Offizier das Recht der freien Kritik, der freien Rarneeüebena und von dieser Freiheit machen namentlich die Generale fast schrankenlosen Gebrauch. Diese Art der Kritik ist der ferzöfüschen Armee aus⸗ Frichnet bekommen und hat deren große Fortschritte mit herbeigeführt. ei uns möchte man die Kritik unterdrücken, aber diese Unter⸗ drückungsversuche dürften nicht von Erfolg sein, um so weniger, als die tagtäglichen Umwälzungen der Technik auch die Taktik steter Wandlung unterziehen. Vor 30 oder 40 Jahren war auch die Armee überwiegend noch aus der bäuerlichen Bevölkerung zusammengesetzt, die bezüglich der geistigen Kapazität gegen die städtische als minder⸗ wertig bezeichnet werden muß (Unruhe rechts) — das wird auch in Armee so angesehen —; heute ist das städtische, geistig gehobenere Element weit mehr in der Armee vertreten. Fine nun der Offizter in der Armee Elemente, die nicht mehr die frühere Füg⸗ samkeit, Schmiegsamkeit und Genügsamkeit besitzen, so spricht er von sozialdemokratischen Elementen, daher die Redensart von der sozialdemokratischen Verseuchung der Armee. Anderseits erkannte schon Graf von Caprivi 1893, daß es durchschnittlich keinen — Soldaten in der Armee gebe, als den Soztaldemokraten. (Wider⸗ spruch rechts.) Jawohl, das sind Leute von höherer Intelligenz. (Andauerndes Lachen rechts, im Zentrum und bei den National⸗ liberalen.) Ich war auf diesen Heiterkeitsausbruch gefaßt, der ändert aber nichts an der Um Sozialdemokrat zu sein, be⸗ darf der Mensch schon einer höheren Intelligenz. (Erneutes andauerndes Lachen.) Allerdings darf ja kein Sozialdemokrat, und wäre er noch so intelligent, die Unteroffiziertressen bekommen. Daß die Soztaldemokraten nicht befördert werden, ist selbstverständlich. Die Armeeverwaltung sollte in ihrem eigenen Iesfee keinen Unter⸗ schied machen, denn nach dem Urteil einer militärischen Autorität ist das Unteroffizierkorps mangelhaft, woraus sich die Soldaten⸗ mißhandlungen erklären. Die große Zahl der Mißbandlungen erklärt ch aber auch aus der maschinenmäßigen Ausbildung, dem Kadaver⸗ ehorsam und infolgedessen der Unselbständigkeit des einzelnen oldaten. Unsere Aeußerungen über den Paradedrill werden von der rechten Seite der Regel mit Murren angehört. Aber selbst ein Mann wie der Korpskommandeur von Meerscheidt⸗Hüllessem erklärt sich in einem Buch gegen übermäßige Paradeübungen, die für den Krieg keinen Wert hätten; noch heute sollte Jena uns eine Mahnung sein, uns von den Fesseln einer überlebten Ausbildungsmethode zu befreien. Auch über die ewigen Besichtigungen und Vorstellungen wird in den mililärischen ee bitter Beschwerde geführt und darauf hingewiesen, daß diese die Ursachen der in der Armee um sich greifenden Nervosität seien. Wie bei der Polizei, so wird auch in der Armee darauf gehalten, daß eine bestimmte Anzahl von Bestrafungen nachgewiesen werden kann, das wirkt wieder auf die Mißhandlungen zurück. Auf die einzelnen barbarischen Fälle gehe ich nicht näher ein; ich er⸗ innere nur an den Fall des Unteroffiziers Breidenbach, der wegen 300 schwerer und 12 leichter Fälle verurteilt worden ist. Der Kriegs⸗ minister hat gesagt, er finde es unbegreiflich, daß Vor⸗ gesetzten diese Fälle nicht bekannt geworden seien. Der Hauptmann des Breidenbach, von Grolmann, hatte Furcht vor den Sozial⸗ demokraten, wie sich aus den späteren Gerichtsverhandlungen ergab. Dieser Hauptmann wurde nur zu vier Wochen Stubenarrest perurteilt, weil der Kriegeminister früher erklärt hatte, daß Offiziere dieser Art brs Führung einer Kompagnie unfähig seien. Redner führt noch weitere
älle von Soldatenmißhandlungen an. 8 Präsident Graf von Ballestrem weist darauf hin, daß eine vorübergehende Behandlung dieser Frage wohl nicht zu vermeiden, eine eingehende Besprechung aber erst beim Kapitel Militärjustiz be⸗ schlossen sa 2- fährt fort, daß eine Besserung so lange nicht zu erwarten sei, als nicht die Vorgesetzten selbst die Truppen genau kontrollieren, um solche Fälle unmöglich zu machen. Die große Zahl der Selbstmorde in der Armee sei die Folge schlechter Be⸗ Fandlung durch die Vorgesetzten, zum Teil sogar der Hauptleute. Ein solcher Fall sei z. B. bei einem Regiment in Hannovper vor⸗ gekommen, wo sich ein Einjähriger das Leben habe. Ein zunger Leutnant sei wegen 695 Fällen von Mißhandlungen zu 3 ½ Fahren Gefängnis verurteilt worden. Wie * en, führt der Redner 8s Fahnag, diese Mißhandlungen den Vorgesetzten verborgen bleiben? Aasfelend'ist, daß der frühere Kommandenr des vI, Armeekorps, der 8 ing von Sachsen⸗Meiningen, genötigt worden ist, seinen Abschie Erbpr r an sein Offizierkorps einen Erlaß gerichtet hat,
zu nehmen, weil er it der Kaiserlichen Verord 1890 tlichen mit der Kaiserlichen Verordnung von 189 den sich im. mesef ichen das Beschwerderecht der Soldaten hin. Ein
d rieb einmal: „Wann kann der Soldat am meisten Mut esb ehs shene beweisen? Wenn er sich beschweren will.“ Ich möchte den Kriegsminister um Auskunft bitten, was an der Mitteilung wahr ist, daß der Kommandeur des VII. Korps, Freiherr von Bissing in Münster, seinen Burschen so mißhandelt hat, daß dieser die Flucht ergriff. Der General soll nach der einen Meldung zu einigen Stunden, nach einer anderen zu einigen Tagen Stuben, arrest verurteilt worden sein. (Ünruhe rechts; Rufe: Zur b
räsident Graf von Ballestrem: Ob der Redner zur Zache pricht oder nicht, darüber habe ich zu entscheiden. Im allgemeinen
in ich nicht dafür, solche Resolutionen auszuscheiden. Die Fragen werden doch erörtert, und später wird die Sache doch wiederholt; das ist der ganze Effekt.) Der Generalleutnant von Boguslawski hat geschrieben, die Mißhandlungen der gemeinen Soldaten durch ührr Kameraden würden durch sozialdemokratische Agitationen gefördert. Wie falsch diese Annahme ist, habe ich vorher bereits nach ewfesen. Was Herr von Boguslawski gegen uns losgelassen hat, v gemeine Verdächtigungen, wie sie sich dieser Herr in 8 1 rischen Ergüssen ganz besonders gern gegen uns leistet; ein Herr, der den höchsten militärischen Chargen angehört, sollte etwas sr⸗ sichtiger sein. In den Preßfehden, die ich mit ihm ausgefochten habe⸗ bin ich nicht derjenige gewesen, der schlecht abgeschnitten hat. 1ne een dem Heidelberger Fall, der dem Herrn zu diesem Ausfall Veranla 1ng ab, ist ein Fall in Kiel zu erwähnen, wo das Meißverhältntg 5 Pesgra ungen, wenn es sich um Vergehen gegen Vocheeet. unc. Fegs es sich um Vergehen gegen Untergebene handelt, am klarsten hervon
trat. Es ist immer ein Zeichen gemeiner Gesinnung, wenn ein Mißhandlungen begeht in dem Bepangeses den 7 Untergebene ihm wehrlos gegenübersteht. Ich stehe n 8 22 erklären, daß, wenn ich als Soldat mißhandelt würte, 6 vor 58 Notwehr Gebrauch machen, ein Recht der Notwehr für mich in ig spruch nehmen würde. Der ewige, ununterbrochene, ne Seen kann auf die Offiziere allerdings keine Anziehungskraft ausüben
er Dr. auszutoben. Der Roman de Pfsu he, Aaerecfstnes ger coane sich ajemand unangenehmer
von Bilse „Aus einer kleinen Garnison’ ist sicher nie vas eeges dem Kriegsminister, nachdem gerichtlich festgestellt 8 war, daß alles in dem Roman Behauptete leider wahr ne. ¹ Vorgänge in Forbach und Pirna haben nachhaltige 58 g hervorgerufen. In Pirna hat sich eine Offizierödame als 89 sgs Messalina erwiesen. Wenn nur der dritte Teil des von 8 88 n Wolf von Baudissin in seinem Roman rstklassige ens 3 Geschilderten wahr wäre, so hätten wir einen Grad von Korrup 8 vor uns, wie er noch nie festgestellt worden ist. (Große Unruhe rech s Zwischemufe.) Wenn man die Unwahrheit feststellen will, kann, 3 der Kriegsminister einschreiten; aber nach dem Forbacher Beispiel wir er dazu schwerlich Neigung haben. eer Verfasser ist ja Militär. vhnfe rechts: Nein! Unsinn! Lump!)
offentlich nach diesen Zwischenrufen Veranlassung nehmen, sich etwas
deutli zulassen. kach den unbestrittenen ch 9 habe, gehören Vorkommnisse, wie sie Graf von Baudisfin schildert, in der Armee nicht zu den Seltenheiten.
Aber auch das Bürgertum trägt Schuld an diesen Zu⸗
ständen: wenn die Boncgofsta. düden Mhhrerstamn als, ge
erst inst enn Kichter nden, die
de eldüt, p Leutnants, die eben aus dem
ie Menge junger Warum die Me ge vom S haffn 11. 88 unterste C 8 ierstandes bekleiden, gleich zum ersten Stan nn Tsheg beng⸗ de Phb begreife ich nicht. Cs ist das Kriechen des Bürgertums vor dem Offizterstand infolge des Reserveoffizierwesens. 8 ö in den Kreisen des Offizierkorps ein Epikuräismus eingerissen,
un. Kadettenkorps kommen,
Der Graf von Baudissin wird Tatsachen, die ich, meine Herren, wen
gewesen ist (sehr richtig!), um die
das ewige Sreee. und als notwendige Folge die Geld⸗ heiraten: alles dies hat das Offizierkorps umgewandelt. Das Schuldenmachen hat einen ungeheuren Umfang angenommen. Selbst ein Blatt wie die „Rheinisch⸗Westfälische Zeitung“ hat darauf hin⸗ ewiesen, daß der überhandnehmende Luxus ein Verderben sei für die rmee; in ganz ähnlicher Weise hat sich der konservative „Reichsbote“ ausgelassen, der u. a. anführt, daß eine ganze Reibe von Offtziers⸗ familien nicht mehr ihre Söhne beim Heere eintreten lassen könnte, weil das billigste Regiment zu teuer geworden sei. Wir baben ja auch gesehen, was in Forbach die Kommandeuse für eine Rolle spielte; daß sie über die Dienstpferde verfügte usw. Wir haben erfahren, daß ein Divistonskommandeur seinen Abschied nehmen mußte, weil er mit einem Bruder, der Lehrer war, verkehrte, was der Kommandeuse, der Frau des kommandierenden Generals, so mißfiel, daß sie den blauen Brief für den Divisionär durchsetzte. Die ganze äußere Aus⸗ stattung der Armee ist in den letzten Jahren in einer Weise um⸗ gewandelt worden, die mit den Erfordernissen des Dienstes und mit dem ganzen Zweck der Armee geradezu in Widerspruch steht. Ich habe schon vor Jahren auf die Notwendigkeit hingewiesen, alles Glänzende und Schillernde in der Bekleidung der Armee zu be⸗ seitigen, was dem Feinde als Zielscheibe dienen könnte. Früher hat man mich verlacht, später hat man das beachtet. Aber trotzdem tritt jetzt wieder das Streben nach ingehn Glanz und Prunk hexvor. iir haben darüber von anderer Seite ein lautes Klagelied gehört. Es wurde von den vielen Uniformveränderungen gesprochen. Die „Rheinisch⸗Westfälische Zettung“ hat sich darüber ebenfalls geäußert. Welchen Unwillen die bekannte „Kummerfalte“ im Offiziermantel erregt hat, ist bekannt. In Offizierkreisen höhnt man darüber. Der Kriegsminister sagte, die Sache wäre übertrieben, so viele Uniformänderungen seien in den letzten 25 Jahren gar nicht vor⸗ genommen worden. Es handelt sich aber gar nicht so sehr um ÜUniformänderungen, als um die vielen Kinkerlitzchen, die eingeführt werden. Nach den „Hamburger Nachrichten⸗ muß ein Soldat in der Marine nicht weniger als 250 Pe scenene Abzeichen im Kopfe haben. Die ersten Offiziere beschweren sich sogar über die fortwährende Uniform⸗ aͤnderung. Die Manöver werden mehr und mehr zu militärischen Schaustellungen. In weiten Kreisen der Armee und des Volkes ist die Ueberzeugung vorhanden, daß, wenn die deutsche Armee in einem künftigen Kriege ebenso geführt wird, wie in den Kaisermanövern, die Niederlage Deutschlands unabwendbar ist. Die großen Manöver verursachen ungeheure Kosten. Die “ verwaltung hat das bestritten. Die Verwaltung bemüht sich 8 er⸗ dings, die Kosten herabzusetzen, aber auf Rechnung der betreffenden 8— wirte, wie das beim letzten Manöver in Sachsen geschehen ist. 5 Kritik, die sich an die letzten Manöver geknüpft hat, ist inmes b . sprechender geworden. Freiherr von Gahlen spricht in der enHübanten Schrift sineo ira et studio von phantastischen Manoövern. 2 standen ihm noch nicht einmal die Erfahrungen über das Jahr zur Verfügung. Daß die Manöver nur noch Schaustellungen sind, hat der Ibers Gaedke in einem Artikel des „Berliner vmMelckte gezeigt. Ein ebenso vernichtendes Urteil hat in der Gegenwart ein Agrarier gefänt der mir sehr sachverständig, zu sein scheint. Ich ver⸗ 8 mit Interesse in der Presse die Kritiken über die Schweizer Milizarmee. Diese reichen aber nicht entfernt an die Kritiken über unsere Kaisermanöver heran. Die deutsche Armee soll erst einmal beweisen, ob sie dieselben Strapazen aushalten kann wie beispiels⸗ weise die Burenmiliz. Der General a. D. Graf von der Lippe schlägt in einer Broschüre einen Mittelweg zwischen dem Bestehenden und dem, was die Sozialdemokraten wollen, vor: eine stehende Armee von 200 000 Mann und eine Milizarmee. Es ist charakteristisch, daß in Frankreich von hohen Offizieren ähnliche Gedanken vertreten werden. Freiherr von der Goltz hatte schon in den 1870 er Jahren gleich uns die militärische Ausbildung einer Jugendwehr empfohlen. Immer weiter dringt die Ueberzeugung durch, daß nur durch eine Umwandlung von Grund aus eine Besserung der jetzigen Zustände in der Armee erzielt werden kann.
Preußischer Kriegsminister, Generalleutnant von Einem genannt von Rothmaler:
Meine Herren! In der zweieinhalbstündigen Rede hat der Herr Abg. Bebel wohl alle Dinge, die in der Armee vorkommen können, von dem Eintritt des Rekruten bis zu seinem Ausscheiden, seine ganze Dienstlaufbahn und Ausbildung geschildert. Ich weiß nicht, ob ich imstande sein werde, ihm auf diesen Pfaden ganz zu folgen. Einen Hauptteil der Zeit hat er damit ausgefüllt, daß er gesagt hat: „ich weiß es nicht, aber es ist mir berichtet“; „es ist mir gesagt“; „ich habe es gehört“; „es sind unerhörte Zustände“ (Heiterkeit rechts); „es soll dies und jenes vorgekommen sein“; „bestimmt versichern kann ich es nicht, aber es ist mir gesagt worden“. (Sehr richtig! und Heiterkeit rechts.) Denken Sie sich, meine Herren, wenn ich derartige Anschuldigungen gegen ein Mitglied der sohzialdemokratischen Partei, oder gegen diese selbst äußern würde — ich bin überzeugt, er würde bewaffnet mit dem Panzer der Moral und dem Schwert der sittlichen Entrüstung üͤber mich herfallen. (Sehr richtig! und Heiterkeit rechts.) Also alle diese Sachen, diese ollen Kamellen, wenn ich so sagen darf (sehr gut! rechts. Zurufe links), von einem Divisionskommandeur, der in Allenstein gestanden hätte am Sitz des Generalkommandos, dessen Vetter oder Bruder sei Lehrer und die Frau des kommandierenden Generals wäre entrüstet über diese niedrige Verwandtschaft gewesen, so daß der Divisionskommandeur den bekannten blauen Brief be⸗
das ist der vollkommenste, bare Unsinn.
kommen hätte — — — (Hört, hört! und Heiterkeit rechts, Unruhe links.) Meine Herren, wenn der Herr Abg. Bebel, der so außerordentlich
litärischen Fragen (Heiterkeit) — die Rangliste
Bescheid weiß in mi 9 des 1. Armeekorps ansähe, so würde er finden, daß es gar kein
Generalkommando in Allenstein gibt (hört, hört!), und wenn er sich weiter informieren wollte, würde er sehen, daß das einzige General⸗ kommando, was dort existiert, in Königsberg ist, daß der Divisionskommandeur, der dort war, nicht verabschiedet, sondern kommandierender General geworden ist. (Hört, hört!) Also die ganze Geschichte fällt in sich zusammen wie ein Kartenhaus. (Sehr gut! rechts.) — Ich komme gleich, um das abzumachen, auf den Fall des Generals von Bissing in Münster. Der Herr Abg. Bebel sagt, von sechs Seiten wäre ihm darüber berichtet — mir ist von keiner Seite berichtet, ich weiß nichts davon, ich weiß nur, daß man selbst im Militärkabinett keine Ahnung davon hat, und daß General von Bissing nicht vor ein Kriegsgericht gestellt ist. Das ist meine Erklärung über diesen Fall. Nun hat der Herr Abg. Bebel seine große Befriedigung darüber ausgesprochen, daß jetzt das ganze Haus von der Linken zur Rechten, und daß auch die Regierung werktätig eintrikt und der Meinung wäre, daß die Miß⸗ handlungen aus der Armee ausgerottet werden müssen. Nun glaube
igstens die Regierung, die Militärverwaltung hat immer auf diesem Standpunkt gestanden (sehr richtig!), und ich nehme auch an, daß von jedermann, der hier auf diesen Bänken gesessen hat, die Mißhandlungen stets verurteilt worden sind. (Sehr richtig!) Ich meine nicht, daß die Sozialdemokratie die führende Partei 8 sen Mißhandlungen ein Ende zu machen. Es muß einmal ausgesprochen werden, meine Herren, ich glaube sogar, keine Partei hat weniger Veranlassung, anzunehmen,
wie nie zuvor, das Ueberhandnehmen des Luxus, der Liebesmäahle,] daß sie abgezielt hätte auf Besserung der
Zustände in der Armee als die Sozialdemokratie — (lebhafte Rufe: Sehr richtig! Zurufe links) — unterbrechen Sie mich doch nicht, meine Herren, Sie kommen ja später noch an die Reihe —, denn auf dem Parteitag der Partei in Dresden (Aha! links. Glocke des Präsidenten.) — ja, meine Herren, haben Sie denn da nicht Ihre wahre Meinung zum Ausdruck gebracht; wollen Sie diese jetzt leugnen? (Sehr gut!) Wenn eine Partei wie Sie auf dem Dresdner Parteitag zum Schluß erklärt, die Gegensätze innerhalb des Volkes werden sich nicht mildern, sondern sie werden sich stetig verschärfen, wie können Sie dannzeigent⸗ lich darauf rechnen, daß friedliche, gesunde, harmonische Zustände im Heere herrschen? (Sehr richtig!) Denn in das Heer kommen⸗Angehörige aller Kreise, aller Stände, dort begegnen sie sich, müssen sich unter⸗ ordnen, miteinander verkehren. Kommen aber Leute dahin, die ver⸗ hetzt sind, dann werden die Gegensätze auch dort aufeinanderplatzen. Deshalb sage ich, keine Partei hat weniger Veranlassung, zu glauben, daß sie Besserung erzielt habe, als die Sozialdemokratie. (Sehr richtig!) Ich habe hier ein Blatt, in dem ein Antrag Elbinger und Genossen steht, lautend:
Die Partei möge unter den Proletariern,t die alljährlich zur Armee eingezogen werden, vor dem Eintritt in die Armee in ge⸗ eigneter Form Propaganda für den Sozialismus machen. Ins⸗ besondere die künftigen Soldaten über ihre Pflichten gegen den sogenannten inneren Feind aufzuklären,
— damit sie gegebenenfalls nicht gehorchen. (Hört! hört!) Die Berliner Genossen des ersten Berliner Wahlkreises beantragen:
Die Reichstagsfraktion wird mit der Einleitung einer plan⸗ mäßigen Propaganda gegen den Militarismus, mit der Ein⸗ bringung eines Gesetzentwurfs beauftragt, unter besonderer Betonung folgender Forderungen: Abschafuung der Militärjustiz und des Militärstrafrechts, Anerkennung des Rechts auf Notwehr gegen Mißhandlungen, allgemeine einjährige Dienstzeit.
(Heiterkeit.) Wenn mit solchen Instruktionen versehene Mannschaften in die Armee kommen, dann sind Sie schuld an so und so vielen Mißhandlungen. (Lebhaftes Bravo! Stürmische Zurufe links. Glocke des Präsidenten.) Wenn so und so viele Herren mit einem Male sprechen, kann ich nicht hören und darauf auch nicht antworten. (Zurufe links.) Um dem Herrn Abg. Bebel, so gut wie es geht, in chronologischer Weise in seiner Rede zu folgen möchte ich jetzt kurz die Kritiken seitens der inaktiven Offiziere berühren. Ich bin darauf schon bei der ersten Etatsberatung zu sprechen ge⸗
kommen und erlaube mir, Ihnen vorzulesen, was ich damals sagte: 8
Wenn nun auch Kritiken, wie gesagt, natürlich sind, f
4 . 2 6 1 d 7 0 möchte ich doch die Herren bitten, nicht nur immer diejenigen der 1 mehr im Dienst befindlichen Offiziere als richtig anzusehen. Verlassen Sie sich auch auf die Offiziere, die auf ihren hohen
Stellen Seiner Majestät dem Kaiser und Könige und ihrem eigenen Gewissen verantwortlich sind für die kriegsmäßige Ausbildung ihrer 6
Truppenteile. Also ich habe das Recht der Kritik der inaktiven Offiziere durch diese Worte in keiner Weise bestritten. Ich sage sogar: wir können die scharfe Luft der Kritik zum Segen der Armee überhaupt gar nicht entbehren. Ich sage weiter: die inaktiven Offiziere haben uns in ganz außerordentlichem Maße auf allen möglichen Gebieten der Organisation, Ausbildung, der Erfindungen, des Waffenwesens usw. genützt. (Hört, hört!) Es richtet sich meine Bitte nur dahin, Kritiken zu vermeiden, die verhetzend wirken, die in das Volk hinein Aufregung und den Glauben bringen, die Armee sei nicht mehr so tüchtig, als sie sein müßte zur Sicherheit des Vaterlandes. 1
Was ist nun aus diesen Worten, die so objektiv gefaßt waren wie nur möglich, geworden? Das „Berliner Tageblatt“ hat am nächsten Tage einen Artikel gebracht: „Die Kritik der Gewesenen“. Da steht drin: wir sind verurteilt zu Mumien, wir dürfen nicht mehr reden; nur was der Herr Kriegsminister im Reichstage für gut findet zu sagen, soll geglaubt werden; wir sollen stille sein, wir werden aber nicht stille sein, sondern wir werden uns er⸗ heben und werden unser Recht geltend machen. Ich hatte von alle dem nichts gesagt, nicht einmal von meiner Person gesprochen. Man fuhr dann fort: wie kommt dieser Mann, der gestern noch gar nichts war, zu solch einer Kritik? Heute ist er Kriegsminister, sitzt am Regierungstisch, und da hat er sich schon mit einer gewissen Schnelligkeit die Allüren des Regierenden angewöhnt. Schließlich er⸗ hielt ich Briefe von inaktiven Offizieren, die mir schrieben, ich hätte die inaktiven Offiziere beleidigt. Als ich ihnen aber das Steno⸗ gramm hingeschickt hatte, antworteten sie mir: es tut uns ganz außerordentlich leid, solche Briefe an Sie geschrieben zu haben; wir können nur unterschreiben, was Sie gesagt haben, wir sind irre⸗ geführt durch den Schreiber im „Berliner Tageblatt“, den Herrn Obersten Gaedke. (Lebhafte Rufe: Hört, hört! — Zuruf von den Sozialdemokraten.) — Diese Briefe kann ich Ihnen vorlegen.
Nun möchte ich Ihnen zeigen, wie derartige Kritiken gegen die Armee beschaffen sind — ich schicke voraus: sie entstehen natürlich immer nur aus Liebe zur Armee, aus dem tiefsten Interesse, die Armee zu fördern; aber die Liebe geht manchmal wirklich eigentümliche Bahnen, das ist eine Liebe, die heißt: ich liebe dich so sehr, ich töte dich. Da sagt z. B. das „Berliner Tageblatt“ am 2. De⸗ zember v. J.:
Wer weiß nicht, daß die taktische Weisheit des General⸗ stabes sich bereits Jahrzehnte hindurch in sansftem Schlummer⸗ zustande befindet!
Es dauerte gar nicht lange, am 5. Januar besprach das Blatt die Kommandierung eines Generals zur Dienstleistung beim Chef des Generalstabes der Armee. Nun möchte man glauben: wenn der Generalstab jahrzehntelang in einem sanften Schlummerzustande liegt, dann macht der Chef des Generalstabes diesen Schlummer doch mit, denn sonst könnte ja der Generalstab nicht schlafen. Da erklärt aber das Blatt von dem Chef des Generalstabes:
Er gehört zu den Persönlichkeiten, die jedes Heer stolz wäre in seinen Reihen zu zählen und so lange wie möglich im Dienst zu bewahren.
Wahrscheinlich, um weiter zu schlafen. (Sehr gut! und Heiterkeit rechts.)
Daß seine Bedeutung nach außen weniger hervortritt, liegt einer⸗ seits an unseren gegenwärtigen Verhältnissen, andererseits üng⸗ Eigenart seiner Natur, die sich mehr dem Charakter de 8 3 ses großen Feldmarschalls als seines unmittelbaren Vorgängers nähert, und wohl nicht zum Nachteil des Heeres und des Staats. 2 n-
1904
Das stille