1904 / 65 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 16 Mar 1904 18:00:01 GMT) scan diff

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sich in die Kirche begeben. Hätte er erst hinterher den Pfarrer fragen sollen? Welche Antwort dann gekommen wäre, ist doch recht zweifel⸗ haft. Jedenfalls war es, um die Sache tatsächlich festzustellen, nötig, daß er sich in die Kirche begab, und das hat er getan, und das Gericht hat auf die Beschwerde des Pfarrers, der einen Hausfriedensbruch konstatieren wollte, dem Bürgermeister und dem Wachtmeister recht gegeben. Ich glaube, daß dieser Fall sich für die polnischen Klagen

überhaupt nicht eignet.

Dann hat sich der Herr Abg. Stychel gefallen in ich möchte sagen mehr als wegwerfenden Aeußerungen über unsere Beamten im Osten, und diese Klagen muß ich aufs schärfste zurückweisen. Es ist unrichtig, daß unsere Beamten im Osten mit unrechtem Maß messen. Es ist unrichtig, daß gewissermaßen, um einen trivialen Aus⸗ druck zu gebrauchen, der Schund unserer Beamten im Osten steht, sondern gerade unsere Beamten im Osten sind mit dem richtigen nationalen Sinn, den der Herr Abg. Stychel aber nicht haben will, den ich aber von ihnen verlange, und den die Königliche Staats⸗ regierung in jedem Zweige des Staatsdienstes verlangen muß, nach dem Osten berufen, um nach Recht und Gesetz aufzutreten, aber auch alle Uebertretungen und Ueberhebungen, in denen sich die Herren Polen gefallen, rechtzeitig zu verhindern und zu rügen. (Bravo! rechts.) Daß es unter einer großen Anzahl von Beamten hier und da auch einen gibt, der mal über die Stränge schlägt, das ist selbstverständlich. Das finden wir auch unter den Herren Geistlichen, finden wir unter den Militärs, das ist überall der Fall; aber diese Fälle sind erstens nicht typisch, wie der Herr Abgeordnete sich erlaubt hat in behaupten, sondern sie sind eben eine seltene Anormalität in dem Stande unserer Beamten im Osten, ebenso übrigens wie unter den Herren Geistlichen und unter den anderen Berufsständen. Der Fall, den der Herr Abgeordnete hier vorgebracht hat, ist wiederum ein Fall, von dem ich noch gar nicht unterrichtet bin; aber selbst, wenn ich richtig verstanden habe, ist dieser Fall auf die richtige Weise ge⸗ sühnt. Er hat von einem Distriktskommissar gesprochen und am Schluß zugegeben, daß derselbe seines Amtes entsetzt sei. (Zuruf des Abg. Stychel: Aber erst nach zwei Jahren!) Ich hätte nunmehr erwartet, daß der Herr Abgeordnete der Königlichen Staatsregierung seinen Dank ausgesprochen hätte, daß dieser Beamte, der seine Pflicht überschritten hatte, auf die richtige Weise von der Oberbehörde aus dem Amte entfernt sei. (Sehr richtig! rechts.) Statt bessen wirft er hier mir vor, daß dieser Beamte überhaupt angestellt gewesen ist, und wie ich jetzt höre, ist die Sache schon über zwei Jahre alt! (Zuruf rechts: Ueber drei Jahre!)

Meine Herren, dann hat der Herr Abgeordnete uns einen Fall von drei Ackerwirten vorgetragen, die während der Wahlzeit gekommen seien, um zu fragen, ob sie auch Unterstützungen wegen Wasserschadens bekommen. Darauf sei ihnen erwidert worden: ja, ihr seid ja Wahlmänner, geht doch zu eurem Abgeordneten! Ja, meine Herren, das ist eine Redens⸗ art, die in der Wahlzeit hundertmal vorkommt. Wo mehrere Kandi⸗ daten auftreten, weist die eine Partei denjenigen, der von ihr etwas will, von dem sie weiß, daß er der anderen Partei angehört, ab und sagt: geh du doch zu deinem Abgeordneten! Das sind Redens⸗ arten der Wahlzeit, und darauf kommt es hier doch nicht an, sondern darauf: erstens, waren diese drei Ackerbürger in solch hilssbedürftiger Lage, daß sie einer Unterstützung wegen Wasserbeschädigung bedurften; zweitens, wenn sie in dieser Lage waren, haben sie sie erhalten oder nicht erhalten. Darüber hat der Herr Abgeordnete durchaus geschwiegen.

Meine Herren, was den letzten Fall betrifft, den Kampf um die Nationalfarben, wie der Herr Abgeordnete sich ausdrückt, so bin ich überzeugt, daß ebenso, wie wir alle über den Fall gelacht haben, der Landrat und Distriktskommissar in erster Linie darüber gelacht haben werden. In diesem Falle hat eine Uebertretung, eine Ueberhebung, eine Verletzung eines Polizeigebots eben nicht stattgefunden; es war aber doch die Pflicht des Landrats, sich danach zu erkundigen, und die Pflicht der Polizei, auch an Ort und Stelle fest⸗ zustellen, ob nun eben die sogenannten Nationalfarben dort gehißt seien, weil eben leider in der dortigen Gegend den Veranstaltern dieses Festes das zuzutrauen war. Sorgen Sie dafür, daß es den⸗ selben nicht mehr zuzutrauen ist, dann werden Sie auch über diese peinliche Ueberwachung nicht mehr zu klagen haben; meine Herren, ich möchte aber auch mit einem freundlichen Worte schließen. (Zuruf des Abg. Stychel: Das wäre sehr schön!) Jawohl! Ich halte es immer für unrecht, wenn einer einem höflich begegnet, mit einer Unhöflichkeit zu antworten, wie das der Herr Abg. Stychel von den deutschen Beamten dort behauptet hat. Ich werde Ihnen eee Herr Abgeordneter, wenn Sie mich freundlich begrüßen, werde 1 Ihnen immer ein freundliches: Dzien dobre erwidern. ee und Zuruf des Abg. Stvchel: Das sollten die Beamten nachahmen!)

ach eiagigen weiteren Bemerkungen des Abg. von C11 wird das Kapitel bewilligt.

eem Kapitel der Landgendarmerie bemerkt 8 5 , 80 Schmidlleln (freikons.): Wir sind den Minister dafür dchas daß schon 11 sa die Gendarmen eingetreten, und daß 88 8 s Häffung bon Wohnungen lebhaft fortge cFritien ist. 2 ekl gh 11 Gebiete sind doch noch Wünsche übrig geblieben. lendarmen muß noch einen bedeutenden Tei Ie 88 1 Feteindtgr. Nehug. neh haden, Die Anforderungen an die Gendarmerie wier FFllze von Grsche sehr gewachsen. Der Gendarm muß mit nekasgüle Leh Besehese kenntnissen ausgerüstet sein und in seinen dien kliche 3 866 1 1 orgehen. Die Gendarmerie ist und bleibt für 25 Aencgetg itt veehehalb sollte man nicht so kleinlich sein, ihre Uniformen gewissermaßen als Teil des Gehalts anzurechnen; die Gendarmen können doch bei uns nicht im Hererokostüm gehen. Die Dienstaufwandsentschädigungen sind sehr verschieden und bedürfen der Erhöhung. Es ist unbegreiflich, daß die Gendarmen zu ihren Dienstreisen nicht Militärbillette benutzen dürfen, sondern ein gewöhnliches Billett lösen müssen. ur Beschaffung der Schreib⸗ materialien bekommen sie monatlich nicht einmal 1 ℳ, sondern nur 50 ₰. Zu wünschen ist, daß ihnen die Dienstprämie von 1000 bis zur Auszahlung verzinst wird. Ferner muß den Denunziationen gegen die Gendarmen die Spitze abgebrochen werden. Ich schließe mit der Bitte an den Minister, dafür zu sorgen, daß ihnen im Monat wenigstens ein dienstfreier Sonntag und ein dienstfreier Arbeitstag gewährt wird. 1 1““

Abg. von Pappenheim (kons.); Von allen Seiten wird an⸗ erfannte daß 89 einen wichtigen Faktor in der Aufrecht⸗ erhaltung der Ordnung bildet, besonders in der heutigen Zeit, in der man von vielen Seiten bestrebt ist, das deh des Staates zu unter⸗ graben. Bei ihrer exponierten Stellung wird manches gegen sie auf.

zubauschen versucht und von ihnen ein Widerstand gegen Versuchungen verlangt, denen andere Beamte überhaupt nicht ausgesetzt sind. Wie an die Erzieher, werden auch an sie die höchsten Anforderungen gestellt und ihre eerfehlungen doppelt hart beurteilt Sie müssen besonderen

lakt, Mut und Energie besitzen, um sich durch die außerordentlich schcc rdhen Aufgaben ihres Dienstes hindurchzufinden. Mit Recht hat man deshalb ihre Stellung verbessert; in den letzten 10 Jahren sind 2 674 000 dafür aufgewendet worden. Trotzdem muß in den nächsten Jahren noch mehr geschehen. Ein Teil meiner Freunde will die Gehälter erhöhen; denn die Gendarmen nehmen eine so erzeptionelle Stellung ein, daß sie aus den sonst ihnen leichstehenden Beamtenklassen herausgehoben werden könnten. Havurch würde aber Beunruhigung in andere Beamtenkreise hineingetragen, und das wünschen wir nicht. Deshalb wünscht der andere Teil meiner Freunde zunächst eine Verbesserung der Wohnungsverhältnisse. Wir halten die Bereitstellung der hierzu notwendigen Mittel für dringend wünschenswert. Im Auf⸗ trage meiner Freunde habe ich zu erklären, daß wir mit aller Energie fortfahren werden, in dieser Richtung für die Gendarmerie tätig zu sein. Mögen meine Worte der Regierung ein „Laveant consules sein, damit sie bafis sorgen hilft, daß Zufriedenheit in die Kreise der G ie einzieht. Gendeeme⸗e (nl.) wünscht gleichfalls eine Besserstellung der Gendarmen und vor allem Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusses. Abg Dr. Becker (Zentr.) empfiehlt, um der Landstreicherei und dem Zigeunertum Einhalt zu tun, eine Erschwerung der Erteilung des Wandergewerbescheins; es set nicht richtig, daß die eine Gemeinde der andern die Landstreicher zuschicke. Wenn den Zigeunern durch die Gendarmen das Leben sauer gemacht werde, würden sie freiwillig über die Grenze gehen. Es sei deshalb eine Vermehrung der Gendarmen notwendig. Die Verbesserung Feeg⸗ der lasse sich vor d die Beschaffung von Wohnungen erzielen. allem duch die Besch (frs. Volksp.) nimmt 19 ebenfalls der Ver⸗ hältnisse der Gendarmen an. Diese seien tatsächlich eine sehr wichtige Beamtenklasse, ihre Haupttugend müsse Besonnenheit sein. Wenn auch schon viel für die Besserstellung der Gendarmen geschehen sei, so dürfe man doch nicht vergessen, daß früher die Gehälter sehr niedrig gewesen seien. Minister des Innern Freiherr von Hammerstein: Meine Herren! Das Blumenbukett, mit dem der Herr Abg. Baensch⸗Schmidtlein mich zuerst erfreuen wollte, hat sich durch die freundlichen Reden der übrigen Herren Redner aus dem Hause zu einem großen Blumenarrangement gestaltet. Ich erkenne die liebens⸗ würdige Gesinnung des ganzen Hauses ohne Unterschied für unsere Gendarmen voll an; ich freue mich derselben, und ich habe ja selbst schon betont, daß Sie auf mich zählen können, wenn es sich darum handelt, den Gendarmen etwas zugute kommen zu lassen. Es wird mein Bestreben sein, diese Beamtenklasse immer besser zu stellen; aber ob alle die heute geäußerten Wünsche so bald in Erfüllung gehen, kann ich Ihnen nicht versprechen. Ich glaube, auch noch etwas übrig lassen zu müssen, um die Freude zu haben, daß die bewährten Freunde der Gendarmen die kleinen Wünsche, die übrig bleiben, hier auch in späteren Jahren zum Ausdruck bringen können.

Das Kapitel wird bewilligt.

Um 3 ³l Uhr wird die Sitzung abgebrochen, um Abends Zum 7 ½ Uhr fortgesetzt zu werden. 8

Abendsitzung vom 15. März 1904, 7 ⅛¼ Uhr.

Die Beratung des Etats des Ministeriums des Innern wird bei dem Titel „Zuschüsse an die Kom⸗ munalverbände zur Ausführung des Gesetzes über die Fürsorgeerziehung Minderjähriger vom 2. Juli 1900“⁄ fortgesetzt. Dazu sind im Etat 3 Millionen Mark aus⸗ geworfen, d. s. 1 320 000 mehr als im Vorjahre.

Abg. von Bodelschwingh (b. k. P.) führt über die Aus⸗ führung des Färsorceerniehungsgeseges und über die Einschränkung, die das Gesetz durch kammergerichtliche Entscheidung erfahren habe, Beschwerde. Gemeindevorstand und Bundesamt für das Heimatwesen sollten sich um ein der Fürsorger jiehung bedürftiges Kind streiten und sagen: „Gib's her, gib's herl“, aber nicht: „Schieb's ab, schieb's abl“

bg. Schmedding (Zentr.): Unsere Provinzialverwaltung freut üc. mit einem solchen Manne, wie dem Vorredner, an der Aus⸗ ührung des Gesetzes arbeiten zu können. Aber diese wird durch das

aammergericht erschwert, das entschieden hat, daß die Fürsorge⸗ erziehung 88 dann eintreten soll, wenn das Kind besonderer rziehung und Pflege bedarf und die Zustände

im Elternhause seine Entfernung notwendig machen.

88 D. Hackenberg (nl.); Das Gesetz hat die Notstände auf diesem Gebiete erst aufgedeckt; aber man hat zu viel von dem Gesetz eswartet. Erst wenn Ne christliche Nächstenliebe versagt, soll die Für⸗ sokgerrziehung eintreten.

g. von Pappenheim 8 Die christliche Nächstenliebe muß an der Ausführung des Gesetzes mitarbeiten, wenn es nicht ein toter Buchstabe bleiben soll. Das Gesetz muß eben mit dem Herzen

ausgeführt werden. Minister des Innern Freiherr von Hammerstein: Meine Herren! Alle Vorredner haben anerkannt, und ich bin selbst natürlich derselben Ansicht, daß dieses Gesetz in den wenigen Jahren seines Bestehens so segensreich gewirkt hat wie kaum je ein Gesetz zuvor. Ich halte es, wie ich auch im vorigen Jahre auszu⸗ führen die Ehre hatte, für noch zu früh, an eine Reform einzelner Bestimmungen dieses Gesetzes heranzutreten, und will die Be⸗ antwortung der einzelnen Punkte, die hier zur Sprache gebracht sind, meinem Kommissar, dem Geheimen Oberregierungsrat Krohne über⸗ lassen und meinerseits nur ganz kurz ausführen, wie nun das Gesetz tatsächlich gewirkt hat. Es sind im Jahre 1901 7787 Zöglinge zur Fürsorgeerziehung überwiesen, im Jahre 1902 6196, das sind zusammen 13 983 Durch Tod oder aus sonstigen Gründen sind 190 Zöglinge abgegangen, sodaß der Bestand am Schlusse dieser Statistik bei Beginn des laufenden Rechnungsjahres 13 793. betragen hat. Meine Herren, es ist dabel zu bemerken, daß außer diesen 13 793 noch 10 214 Zöglinge existierten, welche auf Grund des alten aufgehobenen Gesetzes der Zwangserziehung unterliegen. Es hat also in dem Jahre 1902 gegen das Jahr 1901 eine absolute Zunahme der Zöglinge nicht stattgefunden. Das ist aber sehr leicht begreiflich. Schon die Herren Vorredner haben er⸗ wähnt, daß sich bei der ersten Anwendung des Gesetzes ein gewisser Uebereifer bemerkbar gemacht habe; ich möchte es nicht einmal Ueber⸗ eifer nennen, sondern in dem Moment lagen so viele schreiende Fälle klar zu Tage, und auf alle diese Fälle wurde gegriffen, und alle ühh⸗ einzelnen Fürsorgebedürftigen wurden der Fe. wiesen. Nachdem nunmehr der erste Schub beseitigt war, tra it 2 und die Zahl der im zweiten in etwas ruhigere Verhältnisse ein, in det i das Gesetz richtig angewende Jahre Aufzunehmenden mußte, wen (acüe auf dem war, etwas geringer sein. Ich Fon vch nd sondern daß auch in normalen Standpunkt noch nicht angeeng⸗ inde ung dieser Jahres⸗ den künftigen Jahren vielleicht noch eine Verminderung 2

8 inderung steht meines

ten wird, und diese Verm im Zusammenhang mit dem Zwiespalt, der sich ja entwickelt hat auf Grund des Kammergerichts⸗ urteils. ist möchte ich auch falsch aufgefaßt,

sagen

wenn man dem Kammergericht vorwerfen wollte, daß es das Gesetz irgendwie mißgedeutet habe. Tatsächlich liegt etwas anderes zu Grunde. In dem ersten Augenblick glaubten die Armenverwaltungen, das Gesetz würde ihnen die Hand darbieten, von einem Teil ihrer Armenlasten zu Gunsten der breiteren Schultern der Provinzen sich zu befreien. Das war aber der Zweck des Gesetzes nicht, und als dann mehrere Provinzialverwaltungen in diesem Sinne Beschlüsse auf Uebernahme von Fürsorgezöglingen seitens der Armenverwaltungen beanstandeten, hat das Kammergericht meines Erachtens mit Recht ausgesprochen, daß dieses Gesetz der Fürsorgeerziehung nur subsidlär einzutreten habe, wenn die gewöhnliche Armenpflege, ja selbst wenn die freie christliche Liebestätigkeit, wenn Familie, Kirche und Schule nicht imstande sind, für die Kinder zu sorgen.

Nun hat dieses selbe Urteil durch neuerliche Entscheidungen des Bundesamts für das Heimatswesen Bestätigung gefunden. Auch das Bundesamt steht auf dem gleichen gesetzlichen Boden. Es hat nur, wie auch einer der Herren Vorredner angeführt hat, zugleich eine richtige Scheidung zwischen Armenlast und Fürsorge gegeben. Es hat gesagt, die Pflicht der Armenpflege entsteht, wenn ein Kind einerlei aus welchen Gründen hilflos und verlassen ist, und die Kosten des Unterhalts eines derartigen Kindes sind Armenkosten, so⸗ weit es sich um die Kleidung, Ernährung und Wohnung handelt; die Armenverwaltung hat sich aber mit der Erziehung nicht zu befassen. Wenn eine besondere Erziehung sich als notwendig erweist, dann hat die Fürsorgeerziehung gemäß des Gesetzes einzutreten. Ich glaube, das ist eine ganz richtige Entscheidung und auch eine Entscheidung, die durchaus konform ist dem Sinne des Urteils des Kammergerichts. Ich bin überzeugt, daß nunmehr alle Teile, die bei der Uebernahme von Kindern in die Fürsorgeerziehung beteiligt sind: die Polizei⸗ verwaltung, die Armenverwaltung, die Vormundschaftsgerichte, die Provinzialverwaltungen, auf Grund dieser Entscheidungen eine richtige Praxis und die nötigen Wege gefunden haben oder doch finden werden, um diejenigen Fälle, die tatsächlich für die Fürsorgeerziehung nach dem Gesetz gegeben sind, auch alle, und zwar bei dem überall zutage tretenden guten Willen unter weitester Auslegung des Begriffs der Fürsorgeerziehung, dieser zu überliefern. Das haben auch einige der Herren Vorredner selbst schon anerkannt.

Bei dieser Fürsorgeerziehung kommt es aber nach meiner Auf⸗ fassung auch wesentlich darauf an und da glaube ich, befinde ich mich in Uebereinstimmung mit dem ersten Herrn Abgeordneten, der heute abend hier gesprochen hat —, daß dessen warmherzige, opfer⸗ willige und jugendliche Begeisterung für alles, was den Armen und Verwahrlosten in ihrer Not zu dienen und zu helfen geeignet ist, recht viele Nachfolge finden möge. (Bravo!) Also der Wunsch, den ich habe, und der, glaube ich, im Rahmen des Gesetzes liegt, besteht darin, daß die Kinder der Fürsorgeerziehung rechtzeitig überwiesen werden, nicht erst, wie das heute vielfach der Fall ist, wenn sie in der Mehrzahl der Fälle schon bestraft sind. Wenn Sie die Statistik, die wir dem Hause überreicht haben, nach⸗ sehen, so werden Sie finden, daß bei den nicht mehr Schulpflichtigen 77 % der Ueberwiesenen schon von den Gerichten vorbestraft waren, bei den noch Schulpflichtigen nur 33 %. In dem Zwischenraume zwischen Schule und Fürsorgeerziehung, in dem der aus der Schule Entlassene sich selbst überlassen war, ohne daß er die moralische Kraft dazu hatte, dem Verbrechen oder der Schuld zu entgehen, verfiel ein großer Teil der jungen Leute dem Strafgericht und trägt nunmehr, ich möchte sagen, für alle Zeiten seines Lebens einen Makel davon, und das führt mich zum Zweiten.

Die Fürsorgeerziehung soll nicht ein Ausdruck der Schande sein, auch nicht eine Verletzung des Ehrgefühls bewirken, fondern ich wünsche, daß diejenigen, die der Fürsorgeerziehung übergeben werden, dieser so rechtzeitig, wegen Verwahrlosung durch ihre Eltern, über⸗ geben werden, daß sie unbestraft durchs Leben gehen und sich selbst später als vollständig ehrenvolle, ebenbürtige Mitglieder des preußischen Staats fühlen können. In diesem Sinne werde ich bestrebt sein, soweit es an mir liegt, dieses Fürsorgegesetz auszuführen. (Bravo!)

Ein Kommissar des Finanzministers bet nt, f . führung des Gese 8 fiskalische Rüahichste nicgtont Ee be⸗

Abg. Dr. Eckels (nl.) wünscht eine staatliche Kontrolle der Fürsorgeerziehungsanstalten und tritt für konfessionelle Erziehung ein.

eheimer Oberregierungsrat Dr. Krohne: Durch unsere heutige Verhandlung klingt ein Wort, welches allen bei der Ausführung dieses Gesetzes Beteiligten unvergeßlich bleiben wird; das ist das Wort: das Gesetz soll mit dem Herzen ausgeführt werden. Ich glaube, auch die Staatsregierung kann die Versicherung abgeben, daß sie bei der Ausführung des Gesetzes mit vollem Herzen beteiligt ist. Ich darf mir gestatten, auf einige Wünsche, welche bei der Be⸗ sprechung vorgetragen sind, jetzt hier näher einzugehen. Es ist zunächst darauf hingewiesen, daß das Kammergerichtserkenntnis großen Schaden angerichtet habe, und es ist vielfach die Meinung ausgesprochen worden, als ob diese Entscheidung des Kammergerichts nicht im Willen des Gesetzgebers gelegen habe. Wir haben uns erlaubt, auf diesen Punkt in der Fürsorgestatistik, die Ihnen vorgelegt ist, hinzu⸗ weisen. Ich glaube, das Kammergerichtserkenntnis hat das, was bei Erlaß des Gesetzes gewollt war, einmal wieder klar ins Licht gestellt und darüber Klarheit geschaffen gegenüber einigen Illusionen, die sich an das Gesetz geknüpft hatten. Es ist 8 die Verwaltung von ganz besonderer Bedeutung, 8 wiederholt hervor⸗ gehoben worden ist, daß durch das Gesetz die freie charitative Liebes⸗ tätigkeit nicht unterdrückt und zurückgestellt werden soll, daß viel⸗ mehr das Gesetz der freien charitativen Liebestätigkeit erst, wenn 89 mich so ausdruͤcken darf, das Gewissen schärfen soll, damit sie erst recht anfängt, einzuschreiten und die Kinder für 1 nehmen, 5 sie der Fürsorgeerziehung anheimfallen. Wenn das durch das 8 gerichtserkenntnis bewirkt würde, und wenn die V.eee, gefallen sind, mit dazu beitrügen, so wäre das ein vene wir Gesebes; denn von alge Seiten,it demale begveinesipe Piehestatsgeet wollen durch dieses Gesetz nicht ds Ee. 8 unserem preußischen stören, die sich in so mustergültiger 82 ein Jammer, wenn wir Vaterlande ausgebildet hat. Er Haafhen die Liebestätigkeit an sich ves kur 1gns. nr Fcrase S8 mehr die großen kirchlichen schädigen, endern 28 vbnrders er der freien SE c ltgh Fastit kber Wunsch Seeehne E111525 Jahresberichte welche von den Kom iebungsgesetzes in ihrem Be⸗ wicklung der Ausführung des Fürsorgeerzie ungsge reiche erstattet werden, weiteren Kreisen zugänglich gemacht werden. Es ist der Versuch gemacht worden, in der Statistik, die ihnen vor⸗ gelegt worden ist, diese Jahresberichte wenigstens auszugsweise zu eben. Es ließ sich nicht machen, sie ganz zu geben, weil darin eine enge von statistischem Material enthalten ist, welches wir dann hätten doppelt bringen müssen, einmal in den Ausführungen der Statistik und dann noch zum zweiten Male hier. Bei der Zurück⸗ sendung der Zählkarten sind aber die Landeshauptleute gebeten

worden, doch ihre Jahresberichte frei zu halten von dem

statistischen Material, damit wir sie in extenso geben können, sie uns vorgelegt worden sind. Es ist natürlich, wenn man Che.