letzten Belagerung geberrscht; die Epidemie hörte auf, als die viel verlästerten Gorzer Quellen wieder nach Metz zugänglich gemacht waren. Im übrigen ließ sich ein Zusammenhang zwischen den Typhuserkrankungen und dem Gebrauch von Trinkwasser nicht beweisen. Eine Kommission hat erklärt, daß an der Gorzer Quelle überhaupt nichts zu bessern sei, und daß eine ganz andere Wasser⸗ leitung, eine Grundwasserleitung zu schaffen sei. Der Regierungs⸗ kommissar hat gemeint, die Wasserfrage wäre leicht zu regeln gewesen. Wie kommt es nun, daß die Lösung der Wasserfrage sich so viele Jahre verzögert hat? Die Schuld der Verzögerung muß auf Rechnung der Regierung gestellt werden. Eine schwierige Frage ist die der Kosten⸗ verteilung. Die Gemeindeverwaltung hat im vorigen Jahre einen Vertrag der Militärverwaltunglabgelehnt, der ihr, im Grunde genommen, nur die Kosten zumutete, aber eine Einwirkung auf die Verwaltung der Anlage nicht eestattete. An Entgegenkommen hat die Stadt es nicht fehlen lassen. etzt hat die Militärverwaltung die Kontrolle durch die Stadt zurück⸗ genommen, sie trägt lediglich die Schuld daran, daß die Sache ch um ein halbes Jahr verzögert hat, 88 die Stadt. Im eigentlichen Sinne liegt aber der Grund der Verzögerung an den sachlichen Schwierigkeiten. Die Stadt mußte doch auch die Schwierigkeiten mit der Festung und den Nachbarorten überwinden. Die Stadtver⸗ waltung selbst hat ihre volle Schuldigkeit getan. Wenn das Kaiser⸗ iche Telegramm die Verhandlungen beschleunigt hat, so war seine Wirkung sehr günstig; aber dieße Einwirkung bezog sich nicht nur auf die Stadtverwaltung, sondern auch auf die Militär⸗ und Landes⸗ verwaltung.
Stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat, Departements⸗ direktor im Kriegsministerium, Generalleutnant Gallwitz: An der Abfassung des Kaiserlichen Telegramms ist die Militärverwaltung in keiner Weise beteiligt gewesen. Ich muß es deshalb ablehnen, auf die Anfeindungen dieses Telegramms einzugehen. Wenn die Militär⸗ und Stadtbehörde von Metz dem Dementi der Stadtverwaltung über die Typhuserkrankungen nicht widersprochen haben, so liegt darin⸗ noch keine Zustimmung. Ich muß in dieser Beziehung die von mir in der Kommiffion gegebene Erkrankungszahl aufrecht er⸗
alten. 1903 betrug die Zahl der Typhuserkrankungen in der Stadt
etz 124, in den ländlichen e; 118. Diese Erkrankungen haben die
mnregung gegeben. In dem Bestreben, die Stadt Metz von jeder Schuld zu entlasten, ist der Vorredner ein wenig zu weit gegangen. Er hat zu viel beweisen und die Stadt weißwaschen wollen. Wir haben nie bestritten, daf die Gorzer Quelle 1870 eine hefensh Zufuhr gewesen ist. Seitdem sind aber die Verhältnisse sehr viel ungünstiger geworden. Der Verfall der Fassung der Quelle schritt weiter vor, und seit den 33 Jahren hat sich die Sache immer mehr zugespitzt. Eine Becinträchtigung der Metzer Leitung durch die Gorzer Leitung ist ebenfalls nie behauptet worden. Es lagen andere Uebelstände vor, und diese beruhten in der Schutthalde, in der aller mögliche Unrat abgeladen wurde. In der Nähe war eine Waschanstalt, und diese in Verbindung mit der Verunreinigung durch menschliche
äkalien machte die Gorzer Leitung nicht einwandfrei. Wenn eine
tadt sich entschließt, eine Wasserleitung, die seit Jahrhunderten be⸗ standen hat, ganz aufzugeben, so beweist das, daß sie sie als unbrauch⸗ bar angesehen hat. Ich kann nur sagen, daß unserer Ueberzeugung nach die Stadt Metz die Angelegenheit nicht mit der Rührigkeit be⸗ trieben hat, wie es vom Standpunkte der Militär⸗ und Garnison⸗ verwaltung wünschenswert gewesen wäre. Nur das fortwährende Drängen der Militärverwaltung hat den Anstoß gegeben. Dier Militärverwaltung ist sich keiner Schuld bewußt.
Stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat, Kommissar für die Landesverwaltung von Elsaß⸗Lothringen, Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat S (schwer verständlich) erklärt, er bleibe bei seinen früheren Behauptungen stehen. Es sei nachgewiesen worden, daß weder die Militär⸗ noch die Landesverwaltung an der Ver⸗ zögerung eine Schuld treffe. Die Schuld liege also nur an der Stadrverwaltung. Seit 1895 sei auf die Stadt gedrückt worden. Auch daß die Sache einige Jahre geruht habe, sei nicht die Schuld der Regierung. 1
Nach einer kurzen Erwiderung des Abg. Gröber wird die Forderung bewilligt,
Im außerordentlichen Etat des Extraordinariums des preußischen Kontingents sind unter anderem zum Ausbau der Landesbefestigung 19 164 000 ℳ statt 16 Millionen im Vorjahre gefordert. Die Kommission beantragt die Bewilligung der vollen Summe, welchem Antrage das Haus ohne Debatte beitritt. 1
Für die Vervollständigung des deutschen Eisen⸗ bahnnetzes im Interesse der Landesverteidigung sind im außerordentlichen Etat des Extraordinariums 11 400 000 ℳ angefordert, von welchen die Kommission 800 000 ℳ abzusetzen empfiehlt. Das Haus beschließt demgemäß.
Bei den Einnahmen und Erlösen aus dem Ver⸗ kauf von Grundstücken bespricht der —
Abg. Fürst zu Dohna⸗Schlobitten (d. kons.) die Frage der Entfestigung von Königsberg. Die Stadt sei in schwieriger Lage mangels eines Hinterlandes und bei der Höhe der Steuerlast. Köni 8⸗ berg komme auch als Hort des Deutschtums in den Ostmarken in Be⸗ tracht, wenn es auch von der Polengefahr nicht unmittelbar berührt werde Er bitte die Verwaltung, nicht zu fiskalisch vorzugehen, sondern dabei so wie bei Mainz und Stettin zu verfahren.
Stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat, Departements⸗ direktor im Kriegsministerium, Generalleutnant Sixt von Armar 8 Die Frage ist Gegenstand der Beratung der beteiligten Ressorts. 828 Wünsche des Vorredners, wie der Stadt, werden wohlwollende Berück⸗
sichtigung erfahren. b decan. egenis. das ie Ei 3 rde arau⸗ enehmigt, e⸗ e Gbeshogasan werhee fe genah sacgfschen gtat
Exrtraordinarium und die Einnahmen 8 1. Im Extraordinarium des ordentlichen Etats für das würtgech. bergische Kontingent streicht das Haus nach dem Antrage der Kommission die Forderung von 5500 ℳ für ‚„Beschaffung von eldgerät für Kriegsformationen“, ebenso 12 000 ℳ für „Be⸗ chaffung des Kriegsbedarfs an Bekleidungs⸗ und Ausrüstungs⸗ ücken für mehr aufzustellende Kriegsformationen. 8 Im übrigen werden das E1““ und die Ein⸗ nahmen nach dem Entwurf genehmigt. Damit 1 die zweite Peratung des Militäretats erledigt. 1 - iti ehalts⸗ Eine Reihe von Petitionen von Beamten um Gehalts⸗ nhshung 15 werden dem Reichskanzler als Material über⸗ wiesen 1 — über vü b Wahl Das Haus geht über zu Wahlprüfungen. Die des Abg. Frafen 8 n Ballestrem (b. k. F.) wird nach 8 Antrage der Wahlprüͤfungskommission einstimmig für gültig erklärt.
erklärt das Haus ferner für gültig die Wahlen der Abgg. Guenter (8. Königsberg, nl.), Bartling 2. Wiesbaden, nl.), Hue (5. Arnsberg, Soz.), Freiherr von vefi. Mesbehnich (2. Trier, Zentr.), Mattsen (3. Schles⸗ wig⸗Holstein, nl), Fries (Eisenach, nl.), Gräfe (3. Sachsen, Reformp.), Lenzmann 63. Arnsberg, fr. Volksp.), Dr. Pachnicke (3. Mecklenburg⸗Schwerin, fr. Vag.), Sittart (3. Aachen, Zentr.), Jessen (1. Schleswig⸗Holstein b. k. F.). Beweiserhebungen über die rotestbehauptungen werden bezüglich der Wahlen der Abgg. Brejski (4. Marien⸗ werder, Pole), Mün 8 Ferber (I1. Oberfranken, nl), Dietrich (3. Potsdam, d. kons.) beschlossen. . Bei der Wahlprüfung des Abg. Bartling wird von dem Abg. Lipinski (Soz.) eine Reihe von Wahlversammlungs⸗ verboten erörtert, die sich aber auf diese Wahl nicht beziehen und deren Fortsetzung der Präsident verhindert.
Ohne Debatte
Die Abgg. Wellstein (Zentr.) als Vorsitzender und von Riepenhau sen (d. vsh als Rniich der Wahlprüfungskommission stellen fest, daß Vorkommnisse der erwähnten Art bei der Wahl des Abg. Bartling nicht eingetreten seien. .
Die Wahl des Abg. Buchwald (Soz.) für Sachsen⸗
Altenburg beantragt die Kommission für ungültig zu er⸗ klären.. Abg. von Gerlach (fr. Vgg.): Ich bin entgegen der Kommission der Meinung, daß die Wahl für gültig erklärt werden muß. Für die Mehrheit der Kommission ist entscheidend gewesen, daß der alten⸗ burgische Minister von Helldorf sich am 22. Januar 1903 in einer Wahlversammlung gegen die Wiederwahl des bisherigen Abgeordneten von Blödau als eines extremen Landbündlers erklärt habe. Das ist richtig. Daß der Minister damit für den Sozialdemokraten habe eintreten wollen, wird doch niemand behaupten, zumal der Minister ausdrücklich von den Sozialdemokraten als von einer Umsturzpartei gesprochen hat, der auf das Entschiedenste entgegenzutreten sei. Es ist doch auch noch daneben eine freisinnige Kandidatur Hartmann vorhanden gewesen. Die sucht die Kommissionsmehrheit mit einer gewissen Eleganz aus ihrer Rechnung auszuscheiden. Diese Kan⸗ didatur ist durchaus ernst zu nehmen gewesen. Es muß objektives Recht geschaffen werden, und darum bitte ich, die Wahl für gültig zu erklären. “
Abg. Dr. Wolff (wirtsch. Vgg.): Daß diejenigen, die aus Wut über den Minister von Helldorf sar die Sozialdemokratie gestimmt haben, eingeschriebene Mitglieder des Bundes der Landwirte gewesen eien, ist in dem Bericht der Kommission nicht behauptet, aber wir seibne ebenso wie Freisinn und Sozialdemokratie unsere Mitläufer. Noch heute ist uns ein Brief aus dem Wahlkreise zugekommen, in dem verschiedene Wäbler erklären, sie hätten aus Aerger über den Minister von Helldorf rot gewählt. Der Beschluß der Kommission ist un⸗ parteiisch und richtet sich gegen eine amtliche Wahlbeeinflu sung.
Abg. Fischer⸗Berlin (Soz.): Der Beschluß der Kommission über die Haltung der Mehrheit widersprach dem Stand unkt, den sie bisher eingenommen hat. Wenn man alle Vorkommnisse, auch solche, die vor Ausschreibung, der Wahl geschehen sind, mit über die Gültig⸗ keit entscheiden lassen will, dann käme man zu reinen Willkürakten. Wollen Sie folgerichtig handeln, so müssen Sie aussprechen, daß kein Minister zu irgend einer Zeit seine Meinung über irgend einen Kan⸗
1 äußern darf.
didaten ußern dacfe erklärt als Vorsitzender der Wahlprüfungs⸗ Fom mmisfic dem Abg. Fischer gegenüber. daß die Praxis dieser Kom⸗
ission keine Aenderung erfahren habe.
missign geine noch die Abgg. Stücklen (Soz.) und Fischer⸗Berlin für die Gültigkeit der Wahl gesprochen haben, beantragt der 88. Dr. Wiemer (fr. Volksp.) die Wahl zur weiteren Prüfung an die Wahlprüfungskommission zurückzuverweisen.
Dieser Antrag wird gegen die Stimmen der gesamten Linken und eines Teils des Zentrums und der Polen ab⸗
elehnt. 2 bn namentlicher Abstimmung, die von dem Abg. Singer beantragt ist, wird die Wahl des Abg. Buchwald mit 81 Stimmen bei
126 gegen 4 Stimmenthaltungen für ungültig erklärt. 8 3 Schluß 8 Uhr. Nächste Sitzung: Donnerstag 1 Uhr.
(Nachtragsetats für Südwestafrika, Marineetat.)
Preußischer Landtag.
Haus der Abgeordneten. 43. Sitzung vom 16. März 1904, 12 Uhr.
Ueber den Beginn der Sitzung, in der die zweite Beratung des Staatshaushaltsetats für das Rechnungsjahr 1904 bei dem Etat des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinalangelegenheiten fortgesetzt wird, ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden. In der 8a8 stattfindenden allgemeinen Diskussion fährt
Abg. D. Hackenberg (nl.) fort: Am 23. Januar erschien der Erlaß des Ministers über die Schulverhältnisse. Deslch⸗ Erlaß hebt sechs Erlasse aus den 1870 er Jahren auf. Jene sechs Erlasse sind von verschiedener Art und Bedeutung, und einige von ihnen hätten längst aufgehoben werden können; denn manche griffen in der damaligen Kampfeszeit in innere Angelegenheiten der katho⸗ lischen Kirche ein. Die Aufhebung der fünf Erlasse
ist berechtigt gewesen; aber nicht zustimmen kann ich der Aufhebung des Erlasses über die Schülervereinigungen. Wenn wir vorurteilsfrei, ruhig und sachlich prüfen, 9 werden
wir nicht damit einverstanden sein können. Der Wort⸗ laut des Erlasses vom 23. Januar zeigt in seinen Verklau⸗ ulierungen schon, daß die Unterrichtsverwaltung selbst pädagogische edenken hatte. Es sollen z. B. Vereinigungen nicht zugelassen werden, wenn die Gefahr der Störung des konfessionellen Friedens vor⸗
liegt. Bisher ist die Pädagogik der modernen Zeit gegen jede Schülervereinigung daufgetkettn, man sollte die Schüler von jeder Vereinsduselei fernhalten. Für bestimmte Vereine, für
kirchliche Vereine, soll das nicht immer gelten. In der Schule gibt es eine große Vereinigung, das ist die Schule, die Klasse, für die alle Kräfte eingesetzt werden sollen. Alle Schülervereini⸗ ungen müssen ein Moment der Zersprengung hineinbringen; deshalb nd sie vom pädagogischen Standpunkt aus schlechthin zu verwerfen. Es e Schülerbereine zugelassen werden, wenn sie sich ein hohes, ideales Ziel stecken oder wenn der Religionslehrer an ihrer Spitze steht. Wer hätte hier unter uns nicht ein warmes Herz für die T die Schüler vor sittlichen Gefahren zu bewahren? Aber mit diesem Mittel der Schüler⸗ kongregationen — das zeigen uns Beispiele im Ausland — erreichen wir dieses Ziel nicht. Der Religionsunterricht ist das richtige Mittel. Wir erziehen unsere Schüler zu Charakteren, wenn der anze Schulunterricht von diesem Geiste beseelt ist. Für die Marianischen Kongregationen sollen gerade die besten Schüler aus⸗ erlesen werden, sie sollen die Elitetruppe bilden. Die Stimmen von versichern, daß einer, der der Kongregation nicht angehört, 20 mal mehr Sünden begehe, daß die Kongreganisten reiner und besser seien und reichlicher belohnt würden, — heißt das die Schüler zur Bescheidenheit erziehen? Wenn die Kongreganisten die übrigen Schüler überwachen sollen, wird dann nicht ein Riß in die S üüler Peinc encht⸗ Stellen Sie sich nur in einem rein katholischen Gymnasium die Zustände vor, die sich da herausbilden können, dann werden Sie einsehen, daß die Unterrichts⸗ verwaltung sich von vornherein sagen muß, daß das Einvernehmen unter den Schülern auf das schlimmste werde gestört werden. Und nun denken Sie an unsere paritätischen Schulen. In welche Stellung geraten die evangelischen Minderheiten in solchen Schulen? Dann gehören die evangelischen Schüler zu den schlechtesten der schlechten! Dadurch wird der konfessionelle Friede in unseren Schulen auf das empfindlichste geschädigt. Die Marianischen Kongregatiönen sind mit Rom verbunden, der Orden der Gesellschaft Jesu leitet dih 1 gregationen. In den Marianischen Kongregationen Feamsgexee religiöse, sondern gerade spezifisch konfessionelle E“ aug wie die Jubiläumsschrift der Marianischen Konggegtiesste, daß dem Jahre 1884 zeigt. Ich bedauere an t
ie K. 1 — Konfessionen immer tiefer wird. 29 “ 8 unseren höheren Schulen nfefionelh die später eine führende Stellung im Leben 8 na in von einander geschtden werift. Boni sangfanalich dst, man sich per gerabe böec nic, daseihcg hochschäben und lieben lernt? Das Ziel stehen 88 ach verfolgen, daß wir ehrlich miteinander verkehren Fhecseh wir auch verschiedenen Konfessionen angehören. Dieses
Ziel müssen wir alle haben aus Patriotismus, im Sinne der Liebe zu unserem Vaterlande. Es ist ein anderes, deutsch zu er⸗ ziehen und romanisch zu erziehen. Wir wollen eine deutsche Pädagogik haben. Das pädagogische Ideal des Jesuitenordens wird von der modernen Pädagogik nicht anerkannt. Das wäre das Beklagenswerte, wenn den Interessen der Politik unsere Erziehung geopfert würde. Die Güter, von denen die Stärke und die Existenz des vaterländischen Lebens abhängt, dürfen wir nicht um der Politit willen preisgeben. Alle staaterhaltenden Parteien müssen es ablehnen, daß eine Regierung den Schein erweckt, als müßte sie ihnen durch Geschenke usw. entgegenkommen, um sie dafür zu gewinnen, an ihre Seite zu treten, Wehr und Waffen des Staats zu stärken und alles zu tun, was unser Gemeinwesen fordert. Die staaterhaltenden Parteien, das muß die Regierung wissen, lassen sich nicht durch dergleichen Dinge beeinflussen. Wenn die Regierung dann ihre augenblicklichen Ziele nicht erreichen kann, dann mag sie diesen Parteien die ganze Verantwortung übertragen. Wir brauchen gewiß eine starke Rüstung, um unsere Stellung unter den Nationen fu be⸗ haupten; aber es gibt noch andere, geistige Dinge, Imponderabilien, die unendlich schwer ins Gewicht fallen. Lieber ein paar Unteroffiziere weniger, aber nichts von den hohen idealen Gütern preisgegeben! (Ruf im Zentrum: Ausnahmegesetz!) Hier muß die Regierung selbst ein Halt zurufen; denn will sie später eine verlorene Position wiedergewinnen, so kann es nur geschehen unter vielen Opfern, unter Vergeudung geistiger Kräfte in allen Lagern unseres Volkes. Ich fürchte, wenn die Regierung auf diesem 1 weiter geht, dann über⸗ liefert sie uns in Zukunft eine traurige Erbschaft. Für diese Politik wollen wir uns nicht verantwortlich machen.
Abg. Dr. Porsch (Zentr.): Ich danke dem Abg. Hackenberg für die Anerkennung, die er unserem Kollegen Dautzenberg aus⸗ gesprochen hat, der unseren Wunschzettel hier vorzubringen pflegte. Wenn der Abg. Hackenberg aber nachsieht, was in gesetzlicher Hinsicht an diesem Wunschzettel geändert worden ist, so wird er nichts finden. Trotzdem hat er gemeint, unsere Partei werde von der Regierung verhätschelt. Er glaubt, der moderne Staat wurzele in der Welt⸗ anschauung des Protestantismus. Ich könnte das Gegenteil nach⸗ weisen. Wir fassen die Sache nicht philosophisch, sondern praktisch auf. Wie haben sich die Dinge z. B. in Preußen entwickelt? Katholische Landesteile sind in den preußischen Staatsorganismus auf⸗ genommen worden. Nach den Grundsätzen dieses Staats haben wir, wie jede andere Konfession, die Freiheit und das Recht, nach den ee unseres Glaubens zu leben. Der konfessionelle Friede, den unser Vaterland jetzt mehr braucht als jemals, basiert darauf, daß jede Konfession nach Grundsätzen der Gerechtigkeit behandelt wird. Die Nichtkatholiken in Preußen sind durch diese Entwickelung nicht ge⸗ schädigt worden. Selbst im Kulturkampf war sich auch Fürst Bismarck darüber klar, daß das Endziel nicht Kampf, sondern der Friede sein müsse. Auch Herr von Sybel hat einmal gesagt: Kommen wieder friedliche Feüten dann können auch die staatlichen Schranken wieder fallen.
ürst Bismarck hat sich nicht durch Geschenke das Zentrum dienstbar gemacht, sondern er war Staatsmann genug, um einzusehen, daß der Kampf nicht auf die Dauer bestehen könne, daß nicht die Unter⸗ stüzung der Katholiken zu verlangen sei, wenn sie fortgesetzt konfessionell bekämpft würden. Man soll also nicht immer von den kleinen Geschenken für das Zentrum sprechen. Ein Fehler war es, daß die kirchenpolitischen Gesetze diskretionäre Vollmachten enthielten, die nur für eine so machtvolle Persönlichkeit wie Bismarck angemessen waren. Macht die Regierung nun von den diskretionären Voll⸗ machten einmal zu Gunsten der Katholiken Gebrauch, so heißt es Teic, diese würden bevorzugt. Ein Fehler war es ferner, daß Fürst
ismarck noch einen kleinen Rest der kirchenpolitischen Gesetze bestehen ließ. Soll jetzt ein solcher Rest beseitigt werden, dann erhebt sich gleich wieder das Geschrei über unsere Bevorzugung. Gerechtigkeit ist die Grundlage des Staats, wir verlangen nichts als Gerechtigkeit, aber wir 8erlangen die volle Gerepticte 5 der Aufhebung
e
des § 2 des uitengesetzes hat sich Herr ckenberg auf die „Civita catholica“ für die Behauptung berufen, daß sie als eine Errungenschaft der katholischen Kirche angesehen werde. Ich kenne
die „Civita catholica“ nicht. Den Antrag auf Aufhebung § 2 haben zuerst die Freisinnigen und dann die Konservativen gestellt, es war also nicht ein Antrag des Zentrums, und ich verstehe deshalb die angebliche Aufregung darüber nicht, daß der Bundesrat endlich den wiederholten Beschlüssen des Reichstags gefolgt ist. Selbst der „Hannoversche Courier“ hat Verständnis dafür eezeigt und die Meinung ausgesprochen, daß die Stellung des lentrums zum Zolltarif durch diese Frage nicht beeinflußt werde, und daran erinnert, daß selbst Herr von Bennigsen vor Jahren sich für die Efhebumn des § 2 erklärt habe. Auch Katholiken sollen über die Aufhebung beunruhigt sein. Das müssen sonderbare Katholiken sein, oder sie wissen nicht, was im § 2 stand. Der § 2 wurde von den Katholiken als eine persönliche Kränkung ehrenhafter Ordensleute aufgefaßt. Die Katholiken haben an allen vater⸗ ländischen Arbeiten und Aufgaben mitgearbeitet. Das nennen Sie ein kleines Geschenk, wenn eine Bestimmung aufgehoben wird, welche die Jesuiten schlechter stellte als Vagabunden. 88 Hackenberg sagt, es solle keine konfessionelle Kluft errichtet werden. Errichtet nicht gerade diese Bestimmung eine solche Kluft? Fürst Bismarck hat ge⸗ sagt: „Wir Deutsche fürchten Gott und sonst nichts auf der Welt“, und hier soll das Vaterland durch die Jesuiten in Gefahr sein? Die Jesuiten haben ihre Aufgabe wesentlich im Ausland. Die Regierung hat sich Dank dafür verdient, daß sie den § 2 aufhob, der die Jesuiten schlechter stellte als die Sozialdemokraten. Mit der Auf⸗ hebung von fünf Erlassen ist selbst Herr Hackenberg einverstanden. Wir sind dem inister dafür dankbar, daß er die alten Erlasse revidiert hat; wir hätten gewünscht, daß alle alten Falckschen Erlasse aufgehoben würden, aber ich verstehe auch eine gewisse Zurückhaltung der Regierung. Ich will ihr nicht zu sehr danken, sonst behauptet wieder einer, die Bevölkerung werde beunruhigt. Herr Hackenberg sagt, die Frage müsse vom pädagogischen Standpunkte aus angesehen werden. Ganz falsch, denn es kommt darauf an, daß die Kinder zum Henme⸗ geführt werden, nicht darauf, daß die richtigen pädagogischen rundsätze angewandt werden. Die religiöse Erziehung ist Sache der kirchlichen Oberen, es fragt sich also lediglich, wie diese über die Marianischen Kongregationen denken, und diese haben sie immer auf das wärmste empfohlen und von der Regierung immer die volle Freiheit für sie verlangt. Um Ideale können wir uns mit Herrn. Hackenberg nicht streiten, wir verbitten uns ein Eingreifen in unsere innerkirchlichen Dinge. Wir sind sehr unangenehm berührt durch die Worte des Herrn Hackenberg über die Marianischen Kongregationen, und es ist mir unangenehm, hier gewissermaßen als Arcgekla ter zu stehen und die Kongregationen ver⸗ teidigen zu müssen gegen Herren, die kein Verständnis für sie haben. Denn wenn Sie Verständnis dafür hätten, würden Sie katholisch 8 Der Erlaß des Ministers enthält alle möglichen Kautelen, die beag999 scher Grundsätze sind vollkommen gewahrt. Herr Hacecberg hagtho⸗ dee. durch die Kongregationen die Ueberhebung der Schäler Hationseensch Wer sich überhebt, hat den Zweck der Kongreg
1 ist gerade die Demut. Die erreicht, denn ihre Hauptaufgabe is ““ Marianischen Kongregationen stehen zu den Sesut “ 25
; es ” „ 8eSe. . herbeigeführt. ß es den Eltern überlassen,
f teegation geben wollen oder nicht. 9 boh⸗ Se Hnnch. der SEegfecgen Zeitung“ haben der Oberpräsident Se dem Jahresfest eines evangelischen Jüng⸗
e Behörden an 1 1 Ungepereins teilgenommen. Uns kann dergleichen nicht passieren, denn
ingeveben ja keinen katholischen Oberpräsidenten. In einem vor⸗ eewangelischen Fäagltngeberhig dem auch 40 katholische Jüng⸗ linge angehörten, sind diese schließlich übergetreten, sodaß der Verein dann einen rein evangelischen Charakter hatte. Was würde man sagen, wenn in einer Kongregation ein evangelischer Schüler über⸗ trätel Herr Hackenberg hat sriedliche Worte gesprochen, aber die Religionslehrerversammlung in Sachsen hat Grundsätze aufgestellt, die den konfessionellen Unfrieden bedeuten. Ohne jeden Pharisäismus
kann ich sagen, daß kein katholischer Religionslehrer sich jemals solchen Grundsätzen anschließen wird. Wir sind von dem dah heabegs lce