe. Das ist richtig, und ich bedaure mit dem Herrn Abgeordneten, daß es bisher noch nicht möglich gewesen ist, zu einer solchen Regelung zu gelangen; denn daß eine solche Regelung im Sinne der Reichsgesetzgebung erfolgen muß, erkenne ich ohne weiteres an. Der Herr Abgeordnete sollte aber doch auch so unbefangen sein, anzuerkennen, welche Schwierigkeiten für die Durchführung dieses gesetzmäßigen Gebots in den thatsächlichen Verhältnissen begründet sind. Die Reichs⸗ verwaltung und die preußische Regierung haben bekanntlich bereits vor

29 Jahren den Versuch gemacht, zu einer solchen Regelung zu ge⸗ langen. Sie haben damals von dem Versuch absehen müssen, und die Gründe, die dazu führten, sind damals auch allerseits gewürdigt worden. Und noch im vorigen Jahre, meine Herren wenn Sie sich der damaligen Etatsdebatten erinnern wollen —, hat der Herr Abg. Spahn darauf aufmerksam gemacht, daß hier zwar eine unerläß⸗ liche Forderung an die Gesetzgebung vorliege, daß man aber die Schwierigkeiten nicht verkennen dürfe, die der baldigen Durchführung der gesetzlichen Regelung im Wege ständen. Meine Herren, ich habe auch meinerseits bereits in früheren Jahren Gelegenheit gehabt, auf diese Schwierigkeiten hinzuweisen, und gerade diese Schwierigkeiten waren die Veranlassung, daß auf Veranstalten der Reichsverwaltung die Bundesregierungen sich verständigten, um eine gewisse gleichmäßige Durchführung des Strafvollzuges mangels eines einheitlichen Gesetzes vorläufig zu erreichen. Der Herr Abgeordnete ist zwar der Meinung gewesen, daß dieser Versuch der Bundesregierungen, unter sich eine Verständigung zu erzielen auf einem Gebiete, das bis dahin von der Gesetzgebung noch nicht ergriffen worden ist, ver⸗ fassungswidrig sei. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Aber er hat eine Begründung dieser seiner Ansicht nicht gegeben. Ich kann nur sagen, es widerspricht diese Ansicht der gesammten Tradition der Reichsentwickelung ebenso sehr wie der gesammten wissenschaft⸗ lichen Lehre. Was wir gethan haben, haben wir gethan auf einem Gebiete, auf dem wir vorläufig zu einer gesetzlichen Regelung nicht kommen, in der wohlbegründeten Absicht, diese gesetzliche Regelung vorzubereiten, zu erleichtern und zu beschleunigen. Wir hatten die Erfahrung machen müssen, daß, da nach dieser Richtung hin keine gleichmäßigen Vorschriften bisher bestanden, mehr und mehr in den einzelnen Staaten der Strafvollzug sich auszuwachsen neigte in aller⸗ hand Partikularitäten, die in ihrer Mannigfaltigkeit dem Sinne des Strafgesetzbuches entgegen sind, und die wohl geeignet sein würden, in Zukunft eine gleichmäßige gesetzliche Regelung zu erschweren. Gerade um nach dieser Richtung hin uns freie Bahn zu halten, um nicht neue Hindernisse zu den schon vorhandenen sich aufthürmen zu lassen, ist die Verständigung zwischen den Bundesregierungen ergangen, und das ist nicht gesetzwidrig, im Gegentheil, das ist durchaus im Geiste des Strafgesetzbuches erfolgt.

Der Herr Abgeordnete hat mit einer gewissen spöttischen Miene gemeint, ein solches Strafvollzugsgesetz könne ein Geheimer Rath sehr bald machen, dazu gehöre ja nicht viel, und die Wissenschaft, alle Welt, sei eigentlich darüber einig, daß ein solches Gesetz schleunigst gemacht werden müsse. In eine Erörterung über die Schwierigkeit einer solchen Gesetzgebung, die von anderen Seiten in diesem Hause anerkannt worden ist, will ich auf eine Kritik gegenüber dem Herrn Abgeordneten mich nicht einlassen. Was aber die Stellung der wissenschaftlichen Welt zu dieser Frage betrifft, so möchte ich hier auf eine Autorität verweisen, die vielleicht auch der Herr Abg. Heine an⸗ zuerkennen geneigt sein wird; das ist der bekannte Strafrechtslehrer Professor von Liszt. Liszt hat in einem seiner Lehrbücher auch die Frage des Strafvollzugs behandelt und bei dieser Gelegenheit die Geschichte der Regelung des Strasvollzugs im Deutschen Reich berührt.

Er hat darauf hingewiesen, daß im Jahre 1879 der Versuch gemacht worden ist, eine gesetzliche Regelung herbeizuführen, und daß dieser Versuch gescheitert ist. Man würde nun vom Standpunkte des Herrn Abg. Heine glauben müssen, er hätte dieses Scheitern mit lebhaftem Bedauern erwähnt. Wie aber spricht sich Herr von Liszt aus? Er sagt:

Gut, daß es so gekommen ist. Mehr und mehr festigt sich in den zum Urtheil berufenen Kreisen die Ueberzeugung, daß ohne eine Umgestaltung unseres gesammten Strafensystems eine befriedigende Regelung des Strafvollzuges unmöglich ist.

Damit steht Herr von Liszt nicht auf dem Standpunkt des Herrn Abg. Heine, sondern durchaus auf dem Standpunkt der verbündeten Regierungen. Wenn ich eine solche Autorität hier anführe, so glaube ich, darf ich dem Herrn Abgeordneten gegenüber sagen, daß die literarische Kritik und die Wissenschaft seinen Standpunkt nicht theilen.

Meine Herren, es ist in der That so: wir haben, seitdem die Ver⸗ ständigung unter den Regierungen erfolgt ist, die Sache nicht etwa auf sich beruhen lassen, wenn wir auch nicht so schnell, wie der Herr Abg. Heine meint, eine gesetzliche Regelung zu bewerkstelligen in der Lage sind. Wir haben uns dabei mehr und mehr überzeugen müssen, daß wir zunächst an die Reform unseres Strafensystems gehen können, bevor wir die Organisationen und die Anstalten schaffen, in denen das reformierte Strafensystem zur Ausführung gebracht werden soll (sehr richtig! in der Mitte); denn wir würden sonst dahin kommen, daß wir jetzt Einrichtungen treffen von sehr erheblichem Umfange, von weittragender finanzieller Bedeutung, und daß der ganze Bau, den wir auf diese Weise errichtet haben, sofort, nachdem die Reform des Strafensystems durchgeführt ist, wieder abgebrochen werden müßte. Wir müssen also, wenn wir umsichtig, auch finanziell vorsichtig vorgehen wollen, unsere Arbeiten zunächst darauf richten, daß unser Strafensystem umgestaltet wird.

Und damit, meine Herren, komme ich auf die dritte Frage, die der Herr Abgeordnete an mich gerichtet hat, die Frage, ob im Reichs⸗ Justizamt Vorarbeiten schweben wegen Umgestaltung des Strafgesetz⸗ buchs., Ich habe bereits vor mehreren Jahren Gelegenheit gehabt, in den Debatten dieses Hauses meiner Ueberzeugung davon Ausdruck zu geben, daß unser Strafgesetzbuch veraltet ist, und ich bin, wie ich glaube, mit dem Herrn Abg. Heine der Ansicht, daß das Strafgesetz⸗ buch, welches wir im Jahre 1870 geschaffen haben, und welches nur das Kind einer politischen Nothwendigkeit ist, damals schon nicht auf dem Höhepunkt der wissenschaftlichen Anforderungen gestanden hat, geschweige denn, daß es jetzt darauf stehe. Ich bin also mit ihm der Ansicht, daß wir zu einer Reform unseres Strafgesetzbuchs kommen müssen, und ich kann nur wiederholen, daß wir mit den Vorarbeiten dafür beschäftigt sind. Nur ist das keine Sache, die sich von heute auf morgen erledigen läßt. Die Reform des Strafgesetzbuchs, des materiellen Strafrechts ist eine der schwierigsten Aufgaben auf dem Gebiete der Gesetzgebung, die großen legislativen Körperschaften gestellt werden können; denn sie hat nicht nur die strafrechtlichen Verhältnisse an sich in ihrer begrifflichen Form zu behandeln, sondern sie greift überall sehr tief in politiss e, wirth⸗ schaftliche, ethische und soziale Verhältnisse hinein, deren verschieden⸗ artige Beurtheilung dann ihren Schatten auf unsere Aufgabe hinüber⸗ wirft. Wir müssen also damit rechnen, daß diese Arbeiten noch längere Zeit in Anspruch nehmen, und ich hoffe, der Herr Abgeordnete Heine wird den Vorwurf nicht erheben, daß wir auch hier

wärtigt, welche Zeit in anderen Staaten schon derzanzes f wo ebenfalls der Erlaß neuer strafgesetzlicher Normen besolgt aeh ohne daß es bis jetzt gelungen wäre, zu einem abf. * gebniß zu kommen. Ich darf nur erinnern an die 95 der Schweiz, wo ein mit anerkannter Gründlichkeit 1 Entwurf seit Jahren vorliegt, ohne daß es bis jetzt hat gelingen können, diesen Entwurf für die legislatorische Behandlung fertig n machen. Ich erinnere Sie an Frankreich, wo seit Jahren eine der⸗ artige Gesetzesvorlage in der Behandlung ist, an Oesterreich. Jahne lang sind diese Staaten mit der nämlichen Gesetzgebung bef⸗ Wenn ich erkläre, daß wir unsererseits mit allem Ernst bemüht diese Reform vorwärts zu bringen, so hoffe ich, werden Sie umg die Rücksicht zukommen lassen, die die Volksvertretungen in andenz Staaten ihren Regierungen gewähren, und sich dabei beruhigen, 8 wir der Sache mit Ernst nachgehen wollen.

Das habe ich zu den drei bestimmten Fragen zu erklären, die ig den Ausführungen des Herrn Abg. Heine enthalten waren. Ja übrigen haben sich seine Ausführungen eigentlich über das ganze Ge⸗ biet des strafrechtlichen Lebens ausgedehnt alle die einschlagenden Fragen hier zu erörtern, gestattet, glaube ich, die Zeit des hohen Hauses nicht recht, bietet meiner Meinung nach aber auch zur Zett ein sachliches Interesse nicht; denn fördern werden wir die Ges⸗ dadurch nicht. Der Herr Vorredner hat schließlich, nachdem er natär⸗ lich überall die kritische Sonde angelegt und überall Anlaß gefunden hat, seinem Mißvergnügen Ausdruck zu geben, sich dahin verstiegen, daß er erklärte im Anschluß an den Fall Bredenbeck, auf de ich nech komme —, es sei keine Schande, so behandelt zu werhen, wie die Gerichte und Polizeibehörden in solchen Fällen die Redaltenre sozialdemokratischer Blätter zu behandeln pflegten, im Gegentheil, es sei eine Ehre geworden, im Namen der Gerechtigkeit so behandelt zu werden, wie dies in Deutschland jetzt geschehe, und die Schanze davon falle zurück, auf diejenigen, die das thun. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Das ist das Attest, das der Herr Abgeorzneie den Gerichten und den Verwaltungsbehörden in Deutschland zusztellt Meine Herren, ich werde über diese übertreibenden Ausdrücke, die wur bei dem Herrn Abg. Heine gewohnt sind, ein Wort nicht verlienn. Ich nagele sie hier fest, damit das deutsche Volk nun weiß, welche Schanddinge von seinen Gerichten und Behörden angerichtet werden. Alles dasjenige, was der Herr Abgeordnete sonst gesagt hat, enthält Allgemeinheiten, auf die ich nicht antworten kann, oder Einzelfälle, die mir nicht vollständig bekannt sind. Wenn er die Güte gehabt hätte, sie mir vorher anzugeben, so wäre ich vielleicht in der Lage ge⸗ wesen, darauf einzugehen. Ich habe ihn vor mehreren Jahren gebeten, das zu thun; es ist vergeblich gewesen, und ich enthalte mich daher, di Dinge zu erörtern, bis auf den Fall Bredenbeck. Der Fall Bred beck konnte ja auch der Aufmerksamkeit des Reichs⸗Justizamts nie entgehen, da er weitläufig sowohl in der Presse, wie auch i

Herr Bredenbeck aus dem Gefängniß abgegeben war, ging er aus dem

schon es hätten weiter bringen können, wenn er sich vergegen⸗

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preußischen Abgeordnetenhause erörtert worden ist Ich muß a zunächst zum Falle Bredenbeck betreffs der Kompetenz der Reichs⸗ verwaltung über die Kompetenz dieses hohen Hauses will ich nicht sprechen erklären, daß es sich bei dem Transport des Redakteurs Bredenbeck einestheils von Dortmund nach Herford, anderentheils

von Dortmund nach Münster nicht um Akte gehandelt hat, für die die Gerichte die Verantwortlichkeit zu tragen

hatten, auch nicht die Gefängnißverwaltungen, sondern es hat sich da um einen Akt der polizeilichen Thätigkeit gehandelt. Sobald der

Bereich der Verantwortlichkeit der Justiz und der Gefängnißbehörde über in die Hand der polizeilichen Instanzen, die für dasjenige einzu⸗ stehen hat, was dort geschehen ist. Was in polizeilicher Be⸗ ziehung aber von seiten der einzelstaatlichen Behörden geschieht, das unterliegt nicht der Kognition der Reichsverwaltung, namen lich des Reichs⸗Justizamts (Zuruf bei den Soziealdemokraten) und wenn Sie also hier bei dem Reichs⸗Justiz⸗Etat die Thätigkeit des Reichs⸗Justizamtes kritisieren und die Thätigkeit der Reichever⸗ waltung überhaupt, so werden Sie nicht solche Akte heranziehen können, auf die einzuwirken, den Reichsinstanzen verfassungsmäßig nicht möglich ist. Aber es ist mir doch einiges amtlich bekannt von dem genannten Fall, und ich will nur gewisse Thatsachen ven um festzustellen, daß die Vorwürfe des Herrn Abg. doch nicht so gar tragisch zu nehmen sind. Der Her M⸗ geordnete hat allerdings den Transport in Fesseln überhangt, so wie er hier erfolgte, getadelt. Ich kann bis m einem gewissen Grade dieser seiner Kritik beitreten. Ich darf aach erklären, daß die zuständigen Instanzen in Preußen das Verhalten der Behörden in diesem Fall nicht für richtig gehalten haben. Es bestehen in Preußen Vorschriften, nach welchen die Frage, ob ein in transportierender Gefangener gefesselt werden soll oder nicht in jedem einzelnen Fall einer besonderen Prüfung zu unterwerfen ist und die Fesselung nur angeordnet werden darf, auf schriftliche Anweisung eines höheren Beamten. Dieser Verfügung ist in dem hier vorliegenden Falle nicht entsprechend gehandelt worden. Wäre es geschehen, so wäre es viel⸗ leicht zur Fesselung nicht gekommen. Ich halte es deswegen für wahr⸗ scheinlich, weil bei dem Transport des Herrn Bredenbeck von Herford nach Dortmund eine Fesselung nicht stattgefunden hat, und es ist mir nichts bekannt, was die Annahme ausschließen könnte, daß, wenn ein Transport von Herford nach Dortmund ohne Fesselung erfolgen

konnte, dieses auch umgekehrt möglich gewesen wäre. Also nach dieser Richtung ist Korrektur geschaffen, und ich hoffe daß ähnliche Dinge sich nicht wieder ereignen werden.

Es können ja Versehen überall vorkommen, sie kommen bei den Ge⸗ richten vor, wie bei den übrigen Behörden, sie kommen sogar bei Rechtsanwälten vor; aber niemandem fällt es ein, deshalb einen ganzen Stand oder eine ganze Klasse zu verurtheilen; immer spricht man nur von einzelnen Fällen, die der ganzen Beamtenklasse, einem ganzen Verwaltungsressort nicht zur Last gelegt werden können. Also, bitte, seien Sie so gut, in gleicher Weise auch hier zu verfahren.