Abg. von Bockelberg (kons.) bemerkt, daß die an die Maß⸗ mahmen des Gesetzes geknüpsten Erwartungen sich nicht erfüllt hätten; das Gesetz scheine absolut erfolglos bleiben zu sollen. 1 Abg. Gothein (fr. Vgg.): Leider hat die Königliche Domänen⸗ verwaltung es prinzipiell abgelehnt, Domänenteile abzutrennen, um Rentengüter zu bilden. Alle Anträge von Landwirten in dieser Richtung, namentlich in Vorpommern, sind abgelehnt worden. Diese Verhältnisse resultieren noch aus der Zeit des schwedischen Be⸗ tzes Vorpommerns, wo der Großgrundbesitz den Bauern⸗ tand fast erdrückte. Das hindert natürlich die Vermehrung der Bevölkerung dieser Gegend. Die Regierung bleibt aber trotzdem auf ihrem negierenden Standpunkt stehen. Es ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit, den Landhunger der landwirtschaftlichen Bevölkerung zu befrjedigen. Ich will die Schuld an den Mißständen nicht dem gegenwärtigen Herrn Landwirtschafts⸗ minister zuschieben, sie rühren von der schlechten Wirtschaft in Jahr⸗ ihnten her. Wo wirklich einmal eine Domäne aufgeteilt wurde, hat cch die Aufteilung bewährt. Wo früher hundert Menschen ernährt wurden, ernähren sich jetzt tausend. Die Regierung sollte das Renten⸗ utsgesetz richtig anwenden und endlich einmal den überschüssigen Homänenbesit abstoßen. Damit schließt die Besprechung. durch Kenntnisnahme für erledigt erklärt. Als letzter Gegenstand der Tagesordnung gelangt nach⸗ falgace Antrag der Abgg. Freiherr von Zedlitz und Neu⸗ irch und Dr. Iderhoff (freikons.) zur Beratung: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, in der nächsten Session einen Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Regelung der Schui licht, vorzulegen. Abg. Dr. Iderhoff (freikons.): Eine gesetzliche Regelung dieser Materie muß endlich vorgenommen werden; der Kultusminister hat diese auch bereits zugesagt. Es verlohnt sich wohl der Mühe, dieser Arbeit sich zu unterziehen. Das bisher vorliegende Material hat der Abg. n. in seinem Kommentar zum Fürsorgeerziehungsgesetz ge⸗ ammelt, auf den ich verweise. (Der Redner zeigt an der Hand dieses Naterials die Verschiedenheit der Bestimmungen, die für die einzelnen Landesteile über Beginn und Ende der Schulzeit in Geltung sind.) Die be⸗ stehenden Zustände haben Mißstände im Gefolge, die beseitigt werden müssen; das kann nur auf dem Wege der Gesetzgebung geschehen. Von einer Verkürzung der Schulzeit kann keine Rede sein; es wird sich darum handeln, die Schulpflicht auf das 6. bis 14. Lebensjahr fest⸗ zulegen. Wir bitten daher, unserem Antrage zuzustimmen. 8 Abg. Dr. von Heydebrandt und der Lasa Conch. In dem Antrage sind dankenswerte Anregungen gegeben; es bestehen aber praktische Bedenken. Deshalb beantrage ich die Ueberweisung des Antrags an die Unterrichtskommission. Das Haus stimmt diesem 1 8 1 Schluß der Sitzung 2 Uhr. Nächste Sitzung: Sonnabend, 11 1ec PBner pelbätlon der Abgg. Letocha und Genossen über den Unfall din der siskalischen Kohlengrube „Königin Luise“ in Oberschlesien vom 2. April d. J.; dritte Beratung des Gesetz⸗ entwurfs über die Befähigung für den höheren Verwaltungs⸗ dienst; kleinere Vorlagen; Initiativanträge und Petitionen.)
Die Rechnung wird
Statistik und Volkswirtschaft.
Das Volkszählungswerk 1900.
Spooeben veröffentlicht das Kaiserliche Statistische Amt ein um⸗ fassendes Werk über die Volkszählung vom 1. Dezember 1900 in den Bänden 150 und 151 der Statistik des Deutschen Reichs“, nachdem einzelne Ergebnisse dieser Zählung schon im Februar 1901 durch den „Deutschen Reichsanzeiger“ und weitere durch die „Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs“, Jahrgang 1901 und 1902, zur allgemeinen Kenntnis gebracht worden sind. Bei der nunmehrigen Veröffentlichung handelt es sich um die ausführliche Darstellung der ählungsergebnisse für das Reich und die Bundesstaaten, zu deren eesserer Würdigung auch Vergleiche mit früheren und mit ausländischen Zählungsergebnissen beigefügt sind. 8 Das Werk gliedert sich in drei Teile: einen textlich⸗wissenschaft⸗ und einen tabellarischen Teil. Bei⸗
ichen, einen graphischen N⁴ b . 8 lextlichen Darstellung werden einleitungsweise die Entwicke⸗ lung und die gegenwärtige Bedeutung der deutschen Volks⸗
ferner die Einrichtung und Durchführun der Volks⸗ zählung 1900, sowie der im Auslande an der Jahrhundertwende veranstalteten Zählungen geschildert. Die Ergebnisse selbst sind in 14 Abschnitten behandelt, und zwar haben diese zum Gegen⸗ stand: 1) Größe und Wachstum der Bevölkerung, 2) die Be⸗ völkerung nach dem IE“ 9 Drzsene “ ie Bevölker in Stadt und Land, e 8 ö nehs Alter und Familienstand der Bevölkerung, 7) Re⸗ li ldn der Bevölkerung, 8) die Bevölkerung nach der Muttersprache, 99 Reichsangehörige und “ Webcefchhe den. e. Binnenwanderungen), Wohnge n 2 verengg Bevölkerung nach verichg. öö Sele. en irchlichen Bezirken, 13) die Bevölkerung auf de Ueclrchen im Auslande, 14) die Bevölkerung des Reihn. 88. Auslandes im 19. Jahrhundert. Zur Veranschaulichung 5 855 89 werteren Ergebnisse sind dem Text 16 Karten (Karto⸗ und Diag
6 ie teils in Band 150. Tabellenwerk umfaßt 20 Tabellen, die teils 9 teils Sensre 161 der „Statistik des ““ “ Das Gesamtwerk (1400 Seiten gr. 4 ‧„ Verlag vone Band ae 1 f rei d 150, 4 ℳ für Ban u. Mühlbrecht, Berlin, Preis 8 ℳ 19 . Sbhen 38 1 2 1 g der Darstellung hat nicht bloß die an sich vielseitige Bedeutung hefcbnagenen iche dern bietet mit Rücksicht auf de Lewabnhichen Vae abtene b Säkularzählung und Teil einer in Charakter der Zählung 1900 als Säkularz C““ Kulturstaaten um die Jahrhundertwender vorgenommer ene hgn besonderes Interesse, für Zwecke der Verwaltung
owohl wie der Wissenschaft.
zählung,
n der Ehescheidungshäufigkeit zur Kon⸗ Diß Bertebuneeschaffrichen und sozialen Verhältnissen. In Nr. 93 d. Bl. haben wir an der Hand der im Heft der Fellchrit des Kögüth heinistene esengte erutenden Ipenilichten, auf den eschä⸗ 8 für die Jahre 1895 — 1901 Statistst der Chescheidungezee ö reußischen Staate und in ein Bild der Ehescheidungsbewegung im preuß 9. Pro vor und nach dem Inkrafttreten des neuen Psen Agpelnegz Hechnats gegben, aus dem deutlich zu ersehen —85 daß nter dem Einflusse des gleichen Rechts seit dem Jahre 8 die Ehescheidungsziffern der früher in rechtlicher Beziehung verschieden⸗ 1 on wesentlich genähert haben. Diese
Febiete sich einander sch Feene es . tlich im Laufe der Jahre noch zunehmen. Eine volltändi e Ausglei ung der Ehescheidungshäufigkeit der einzelnen Landesteile vürfte indessen, selbst wenn man von Berlin, wo die Zahl
aWecare in eine besonders hohe sein wird,
auch fernerh dh Frbedengan fhchge weil außer dem geltenden Ehescheidungs⸗
absieht, niemals eintreten, aüber. ; Beweg⸗ 1 Umstände, die größere oder geringere Be⸗ eg kichtet noch Cndencharakterg, die Dichtigkeit der Bevölkerung, wirt⸗
jale Verhältnisse sowie vor allem das Religions⸗ setliche und, sogsade kendem dinsame auf die Gestaltung der
Ghesheldanaeaifen, s Kirche im Gegensatz zur evan elischen die Ehe für unauflöslich erachtet und demgemäß grundsätzli beeFneeg dac des ebelichen Bandes verwirft, so ist von vornherein ammnedmen, a die Ehescheidungen bei den Katholiken seltener als bei den Evangelischen
vorkommen. In welchem Maße dies in Preußen der Fall ist, kann in
2 stellung des Religionsbekenntnisses der geschiedenen Frengelung der geftcenun werden. Immerhin läßt sich wenigstens
ein allgemeiner Schluß auf die größere oder geringere Beleiligung der beiden Hauptkonfessionen Preußens an den Ehescheidungen ziehen, wenn man die Scheidungsziffern der Landesteile mit vorzugsweise evangelischer denjenigen mit hauptsächlich katholischer Bevölkerung gegenüberstellt. Es kamen, wie wir der oben erwähnten amtlichen Statistik entnehmen, aufs Tausend der Bevölkerung auf je 100 000
nach der Volkszählung vom stehende Ehen
in der Provinz 2. Dez. 1895 1. Dez. 1900 Ehescheidungen Evange⸗Katho⸗ Evange⸗Katho⸗ im Jahresdurch⸗
lische lische lische lische schnitt 1895-1901 a. überwiegend evangelische Landesteile: Schleswig⸗Holstein 975 19 972 116“ Pommern . . 969 20 966 WI Brandenburg. 948 42 9³⁵ 52 Sachsen. 92⁵ 70 921 72 annover . 862 129 E“ stpreußen 853 133 I5 Bettii 847 93 942 100 Hessen⸗Nassau. 694 275 6899 280 b. überwiegend katholische Landesteile: Ferfnfaclsen “ 39 952 43 949 Rheinland. 280 707 289 693 Posen . . 306 671 302 678 Schlesien. 447 540 437 550 Westfalen . 479 510 482 507 8 Westpreußen. 470 507 467 512
In den überwiegend katholischen Landesteilen war mithin im allge⸗ meinen die Häufigkeit der Ehescheidungen erheblich geringer als in den überwiegend evangelischen Gebieten. Von ersteren zeigen nur die zu⸗ em stark mit Evangelischen bepölkerten Provinzen Westpreußen und Schlesien eine hohe und umgekehrt von letzteren nur Hannover und “ eine niedrige Scheidungsziffer. Offenbar bildet also der die Trennbarkeit der Ehe anerkennende Grundsatz der evangelischen Kirche, namentlich im Bereiche des früheren Allgemeinen Landrechts, das — unter der Einwirkung naturrechtlicher Anschauung — nicht nur jenen gesetzlich festlegte, sondern auch die Ehescheidungsgründe noch vermehrte, eine wesentliche Ursache der größeren Scheidungshäufigkeit in den Provinzen mit überwiegend protestantischer Bevölkerung. Ebenso tritt in obiger Zusammenstellung der die Scheidung erschwerende, zum Teil jedoch vom Landrechte abgeschwächte Einfluß der katholischen Lehre von der Unlöslichkeit der Ehe hervor. Kann es demnach auch nicht zweifelhaft sein, daß bei den Evangelischen die Scheidungen häufiger als bei den Katholiken sind, so darf man andererseits hiezaus eben wegen des in der katholischen Kirche bestehenden Scheidungsverbots nicht auf einen geringeren Sittlichkeitsgrad. der evangelischen Bevölkerung schließen. Durch die erziehliche Einwirkung der katholischen Lehre kann gegebenenfalls zwar die rechtliche Trennung einer Ehe verhindert, schwerlich aber auch die innere Zerrüttung eines Eheverhältnisses ver⸗ mieden oder beseitigt werden. Die für die Beurteilung der Moralität überaus wichtige Zahl der ohne Richterspruch tatsächlich aufgelösten Ehen entzieht sich aber der amtlichen Kenntnis. Ebensowenig weiß man, wie sich die Scheidungshäufigkeit bei den Katholiken gestalten würde, wenn ihre Kirche die Scheidung zuließe.
Vom moralstatistischen Standpunkte erscheint übrigens auch in denjenigen überwiegend protestantischen Landesteilen, welche eine im Vergleiche mit den vorzugsweise katholischen Gebieten bedeutende Ehescheidungsziffer aufweisen, mit alleiniger Ausnahme Berlins, die Häufigkeit der Scheidungen nicht gerade bedenklich. Nimmt man nämlich an, daß den für den Jahresdurchschnitt 1900 bis 1901, also für die Zeit nach dem Inkrafttreten des (das Ehescheidungs⸗ recht neu regelnden) Bürgerlichen Gesetzbuchs berechneten Scheidungs⸗ ziffern eine gewisse Beständigkeit innewohnt, so ist der Schluß gerecht⸗ fertigt, daß alljährlich etwa gerichtlich geschieden wird in der Provinz Ostpreußen jede 1536. Ehe, in Westpreußen jede 1375., in Berlin jede 346., in Brandenburg jede 996., in Pommern jede 1265., in Posen jede 2923., in Schlesien jede 1752., in Sachsen jede 1078., in Schleswig⸗ Holstein jede 1065,, in Hannover jede 2211., in Westfalen sede 2763., in Hessen⸗Nassau jede 1703., in Rheinland jede 1721., 8 Hohen⸗ zollern jede 3199., im Staate jede 1280. Ehe. Außer in Berlin ist also die Ehescheidung im Verhältnis zur Zahl der vorhandenen Ehen überall gewissermaßen eine Seltenheit. Zum mindesten läßt sich bereits aus der Scheidungsziffer der nächst Berlin am ungünstigsten dastehenden Provinz Brandenburg, wo durchschnittlich erft ungefähr jede tausendste Ehe geschieden wird, ein bedenkliches Symptom in sittlicher Hinsicht nicht folgern.
aß die Ehescheidungen um so häufiger vorkommen, je dichter die Bevölkerung ist, beweisen die hohen Scheidungs⸗ ziffern der großen Städte. Ebenso wird man auch den wirtschaft⸗ lichen und sozialen Verhältnissen eine bedeutende Einwirkung auf die Ehescheidungshäufigkeit zuschreiben müssen. Ob letztere aber insbesondere von der größeren oder geringeren Wohlhabenheit ver⸗ schiedenartig beeinflußt wird, ist sehr zweifelhaft. Bei Vergleichung der Dichtigkeit sowie des einen geeigneten Maßstab für die wirtschaft⸗ liche Leistungsfähigkeit abgebenden Durchschnittseinkommens der Be⸗ völkerung mit der Scheidungsziffer ergibt sich für die einzelnen Landes⸗ teile folgendes Bild:
15 70 das Ein⸗ Tbe⸗.
nnr ec Phescr auf den Kopf auf je 109000
in der Provinz ählung vom der stehende Ehen
11“““ e Bevölkerung t⸗
““ 2. Dez. 1. Dez. 8 im Jahres⸗ 83 1 18959 1900 1895 1901 durchschnitt
e.““ 352* 1895 96 1900,01 Ostpreußen .. . 54 54 226 240 1 b Bhrrahn 59 61 213 229 92 73 Berlin. . .26 460 29 816 719 772 459 289 Brandenburg .. 71 78 322 401 129 100 ommern 52 54 255 277 103 79 9“ 63 65 212 222 55 34 Schlesien 110 116 276 303 84 57 Sachsen . . .. 107 112 328 366 113 93 Schleswig⸗Holstein 68 73 339 365 101 94 Hannober... 63 67 308 341 50 45 Westfalen .. . 134 158 310 370 41 36 essen⸗Nassau . . 112 121 383 467 61 59 heinland 189 213 348 411 49 58 Hohenzollern . . 58 58 68899 16 31 im Staate. 91 99 322 369 101 78.
Hiernach weist mMerding das am dichtesten bevölkerte Berlin auch zu⸗ gleich die häufigsten Ehescheidungen auf. Im übrigen folgt dagegen die Scheidungsziffer keineswegs immer der Volksdichtigkeit; denn sonst müßte jene in Rheinland, Westfalen, Hessen⸗Nassau sowie Schlesien erheblich höher und in Pommern, Ost⸗ und Westpreußen, Schleswig Holstein und Brandenburg wesentlich niedriger sein. Nur noch in dem stärker bevölkerten Sachsen zeigt sich zu⸗ gleich eine bedeutende und in den schwächer bevölkerten Pro⸗ vinzen Posen, Hannover sowie Hohenzollern zugleich eine geringe Häufigkeit der Ehescheidungen. Die Ursache dieser nur unvoll⸗ tändigen Uebereinstimmung liegt darin, daß die Dichtigkeit der Bevölkerung selbst innerhalb der einzelnen Landesteile sehr verschieden ist, dem Statistischen Bureau aber für diese Untersuchung nur die Gesamtzahl der auf jede Provinz entfallenden Ehescheidungen zur Ver⸗ fügung stand. Würden die Scheidungen auch für kleinere Ver⸗ waltungsbezirke sowie nach Stadt und Land bekannt sein, so würde das Vergleichsergebnis sich zweifellos wesentlich anders stellen und
*) Nach Maßgabe der Einkommensteuerveranlagung, wobei für jeden steuerfreien Haushaltungsvorstand oder Einzelstehenden ein urchschnittseinkommen von 450 ℳ und für jeden nach §§ 18 oder 19. des Einkommensteuergesetzes Freigestellten ein solches von 900 ℳ an⸗ genommen worden ist. 1“ “
sehr wahrscheinlich als Regel einen Zusammenhang zwischen Be⸗ völkerungsdichtigkeit und Ehescheidungshaufigkeit erkennen lassen.
Auch aus der Gegenüberstellung von Durchschnittseinkommen und Ehescheidungsziffer läßt sich für die Provinzen eine unmittelbare Be⸗ ziehung der Scheidungshäufigkeit zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bevölkerung nicht feststellen. Betrachtet man die über den Staatsdurchschnitt erheblich hinausgehenden Durchschnittseinkommen, so findet man in Berlin und 1900/01 auch in Brandenburg eine be⸗ sonders hohe, in Hessen⸗Nassau und Rheinland dagegen eine mäßige Scheidungsziffer. Von den mit ihrem Durchschnitkseinkommen be⸗ deutend unter dem Staatsdurchschnitte bleibenden Provinzen besitzen Ost⸗ und Westpreußen sowie Pommern eine verhältnismäßig große, andererseits Posen, Schlesien und Hannover eine wesentlich geringere Scheidungshäufigkeit. Ob bei Ausdehnung der Vergleichung auf kleinere Bezirke, je nach Stadt und Land getrennt, sich andere Er⸗ gebnisse zeigen würden, muß dahingestellt bleiben. Im allgemeinen hat es nicht den Anschein, als ob die weniger begüterten Bevölkerungs⸗ klassen vorzugsweise an den Ehescheidungen beteiligt sind, wiewohl die Bewilligung des Armenrechts in Ehesachen nicht zu den Seltenheiten gehört. Es ist aber bekannt, daß sich jene häufig mit einer tatfäch⸗ lichen Trennung der Ehe im Wege des Auseinandergehens begnügen, während die wohlhabenderen Klassen schon im Interesse einer Regu⸗ lierung der Vermögensangelegenheiten in der Regel mehr Wert auf eine rechtliche Trennung legen.
Bemerkenswert ist übrigens, daß in Preußen zugleich mit dem Rückgange der wirtschaftlichen Konjunkturen im Jahre 1900 eine er⸗ hebliche Verringerung der Zahl der Ehescheidungen eingetreten ist. Daß ein ursächlicher NFaerecbalc zwischen diesen beiden Er⸗ scheinungen besteht, ist sehr wohl anzunehmen, wiewohl er sich im einzelnen wegen der gleichzeitigen stärkeren Einwirkung der veränderten Rechtslage nicht nachweisen laäßt. Für Berlin, wo die Ehescheidungs⸗ ziffer von 1899 auf 1900 um rund ein Drittel gesunken ist, scheint
allerdings ein durch die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage her⸗ selbst die Lust dazu ver⸗
vorgerufener, die Scheidung erschwerender un mindernder Einfluß unverkennbar zu sein.
Zur Arbeiterbewegung. Der Ausstand in der Berliner Holzindustrie (vgl. Nr. 95 d. Bl.) schien beendet zu sein, nachdem die Verhandlungen mit den aus⸗ ständigen Arbeitern so weit gediehen waren, daß ein Teil sofort die Arbeit wieder aufnahm. Angeblich infolge eines öffentlichen Inserats, nach welchem von Arbeitgebern Arbeitskräfte verlangt werden, haben nun der „Voss. Ztg.“ zufolge die Maschinenarbeiter ohne weiteres über 18 neue Firmen die Sperre verhängt, wodurch die weiteren Verhandlungen erschwert werden und die Beendigung des sechs Wochen andauernden Ausstands abermals hinausgeschoben wird. — Mit den ausständigen Bauklempnern (vgl. Nr. 94 d. Bl.) schweben Verhandlungen, die einen gedeihlichen Fortgang versprechen. — Dem Verband der Baugeschäfte von Verlin und den Vororten ist es nach eingehenden Verhandlungen gelungen, die Geltungsdauer des Tarifvertrags, durch den seit dem Jahre 1899 der gewerb⸗ liche Friede im Baugewerbe gewahrt ist, auch in diesem Jahre zu verlängern. Die Forderung eines sofortigen Stundenlohns von 70 ₰ seitens der Arbeitnehmer konnte dabei nicht anerkannt werden und ist zurückgewiesen worden. Die Arbeitnehmer haben sich aber schließlich mit dem Vermittelungsvorschlag einer Lohnerhöhung von 2½ ₰ unter der Bedingung, daß auch für das zweite Vertragsjahr eine gleiche Erhöhung vorgesehen wird, einverstanden erklärt. Der Stundenlohn für Maurer⸗ und Zimmergesellen wird demgemäß nach den getroffenen Vereinbarungen für sämtliche Bauten von Berlin und den Vororten für die Zeit vom 1. April d. J. bis zum 31. März 1904 um 2 ½ 4₰, d. h. von 65 ₰ auf 67 ½ ₰ steigen, während für die Zeit vom 1. April 1904 bis 31. März 1905 der Stundenlohn 70 ₰ be⸗ tragen wird.
In einem heute veranstalteten Referendum hat sich die Mehrheit der ausständigen D ockarbeiter in Marseille (vgl. Nr. 90 d. Bl.) gegen den Vermittelungsvorschlag ausgesprochen, nach welchem für den neunstündigen Arbeitstag ein Lonn von 5 Francs 85 Centimes gezahlt
werden sollte. Die Arbeiterschaft besteht auf einem Lohn von 6 Francs. Literatur. Kolonialgeschichte. Von D;r. Pretrich Schaäfer, Pro⸗
fessor der Geschichte an der Universität Berlin (bisher in Heidel⸗
berg). G. J. Göschensche Verlagshandlung, Leipzig. Preis geb. 80 ₰. — Kolonisierende Tätigkeit steht im Vordergrunde der Aufgaben, welche die lebende Menschheit zu lösen hat. Was
se deutet, wie sie ZI ist, zu welchen Ergebnissen e führen kann und soll, das kann nicht richtig beurteilt werden ohne einen Blick in die Geschichte. Einen solchen sucht das hier angezeigte Büchlein zu tun. Allerdings ist die kolonisierende Tätigkeit der Menschen in gewissem Sinn gleichbedeutend mit ihrer Kultur⸗ verbreitung über die Erde überhaupt. Doch lassen sich gewisse Tat⸗ sachen hervorheben, die gerade unter diesem Gesichtspunkt von besonderer Bedeutung sind. Die „Kolonialgeschichte’ bemüht sich, ihrer Betrachtung zu
vor allem diese Hergänge in den Kreis 8 ziehen. Sie kann gegenüber der ungeheuren Fülle des Froße nur andeuten; aber sie zeigt trotzdem die Wege, die zu Größe
und Niedergang der Völker geführt haben, und gibt damit einen Fingerzeig für die Beurteilung der Gegenwart und insbesondere für die Aufgaben, die unserem Volk gestellt sind, wenn es bestehen will. Es ist spät in die Kolonisation eingetreten; warum, das findet der Leser in Kürze erklärt. Es ist aber noch nicht zu spät, um noch Erfolge zu erlangen, die unserem Staat und unserem Volkstum eine dauernde Bedeutung sichern. Diese Ueberzeugung wird sich dem Leser des Büchleins einprägen. b
— Wie, die Landordnung von Kiautschou entstand? Von Admiralitätsrat Dr. Schrameier in Tsingtau. (50 ₰.) Berlin, Verlag von J. Harrwitz, Nachfolger. — Als das Deutsche Reich in Ost⸗ asien Fuß faßte, mußte es verhindert werden, daß Ausländer den ver⸗ hältnismäßig wenig ausgedehnten Grund und Boden der Pachtkolonie auf⸗ kauften und dadurch die Absichten des Deutschen Reichs durchkreuzten. Alle Terrainspekulation wurde dadurch unmöglich gemacht, daß als einzige Steuer eine Grundwertsteuer von 60 vom Tausend eingeführt wurde und daneben eine „Zuwachssteuer“ in Geltung kam, die 33 ½ % des unverdienten Zuwachswertes für das deutsche Volk sicherte. er Ver⸗ fasser der kleinen, interessanten Schrift hat bei der Regelung der Bodenverhältnisse in Kiautschou selbst mitgewirkt und gibt ein zu⸗ verlässiges Bild von der Entstehung und dem Wesen dieses, auf seden Fal interessanten Versuchs 2* dem Gebiet der Grund⸗ und Bodenpolitik.
— Süd⸗ und Mittelamerika. Zweite, neubearbeitete Auf⸗ lage. Von Professor Dr. W. Sievers. Mit 145 Abbildungen im Text, 10 Kartenbeilagen und 20 Tafeln in Holzschnitt, Aetzung und Farbendruck. (Allgemeine Länderkunde, III. Teil.) 14 Lieferungen zu se 1 ℳ oder in Halbleder gebunden 16 ℳ Leipzig und Wien Bibliographisches Institut. — Die vorliegende, mit einer Karte und Textillustrationen reich ausgestattete erste Lieferung des Buchs enthält einen Ueberblick über die Erforschungsgeschichte der Lünder Süd⸗ und
Mittelamerikas. Die weiteren Lieferungen sollen fol 8 enthalten: „Das ungefaltete L 8 n folgende Kapitel abteilungen: 5 und des Ostens⸗ mit den Unter⸗
n Die Llanos, ien, 2 b Plataländer und Patagonien; „Das mhanaterne Hrsgien, *mi deh 11“ Die füdlichen Cordilleren Die mitfl , dleren, 8 ie nördlichen Cordilleren (peruanische ecu torie Fer⸗ 8 g. 22 ch⸗venezolanische), Das übrige Venezuela eeessge er Hefcge zeestindien⸗ und „Zentralamerika“ 8n ne ee Verlag beginnt mit der Aus ei er Ausgabe e r. M. Wilhelm M vormals Ditetter ve Reeskacblt katurkräfte, ein Weltbild der
Berlin, das le en 1 das auf 15 —— Hemischen Eczscheinvngee betitelt und
Die La
physikalis ich Die zu je 1 ℳ berechnet
bildungen und 29 Tafeln versehen sein. Das vorliegende erste Heft
bringt nur die Einleitung. Wir lernen die exakte Abgremgthht hes⸗