1904 / 260 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 03 Nov 1904 18:00:01 GMT) scan diff

Meine Herren, dann hat der Herr Vorredner auch darüber ge⸗ sprochen, daß ich bei der vorigen Rede hervorgehoben hätte, daß so⸗ wohl ich wie mein Herr Amtsvorgänger mehrfach scharfe Verfügungen erlassen hätten gegenüber Uebergriffen der Beamten, und daraus her⸗ geleitet, daß doch Uebergriffe vorhanden sein müssen. Ja, meine Herren, ich habe Uebergriffe nicht geleugnet, ich habe nur gesagt: Wo in aller Welt kommt ein Körper von 45 000 Arbeitern und 1200 Be⸗ amten wieder vor, bei dem nicht gewisse Fehler gelegentlich gemacht werden; ich habe nur hervorgehoben, daß sowohl ich wie mein Herr Amtsvorgänger stets bereit gewesen sind, gegen solche Vorgänge, die wir als Uebergriffe betrachtet haben, einzuschreiten. Das hätte ich getan, und das sei auch früher geschehen.

Meine Herren, nun möchte ich noch ein paar Mißdeutungen be⸗ richtigen, die, wie ich gesehen habe, in der Presse entstanden sind über

einige Aeußerungen, die in der Verhandlung vom vorigen Mittwoch gefallen sind.

1 hat ein Blatt in Saarbrücken und, wie ich glaube, auch die „Kölnische Volkezeitung“ eine Aeußerung von mir unrichtig auf⸗ gefaßt. Meine Aeußerung lautete folgendermaßen: g 3

Ich darf hierbei 8

ich hatte ein Stück eines Urteils verlesen 3 zu der Verlesung aus dem Erkenntnis vom 23. Dezember, in dem usdrücklich der Schlafhausmeister Bremer erwähnt ist, einschalten, ich in bezug auf diesen Beamten ein sehr scharfes Reskript er⸗ assen habe und sofortige Entlassung angedroht habe, wenn ähnliche Fälle sich wiederholten. Das nur nebenbei. MMieene Herren, aus der Tatsache, daß ich diese Bemerkung ge⸗

macht habe, in der zufällig der Name des Schlafhausmeisters Bremer vorkam, hat man den Schluß gezogen, daß mein Reskript sich auf diejenigen Tatsachen bezogen hätte, die hier im Erkenntnis behandelt sind, und das hat zu Mißdeutungen Anlaß gegeben.

Das ist aber nicht der Fall. Ich nehme daher Veranlassung, das an die Königliche Bergwerksdirektion zu Saarbrücken gerichtete Reskript in der Sache Bremer zur Klarstellung hier zu verlesen:

Aus den Anlagen des Berichts habe ich die Ueberzeugung gewonnen, daß der Schlafhausmeister Bremer sich am Tage der Reichstagswahl von 1903 und an dem folgenden Tage vor Zeugen rohe und gehässige Aeußerungen hat zu Schulden kommen lassen, durch welche Angehörige des katholischen Bekenntnisses, denen diese Aeußerungen bekannt wurden, sich in ihrem religiösen Empfinden schwer gekränkt fühlen mußten. Ich beauftrage die Königliche Bergwerksdirektion, dem Bremer eröffnen zu lassen, daß ich sein Verhalten auf das ernstlichste mißbillige und daß er bei etwaigen Wiederholungen solcher oder ähn licher Vorkommnisse die Entlassung aus seinem Amt im Wege der Kündigung zu gewärtigen hat.

Meine Herren, Sie sehen hieraus, daß das Reskript sich auf ganz andere Dinge bezieht als die im Erkenntnis enthaltenen. Ich habe nur zufälligerweise, weil der Name Bremer hier gerade erwähnt wurde, nachweisen wollen, daß ich da, wo Ungehörigkeiten vorkommen, sie den betreffenden Beamten gegenüber ernstlich zurückweise.

Dann ist noch eine weitere Mißdeutung einer hier gefallenen Aeußerung vorgekommen. Der Herr Abg. Marr hat an einer Stelle ausgesprochen:

Daß die Bergwerksdirektion den David nicht als durchaus unzuverlässig ansieht, ergibt sich daraus, daß die Bergwerksver⸗ waltung diesen Fahrsteiger David in eine bessere Stellung nach Dortmund versetzt hat. 1

Meine Herren, das ist ein Irrtum. Der David ist nicht in eine bessere Stelle nach Dortmund versetzt, sondern er ist, da er in Saar⸗ brücken nach den dortigen Vorkommnissen unmöglich bleiben konnte, allerdings fortgebracht worden, aber nur aushilfsweise in die Stelle eines Einfahrers nach Dortmund, der nach der Lüneburger Heide zur Beaufsichtigung der dortigen Petroleumbohrungen auch provisorisch ge⸗ schickt war. Wohin der Fahrsteiger David endgültig kommen wird, ist keineswegs bestimmt; er ist nur zunächst in Dortmund unter⸗ gebracht. Auch an diese Bemerkung des Herrn Abg. Marx haben sich falsche Deutungen in der Presse angeschlossen. Ich hoffe, daß hiernach eine Richtigstellung überall erfolgen wird.

Fuchs 8 8 ich esse, des Lied ich singe: das 68 1ö64“ Liesenhof, sondern wird überall in der Bergwerksdirektion vertreten. Es ist eine eigen⸗

1 zuffassung, daß die nati iberale Partei eigentlich der Brot⸗ E J sei. '6tat c'est moi, das ist noch die Auffassung dort aus alter französischer Zeit: wer die national⸗ liberale Partei angreift, greift den Staat an. Ich habe noch nicht

ehört, ob vielleicht der staatliche Bergbetrieb an der Saar an die gahionalliberale Partei verpachtet ist; es wäre mir interessant, dar⸗ über etwas vom Handelsminister zu erfahren. Es ist von ent⸗ scheidender Stelle noch kein Protest gegen die Auffassung eingelegt worden, daß, wer nicht nationalliberal wählt, sein Brot verlieren könne. o sind die Bergarbeiter noch immer der Meinung, daß sie diese Gefahr laufen. Wie sollte es auch anders sein, wenn der Bergwerks⸗ direktor Hilger offen erklärt: „wer bei der Wahl nicht mittut, der iegt“, wenn bei jeder Gelegenheit amtlich oder nichtamtlich offenkundig flieg den höheren Beamten die Stellungnahme gegenüber der Zentrums⸗ Beee markiert wird. Hilger hat sich erlaubt, bei amtlichem Anlaß Prr Zentrumspartei auf eine Stufe mit der Sozialdemokratie zu stellen und sie als international zu bezeichnen. Der Minister hat das für ungehörig erklärt; aber ich habe nicht gehöͤrt, daß Hilger irgend einen Verweis bekommen hat. Der Minister hat sich, wie ich anerkenne, neulich sehr konziliant geäußert. Das ist überhaupt seine Kampfes⸗ weise, über alles das Oel konzilianter Redensarten auszugießen. Es ist communis opinio unter den Bergarbeitern: wer nicht mittut, der iegt. Es hat ja auch eine schamlose Ausübung der Wahlkontrolle tattgefunden, und es ist sehr bezeichnend, daß im Gericht offen die Wahlbeeinflussung durch die vorgesetzte Behörde als nicht unzu⸗ lässig anerkannt ist. Es muß festgenagelt werden, daß ein Staats⸗ anwalt den traurigen Mut gehabt hat, sich dadurch zum Anwalt einer Partei zu erniedrigen. Jawo l, der Staatsanwalt im Amte. Da ist nicht zuu verwundern, wenn die ahlkontrolle ganz harmlos ausgeübt ist. Wan hat die Absicht gehabt, bei den Denunziationen die betreffenden Wähler wegen ihrer Abstimmung zu schädigen. In allen Chargen, von den Steigern bis zu den Bergwerksdirektoren hinauf, waren die Aufpasser vertreten. Der Fall des Bergmanns, der durch den Berg⸗ rat gert mit Kündigung der Wohnung bestraft worden ist, ist varviderlegkich festgestellt, und dieser eine Fall schon würde zum Be⸗ weise genügen. Der letzte Bergmann hat an der Saar das Gefühl, daß er unrecht behandelt wird, daß er nicht frei nach seiner Ueber⸗ zeugung stimmen kann und, wenn er es tut, sich der Maß⸗ regelung durch seine vorgesetzte Behörde aussetzt. Nichts kann das Verhältnis Wischen Arbeiter und Arbeitgeber mehr vergiften, als solche ungerechte Behandlung. In einer Zeit, wo die Sozialdemokratie alles bedroht, sollte man doch von einem derartigen Vorgehen ab⸗ stehen; aber es scheint nicht, daß die Behörde, die Regierung einzu⸗ lenken' willens ist. Der Oberwahlmacher Herr Hilger ist nach wie vor im Amt und genießt das Vertrauen der S da kann ich nicht das Vertrauen haben, daß der Minister die Staatsinteressen in

Herr Dasba

eise wahrnimmt, wie es verlangt werden muß; das Vertrauen . und kann nur durch Handlungen des Ministers wieder⸗ erlangt werden, die hier definitiv Wandel schaffen. Abg. Dasbach (Zentr.): Durch die Maßnahme des Gerichts ist die Beweisführung für die aufgestellten Behauptungen ungemein ein⸗ eengt worden. arüber hinaus hat der Staatsanwalt sich angelegen 12 lassen, immerfort zweifellos private Handlungen als amtliche zu charakterisieren, sodaß eine behördliche Ermächtigung, darüber aus⸗ zusagen, notwendig wurde. In einer Reihe von Fällen ist er damit vor dem Gericht durchgedrungen, in einem einzigen Falle hat ihm das Gericht unrecht gegeben. Hätte eine vollständig erschöpfende Er⸗ mittelung der Verhältnisse an der Saar stattfinden sollen, so mußte sie durch eine parlamentarische Untersuchungskommission vorgenommen werden; dann würde ein umfassendes Zeugen⸗ verhör möglich und die Eruierung der Wahrheit sehr viel wahr⸗ cheinlicher geworden sein. Der Prozeß in Saarbrücken gibt ein schehag erschöpfendes Bild nicht. Der Minister wies deutlich auf mich bezw. die sogenannte ö als den vermeintlichen Urheber der Unruhe an der Saar hin. eemgegenüber möchte ich um so schärfer betonen, daß lediglich die unerträgliche Wahlkontrolle und Wahlbeeinflussung die Unruhe hervorgerufen hat. (Der Redner zitiert eine Reihe von Stellen aus seinen im Saarrevier 1889 und später ge⸗ haltenen Reden, um die Unhaltbarkeit jener Behauptung nachzu⸗ weisen; er habe 1889 bewirkt, daß der Pariser Kongreß von den Bergleuten nicht beschickt wurde, und später durch seine Reden direkt den Ausbruch eines Streiks hintangehalten.) Der Wahl⸗ erfolg des Zentrums von 1898 ist hauptsächlich an dieser schließlich alle gesetzlichen Schranken überspringenden Wahlagitation und Beeinflussung von der Gegenseite schuld. Ihren Gipfel erreichte diese Beeinflussung in der unglaublichen Wahlkontrolle, die bei den letzten Wahlen geübt wurde; der Interpellant hat ja eine Reihe der charakteristischsten Fälle der Art dem Hause vor⸗ geführt. Die Isolierzelle verfehlte hier vollständig ihren Zweck; das Wahlgeheimnis war tatsächlich 7 gut wie aufgehoben und die Wahl⸗ freiheit illusorisch gemacht. Welcher Unfug mit dem Format und der Kniffung der Stimmzettel getrieben worden ist, ergibt sich aus dem Bericht der Reichstagswahlprüfungskommission über die Wahl Boltz von 1900. Bei der Wahl von 1903 war eine große Anzahl von Steigern und Obersteigern auf die einzelnen Wahllokale verteilt; wie kam man dazu, diese Beamten zu veranlassen, ihre Arbeit zu ver⸗ lassen und, nachdem sie selbst gewählt hatten, im Wahllokal zu bleiben und die Wähler zu beobachten? Nach einer kurzen Rekapitulation des Falles Adams geht der Redner dann auf die Haltung des Geheimen Bergrats Hilger gegenüber der Zentrumspartei ein, die er mit den Sehemeete auf gleiche Stufe gestellt und deren Vaterlandsliebe er angezweifelt habe. Sedennm zieht er den Fall des Bergrats Wiggert heran, der seinen amtlichen Einfluß dafür eingesetzt habe, daß die Bergleute aus der Bierbrauerei seines Schwiegervaters ihr Bier bezogen. Die Wahl des Abg. Boltz ist vom Reichstage kassiert worden, weil die Bergbehörde amtlich diese Wahl empfohlen hatte, und eine Menge amtlicher Beeinflussungen konstatiert werden konnte. Gerade das Vertuschen und Weiterlebenlassen von Uebelständen ist es, was das Staatsinteresse verletzt; das möchte ich dem Abg. Roechling auf seine Behauptung erwidern, daß wir an der Vernichtung der staatlichen Autorität mitwirkten. Wenn Herr Roechling uns ersucht, die Streitig⸗ keiten ruhen zu lassen und den Kampf gegen die den Staat be⸗ drohenden Mächte gemeinsam aufzunehmen, so sind wir damit vollständig einverstanden; aber wir könnten auf einem anderen Gebiete eine Reform vornehmen, nämlich im Wahlverfahren. Damit solche unangenehmen Vorfälle nicht mehr vor⸗ kommen, erscheint mir notwendig, daß an Wahllokalen überhaupt keine Stimmzettel mehr ausgegeben werden. Man soll dem Wähler die Zettel in seine Wohnung bringen, das ist der beste Isolierraum; dann wird von Beeinflussung dieser Art nicht mehr die Rede sein können. Ich habe in mehreren Fällen persönlich beobachten können, wie unzulänglich der Isolierraum beschaffen und wie das Wahl⸗ geheimnis absolut nicht dadurch geschützt wurde. Der Isolierraum muß mindestens so tamstruiert sein, da der Wäbhler, Se ardine vollständig verschwindet und völlig un ar bleibt, bis er 8 Zettel 8 das Sen S hat. Nur so wird das Wahl⸗ mnis wirklich gewahrt werden. 1“ von Velsen: Herr Dasbach hat sich be⸗ müht, den Nachweis zu führen, wie sehr er in seiner Presse und onst zur Zeit des Ausstandes im Saarrevier zum Frieden gemahnt hon Ja, ich bin doch auch dort amtlich tätig gewesen und muß sagen: quis tulerit Gracchos de seditione quereéntes? Ich war auch an das Wort des Antonius an der Leiche Julius Cäsars er⸗ innert: Brutus ist ein ehrenwerter Mann! Es handelt sich doch nicht bloß um den Geheimen Rat Hilger; auch dessen Vorgänger hatten genau dieselben Beziehungen und Stimmungen Herrn Dasbach gegenüber, wie sie heute vorhanden sind. Die Anklage, daß im Wahllokal Beamte anwesend seien, ist s. Zt. untersucht

worden. Die Sache liegt ganz einfach. Es sind diejenigen Beamten, die Vormittags Zeit hatten, in das Wahllokal ge⸗ gangen, und man kann es den Beamten nicht verwehren, in

dieser dienstfreien Zeit dort hinzugehen. In dem Fall Adams liegt kein Widerspruch vor. Die Unterhaltung zwischen Geheimrat Hilger und Adams war zunächst eine ganz allgemeine, dann wurde auch über die Wahl Prietzes gesprochen, und es ergab sich dabei ein derartiger Dissens, daß die Versetzung des Herrn Adams zweck⸗ mäßig erschien. Berghauptmann von Detten hatte mir wiederholt aus Clausthal geschrieben, daß die Versetzung Fischers notwendig sei, und es hat schließlich der Austausch stattgefunden. Herr Dasbach hat sodann den Fall des Bergrats Wiggert erwähnt, dem man vorwirft, daß er seinen amtlichen Einfluß gemißbraucht habe. Wenn dies be⸗ hauptet worden wäre, so wäre das klipp und klar eine Verleumdung. Es ist aber nicht wahr. Ob die Beamten geglaubt haben, Herrn Wiggert einen Gefallen zu tun, wenn sie in der betreffenden Brauerei ihr Bier trinken, weiß ich nicht und steht auch nicht zur Diskussion. Von einem amtlichen Einfluß ist jedenfalls nicht die Rede gewesen. Abg. Dr. Friedberg (nl.): Wenn jemand, so hätte 1 alle Veranlassung gehabt, bei dieser Sache still säuberlich zu schweigen. Er hat einen merkwürdigen Vorschlag ge⸗ macht; er meinte, das Gericht genüge nicht, es müsse eine parlamen⸗ tarische Untersuchungskommission niedergesetzt werden. Ich kann sie mir ausmalen, wenn Herr Dasbach und Herr Fuchs darin säßen. 5 Dasbach hat sich aber mit den Herren Marx und Bachem in iderspruch gesetzt. Die beiden letzteren haben ausdrücklich anerkannt, daß in dem letzten Prozeß es den Untergebenen von vornherein ge⸗ stattet worden sei, diejenigen Aussagen zu machen, welche notwendig seien, um das Beweisthema zu erhärten. Diese beiden Herren sind für mich kompetentere Beurteiler für die Objektivität des Gerichts⸗ verfahrens als Herr Dasbach. Er hat nur die eine Aussage als maß⸗ gebend hingestellt. Auch darin hätte er besser getan, seine Person nicht zu exponieren. Wenn er so lebhaft darüber klagt, daß so viel Beamte im Wahllokal gewesen seien, so frage ich: Wollen Sie, daß nur die katholischen Geistlichen im Wahllokal sind, nur diesenigen Personen, als deren Chef Sie ausdrücklich sind? Herr Dasbach hat heute gewissermaßen einen Entlastungsbeweis antreten wollen; er hat also das Bedürfnis gefühlt, zu zeigen, daß er nicht ein so roßer Sünder sei, wie er nach den Aeußerungen seiner nationalliberalen Ge ner erscheinen könnte. Aber dieser Entlastungsbeweis ist ihm ziemlich mißalüct Ein so unschuldsvoller Engel oder leidenschaftsloser Mensch ist Herr Dasbach nicht. (Der Redner zitiert einige Stellen aus der Dasbachpresse, um nach⸗ zuweisen, wie in widerwärtigster Weise religiöse Ideen mit gehässiger Parteipolitik verquickt sind, wie in verhetzender Weise die Lohntabellen zur konfessionellen Verhetzung benutzt werden, und wie diese he e es so hinstellt, als wenn nur sie und der katholische Klerus urchtlos die Förderung der geknechteten und der unterdrückten Arbeiter vertreten.) Herr Dasbach hat wahrlich wirklich nicht das Recht, sich als Mann des Friedens und der Versöhnung aufzuspielen. Gerade er trägt die schwerste Schuld daran, daß die Verhältnisse so gespannt sind, wie sie zu unser aller Bedauern im Saarrebier geworden sind. Der Behauptung des Abg. Bachem, daß seine, nicht unsere Partei

für die Wahlfreiheit der Bergarbeiter und anderer Stände eingetreten

sei, muß ich widersprechen. Herr Röchling hat ausdrücklich betont, und ich will es wiederholen, daß wir das Drücken auf die politische Gesinnung und auf die äußere Betätigung dieser Gesinnung bei den Wahlen durchaus verwerfen. Aber eine andere Frage ist die, ob wir die tatsächlichen Unterlagen haben, um eine solche Beeinflussung konstatieren zu können. Her⸗ Marx hat einseitig nur die Zeugen der einen Partei angeführt. Ein richtiges Bild kann man doch nur gewinnen, wenn man die beiderseitigen Zeugenaussagen gegenüberstellt. Der Fall liegt so, daß die Zeugen der einen Seite ja sagen, während die der Bergwerksverwaltung nein sagen, da sie absolut nichts gesehen haben. Die Beisitzer erklären, es ist ganz unmöglich, daß eine Kontrolle stattgefunden hat, sie hätten sie von ihren Tischen aus ehen müssen. Wenn so die unter Eid Aussagenden sich in ihren Aussagen diametral gegenüberstehen, kann man doch nur dem sarchen, den das Gericht für glaubwürdig erklärt hat. Das Gericht hat nur festgestellt, daß einige mittlere Beamte unpassende Reden ge⸗ führt haben. Herr Wiemer hätte besser daran getan, statt zu ver⸗ allgemeinern, dieser gerichtlichen Feststellung sich anzuschließen. Was er theoretisch ausgeführt hat, wird von uns vollkommen unter⸗ schrieben. Herr Marx hat wenigstens richtig zitiert, das kann ich von Herrn Fuchs nicht behaupten. (Abg. F 874 hebt ein Schriftstück in die Höhe.) Wenn Sie es auch zeigen, so ist es noch kein Beweis, daß Sie es gelesen haben, und wenn Sie es gelesen haben, so ist es noch kein Beweis, daß Sie es verstanden haben. In dem Pauli will dieser vom Obersteiger Jakob gehört haben, daß Berginspektor Krümmer eine entsprechende vengee zur Wahl⸗ beeinflussung gegeben habe. Der Obersteiger Jakob ist aber verstorben, konnte also nicht mehr vernommen werden; es bleibt also nur die Aussage von Pauli, und auf diese hat das Gericht keinen Wert ge⸗ legt. Herr Fuchs geht aber so weit, zu sagen, der Fall Pauli sei erwiesen. Herr Fuchs meint, der Grundton des ganzen Systems im Saarrevier sei: „Wes Brot 6 esse, des Lied ich singe“, und wer gegen die nationalliberale Partei vorgehe, gehe gegen den Staat vor, die Rexrierung stelle sich in den Dienst einer bestimmten Partei. Das ist so unrichtig wie möglich; mit wem sollen denn die Beamten dort gehen, etwa mit der Sozial⸗ demokratie? Es gibt eben dort keine andere Partei, mit der die Beamten gehen könnten, als die nationalliberale. Die Verhältnisse erklären es vollkommen, daß die Mehrzahl der Beamten national⸗ liberal wählt. Zu Lebzeiten des freikonservativen Freiherrn von Stumm hat sich die Mehrzahl der Bergbeamten für diesen aus⸗ gesprochen. Herr Fuchs sollte nach den Aufklärungen vom Regierungs⸗ tisch doch endlich aufhören, mit dem Fall Adams zu kommen. Nach dem Geun ges vne bis in idem“ sollten die Herren es unterlassen diese alte Geschichte immer wieder aufzuwärmen; sonst setzen sie sich dem Vorwurf aus, so zu verfahren, wie die Schmierendirektoren, die immer dieselben Statisten über die Bühne laufen lassen, um einen langen Zug erscheinen zu lassen. Herr Fuchs ist selbstverständlich mit dem objektiven Urteil des Gerichts nicht zufrieden und erlaubt sich zu sagen, es habe sich beschämenderweise ein Gerichtshof gefunden, der

zum Handlanger einer politischen Partei gemacht habe. Ich frage das Zentrum ausdrücklich, ob es diesen schweren Vorwurf gegen ein Gericht und einen preußischen Beamten billigt. Das ist der schwerste Vorwurf gegen ein Gericht, der je gehört worden ist. Herr Fuchs meint, das Vertrauen der Bergarbeiterschaft sei geschwunden, weil ein Mann wie Hilger an der Spitze stehe. Man mag die eine Aeußerung Hilgers schärfer oder milder beurteilen, man mag sie als lapsus auf⸗ fassen oder aus den aufgeregten Zuständen entschuldigen, das wird niemand bestreiten, daß er ein patriotischer Mann und 8 treuer Beamter ist, der für seine Arbeiterschaft nach besten Kräften sorgt. Und einen solchen Mann abzuhalftern aur auf Kommando des Herrn Fuchs, so weit sind wir denn doch noch nicht. Uebrigens wer im Glashause sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Eine noch schlimmere Bedrückung bei den Wahlen ist der geistliche Einfluß⸗ Was in Oberschlesien darin von katholischen Geistlichen geübt ist, überschreitet wirklich alle Grenzen. Zur Beleuchtung der Maxime des Zentrums bei den Wahlen liegt eine reiche Fund⸗ grube gelegentlich der Wahl des Herrn Stephan in der Broschüre „Der Beuthener Prozeß im Lichte der Wahrheit“ vor. Der Redner zitiert aus dieser Broschüre verschiedene Stellen, u. a., daß von der Kanzel herab kirchenfeindliche Wahlen als sündhaft bezeichnet worden seien, und wenn die katholische Geistlichkeit von der Kanzel über Wahlsachen spreche, so tue sie nur das, was die Kirche vorschreibe und Leo XIII. empfohlen habe; ferner, daß den Wählern angedroht sei, sie nicht mehr zum Sakrament zuzulassen, wenn sie gegen das Zentrum wählten. Ich will, schließt der Redner, damit nicht alte Wunden aufreißen, sondern Ihnen (zum Zentrum) nur zeigen: Erkennen Sie fic erst selbst! Und wenn Herr Fuchs von dem eisernen Besen ge⸗ prochen hat, den der Minister in die Hand nehmen solle, so kehren Sie mit diesem eisernen Besen erst vor der eigenen Tür. Werden Sie erst einmal in Wahlbeeinflussungen sittlicher, und dann kommen Sie hierher und beklagen Sie sich!

Abg. Marx (Zentr.): Wir erleben heute dasselbe Bild wie in de Februardebatte. Machen, wir der Regierung Vorhaltungen darüber daß die Behörde über die ihr gezogenen Grenzen hinausgegangen ist dann kommt Herr Friedberg und zitiert uns die Dasbach⸗Presse und irgend welche Aeußerung, welche ein Geistlicher irgendwo und irgend⸗ wann einmal getan hat. Wir haben es hier nicht mit der Dasbach⸗ Preshe sondern mit der Staatsverwaltung zu tun. Eine erfreuli

rscheinung hat die Interpellation gezeitigt, diejenige, daß von alle Parteien, auch von den Nationalliberalen, aufs kräftigste betont worden ist, daß sie alle jeder Wahlbeeinflussung und Wahlkontrolle aufs tiefste abgeneigt seien. Wir wollen hoffen, daß sich diese Erklärungen bei den nächsten Wahlen in Taten umsetzen. Ferner hat der Minister nach seiner Angabe eine scharfe Verfügung erlassen, wonach die Beamten sich jeder Beeinflussung enthalten sollen; wir hoffen auch in dieser Richtung, daß die Beamten der Verfügung in allem Gehorsam nachleben und damit einen Grund unserer Klagen aus der Welt schaffken. Wenn Herr Friedberg mir wieder mit dem eisernen Besen kommt, so weiß ich ganz genau, was ich gesagt habe Ich habe schon neulich zwischen mir und den Kraemerschen Flugblättern einen Strich gezogen; ich habe auch nicht das Urteil eines preußischen Gerichts kritisiert, sondern nur die Tatsach konstatiert, daß das Saarbrücker Gericht nicht alle Beweise gewürdig hat, welche angeboten waren, sondern bloß alle Tatsachen, welche nach 1900 liegen, für wesentlich erklärt hat und auch nur die auf das Verhältnis zwischen Bergbeamten und Bergarbeitern bezüglichen. ist deshalb nicht zutreffend, wenn man sich nur an das Erkenntnis des Gerichts hält; die Zeugen haben auch noch eine Reihe anderer Bekundungen gemacht, welche weit ab liegen von dem durch das Gericht gezogenen Rahmen. An dem Urteil aus dem Dezember 1905 habe ich Kritik geübt, weil es einen Passus enthält, der meiner Meinung nach unzutreffend ist, nämlich, daß es an sich der Berg⸗ behörde nicht verwehrt sein könne, sich über die politische Gesinnun des Bergarbeiters Aufklärung zu verschaffen, soweit das nicht dur unzulässige Mittel geschehe. Soweit damit die Wahlbeobachtung für zulässig erklärt wird, habe ich dagegen Stellung genommen. Jeden⸗ falls ist die Fassung eine sehr eigentümliche und mißyverständliche, vielleicht hat das Gericht wirklich, wie Herr Kollege Röchling meint, etwas anderes gemeint. Der Staatsanwalt hat aber in dem Saar⸗ brücker Prozeß die Auffassung, die 59 von diesem Satz verlautbart 8 habe, als die richtige anerkannt; er sagte, eine solche Beohachtung, welche Zettel sie abgegeben hätten, sei nicht direkt als unzulässig 82 zusehen, sie sei vielleicht nicht erwünscht, aber ungeseblich se 9 muß diese Ausführungen als durchaus iene; ie br- laufend bezeichnen, denn das Wahlgeheimnis thes Wahl jährige Novelle noch weiter geschützt und 88 wirklich ge ruch ke⸗ 88 gewährleistet werden. Es handelt sich in 5 Prozeß kein ian 2 wegs, um ganz alte, lange zurückliegende Vorgänge; kein einziges aktum, welches zur Erörterung stand, ging hinter 1898 zurück. Den Fee des Abg. Röchling, daß ich nicht objektiv genug referiert habe, muß ich als unbegründet zurückweisen. 8 ist be⸗ hauptet worden, der Bergwerksdirektor Liesenhoff habe zu dem Steiger David gesagt: Wissen Sie, daß man Sie auch g Ihrer Zentrums⸗ gesinnung knuten kann? Selbst wenn dieser Fall ausschiede, wie will

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