Niederlande.
Der frühere Minister der Kolonien Fransen vande Putte ist, wie dem „W. T. B.“ aus dem Haag gemeldet wird,
gestern gestorben.
Belgien.
Dir EE hat gestern Vormittag, wie dem „W. T. B.“ berichtet wird, eine kurze Sitzung abgehalten, in welcher mit der Verlesung der verschiedenen Artikel der Kon⸗ ventton begonnen wurde. Die Unterzeichnung der Konvention soll heute Vormittag stattfinden. —
Das Brüsseler Journal „Etoile Belge“ veröffentlicht, wie „W. T. B.“ mittheilt, den Wortlaut der Zucker⸗ konvention, welche gestern der Konferenz vorgelegt worden ist. Die Hauptpunkte der Konvention sind folgende:
Die vertragschließenden Parteien verpflichten sich nach Artikel 1, am Tage des Inkrafttretens des gegenwärtigen Abkommens die direkten und indirekten Prämien abzuschaffen, welche bisher der Produktion oder dem Export von Zucker gewährt wurden und, so⸗ lange das Abkommen in Kraft bleibt, keine Prämien solcher Art ein⸗ zuführen. Konfituren, Chokolade, Biscuite, kondensierte Milch und alle aͤhnliche Erzeugnisse, welche einen namhaften Bestandtheil von künstlich
Saxe V 8 5 ker gleich⸗ ihnen beigefügtem Zucker enthalten, werden dem Zucker
6 8 59 Paragraphen. Der Artikel 2 gestellt und fallen unter diesen P stetien durch Stuats⸗
regelt die Kontro abriken und Raffin 6 “ 1 8 Ktceler Se Fabrftchten sich die vertragschließenden Staaten, den Ueberzoll, d. h. den Unterschied zwischen Steuer⸗ belastung des ausländischen und des inländischen Zuckers, auf die Höchstziffer von 6 Fr. für 9 kg raffinierten und ihm gleichzustellenden Zuckers und 5½ Fr. für anderen Zucker zu beschränken. Durch Artikel 4 verpflichten sich die vertrag⸗ eren n, we 1 8 8 mien Poll nn heldhe darf nicht geringer sein als die von dem Ursprungslande des Zuckers gezahlten direkten oder indirekten Prämien. Die Parteien behalten sich die Befugniß vor, die Einfuhr von Prämien⸗ zucker zu verbieten. Sie verpflichten sich gegenseitig, zu dem geringsten Zollsatze ihres Einfuhrtarifs den Zucker aus den Vertragsländern oder den Kolonten, welche keine Prämien gewähren, zuzulassen. Rohrzucker und Rübenzucker dürfen üche mit dexschgdnem Zänren delegse. warchen Arti werden Spanien, Italten, en Zurch Arttte aeef n enaltenen Verpflchtung bezuͤglich der Pre⸗ duktionsprämien, ebenso wie von den in Artikel 3 und 4 auf⸗ gezählten Verpflichtungen solange befreit, als sie keinen Zucker exportieren. Artikel,7 verfügt die Schaffung einer ständigen inter⸗ nationalen Acfichtskommäsirg mit dem Sitz in Brüssel. Diese Kommission soll eine Kontrole ausüben und in streitigen Fällen sowie bezüglich der Frage der Zulassung von Staaten zur Kon⸗ vention, welche an der Konferenz nicht theil de Gühe die Ent⸗ scheidung E11“ 2S Feme es a. Art über ebung und Zuckerstatistik, ung 9 Aügt llein der ercs stets s ec sanban auch der übrigen Länder fammeln, sichten und veröffentlichen. Zu diesem Zwecke werden die ee sauf dertenee gs 22 Uüfen Leh chen Regierung, ie sie ihrerseits der Kommissi. zu⸗ süülen wird, alle Gesetze, Verordnungen und Reglements über den Zucker zugehen lassen, die in ihren Ländern bestehen oder ein⸗ geführt werden, und ebenso alle Statistiken, welche dem Zwecke der n nuissten hn fen gears Jeder ee 8 ich in der Kommission durch einen Delegirten oder . girten und durch einen beigeordneten Delegirten vertreten lassen. Die erste Versammlung der Kommission wird spätestens drei Monate vor dem Inkrafttreten der Konvention stattfinden. Die Kommission wird H Lelechr heßgelsßden Fragen efraten. und zwar 8 die belgische Regierung, die sie den Intere enten zugehen läßt; wenn einer ies vertragschließenden Theile einen ent⸗ sprechenden Antrag stellt, wird die Kommission den Zusammentritt Mes Kenferenn. vesdngsslen, jwslche Ze 889 8 Umstchnben eföcherten men eeßen wird. Im Art. verpflichten si ie vertragschließenden Theile für sich und für ihre Kolonien und Be⸗ sitzungen — mit Ausnahme der autonomen Kolonien Großbritanniens — die nöthigen Maßnahmen zu treffen, um zu verhindern, daß ö“ 1 chieß gg ö aegablt. sind und ende L. 0 Markte, für den er bestimmt ist, die Vortheile der Kon⸗ Venshe;, 88 Töäö 1 88 biecer gen Vorschläge machen. Artikel 9 bestimmt: Staaten, welche nicht Unterzeichner der Konvention sind, kann auf ihren Antrag und, nachdem die ständige Kommis ion ihre Ansicht geäußert hat, der Bei⸗ tritt gestattet werden. Nach Artikel 10 wird die Konvention am 1. September 1903 in Kraft treten und fünf Jahre von diesem Zeit⸗ punkt ab in Kraft bleiben. Nach Ablauf dieser Periode gilt die Konvention immer für ein Jahr verlängert, wenn nicht ges A1“ e n Sene 6 notifiziert, au er Konvention auszutreten. Artikel 11 bestimmt, deß die Konvention auf überseeische Provinzen, Kolonien und Besitzungen der vertragschließenden Mächte Anwendung findet; ausgenommen sind alle britischen und nieder⸗ ländischen Kolonien, bezüglich esn se Eärgigen in Betreff der Be⸗ stemnnüggen, der Artikel 5 und 8 im Schlu⸗ Zprotokoll aufgenommen . 3 L d 2 0 8 2 ire. vorgeschriebenen Bestimmungen. Die Ratifizierung der “ soll am 1. Februar 1903 oder früher in Brüssel attfinden. Die Konvention wird nur obligatorisch, wenn sie wenigstens
von den Mächten unterzeichnet ist, die nicht von den Ausnahme⸗ Für den Fall, daß
der eins auf dem
beütimmungen des Artikels 6 getroffen sind. 88 donvention von einer oder mehreren dieser Mächte nicht innerhal fort Escsehenen Frist ratifiziert ist, wird die dgäce Regierung so⸗ unterzeich Entscheidung der übrigen Mächte, welche die Konvention ihnen 88— bagenahuüber die Inkraftsetzung der Konvention unter 0 in herbeiführen. Kon dn Schlußprotokoll heißt es in Bezug auf den Artikel 3 der behalken 1 de 3 die vertragschließenden Theile sich das Recht vor⸗ Fall, daß 6 Erhöhung der Zuschlagsteuern vorzuschlagen für den produzierten Zuchere in einem der vertragschließenden Länder diese Erhöhun ückers bei ihnen eingeführt wuͤrden. Doch soll treffen und 8 nur den aus diesem Lande stammenden Zucker nicht übersteigen, Betrag von einem Franken per 100 Kilogramm richten. Die Zustimnß Antrag ist an die ständige Kommission zu der Einbruch in e der Kommission darf nur erfolgen, wenn einer ungünstigen wirthia Frage kommenden Markt seine Ursache in lichen, durch eine Wühschaftlichen Lage hat und nicht in einer wirk⸗ gebrachten Erhöhung d ändigung unter den Produzenten zu Stande Regierung, daß Faxg Preise. Zu Artikel 11 erklärt die englische aus den Kolonien dendg Fer Dauer der Konvention dem Zucker Prämie gewährt Krone keinerlei direkte oder indirekte Kolonialzucker keinerlei aind daß im Vereinigten Königreiche Zucker genießen wird. F Vorzugsrechte gegenüber ausländischem voloni⸗ wird. Ferner soll die Konvention den autonomen Kolonien und Ostindie 8 zͤnris 2 ng 1eN. vorgflegt werden, damit diese ihr beitreten Die vbböb6 egierung erklärt zu Artikel 11, daß 2ee der Dauer der Konvention dem Zucker aus niederländischen Kolonien keinerlei direkte oder indirekte Prämie gewährt werden und daß dieser Zucker in den Niederlanden nicht zu einem niedrigeren Zoll⸗ satze zugelassen werden wird, als der ist, den Zucker zahlt, der aus den vertragschließenden Ländern stammt. 5 „W,. T. B.“ bemerkt hierzu, den von ihm eingezogenen Eckundigungen zufolge sei über die Konvention und deren Wortlaäut allseitiges Einverständniß in Brüssel bis jetzt noch nicht erzielt worden.
Bulgarien.
Die „Agence Télégraphique Bulgare“ det, Wahlen zur Sobranje am Sonntag in vollständiger Ruher ohne jeden Zwischenfall vor sich gegangen seien. Gewählt wurden: 97 Anhänger der Regierung, 33 Mitglieder der National⸗ partei (Stoilowisten), 8. Stambulowisten, 10 Karavelowisten, 7 Demokraten, 10 Agrarier, 9 Liberale (Radoslawisten), 8 Sozialisten. Bei sechs Gewählten ist die Parteizugehörigkeit unbestimmt oder sie gehören keiner Partei an. Unter den Gewählten befinden sich die Führer aller Parteien, mit Aus⸗ nahme von Radoslawow, General Petrow und Iwantschow. In Sofia selbst drang die Liste der Regierungspartei gegen⸗ uͤber jener der drei koalierten Oppositionsparteien durch.
meldet, daß die
Amerika.
Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrich traf gestern früh um 7 Uhr 5 Minuten in St. Louis ein. Auf dem Bahnhof fand großer Empfang statt, wobei der Mayor Wells eine längere Begrüßungsansprache hielt und die deutschen Militärvereine dem Prinzen eine Adresse über⸗ reichten. Seine Königliche Hoheit wechselte mit jedem der alten deutschen Seeleute einige Worte. Sodann bestiegen der Prinz und das Gefolge die bereit stehenden Wagen zur Fahrt uͤber die Eads⸗Brücke nach dem St. Lonis⸗Klub. Der Wagen Seiner Königlichen Hoheit wurde auf der Fahrt von berittener Polizei und einer Schwadron regulärer Kavallerie eskortiert; der Prinz wurde überall bejubelt. Vor dem Gebäude des St. Louis⸗Klub war ein Baldachin errichtet. Die Kavallerie stieg vor dem Gebäude ab und präsentierte. Bei der Früh⸗ stückstafel brachte der Bürgermeister Wells ein Hoch auf den Präsidenten Roosevelt und Seine Majestät den Deut⸗ schen Kaiser aus. Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrich erwiderte: 1 8 8
Herr Bürgermeister und Vertreter von St. Louis! Ich wünsche für Ihre freundlichen Worte des Willkommens meinen Dank auszusprechen. Ich habe jeßt den westlichsten Punkt auf meiner Reise erreicht. Leider fann ich nicht weiter westlich und mehr von Ihrem großartigen Lande sehen; doch Sie wissen, meine Zeit ist beschränkt. Seit meiner Ankunft in Amerika bin ich Tag und Nacht durch dieses wunderbare Land gereist. Ich versichere Sie, ich bin, tief gerührt von der Gastfreundschaft und Freundlichkeit, die ich überall und bei Tag und Nacht erfahren habe. Ich wünsche Ihnen allen und auch allen denen, mit welchen ich nicht sprechen, denen ich nicht die Hand schütteln konnte, zu danken. Viele kamen mitten in der Nacht zum Zuge, mich zu bewillkommnen, und ich bin von Herzen dankbar. Eie wissen, wessen Vertreter ich bin. Ich möchte, daß Sie alle als den Zweck meiner Mission verstehen, die Bande der Freundschaft zwischen den beiden Ländern zu festigen. Sie sollen wissen, daß Deutschland stets bereit ist, über den Atlantischen Ozean hinweg Grüße zu wechseln Wund die Hand zu schütteln, wenn immer Sie dazu bereit sind. Ich bin auch Vertreter einer Nation, die stets kampfbereit ist, einer Nation in Waffen, aber nicht einer kriegslustigen Nation. Mein Souverän ist stets Anwalt des Friedens und will Frieden halten mit den Nationen. Die Ausdehnung Ihres Landes und die Größe seines Handels und seine Hilfsquellen haben tiefen Eindruck auf mich ge⸗ macht, und der Eindruck dieser Großartigkeit wächst jeden Tag der Reise. Ich finde, daß die Vereinigten Staaten werth sind, sie zum Freunde zu haben. Nun wollen wir auf das Wohl und Gedeihen von St. Louis trinken!
Nach dem Frühstück unternahm der Prinz Heinrich eine Rundfahrt durch die schönsten Stadttheile und setzte um 11 Uhr die Reise nach Chicago fort, wo der Zug um 61 ½ Uhr ein⸗ traf. Auf dem Bahnhofe waren der Vürgermeister Harri⸗ son, ein aus Bürgern gebildetes Comité und der deutsche Konsul Dr. Wever zum Empfang anwesend. Vom Bahnhofe bis zum Auditorium⸗Hotel bildeten 2000 Polizisten und 2000 ehemalige deutsche Soldaten Spalier derart, daß je ein Soldat neben einem Polizisten stand. Die Wagen, in denen der Prinz und sein Gefosge platzgenommen hatten, wurden von 500 Kavalleristen eskortiert. Sobald dieselben vorüber⸗ gefahren waren, traten die Deutschen aus dem Spalier heraus, zündeten Fackeln an und formierten sich zu einem Fackelzuge, sodaß der Prinz schließlich wurde. Im Auditorium⸗Hotel waren vier⸗ Zimmer für den Prinzen und 50 für das Gefolge angewiesen. Eine halbe Stunde nach der Ankunft begann das Festmahl, für welches zwei Stunden in Aussicht genommen. waren. An dieses schloß sich ein Konzert in der Waffenhalle des ersten Miliz⸗Regiments, wo unter Mit⸗ wirkung eines Orchesters das „Schlachtgebet’“ vom deutschen Männerchor zum Vortrag gelangte. Nach dem Konzert fand in dem in einen Festsaal umgewandelten Theater des Auditorium⸗Hotels ein Festball statt.
Nach einer Meldung aus Ottawa (Canada) ist die dortige Regierung benachrichtigt worden, daß Seine Königliche Hoheit der Prinz Hein rich beim Besuche der Niagarafälle den canadischen Boden nur als Privatmann betreten werde. Zur Begrüßung Höchstdesselben werde jedoch der Gonverneur don Ontario, Sir Oliver M owat, einen Vertreter entsenden.
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Eine Depesche Lord Kitchener s aus Pretoria vom gestrigen Tage besogt, daß der Oberst Anderson, welcher den Convoi der Abtheilung von Donop's befehligte, in Kraaipan mit 9 Offizieren uud 245 Mann eingetroffen sei. — Privatnachrichten zufolge trat, wie „W. T. B.“ be⸗ richtet, der Convoi seinen Marsch am 25. Februar Morgens in der Frühe an und wurde, während es noch dunkel war, etwa zehn Meilen von Klerks dorp angegriffen. Die en der Spitze der Kolonne befindlichen Geschütze und Infanteristen schlugen den Feind zurück. Nach einem scharfen Gefecht nahm der Convoi den Marsch wieder auf, als der Feind einen neuen Angriff machte und bis auf hundert Hards
8 gelang, mehrere Wagen so zu be⸗ drängen, daß die Zugthiere derselben durchgingen. Es gelang jedoch der Infanterie, den Feind zurückzutreiben. Dies Gefecht nahm etwa zwei Stunden in Anspruch; dann setzte sich der Convoi wieder langsam in Bewegung, als die Nachhut desselben heftig angegriffen wurde und um Geschütze bat. In demselben Augenblick stieß. die feindliche Streitmacht mit großer Kraft vor, warf sich zwischen die Nachhut und die linke Flanke des Convoi und verursachte dadurch, daß die Maulthiergespanne nach allen Seiten hin durchgingen und die Infanterie in Verwirrung gerieth. Hieraus zog der Feind Vortheile, indem er die sereissentes Ab⸗ theilungen der Eskorte niederritt. Alle Nachrichten stimmen darin überein, daß die britischen Truppen sich zwei Stunden lang sehr tapfer schlugen, und daß während dieser Zeit die Geschütze und die Pompons den größten Theil ihrer Munition verfeuerten. Zweihundert Mann be⸗ rittener Truppen kamen aus Klerksdorp heraus, wurden aber durch die große Uebermacht des Feindes im Schach
herankam, sodaß es ihm
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von dem ganzen Fackelzuge geleitet⸗
gehäst. dessen Gesammtstärke auf 1200 bis 1700 Mann eschätzt wurde. Dieselben waren in Eile aus fast allen ommandos des westlichen Transvaal zusammengezogen worden. Die Burenfüh er Delarey, Kemp, Colliers und Lemmer vahmen an dem Gefecht theil. Wie weiter berichtet wird, soll Lemmer gefallen sein. 1 Wie der „Standard“ aus Klerksdorp vom 1. d. M. meldet, bestand die Abtheilung von Donop s, welche mit dem Convoi gefangen genommen wurde, aus 580 Mann mit 2 Feld⸗, 1 Pompon⸗ und 2 Maximgeschützen. Ein weiteres Telegramm Lord Kitchener’s aus Pretoria meldet, daß bei den Kämpfen in der vergangener Woche 69 Buren getödtet, 15 verwundet, 903 gefangen ge nommen worden seien, 105 hätten sich ergeben. Kekewich und Greenfell’'s Truppen verfolgten Delarey's Streit kräfte, welche sich in kleine Trupps getheilt hätten. Lor Methuen sei mit einer Kolonne von Pryburg auf Lichten berg 85 abgegangen, um zu versuchen, den Feind ab zuschneiden. .“ 1“
Parlamentarische Nachrichten.
Die Berichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗ tages und des Hauses der bgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.
Kunst und Wissenschaft. “
v. A. Im Königlichen Kunstgewerbe⸗Museum ist gegen⸗ wärtig eine Reihe von Originalzeichnungen Josef Sattler'’s aus⸗ die geeignet erscheinen, in hohem Grade das allgemeine Interesse zu fesseln und wieder einmal nachdrücklich auf einen unserer besten Illustratoren aufmerksam zu machen. Im Jahre 1891 wurde der Name Josef Sattler's aus Anlaß einer Ausstellung⸗ seiner Ex libris und Handzeichnungen im Kunstgewerbe⸗ Museum zum ersten Mal in weiteren Kreisen rühmend und mit einer gewissen Ueberraschung genannt. Seitdem ist das Interesse an ihm nicht erloschen, sondern es hat sich im Gegentheil von Jahr zu Jahr gesteigert. Durch eine Reihe von Publikationen hat der junge Künstler seinen Namen der Oeffentlichkeit immer wieder in Erinnerung zu bringen gewußt und ihr Gelegenheit geboten, sich mit seiner Art und Eigenart vertraut zu machen. So gehörten auch in dem Aus⸗ stellungsgebäude der Darmstädter Kolonie seine Arbeiten zu den besten der dort ausgestellten.
In Sattler's Kunst sind zwei Richtungen zu unterscheiden, die neben einander hergehen und denen nur die Herbheit, Kraft und Laune gemeinsam vns. die in seinen Arbeiten niemals fehlen. Einmal zeigt er sich noch immer als ein geistiger Sohn des Mittelalters. Die klaren, strengen Umrißlinien, wie wir sie auf alten Holzschnitten finden, sind ihm ein ganz persönliches Ausdrucksmittel geworden; aber
nicht nur in äußerlicher Weise, nicht nur in der Technik steht er dem Mittelalter nahe, mit Vorliebe wählt er auch seine Stoffe aus jener Zeit. Der Bauernkrieg und
die Wiedertäufer sind von ihm ausführlich in künstlerischer Weise be⸗ handelt, und er weiß jene Zeiten wunderbar zu beleben. Andererseits steht er auch in der modernen Welt. Die sprühende Bewegung, das nervöse Leben haben seinen Künstlersinn gefesselt, und er hat für diese Erscheinungen andere Ausdrucksweisen gesucht. Die breiten Flächen, die keck vertheilten Schatten und Lichter zeigen ihn in diesen Arbeiten als einen völlig Neuen und beweisen dadurch seine große innere Be⸗ weglichkeit.
Vor allem ist Sattler ein Meister der Illustrationskunst. Er weiß den Gehalt eines Werks in seinen Zeichnungen auszuschöpfen, den Geist einer Zeit treffend zu charakterisieren. Darum ist er wie kein Anderer zum Illustrator für historische Werke geeignet. Die Reichsdruckerei hat ihm mit dem Auftrag, die „Nibelungen“ zu illustrieren, eine würdige Aufgabe gestellt, die geeignet ist, die beste Kraft eines Künstlers zu erwecken. Lir Proben, die auf der Pariser Welt⸗ ausstellung. zu sehen waren, lassen das Schönste von diesem Werke hoffen. Auch die Originalzeichnungen zu Heinrich Boos „Geschichte der rheinischen Städtekultur“, die zur Zeit im Kunst⸗ gewerbe Museum ausgestellt sind, zeigen Sattler auf der Höhe seines Könnens. Alle Vorzüge, die ihm eigen sind, finden sich in diesen Blättern wieder: sein starkes Empfinden, sein hoher Ernst, seine über⸗ sprudelnde Laune und sein bisweilen grotesker Humor. Dem etwas trocknen und steifen Geschichtswerk geben seine Illustrationen erst Leben und gleichsam Seele. In genialer Weise belebt er die zurückliegenden Zeiten; ohne Sentimentalität, mit einer kraftvollen Ursprünglichteit stellt er seine Typen und Menschen hin, seine Phantasie ist unermüdlich, in immer neuen Wendungen das Leben jener Tage zu schildern und zu erläutern. Man gewinnt durch diesen Cyclus einen gewaltigen Ein⸗ druck von dem Werde⸗ und Entwickelungsgang, den er veranschaulichen soll. Mit der Vorzeit hebt er an: Ein Germane in Kriegstracht lugt zwischen den Stämmen hervor, kraftvoll urd sinnend; wir sehen die Römer, wie sie Wege⸗ und Straßenbauten ausführen, wir erleben den Kampf um den Rhein. Die christlich⸗germanische Kultur beginnt. Dann kommen die Zeiten der großen ämpfe zwischen der Geistlichkeit und den Kaisern, zwischen Bischöfen und Städten, zwischen Städten und Fürsten, der Hussitenkriege, der sozialen Unruhen, der Reformation — in keck und sicher arfcgefaßtegn Einzel⸗ momenten zeigt Sattler uns dies alles. Seine mitte alterliche Technit eignet sich vortrefflich für diese Darstellungen; aber was das Beste ist,
sie drängt sich nicht auf, sie ist gleichsam der nothwendige Körper für den Geist, der in diesen Bildern athmet.
Verein für deutsches Kunstgewerbe fand am 26. Fe⸗ 1exö boes veutsches,Fnenten am Königlichen Kunst⸗ gewerbe⸗Museum Dr. Adolf Brüning über Wand! ungen in den Formen des Schm ücks statt. Nach einer ausführlichen Besprechung der Schmuckformen der Vergangenheit, des antiken Goldschmucks, des Renaissanceschmucks und des seit dem 17. Jahrhundert auftretenden Diamantenschmucks, versuchte der Redner, aus der Bildung und Be⸗ schaffenbeit dieser älteren Schmuckformen bestiumte allgemeine ästhetische Gesichtspunkte zur Beurtheilung der neuzeitlichen Schmuckgegenstände zu gewinnen, und zwar hinsichtlich des Materials und der Form. Das vornehmste Gesetz aller Schmuckkunst in Ansehung des verwendeten Stoffs sei das, denselben nicht seiner Kostbarkeit, sondern seiner künstlerischen Eigenschaft balber anzuwenden. Solche Eigenschaften seien vor allem Glanz, Farbe und Bildsamkeit. Sodann wandte sich der Redner den verschiedenen in der Neuzeit bei der Bildung von Schmuckstücken benutzten Motiven zu: den rein linearen Formen, wie sie in jüngster Zeit mit Vorliebe verwandt werden — wie Redner nach⸗ wies, ist der Ursprung dieser bewegten Linien in der japanischen Kunst zu suchen, wo sie als Ausdruck bestimmter Formen, Gewandfalten, Wellen und Wolken erscheinen —, den Pflanzenmotiven und den figürlichen Darstellungen. In der Anwendung der beiden letzten Gruppen von Motiven seien vor allem die Schmucksachen des Pariser Goldschmieds René Zalique in jeder Beziehung vorbildlich.
Die Akademie der Wissenschaften in Paris wählte, wig „W. T. B.“ meldet, den Direktor des Landwirthschaftlichen Institn
der Universität Halle, Geheimen Ober⸗Regierungsrath, Profesior Dr. Kühn zum korrespondierenden Mitgliede.