Deutscher Reichstag. 196. Sitzung vom 17. Oktober 1902. 12 Uhr.
Tagesordnung: Zweite Berathung des Entwurfs eines Zolltarifgesetzes.
Ueber den Anfang der Sitzung wurde in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet. Abg. Antrick (Soz., fortfahrend): Der kleinen Landwirthschaft
wird durch die Gerste die Ausgabe für Futtermittel um 80, beim Mais um 60 — 70 Millionen vertheuert. Diese Mehrausgaben soll sie aus der Viehzucht wieder herausschlagen; das ist
einfach undenkbar, um so weniger, als die kleinen Leute, die den Bauern ihre Produkte abkaufen, in ihrer Kaufkraft durch den Zolltarif selbst geschwächt werden. Wie es kommt, daß gleichwohl so viele kleinen Landwirthe dem Bunde der Landwirthe angehören, ist eine rage, deren Untersuchung wir auch nicht ausweichen können. da zeigt sich denn, daß den kleinen Bauern von den Agitatoren des Bundes der Landwirthe die unglaublichsten Preise für ihre Erzeugnisse in Aussicht gestellt werden, wenn sie nur dem Bunde der Landwirthe ich anschließen. Redner untersucht darauf die Preisbewegung für Brot im Verhältniß zum Getreidepreis und führt dabei aus, die Be⸗ lastung der Arbeiterklasse durch den Brotwucher werde aufs Deutlichste illustriert durch eine Reihe von Arbeiterbudgets, wie sie nicht von Sozialdemokraten, sondern von bürgerlichen Sozialpolitikern aufgestellt seien. Redner verbreitet sich dann sehr ausführlich über die Einzel⸗ heiten dieser Budgets und schließt seine 3 ½ stündige Rede mit dem Wunsche, die Regierung möge durch Auflösung des Reichstages Gelegenheit geben, bezüglich des Zolltarifs an die Wähler zu appellieren. Abg. Dr. Paasche (nl.): Der Vorredner hat alles überboten, was bisber an Rededauer auf der Tribüne des Reichstages geleistet worden ist. Ob das im Interesse des Landes liegt und der Förderung unserer Geschäfte, überlasse ich dem Urtheil der Wähler draußen. Wenn Sie die Zustände im Reichstage zu diskreditieren beabsichtigen, so mögen Sie das thun, aber dem Abg. Gothein hätte ich mehr politischen Takt zugetraut. (Große Unruhe links. Glocke des Präsidenten. Präsident Graf von Ballestrem: Ihr Redner hat ruhig sprechen können. — Rufe bei den Sozial⸗ demokraten: Das waren aber keine Beleidigungen! — Prä⸗ sident: Ich habe keine Beleidigung gehört.) habe nur davon gesprochen und sehe darin keine Beleidigung, daß ich eigentlich meinem Freunde Gothein etwas mehr politischen Takt zu⸗ getraut hätte, als daß er gestern in der hochgespannten politischen Situation nach der Erklärung des Reichskanzlers noch den Nachweis zu erbringen suchte, als ob eine Nothlage in der Landwirthschaft nicht überall bestehe. Ich nenne das nicht eine gründliche Berathung, sondern unnütze Zeitvergeudung, gerade heraus gesagt, wenn wir, nachdem in der Kommission alle diese Fragen ausführlich erörtert sind in 100 Sitzungen, am zweiten Tage bis 4 Uhr erst zwei Redner gehört haben. Ich gehe auf diese Erörterung nicht mehr ein. Der Reichskanzler hat
esstern gesagt: ernstlich kann man die Nothlage der Landwirth⸗ chaft nicht 2 Ich bringe auch dafür keine Beweise mehr.
ach jahrelanger Berathung nochmals alle Gründe für und wider zu erörtern, ist nicht angebracht. Ich lege nur noch kurz die Stellung meiner Freunde dar. Wir haben von Anfang an den Stand⸗ punkt vertreten, daß wir im Interesse der gesunden Fortentwicke⸗ lung unseres volkswirthschaftlichen Lebens es für dringend noth⸗ wendig erachten, daß wir unsere handelspolitischen Beiiebungen in den bisherigen Bahnen erhalten, damit unsere Produktion vom Weltmarkt aufgenommen werden kann, daß der inländische Markt gesichert werde gegen die Konkurrenz des Auslandes, und daß nicht nur der Industrie, sondern vor allem der Landwirthschaft der nöthige Schutz gewährt werde. Ich stehe auch heute noch auf dem Standpunkt, daß die Landwirthschaft eines höheren und besseren Schutzes bedarf, als sie ihn unter den Handelsverträgen hatte. Wenn der Abg. von Kardorff gestern gemeint hat, daß seiner Zeit die Industriellen der Landwirthschaft bei Abschluß der Handels⸗ verträge in Stich gelassen hätten, und daß gerade der Zentralverband deutscher Industrieller die Landwirthschaft sich selbst über⸗ lassen habe, wodurch diese in die Nothlage gekommen sei, so muß ich darauf hinweisen, daß, nachdem bereits in Düsseldorf unter Mitwirkung unseres Kollegen Beumer eine Erklärung abgegeben war, daß der Zentralverband eine Begünstigung der Industrie auf Kosten der Landwirthschaft nicht anstrebe, das Direktorium dies noch besonders bestätigt hat. Nach der Erklärung des Reichs⸗ kanzlers ist für uns eine feste Basis geschaffen. Wer es Er meint mit der Landwirthschaft, muß dafür sorgen, daß ihr der Schutz ge⸗ geben wird, den die Regierung ihr gewähren will. Wenn man in der Presse hervorgehoben hat, daß die Regierung trotz ihrer feierlichen Erklärung schließlich der großen Majorität des Reichstages gegen⸗ über nachgeben wird, so glaube ich, daß man diese Hoffnung nach den letzten Erklärungen nicht mehr hegen kann. Wir können an den Worten des Reichskanzlers nicht deuten und tüfteln, sondern wir müssen es als eine Thatsache hinnehmen, daß der eine Faktor der Gesetzgebung gesprochen hat, und uns liegt es dann ob, unsere Meinung zu offenbaren. Wer der Ueberzeugung ist, daß es eine politische und wirthschaftliche „Nothwendigkeit ist, daß der Zolltarif zu stande kommt, kann über seine Stellung nicht im Zweifel sein. Wir sind zu einem Opfer verpflichtet, und über die Politischen Konsequenzen einer Ablehnung brauche ich nicht weiler zu reden. Die hohe Begeisterung für die Vertretung des deutschen Volkes muß thatsächlich mehr und mehr schwinden, wenn sie sich als unfähig erweist, eine so wichtige Vorlage im Zusammenhange mit den Regie⸗ rungen zu stande zu bringen. In diesem Sinne hat der Kanzler seine Mahnung an die Opposition gerichtet. Von den Vertretern der speziellen Interessen der Landwirthschaft ist immer wieder betont worden, es müßte mehr konzediert werden. Wenn die Vorlage fällt, ist keine Regierung im stande, eine neue Zollvorlage zu machen, die widerstrebenden Elemente von rechts und links würden es ver⸗ hindern. Was wäre die Konsequenz? Dann haben wir Getreide⸗ und Viehzölle, die sehr viel niedriger sind als jene, die die Regierung heute bietet. Das ist die Perspektive, die nach den Erklärungen der Regierung der Landwirthschaft geboten ist: in maximo den gegen⸗ wärtigen autonomen Tarif. Die Landwirthschaft braucht schnell Hilfe. Darum meine ich noch einmal: Versuchen wir, zu stande zu bringen, was möglich ist, im Interesse der Landwirthschaft, der Industrie und des Handels im Einverständniß mit den verbündeten Regierungen! Abg. Graf Kanitz (d. kons.): Den Wunsch, daß etwas zu stande sebracht werden möge, theile auch ich. Dem Reichskanzler kann ich in einer Mahnung an die Opposition durchaus Recht geben und gleich⸗ wohl bedauern, daß er uns die Möglichkeit abgeschnitten hat oder ab⸗ schneiden will, der Landwirthschaft diejenige Hilfe zu bringen, deren sie durchaus bedarf, um sich aufrecht zu erhalten. Welche mühsamen Erhebungen und Ermittelungen haben stattgefunden, um festzustellen, wie hoch der nothwendige Schutz bemessen werden muß; wieviel Behörden sind thätig gewesen! Ueber 2000 Sachverständige hat man vernommen. Der Wirthschaftliche Ausschuß hatte den verbündeten Regierungen einen anderen Tarif unterbreitet als den, den uns die Regierung vorgelegt hat; es machten sich eben nachher andere Männer darüber her, zum theil solche, die nicht den Verhand⸗ lungen des Wirthschaftlichen Ausschusses beizuwohnen sich die Mühe genommen hatten; diese stellten die Sätze auf, und dann hieß es: davon wird nicht abgegangen! Dem Bedauern über die Erklärung des Kanzlers habe ich hiermit Ausdruck geben zu sollen geglaubt. Wenn ich einen Vergleich ziehe zwischen diesen Verhandlungen und denen des Jahres 1887, wo es sich auch um eine 885 Erhöhung handelte, so wurde damals die ganze Vorlage in ünf Tagen erledigt. Heute dagegen ist noch gar nicht abzusehen, wie lange die Berathungen dauern sollen, wie lange das Land auf die nothwendige Reform des Zolltarifs zu warten haben wird. Fürst Bismarck hatte einen Zoll von 6 ℳ für das Brotgetreide beanttagt, die Verhältnisse und die Lage der Landwirthschaft genau “ Liegt heute für uns nicht mindestens derselbe Grund zu einer Ingemeffenen Erhöhung des landwirthschaftlichen Schutzes vor als 2 Die Re⸗ rur kklärte damals, daß bei einem Weizenpreise
kosten der Bäcker alle diese hohen Unkosten müssen wir Landwirthe bezahlen. Tendenz des Antrages auf Aufhebung der städtischen Abgaben für
“
von 157 und einem Roggenpreise von 134 ℳ die Landwirthschaft
Heute stehen die Getreidepreise vergleichs⸗ weise eher niedriger als höber, 152 und 121; die Verkehrs⸗ und Transportverhältnisse im Weltverkehr haben sich aber außer⸗ dem außerordentlich verschoben, vor allem die Transportkosten im Ueberseeverkehr. Die Fracht ist von 28 auf 10 und 3 ℳ herunter⸗ gegangen. Ich weiß ja nicht, ob der viel besprochene Morgan⸗Trust in dieser Beziehung eine Aenderung hervorrufen wird. Auch der Dortmund⸗Ems⸗Kanal hat das seinige zu den Verschiebungen in der Lage der Landwirthschaft beigetragen; er, der für die Erzeugnisse der Montanindustrie bestimmt war, nährt sich hauptsächlich von dem Import fremden Getreides. Vom Osten ab ist ebenfalls mit einer bdedeutenden Verbilligung der Transporte zu rechnen seewesen; eine außerordentliche Verbilligung der Eisenbahnfrachten ist eingetreten. Die sibirische Eisenbahn bringt mit der Zeit sehr große Quantitäten sibirischen Getreides auf den europäischen Markt, das, um nicht dem russischen Getreide eee; zu machen, auf dem Seewege nach den Häfen der Nordsee u. s. w. abgeschoben wird. Dazu kommt nun auch noch die mandschurische Eisenbahn, und darüber, daß sie in der⸗ selben Richtung wirken wird, besteht wohl kein Zweifel. Anderer⸗ seits sind der deutschen Landwirthschaft fortwährend neue Lasten auf⸗ erlegt worden; ich erinnere nur an die sozialpolitischen Lasten. Die berühmte Miquel sche Steuerreform brachte den Erlaß der Grundsteuer; ich muß jetzt als praktischer Landwirth ein Mehrfaches von den Steuern zahlen, die ich zahlte, als noch die Grundsteuer eingezogen wurde. Zur Vorbereitung dieser Vorlage hat eine ganz außer⸗ ordentlich umfangreiche Enquste stattgefunden durch den deutschen Land⸗ wirthschaftsrath. Traurig genug sind ihre Ergebnisse; nur eine durchschnittliche Verzinsung des Kapitals von 2,1 % wurde er⸗ mittelt, während 50 % aller Betriebe überhaupt kein Einkommen aufzuweisen hatten. Herr Antrick ist auf die französischen Landwirth⸗ schaftsverhältnisse eingegangen. Weiß Herr Antrick nicht, daß Jaurés hinsichtlich der schwierigen Lage der Landwirthschaft dort den großen und den kleinen Grundbesitz durchaus gleichstellt? Jaurés hat ferner einen Weizenpreis von 250 ℳ als absolut nothwendig für das Be⸗ stehen der Landwirthschaft erklärt. Wenn Sie bei den Wahlen wieder die Parole von der Brotvertheuerung ausspielen, werden wir darauf hinweisen, wie dieselben Sozialdemokraten in anderen Ländern über die Brotvertheuerung denken. Die Landwirthschafts⸗ kammer in Westfalen hat berechnet, bei einem Getreide⸗ verbrauch von 132 kg auf den Kopf im Jahre bei einer Zollerhöhung von 5 ℳ auf 8 ℳ — und von einer so ist ja vorläufig nicht die Rede — eine Vertheuerung um 396 ₰ oder rund 4 ℳ auf den Kopf, also 20 ℳ auf die Familie eintritt. Eine davon unabhängige Berechnun
in der Provinz Posen kommt zu demselben Resultat. (Zwischenru links.) Der Abg. Bebel sagt, das sei gerade Vertheuerung genug. Gewiß; aber wenn Sie bedenken, wie die Arbeitslöhne gestiegen, der Verdienst der Arbeiter größer geworden ist, so werden Sie zugeben, daß diese Vertheuerung verhältnißmäßig gering ist gegenüber der Mehreinnahme des Arbeiters. Dann soll doch der Zolltarif nicht allein der Landwirthschaft zu gute kommen, sondern auch der Industrie und dem größeren und kleinen Gewerbe. Dadurch wird der Wohlstand und die Kaufkraft der Bevölkerung erhöht und dem Arbeiter ein sicherer Verdienst gewährleistet, deshalb ist die Ver⸗ theuerung nicht zu hoch. Bei dem Aufschwung unserer Handels⸗ und Wirthschaftspolitik im Jahre 1879 waren die Getreidepreise auch so niedrig, daß die Zölle ein Bedürfniß wurden, und damals ging es den Arbeitern ganz miserabel infolge der Stockung in der Industrie, zum ispiel in der Eisenindustrie. Der Arbeiter hatte damals nichts von den niedrigen Getreidepreisen, nachher stiegen aber infolge der Zölle die Preise, und der Verdienst
des Arbeiters wurde besser durch die Besserung des heimischen Marktes.
Diese Periode wollen wir serhmen lassen und nicht unüberlegt um
50 ₰ Zoll den früheren Zustand wieder Platz greifen lassen. In Cassel
hat die Stadtverwaltung über das Verhaͤltniß zwischen Brot⸗ und
Getreidepreisen festgestellt, daß die Bäcker vor 50 Jahren sich mit
einem ganz geringen Nutzen
unmöglich bestehen könne.
wischen den Getreide⸗ und Brotpreisen von 24 ℳ für die Tonne is
Allerdings sind die Un⸗ auch gestiegen, aber Mit der
1894/98 ℳ gestiegen.
auf 51 höhere Löhne ec.
durch
Lebensmittel bin ich vollkommen einverstanden, aber leider paßt der Antrag nicht in das Gesetz hinein. Hoffentlich dienen diese Ver⸗ handlungen dazu, mit diesen städtischen Abgaben sobald wie möglich aufzuräumen und dadurch eine erhebliche Verbilligung des Brotes herbeizuführen; die Landwirthe erhalten einen geringeren ven für ihre Waaren infolge dieser hohen Abgaben. Der
eeichskanzler erhebt ferner den Einwand, daß auf Grund der Kommissions⸗ beschlüsse Handelsverträge nicht zu stande kommen könnten. In Be⸗ tracht kommen aber für Verträge nur Oesterreich, Italien, die Schweiz, Belgien und Rußland; denn mit den anderen Ländern, die uns mit Getreide versorgen, Amerika, Canada, den englischen Kolonien, bestehen keine Handelsverträge. Speziell in Bezug auf Rußland bin ich anderer Meinung als der Reichskanzler. Ich lege den allergrößten Werth darauf, daß wir mit Rußland in handelspolitischer Einigkeit und in Frieden leben. Wir können ihm Vortheile bieten, ohne uns zu schaden. Ich erinnere z. B. an das Petroleum. Rußland hat ein Poßen Interesse, seine Ausfuhr nach Zentral⸗Europa und besonders nach
deutschland zu fördern. Es würde ihm sehr lieb sein, wenn es seinen Markt bei uns gesteigert sähe. Was nun die Anträge betrifft, so hat der Antrag Wangenheim bei Ihnen (links) den meisten Widerspruch gefunden. Ich habe zu erklären, daß die große Mehrzahl meiner Fraktion jenen Zollerhöhungen, welche sich auf Brotgetreide beziehen, zustimmt, und daß wir gewillt sind, mit einer angemessenen Herab⸗ setzung der Industriezölle vorzugehen, falls die Interessen der Land⸗ wirthschaft im vorliegenden Tarif nicht ausgiebig Berücksichtigung finden. Der Beschluß des Zentralverbandes des vorigen Monats hat uns diesen Beschluß wesentlich erleichtert. Ich sehe nicht ein, wie das gute Verhältniß zwischen Industrie und Landwirthschaft aufrecht erhalten werden soll, wenn die Industrie erklärt, daß unsere Forderungen für die Industrie unannehmbar seien. Hätten wir statt des Einheitstarifß einen Doppeltarif vor uns, so wäre eine Einigung mit der Industrie viel leichter. Leider hat eine Strömung des Großhandels die Oberhand behalten, und so haben wir statt eines Doppeltarifs einen Einheitstarif hekommen. Nicht nur die Landwirthschaft, sondern auch die Zuckerindustrie liegt sehr darnieder. Die berühmte Brüsseler Zuckerkonvention, wird ihr gar⸗ nichts helfen. Viel zu viel Landwirthe sind vom Getreidebau zum Rübenbau übergegangen und infolge dessen ist eine Ueberproduktion an Zucker eingetreten. Diese Ueberproduktion muß beseitigt werden. Ich hoffe, Sie werden aus meinen Worten nicht den Eindruck gewonnen haben, daß ich besondere Vortheile auf Kosten anderer Erwerbszweige für die Landwirthschaft wünsche. Wir wollen alle vaterländischen Produkte gleichmäßig gegen das Ausland schützen. Von diesem Gesichts⸗ punkte werden Sie uns nicht einwenden können, daß wir über das richtige Maß hinausgehen.
Abg. Herold (Zentr.): Daß die Nothlage der Landwirthschaft groß ist, beweisen auch die Erhebungen des Reichsamts des Innern. Die Verzinsung und Rentabilität der Landwirthschaft ist danach ganz minimäal, in ungünstigen Bezirken ist die Verzinsung des Grundkapitals gleich Null. Wir wollen den Werth des Grund und Bodens nicht gesteigert haben, aber ihn auch nicht wesentlich herab⸗ gesetzt sehen. Geschäahe das, so müßte das zu einer Krisis führen. Ein Wucher ist überall verwerflich, am meisten bei den nothwendigen Lebensmitteln. Aber wer treibt Brotwucher? Doch Diejenigen, die verlangen, daß das Getreide einen Preis habe, unter dem Millionen zu Grunde gehen. Der Antrag Wangenheim enthält Forderungen, die von fast sämmtlichen landwirthschaftlichen Korporationen gestellt sind. So wünschenswerth aber auch dieser Zollsatz für die Landwirthschaft ist, so ist doch kein Zweifel, daß diese Forderungen nimmer die Zu⸗ stimmung des e und der verbündeten Regierungen finden werden; sie sind in die em und im nächsten Reichstage aussichtslos; sie können nur der Agitation dienen und Unzufriedenheit hervor⸗ rufen. Darüber, daß ein Theil der Freunde des Vorredners
begnügten, und seitdem ist die Spannung Millionen von Existenzen würden nicht gefährdet, wenn der Zolltari
75 % des Grundbesitzes hätten von den Zöllen keinen Vortheil.
abend 12 Uhr vertagt.
für den An ist, kann ich nur mein Befremden außpet denn die eezaeilr Partei des Abgeordnetenhauses hat f stimmig für das Kompromiß 55 Wenn nun düe
een für den 7,50 ℳ⸗Zoll sind, so ist das eine Inrenssne
HNajorität wäre gesichert, wenn auch sie mit uns für das Kompe stimmten. Der Antrag Heim ist uns vollst überraschend kommen. Ich kann mich darüber nicht äußern, ich bihe,
müthig an den Kommissionsbeschlüssen festzuhalten. Mit den schaftlichen allgemeinen Grundsätzen, die der Reichskanzler pier wickelt hat, sind wir einverstanden. Auch wir „daß
Landwirthschaft geholfen wird, daß die Ind llüb
gedeiht, daß langfristige Handelsverträge f8 v weil allein Rube bherbeiführen; wir dürfen aber Hauch verträge nicht um jeden Preis abschließen. Mit dieser Meühe des Reichskanzlers sind wir besonders einverstanden. ih Partei wie die meine wird niemals das Wohl der Arßeiter leugnen. Zu den Arbeitern gehören aber auch die Landmitthe, es wäre eine Ungerechtigkeit, wenn man ihnen den gend g2 verweigerte, den man den übrigen Arbeitern gewährt. vee es der Allgemeinheit, wenn auf 4,2 % der eigenen Piehgzetzalte ein so geringer Zoll gelegt wird? (Per Präsident bittet den Redne bei den Getreidezöllen zu bleiben.) ir haben beantragt, G gesammten Mehrerträge für die Wittwen⸗ und Waisendersicherung 8 wendet werden sollen. Wenn behauptet ist, daß wir auf ber giäen Shen den Arbeitern nehmen, was wir ihnen auf der anderen hifft da nicht zu; denn ein großer Theil der Zölle wird vom Sea. -d Wenn die Zölle mit der Wittwen⸗ und Wai sendersicherung züsanm
die
in Kraft getreten sein wird die Bevölkerngg ob sie die Zölle aufgehoben haben wolle, antworzeg, 89n see lie
mit der Wittwen⸗ und Waisenversorgung healte aaihe Handelsvertrag, der die Landwirthschaft schäti 8 Handelsvertrag sein, denn die Mehrzahl 4 ug if voch
immer in der Landwirthschaft beschäftigt. lezat fie sind der Ansicht, daß an den Kommisssictßeschlie verträge nicht scheitern werden, wenn h nöthige Festigkeit zeigt. Wenn der Rethzsllaahe nachläßt, so würde seine ganze gestrige Rede eine Rette von Wider⸗ sprüchen sein. Ich habe die Ho daß doch noch die Regerme sich um eine Verständigung mit dem Reichskage bemühen wrd. Wem man den Reichstag zu einem Jasager herabwürdigt, leitet bas 2 sehen des Reichstages mehr als durch die sozialdemokratische Obstmbtie An den Agrarzöllen müssen wir festhalten, in anderen Punkten könn vielleicht noch weitere Verständigung möglich sein. an de Widerstande der Regierung das Werk scheitert, fällt die Verantmortm allein auf die verbündeten vvII 1 Abg. Fischbeck (fr. Vo neh. Nachdem der Staatssekretär d der preußische Handels⸗Minister und der Reichskanzler i bekannten Erklärungen über den Minimaltarif abgegeben haben, begee ich nicht, wie man an ein Nachgeben der Regierung denken kann. D Herren von rechts und vom Zentrum haben durchblicken lassen, daß doch noch zu einer Verständigung kommen werde. Uns kann geichgücig sein, ob ein Zoll von 5,50 oder 6 ℳ angenommen mwit Zeder dieser Zölle ist eine ungerechte Belastung des Volk Unter den Handelsverträgen hat die Landwirthschaft nicht gelitt Wenn der Arbeiter Geld verdient, kann er sich Genn mittel verschaffen, an denen auch die Landwirthe verdiene Redner kommt auf die neulich angeregte Frage der Arbei losigkeit zu sprechen und giebt zu bedenken, daß diese Arbeiꝛt losigkeit verstärkt werde durch Maßregeln, die uns den Markt d Auslands verschließen. Die Erfahrung des letzten Jahrzehnts leh daß eine vernünftige internationale Wirthschaftspolitik die Völker au politisch einander näher bringe. Darum sei die Vorlage auch vo olittschen Standpunkt aus bedenklich. Es gebe kein verkehrten Mittel, als Minimalzölle einzuführen, wenn man Handelsverträge a schließen wolle. Ueber die jetzigen Zölle gehe seine (Redners) nicht hinaus, und darum verwerfe sie auch die Regierungsvorlag
nicht angenommen werde, sondern gerade, wenn er angenommen werde.
Gegen 6 ¼ Uhr wird die weitere Berathung auf Sonn⸗
Literatur.
Das Hamburgische Museum für Kunst und Ge werbe. Dargestellt zur 8 des 25 jährigen Bestehens von Freund und Schülern Justus Brinckmann’ s. Hamburg 1902. 8de.
Keine ertüftelte Theorie, kein tiefsinniges Raisonnement über Anla und Ausbau von Kunstsammlungen kann den Erfahrungssatz un stoßen, daß das Gedeihen eines Museums vor allem, ja fast all von dem Geschmack und der Energie seines Begründers und Leit, abhängt. Sein Geschmack, der auf sicherm Blick für Qualkät ruß giebt Gewähr für die Auswahl der Eegenstände, seine Eneꝛge schafft die Mittel herbei, um solchen Geschmack in nutzbrizgende Thaten umzusetzen. Daher war es ein glücklicher Gedanker 5 nr fünfundzwanzigjährigen Jubelfeier der Gründung des Ham burzische Museums für Kunst und Gewerbe, das im Reich uns darch hinaus mit Recht als Musteranstalt bewundert wird, die Fremd und Schüler seines Schöpfers sich zu einer literarischen Hulbigzm vereinigten, die sein Lebenswerk auch für Fernerstehende ins recht Licht rückt. Den Anfang macht der Kollege Brinckmannsg in Pam burg, Alfred Lichtwark, der in einem fesselnden Lebensabriß des nahen sechzigjährigen, aber in unverwüstlicher Frische seines Amtes waltende Direktors dessen von echter Begeisterung und zäher EFnerg durchwachsenen Persönlichkeit gerecht wird, aber zahl reic allgemeine Winke und Wü Ihm folgen
ünsche verlauten läßt. weniger als einundvierzig Gratulanten; ein jeder mit einem kürzen Beitrag, in dem er die seinem eigenen Arbeitsgebiet 56— A theilung des hamburgischen Museums behandelt und die rgun die ihm dort geworden, mit Dank anerkennt. Aus dieser großen Mi⸗ arbeiterliste, die an sich schon einen Begriff giebt von dem ringst wirkenden Einfluß, den Brinckmann's Persönlichkeit und Schaff geübt hat und noch übt, seien in dieser kurzen Anzeige wenige berausgezogen: H. Angst⸗Zürich, Otto von Falke⸗Cal H. Frauberger⸗Düsseldorf, R. Granl⸗Lecena, Peter Jessen und 5 Lessing⸗Berlin, Pietro Krohn und B. Olsen⸗Kopenhagen, Pazaune Reichenberg, H. von Trenkwald⸗Frankfurt a. M. — als Leiter ka Fö Sammlungen engere Fachgenossen Brinckmannes; aus Reihen jüngerer Museumsbeamten seien nur Been⸗Kopenhagen, Ban mann, Bruning, Lüer⸗Berlin, Kurzwellv⸗Leipzig, Schredker Menrd Zimmermann⸗Dresden und die Assistenten der Hamburger Mit selbst, darunter der Japaner Shinkicht Hara genannt. M auch außerhalb des kunstgewerblichen Kreises fühlen sich zahlreit Kunstforscher und Verwaltungsbeamte dem Jubilar zu lehhaftte Dank verpflichtet: das bekunden die Namen von A. Goldschez Berlin, A. Matthäi⸗Kiel, G. Pauli⸗Bremen, Purgold⸗Gotha. Fth Nürnberg, F. Schlie⸗Schwerin, Schmitzen Cöln, W. von Seärdte Dresden, von Ubisch⸗Berlin in dem Verzeichniß der Mitarbet denen auch der greife Direktor der Hamburger Seewarte, Profeß G. von Neumayer mit einem werthvollen Beitrag über die afttg mischen Instrumente der Sammlung sich anschloß. Auf einen Kreis von Verehrern zu blicken, würde sicherlich einen Jeden mit friedigung und Stolz erfüllen, Brinckmann'’s Blick indeß, dessen wir sicher, dringt darüber hinaus zu weiteren Zielen, deren er bih die letzten Jahre binein immer neue gefunden hat, und in dieser wartung wird wohl ein Jeder, der die imponierende Jubilänms mit wirklichem Verständniß für den Mann, dem sie gilt, estz dem langen Zuge seiner Bewunderer anschließen. 8 8