Zweite Beilage
Berlin, Sonnabend, den 5. März
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Aber dabei, meine Herren, ist das Merkwürdige: in denselben Blättern liest man bei anderer Gelegenheit — ich will nur an unseren Zu⸗ sammenstoß mit Venezuela erinnern —: die Armee taugt gar nichts, denn das Offizierkorps nimmt eine durchaus ungeachtete Stellung ein, das hat nicht die gesellschaftliche Stellung, die ihm zukommt. Hier bei uns aber werden die Offiziere heruntergerissen, obgleich man ganz deutlich erkennt, daß der Offizier der Führer des Volkes in Waffen ist. (Lachen bei den Sozialdemokraten und Widerspruch.) Von meinem Standpunkt aus muß ich sagen, daß der Offiziersstand durch das, was er im Kriege geleistet hat, sich den Dank der Nation für alle Zeiten gesichert haben follte. (Sehr wahr! rechts. — Zurufe von den Sozialdemokraten.) Aber, meine Herren, die langen Friedens⸗
jahre lassen derartige kriegerische Verdienste vergessen. Und was hat
ihn hervor⸗
er getan, um die feindselige Meinung gegen zurufen? Weil er in unentwegter Treue, Hingebung und Arbeit seinen Dienst getan, seine Pflicht erfüllt und fest
zu seinem Allerhöchsten Kriegsherrn gestanden hat! (Bravo! rechts.)
Meine Herren, noch nie ist ein Stand so mit Schmutz beworfen worden, wie in letzter Zeit der Offiziersstand in dem Baudissinschen Buche, und wie es im „Simplicissimus“ geschehen ist. (Sehr wahr! rechts.) Ich kann nur dem beistimmen, was die National⸗Zeitung einmal geschrieben hat: 4
Der „Simplicissimus“ stellt den tödlichen Bazillus dar, der jedes Ideal, eines nach dem anderen, zu ertöten sucht. (Sehr wahr! rechts und in der Mitte.)
Meine Herren, wenn Zeiten kommen, die schwer sind, dann werden an den Offizier die Anforderungen gestellt, wieder voranzugehen, die Führung zu übernehmen. Ich glaube, daß ein Offisierkorps, das in gedrückter Lage, das nicht geachtet war, das in der Gesellschaft und im Staate eine untergeordnete Rolle spielte, über⸗ haupt nie imstande wäre, eine solche Führerrolle zu übernehmen. Nicht, wenn der Offizier die Uniform anzieht, hat er schon seine Stellung, fondern er soll sich auch sagen, und zwar jeder einzelne: „Was Du ererbt von Deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu be⸗ sitzen“ —, er soll sich in die Tradition des Heeres einleben, er soll in sich aufnehmen den Geist der Armee, und dieser Geist — er ist heute noch ein guter! (Lebhaftes Bravo! rechts.)
Auf alle die Sachen: Luxus, Liebesmahl, Geschenke usw. werde ich heute nicht eingehen; ich werde vielleicht noch Gelegenheit damu haben. Ich möchte nur ganz kurz noch die Manöver berühren, die der
3 gig Bebel ja auch in den Kreis seiner Betrachtungen ge⸗ hat, um wieder einen bekannnten Militärschriftsteller als seinen
Kronzeugen anzuführen.
Meine Herren, erhalten, das jetzt neu behandelt. Ich habe keine Aufschlagen fiel mir ganz zu
ich habe gestern vom Generalstab ein Buch erschienen ist und den südafrikanischen Krieg Zeit gehabt, es durchzulesen; aber beim fällig 8 1 Augen: B ünzenden Siege bei Omdurman äußerte E1 Ausbildung der englischen Führer soled⸗ mangelhaft bleiben, solange man sich nicht entschlösse, größere Ma⸗ növer anzulegen. Er bewundere die großartig angelegten deutschen Manöver. Das sei doch die einzige Art, wie sich ein Führer in der Handhabung größerer Massen üben könne. Sobald er nach dem afrikanischen Kriege zum Oberkommandierenden in Indien ernannt worden war und freie Hand hatte, war es eine seiner ersten nahmen, die Anlage von “ “ wie man sie weder in E d noch in den Kolonien je gesehen. “ Pes 1“ in Feldzügen und Gefechten siegreich gewesenen Mannes stelle ich dem Urteil jenes Kritikers gegenüber. Meine Herren, es ist ungemein leicht, Manöveranlage un Manöverausführung zu kritisieren. Heute noch streiten u“ lehrten, ob der Aufmarsch des preußischen Heeres im Jahre 8 den General Moltke ein Meisterstück oder ein Vergehen Pühen Kriegskunst gewesen sei, trotzdem er zum Siege von ü 8 * Wenn Sie weiter in der Kriegsgeschichte zurückblicken, so fin 88 daß in der schlesischen Armee, die ganz wesentlich unter 85 Fül 0s eines Blücher und Gneisenau zu den großen Erfolgen ve kriege beigetragen hat, die schlimmsten Streitigkeiten, 8 S. Widerwärtigkeiten zwischen dein Hauptquartier und der 8 York und Langeron, die auch gerade keine Dummköpfe waren,
2 ben. 8— h Benbe⸗ 1870 richtete der Generalfeldmarschall Briefe an den General von 8 5 8 1 be⸗
hre Strategie nicht. (Heiterkeit.) Ich wohere⸗ in se. 28 8 Herren, wie äußerst vorsichtig man sein muß in seiner
eitik größerer Truppenanlagen und Führungen. 2
ba nicht, wer der Freiherr von “ ist 6 Eer teeg ür richtig. Wenn Sie 2
ine Kritik durchaus nicht für richtig. 2 8 1 Mansveranlage, mit jeder Durchführung Leehge wesen wäre, dann irren Sie sicch. Ich habe mi so etwas mit meinen Herren sehr überlegt: “ mSch habe aber machen, warum tut er das, ich vöö senes nicht
nsi 4 nie geglaubt, daß, weil nach meiner B Keichs gefährdet sei. Deutschen Reichs g. 8 ichtig war, nun etwa das Wohl des Deutsch Fh 8 mieine, man muß bei derartigen Kritiken F feeae namentlich aͤltere Offiziere, die über derartige “ Nbe Sagt nun noch in einem solchen Artikel der Verfa 2 ich bin gezwungen, mich so auszudrücken, aus Liebe 18* a 1SS. ich diese fürchterlichen Schäden sehe, “ kriegt vonsules“ und als Unterschrift steht ein Oberst a. D⸗ iner vonevester ein Grusela. (Heiterkeit) Meacht es sic nunznt außerbem leicht und sagt: nehmen Sie irgend. ein verlaufen ich werde Ihnen mal beschreiben, wie das Manöͤver 8 ist, war das nicht der vollkommene Unsinn? b 8 der andere natürlich: es ist lauter Usmmn.. 8 so man sich einfach nach der Karte richten könnte, wie im Kriege,
wäre die Sache vielleicht einfach, aber wir haben Rücksichten zu nehmen auf die Bevölkerung, die Bebauung (sehr richtig! rechts), wir müssen beachten, ob das Manöver im vorigen Jahre schon in derselben Gegend war, auf tausenderlei Dinge, die der Betreffende, der kritisiert, gar nicht beurteilen kann, von denen er nichts weiß.
Dann können etwas gequälte Anlagen vorkommen. Das schadet aber nichts, und alle diese Dinge, die der Herr Abg. Bebel hervorgebracht hat, kann ich als zutreffend und richtig
Unsere Manöver entbehren niemals eines und ihre Durchführung geschieht, soweit das überhaupt im Frieden möglich ist, kriegsgemäß. Daß ein Manöver gelegentlich mißglücken kann, ist nicht iu leugnen, namentlich ein großes. Wir sind dabei abhängig von Wind und Wetter, von den Wegeverhältnissen, genug, von allerhand Friktionen, die auch im Kriege eintreten können. Nun aber kurzweg den Stab zu brechen und zu sagen, diese Manöver taugen nichts, das geht doch viel zu weit und entbehrt
in keiner Weise anerkennen. großen Zuges in ihrer Anlage,
einer objektiven, sachgemäßen und richtigen Kritik. (Sehr richtig! rechts.) Ich möchte also auch in dieser Beziehung bitten, vorsichtiger Die preußische Armee ist vor dem Kriege
5 ein. kritisiert, schlecht gemacht und getadelt worden nach allen Richtungen, und sie ist marschiert über Königgrätz bis Wien, und wenn sie Gelegenheit hat, für das Vaterland wieder sich ein⸗ zusetzen, dann bin ich der festen moralischen Ueberzeugung, daß sich derselbe gute Geist in uns finden wird und die Kriegstüchtigkeit auch. Das ganze Gefüge des Heeres im kleinen und großen wird “ gehalten durch die sittliche Pflicht; diese muß mitgebracht als Frucht der Erziehung und unserer sozialen Einrichtungen. 88 Herren, wirke doch jeder an seinem Teile, daß diese sittliche 8 88n des einzelnen dahin geht, sich zu unterwerfen, nicht gegen den zu löken, sondern wirklich in seinem Innern aus Freude am 8— 8 lande seinen Dienst zu tun und sich das zu sagen, was unser ichter
ausgesprochen hat: b -
8 Ans Vaterland, ans teure schließ Dich an, 8 Das halte fest mit Deinem ganzen Herzen, Da sind die starken Wurzeln Deiner Kraft.
(Lebhaftes Bravo!) I Wenkd 8 Abg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim (nl.): benn der Abg. Bebel S 8 dann müßte er dieselben Grundsäiße, die er für die Armee für maßgebend hält, auch auf seine eigene Partei an⸗ wenden, dann müßte er die Schippelsche Kritik in bezug auf die agrarischen und wirtschaftlichen Verhältnisse für die sozialdemokratische aartei für nützlich erklären. Wir haben auch erlebt, daß ein Heann wie Göhre, lediglich weil er Herrn Bebel nicht gefällt, auf seine Kandidatur verzichten mußte. Zu meiner Freude hat Herr Bebel erklärt, daß die Armee ein noli me tangere sei. Daraus muß ich schließen, daß er auch seinerseits sich der revisionistischen Richtung seiner Partei angeschlossen hat. 1893 vertrat er auf dem Parteitage einen anderen Standpunkt. Gewundert hat mich, daß Herr Bebel seinen Finger nicht in eine ganz andere Wunde gelegt hat. Der vatheffs ssten leidet an dienstlicher Ueberbürdung, an einer zu langen Arbeitszeit und zu geringer Löhnung. Ich hoffe, daß der Abg. Müller⸗Fulda die vollen Folgerungen seines Standpunktes ziehen wird. Bei dem jetzigen Zustande ist es begreiflich, wenn einzelne Unter⸗ offiziere in einen Zustand der Ueberreizung gelangen, der den dienst⸗ lichen Verhältnissen nicht günstig ist. Der Unteroffizierstand trägt eine große Verantwortung, er muß sein Leben in einer gewissen Ge⸗ bundenheit führen; er muß dafür auch eine Löhnung haben, die mindestens derjenigen eines Aufsehers in einer großen Fabrik gleich⸗ kommt. Tatsaͤchlich steht aber seine Löhnung ganz erheblich, bis zu 600 ℳ, dahinter zurück. Wir können unserseits nicht positive Vor⸗ schläge machen; das ist Aufgabe der verbündeten Regierungen. Am besten wird die bessere Löhnung dadurch erreicht, daß dem Unter⸗ offizier ein gesichertes Aufrücken ermöglicht wird. Entgegen den Er⸗ klärungen des Abg. Müller⸗Fulda bitten wir außerdem, die geforderten Mittel für Vermehrung der Unteroffizierstellen voll zu bewilligen. Den Bedürfnissen des Unteroffizierstandes muß um so mehr endlich entgegengekommen werden, als man die Anforderungen an ihn immer mehr gesteigert, ihm immer mehr Lasten auferlegt hat. In diesem Sinne kann man auch in der Armee von einer sozialen Frage sprechen. Seit langen Jahren ist ihnen keine Verbesserung zu teil geworden, während die Löhne der Arbeiter stetig gehoben haben. Herr Bebel hat dafür in zwei Stunden kein Wort übrig gehabt. Abg. von Normann. (d. kons.): Herr Bebel hat uns eine lange UUitär kritische Rede gehalten, aber sein altes Steckenpferd, die Miliz murrarin diefem Jahre etwas weniger warm wie sonst gefeiert. Ich hat er Inhalt dieser mehr als zweistündiges Rede in allen ihren 85 8 Herr Bebel sprach seine Freude aus über das endliche Zu tandekommen einer Resolution seitens aller Parteien gegen die Mißbandlungen. Diese Freude hätte Herr Bebel schon lange haben können; wir verurteilen die Mißhandlungen aufs entschiedenste, die wir dies immer getan haben. Wir haben uns immer nur da⸗ 2 en gesträubt, daß bei der Kritik dieser Mißhandlungen in einer eis einseitig vorgegangen wurde, die die Gerechtigkeit vermissen ließ. Jeder kleine Stoß wird als Mißhandlung behandelt; das halten eir nicht für richtig. Wirkliche Mißhandlungen werden bestraft und hart bestraft. Der Unteroffizier verbüßt nicht nur seine Strafe, fondern ruiniert eventuell auch sein ganzes ferneres Leben. Dann haben wir uns dagegen gesträubt, daß diese Verfehlungen auch in der Weise einseitig behandelt wurden, daß immer nur die Schuld des Vorgesetzten, nicht die Schuld des Untergebenen in Betracht ge⸗ zogen wurde. Wir hören immer hier im Fecs⸗ und in der Presse den Unteroffizier als Verbrecher, als Scheusal schildern; wenn das allgemein wird, so sehen wir darin eine ernste Gefahr für den Unter⸗ offizierstand. Der muß dadurch allmählich niedergedrückt werden und seine Lust und Liebe zum Beruf einbüßen, in der allgemeinen Achtung abnehmen. Einzelne Vorkommnisse können nie und nimmer unser Vertrauen und unsere Anerkennung für den Unteroffizier⸗ stand erschüttern, für einen Stand, unentwegt mit un⸗ hedingter Treue seine Pflichten erfüllt, auch nachdem seine Obliegenheiten durch die zweijährige Dienstzeit sehr gesteigert sind. Wir begrüßen daher die Absicht des Kriegsministers mit Freuden, die Unteroffiziere besser zu stellen, und werden ihn auf diesem Wege gern und bereitwillig unterstützen. In dieser Besserstellung sehen wir das beste Mittel, den Soldatenmi Shandlungen entgegenzuarbeiten. Was die traurigen Verhältnisse in den ffizierskreisen betrifft, die an manchen Stellen zu Tage getreten sind, se bedauern wir diese aufs tiefste, ebenso wie der ffiziersstand selbst. Kein Stand ist unfehlbar; schlechte Elemente müssen entfernt werden. Das tut auch das Offizier⸗ korps mit Hilfe seiner Vorgesetzten; mehr kann man nicht verlangen. Auch diese traurigen Vorkommnisse wird das Offizierkorps zum Anlaß nehmen, schärfere Selbstzucht zu üben. An einzelnen Stellen mag auch ein zunehmender Luxus zu bemerken sein; anderseits wird der des Offizierkorps noch so viel traditionelle Ein⸗
der
Einblick in das Leben G einbazc daß eine solche Verallgemeinerung der Klage nicht 8 ““ —
zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeige
1904.
tatthaft ist. Ein übertriebener Luxus bildet meist die erste Grundlage sin Verfehlungen und Verirrungen der verschiedensten Art. Ent⸗ schiedensten Widerspruch erhebe ich gegen die Verallgemeinerung, in der auch heute Herr Bebel sich wieder — hat. Das deutsche Offizier⸗ und ÜUnteroffizierkorps sind die besten der Welt und werden es ewig bleiben, trotz trauriger Einzelfälle, trotz absprechender Kritiker, die entweder die Armee nicht kennen, oder alles verloren haben, was sie früͤher mit der Armee verband. Die beiden Korps werden die besten bleiben, trotz der Schmähschriften, die bei uns nur tiefste Ent⸗ rüstung und Abscheu hervorrufen.
Abg. Dr. Müller⸗Meiningen (fr. Volksp.): Im Interesse des deutschen Bürgertums muß ich der einseitigen Beurteilung des Kriegs⸗ ministers bezüglich der Vorgänge von 1806 bis 1813 zentgegentreten. Er spricht von einem kosmopolitisch angehauchten Bürgertum. Die Königin Luise hat viel vorurteilsloser die Sachlage beurteilt: „Wir sind eingeschlafen auf den Lorbeeren Friedrichs des Großen.“ Der ein⸗ gerostete Gamaschenknopf hat uns Jena zugezogen. (Zwischenruf rechts: Was geht Sie das an?2) Weil es das liberale Bürgertum angeht, darum werfe ich diese Frage auf. Erinnern Sie sich doch an die schmachvollen Kapitulationen von Spandau, Magdeburg usw., die den Zusammenbruch vervollständigten, und dann wiederholen Sie diese Frage. Ohne das liberale Bürgertum würde die preußische Monarchie 1813 jämmerlich zu Grunde gegangen sein. Gegen den Willen des preußischen Königs haben das Bürgertum und der Bauern⸗ stand den preußischen Staat herausgehauen. Die konservative Beckersche Weltgeschichte weist sehr deutlich auf den Geist der Verknöcherung als den Schöpfer der Niederlage von Jena hin. Dje Armee gehorcht, aber sie raisonniert nicht, ein alter preußischer Grundsatz. Aber heute raisonniert die Armee, und nicht mehr lediglich im inaktiven, sondern auch schon im aktiven Teil. Drei hervorragende Generäle haben öffentlich gegenüber offenbaren Mängeln Stellung genommen. Eine Unzufriedenheit, wie sie ähnlich noch nicht im Offizierkorps vor⸗ handen war, hat in den letzten Jahren namentlich über die nervöse Veränderungswut in der äußeren Ausstattung Platz gegriffen, wie die Presse aller Parteien, von der „Kreuzzeitung“ und der „Schlest chen Zeitung“, die ganz besonders vorzügliche Artikel gebracht hat, bis zum „Vorwärts“ beweist. Frber trat man meinen Hinweisen entgegen, man meinte, ich wolle eine ganz neue Meiningerei, eine neue Armeeeinfachheit einführen, heute hallt es in der ganzen Presse von Klagen über den Luxus und die Uniformänderungen wider. Ich habe mit meinen Ausstellungen bei militärischen Autoritäten mehr Verständnis gefunden als bei einem Teil der liberalen Presse. Der Kriegsminister schwieg damals auf meine Andeutungen, und man sprach in der Presse von dem Kräutlein Rühr⸗mich⸗nicht⸗an, von der Kommandogewalt des Kaisers auf diesem Gebiete. Heute müssen wir denn nun doch genauer uns nach der Zuständigkeit des Kriegsministers erkundigen. Nicht nur die Bekleidung der Truppen, sondern auch die der Offiziere gehört zur Zuständigkeit des Reichs⸗ tages. Wenn man die seltsamen Trachten mancher Kavallerieoffiziere sieht, kann man den „Simplicissimus“ begreifen, kann man auf den Zweifel kommen, ob man in diesen einzelnen Eremplaren noch Mit⸗ glieder jenes großartigen deutschen Offizierkorrs zu sehen hat. Gerade diese einzelnen Exemplare sind es, die das böse Blut machen. Es ist in die äußere Haltung des Offizierkorps eine Art thea⸗ tralischer Pose und dekorativer Schauspielerei hineingetragen worden. Diesen theatralischen Charakter hat der Kriegsminister selbst, wie aus seinen Ausführungen bei der ersten Lesung des Etats hervorgeht, gefühlt. Er wird genährt durch dier nervösen, oft lächerlichen Aenderungen in der Uniform. Es gibt keinen Teil der Uniform, der nicht in den letzten 15 Jahren irgend welche Aenderung erfahren hätte, und es ist charakteristisch, daß Teile der Aenderungen in der Adjustierung aus Rußland übernommen sind. Ich glaube nicht, daß der Kriegsminister ein Vergnügen an diesen fortgesetzten Aenderungen hat, aber irgend jemand muß doch daran ein Vergnügen haben. Der Kriegsminister hat in der Budgeikommission gesagt, die Aenderungen hätten sich bewährt, sodaß man sie jetzt vermissen würde. Ich möchte ihn fragen, welchen besonderen hohen Wert die neuen großen Lack⸗ stiefel, die neuen Reithosen usw. haben. Es kann gar nicht 5,— daß mit derartigem Luxus auch andere Verschwendung Hand in Hand 2 t. erinnere nur an die Liebesmähler, die verschiedenen Ge⸗ chenke, die Festlichkeiten aller Art, die Kasinos, die nach unserer Meinung Prunkstätten sind, wo der Geist der Verschwendung und des Luxus heraufbeschworen wird. Ein armer Kerl muß dieselben Aus⸗ gaben machen wie der Reiche. Wie groß die Unzufriedenheit über alle diese Dinge ist, dafür möchte ich nur einen typischen Fall an⸗ führen. Die „Augsburger Abendzeitung“, ein gut nationalliberales und militärfrommes Blatt, forderte vor einiger Zeit zu einer ver⸗ nünftigen Obstruktion der bayerischen Heeresverwaltung gegen diese fortgesetzten Aenderungen seitens der preußischen Heeresverwaltun
auf. as läßt tief blicken. Muß man sich so außerordentli mit Kinkerlitzchen und Aeußerlichkeiten beschäftigen, daß man der deutschen Armee viel zu wenig
Poßen Uniformierungsfrage der Aufmerksamkeit zuwendet? Selbst der konservativste aller Militär⸗ schri steller, General von Boguslawski, sagte im Anschluß an meine zusführungen im vorigen Jahre u. a.: es st empfehlenswert, eine Farbe einzuführen. Auch die Einführung nicht blanker Knöpfe wäre praktisch. Die Geheimnistuerei, die gerade auf diesem Gebiete herrscht, sollte vor allem aufgehoben werden. Die Industrie hat alles Interesse daran, bei Zeiten zu wissen, was sie von beabsichtigten Aenderungen zu halten hat. Ein wesentlicher Faktor bei diesen Aenderungen soll das hiesige Warenhaus für Armee und Marine sein. Es wurde mir mitgeteilt, daß der Chef der Abteilung I, von dem all diese Anregungen zu Uniformänderungen ausgingen, fortgesetzt dabei sei, Neuheiten in der Uniformierung zu ersinnen und sie dem Kriegsministerium vorzulegen. In weiten Kreisen wird die Konkurrenz des Warenhauses für die Armee und Marine sehr empfunden. Wir bekämpfen nur unsinnige, mit der Kriegstüchtigkeit nicht im Zusammenhang stehende, dekoratibve, fortgesetzte Aenderungen. Wir sind nach unserer Meinung noch nicht bei Jena angekommen, und ich hoffe, daß wir unter keinen Umständen dorthin kommen werden. Wir sind der Ueberzeugung, daß im weitaus rößten Teil der Armee noch der Geist von 1870 wach ist, aber das ann uns nicht verhindern, auf die Mißstände hinzuweisen, die gerade bezüglich der Adjustierungsfrage bestehen.
Kriegsminister von Einem genannt von Rothmaler:
Meine Herren! Um eine Legendenbildung nicht aufkommen zu lassen, möchte ich erklären, daß es geschichtlich festgestellt ist, daß die preußische Armee im Jahre 1806 bei Jena geschlagen wurde, weil sie nicht auf der Höhe der kriegsmäßigen Ausbildung stand. (Zuruf links.) Ich habe nichts weiter gesagt und nur bemerkt: die Ehre hat die Armee nicht verloren, sie hat tapfer gekämpft, aber in der Tat war sie der neuen Kriegsweise des französischen Heeres nicht gewachsen. Daran ist sie zu Grunde gegangen. Ferner ist geschichtlich festgestellt, daß der Aufschwung des Volkes im Jahre 1813 das Großartigste und Erhabenste ist, was je eine Nation geleistet hat. Ich glaube, wir alle können stolz auf das sein, was das preußische Volk in allen seinen Teilen, vom Bürgerstande bis zum Adel, in jener schweren Zeit für das Vaterland getan hat. (Bravo!) Weiter habe ich mit menen ersten Ausführungen nichts sagen wollen. 8