1906 / 60 p. 13 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 10 Mar 1906 18:00:01 GMT) scan diff

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(Schluß aus der Zweiten Beilage.)

Pri nl.) regt verschiedene Verbesserungen für die Z19 198 Füre⸗ 89 vehe die Bergleute von den Nußenbezirken nach dem Zentrum bringen; manche Züge führen nur 21 km in der Stunde, die Arbeiter brauchten 2 Stunden bis zu ihrer Arbelts⸗ stätte. Ferner sollten 1 8 8 bn üöe bönutt

d 9 rbeiter während der Fa Werdend, det See Konflikten mit den Bahnbeamten führe, wie es auf der Berliner Stadtbahn

form hinausträten, was zu sondern die Wagen III. Klasse, tr.) wünscht Verbesse der Verbindungen für eentr.) wün eerbesserung der Ver das Abg. Sihng das weitab von der Bahnstation liege. Auf der Strecke Ziegenhals— Jägerndorf— Landesgrenze sei eine Haltestelle bei Langenbrück eingerichtet, sodaß viele Badegäste veranlaßt würden, nach einem benachbarten österreichischen Bade zu gehen anstatt nach iegenhals. Der Redner wünscht ferner, daß die Verbindung zwischen Fienfn und Brieg verbessert und daß auf der Strecke Liegnitz Kandrzin Schnellzugsverkehr eingerichtet werde.

2 Dr. König (Zentr.) regt verschiedene Verkehrsverbesserungen

für Crefeld und Mörs an. Abg. Hirsch⸗Essen (nl.): Ich möchte nicht verfehlen, ein Wort einzulegen für die Herstellung einer besseren Verbindung zwischen dem 1 Industrierebier, dem Harz, der Provinz und dem Königreich Sachsen. Es ist heute mit großen Umständen verknüpft, wenn man vom Industrierevier aus die gedachten Gebietsteile besuchen will, und es wäre vielleicht zu erwägen, ob hier eine Verbesserung eingeführt werden könne, etwa dadurch, daß man an einen der großen durchgehenden Züge, etwa an den Zug Vlissingen⸗Berlin einen Wagen anhängt, der von Löhne über Hameln, Hildesheim und Goßlar nach Leipzig geführt wird. Man hat diesen wiederholt erwogen, man hat aber Bedenken getragen, weil die Strecke voon Löhne ab nur eingleisig sei. Ich möchte aber meinen, daß * mit der Einführung dieses Zuges nicht warten sollte, bis der Aus 8 zu einer zweigleisigen Strecke fertig ist. Wenn der Mtenb-enen W wiederhergestellt sein wird, sollten die Bedenken, die heute der 88 1 eines solchen Zuges entgegenstehen, doch vielleicht als beseitig 85 ten können. Man würde damit nicht nur der Bevölkerung des In 8 rie⸗ reviers einen Gefallen tun, sondern man würde auch den Harzs. ütes und den vielfachen geschäftlichen Beziehungen zum Königreich un 28 Provinz Sachsen einen wesentlichen Vorschub leisten, wenn man hier Entgegenkommen zeigen würde. Ich möchte also bitten, diesen Zug in möglichster Kürze einzurichten. 8 G Abg. Dr. Lotichius (nl.) erkennt an, daß die Verbindungen von Berlin nach Cöln und Frankfurt a. M. wesentlich besser geworden seien durch die Einstellung weiterer Schnellzüge, und bittet, die Ver⸗ bindung der Reichshauptstadt auch mit dem Osten möglichst zu fördern. Der Redner bittet ferner, daß die Schnellzüge auch weiterhin in Staudernheim halten möchten. Das liege im Interesse des Kreises Meisenheim. Auch die Stadt Braubach a. Rh. müsse bessere Zug⸗ verbindungen erhalten. Abg. Stanke (SZentr.) wünscht ein Halten der Schnellzüge in Annaberg O.⸗Schl. und bessere Anschlüsse für Kandrzin. . Abg. Dr. Schroeder⸗LCassel (nl.) bemängelt die Schnellzugs⸗ perbindun zwischen Cassel und Westfalen, von Abends bis zum anderen Tage Nachmittags 3 Uhr bestehe eine Pause. Ferner sei die Zugverbindung zwischen München und Cassel außerordentlich

schlecht; man müsse verschiedene Male umsteigen, und auf einem

Teil der Strecke könne man nur Bummelzüge benutzen. Klage grsßencnc geführt werden über die Verbindung zwischen Cassel und Spangenberg.

Abg. Schwarze⸗Lippstadt (Zentr.) wünscht bessere Verbindung

d. zwischin 8 8 Herfard) erkennt an, daß die Verwaltung vielen

Abg Ver) ünse ür bessere Verbindungen im Industriebezirk des Rhein⸗ ahaschen sis besaihen ist. Um so auffallender sei es, daß die Dortmund-—Elberfeld, auf der ein gewaltiger Verkehr herrsche, ohne Schnellzugverbindung sei. Die Entfernung betrage nur 57 km, und doch gebe es Züge die 2 Stunden und 30 unterwegs sind. Die Efsntahnvermatwmg L T1“ üj über, daß auf allen moö een e Peeaber aaß etwas werden, denn sonst höre 1 s auf. 3 1 der 1“ Beebeinäest das seine in vanen. Iahtien vah für bessere Schnellzugsanschlü se von Pleß an te grohant seien Wünsche noch immer nicht er 11“ Zentr) 1“ schlechten Zugverbin⸗ Dortmund und Hamm. vungen, don Ten beng daah wünscht, daß der Abendzug von 1 stadt nach Oschersleben etwa 1 ½ Stunde später gehe im Interesse der

11““ ü ine Verbesserung der Wenden (kons.) wünscht eine Verbesserung 1.1“ far die Strede von Bublitz nach Berlin e 88 die Möglichkeit EEE“ 38 Wö“ vielleicht in . f litz aus geschaffen werde. 2 8 Schiege1ben,geS mPeif el (Zentr. und Hirt (kons.) äußern übereinstimmend Wünsche FFaüglich Verbesserung der Verbindungen 8 I S 2 1“ fen.) wünscht, daß die Schnellzüge der Rhein⸗Nahe⸗Bahn nicht, wie Abg. Dr. Lotichtus wünsche, in Staudern⸗ hei sondern in Sobernheim halten, und daß der kleine Ort Hoch⸗ 88 het,ge Kirn an der Rhein⸗Nahe⸗Bahn zur Station gemacht werde. Abg. D

Strecke

Itz (nl.): Oberschlesien ist wie eine einzige Stadt

1 heh Sae anzusehen und hat nur 4 Schnellzugs⸗

Se dungen, während analoge Gegenden im Westen 6 bis 12. Schnell⸗ verbin aas beiden Richtungen haben. Um einen Tagesschnellzug nach Heenmn- u haben braucht man nur Anschluß an den Schnellzug Ber n Berlin zu schaffen. Der Nachtschnellzug aus Oberschlesien et ah he Berlin Morgens um 5 ½ Uhr an, während sich leicht eine TFnme e bindung schaffen ließe, wenn der Schnellzug von bessere Verbindunghecggeführt würde. Auch im Belkehr mit der 8 shed bise draptstadt haben wir keinen verständigen Morgenschnellzug,

wedder hin, noch zurück sp.): Der Vorortverkehr für Kiel muß Abg. d9”8 lgast Umständen im Sommer jemand verbessert werden, d Klasse froh sein muß, wenn er noch in

selbst mit einem Billett II. Warum werden für Kiel nicht Sonn⸗

einem Viehwagen laßj vi ncden ausgegeben Der Zug Kiel⸗

8 Sagefohikartene s abgelassen werden, daß man in nich wie heute bis bec Stunden auf den Anschlug, 9* 88 -; hen

Norden warten muß. Der Zug 8eeööö Zug Kiel⸗

Noracn ö Flensdurg⸗Kiel, ebensowenig der Zug 5

nschluß 1 B enach Mecklenburg und Pentgeen ö 8 Blitzzug wird sehr wenig benutzt, weil die Zuggeschwindigkeit n. groß genug ist. daß die Glatzer Züge, die jetzt

1 tr.) wünscht, daß die Glatz 1 3

nur Reh. h bee- hcscfäa fahren, auch während des Winters 8. WE1.“ ster (rreikons.) beklagt, daß Mörs keine gute Verbindung mit Duisburg hat. u“

mit ermäßigten Preisen nach dem H

Berlin, Sonnabend, den 10. März

Abg. Fehlisch (kons.): Ich empfehle die Durchführung des Vor⸗ ortverke b auf der Strecke Berlin über Groß ⸗Lichterfelde⸗Ost hinaus bis Trebbin, zumal hier nur auf 9 km Vorortverkehr ist. Die Anhalter Bahn muß viergleisig ausgebaut werden. Die Eisenbahn⸗ verwaltung die dazu erforderlichen Terrains er⸗ verben, da sie später teurer sind. 1 werbene deIr Bernvit (nl) schließt sich den Wünschen des Abg⸗ Dinslage an und befürwortet die Einführung eines direkten Schnell⸗ zugs von Hagen über Elberfeld nach Cöln. 2

Abg. Hoeveler (Zentr.) bittet, die Schnellzüge auf der Strecke Cöln Kleve auch in Kevelaer halten zu lassen. 1 ¹

Abg. Macco (nl.): Die Eisenbahndirektion und Eisenbahnräte haben die Aufgabe, neue Zugverbindungen usw. zu schaffen. Darum ist es verkehrt, wenn jeder Abgeordnete sich veranlaßt fühlt, hier seine Wünsche im einzelnen vorzubringen. Die Herren von der Regierung können ja keine Antwort auf die vielen Wünsche und Klagen geben, sondern müssen alle Reden geduldig mit anhören. Wo aber alle reden, sehe auch ich mich dazu gezwungen, um nicht einen falschen Ver⸗ dacht auf mich fallen zu lassen. Der Redner wünscht eine bessere Verbindung im Sauerland zwischen Laasphe und Marburg.

Abg. Schaffner (nl.) wünscht Zugverbesserungen zwischen Limburg und Dietz.

Abg. Funck (fr. Volksp.): Ich stimme dem Wunsche des Abg. Macco zu, daß diese Art der geschäftlichen Behandlung geändert werden möge. Ich meinerseits bitte um eine bessere Abendschnellzug⸗ verbindung zwischen Berlin und Frankfurt und umgekehrt und beziehe mich zur Begründung auf die von der Frankfurter Handelskammer eingereichte Petition.

Abg. Franken (nl.) beschwert sich im Interesse des Gewerbe⸗ standes in Gelsenkirchen darüber, daß diese Stadt mit 150 000 Ein⸗ wohnern keinen brauchbaren Schnellzug hat. .

Abg. Kölle (b. k. Fr.) wünscht Feriensonderzüge für Schüler arz.

Die Abgg. Gleim (nl.) und Kriege⸗Bentheim (fr. kons.) äußern ebenfalls lokale Wünsche.

Ministerialdirektor Stieger: Ich danke den Herren für die zahlreichen Anregungen und bin ermächtigt, die Zusicherung zu er⸗ teilen, daß sie wohlwollend geprüft werden. inzelne Wünsche werden schon im nächsten Sommerfahrplan Berücksichtigung finden, andere werden, soweit ich mich erinnere, zurzeit bereits einer Vor⸗ prüfung unterworfen. Im neuen Fahrplan haben schon verschiedene Zugvermehrungen stattgefunden.

Damit schließt die Debatte über die Zugverbindungen.

Um 4 ½ Uhr vertagt das Haus die weitere Beratung des Eisenbahnetats auf Sonnabend 11 Uhr.

Statistik und Volkswirtschaft.

Die Verhandlungen des deutschen Vereins für Armen⸗ pflege und Wohltäͤtigkeit über die Novelle zum Unterstützungswohnsitzgesetz.

Nachdem der wichtige Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung des Reichsgesetzes über den Unterstützungswohnsitz, am 26. und 29. Ja⸗ nuar d. J. vom Reichstag beraten und an eine Kommission von 21 Mitgliedern verwiesen worden war, hatte sich der Vorstand des deutschen Vereins für Armenpflege und Wohltätigkeit beeilt, seine 26. Jahresversammlung nicht, wie sonst üblich, im Herbst, sondern chon jetzt während der Tagung des Reichstags in der Reichshaupt⸗ scho⸗ selbst abzuhalten, um zu den geplanten Aenderungen der be⸗ stehenden deutschen Armengesetzgebung rechtzeitig Stellung zu nehmen.

Die am 3. März im Berliner Rathause abgehaltene Versammlung, an der sich etwa 450 Armenfreunde und Kenner des deutschen Armen⸗ wesens, darunter Vertreter fast aller größeren Provinzialverbände und aller größeren Städte und Wohltätigkeitsvereine Deutschlands be⸗ teiligten, hat den erfreulichen Beweis geliefert, daß sich im deutschen Volke allerwärts noch viele Kräfte selbstbewußt und freudig für die öffentlichen Angelegenheiten regen und entschlossen sind, neben der Reichsregierung und dem Reichstage belehrend auf die öffentliche Meinung und auf die Entwicklung der deutschen Gesetzgebung und Verwaltung miteinzuwirken. Daß der moderne herlämengettg nnus durch ein kräftiges Vereinsleben und durch selbst⸗ tändige Gemeindeverwaltungen unterstützt und von wissenschaftlich gebildeten, in der Praxis des täglichen Lebens geübten und erfahrenen Männern beraten werden muß, gilt namentlich bezüglich des Armen⸗ wesens, an dessen zweckmäßiger Regelung schon mehr als hunderttausend gemeinnützige Pfleger und Helferinnen sich mit Kopf und Herz beteiligen. Der deutsche Verein für Armenpflege und Wohl⸗ tätigkeit zählt zu seinen Mitgliedern gegenwärtig allerdings erst 249 Gemeinden, 33 Körperschaften, 16 Behörden, 62 Vereine und 212 Privatpersonen, 572 Mitglieder; aber inner⸗ halb der dem Verein beigetretenen Gemeinden und Vereine stehen viele Tausende von Pflegern bereit, mitzuberaten und mit⸗ zuhelfen, während der deutsche Verein selbst schon deshalb größere Beachtung verdient, weil in ihm zum Unterschied vom Reichstage nie politische oder konfessionelle Zwistigkeiten, nie Gegensätze von Stadt und Land, von Landwirtschaft und Industrie aufgetaucht sind, und weil in ihm amtliche und nichtamtliche Armenpfleger und gemeinnützige Helferinnen ohne Rücksicht auf die materiellen Interessenkämpfe für das Wohl der wirklich Verarmten treu zusammenwirken wollen.

Den Verhandlungen der 26. Jahresversammlung des deutschen Vereins für Armenpflege und Wohltätigkeit lag eine Reihe scharf formulierter, aber maßvoller Leitsätze zu Grunde, die von dem Haupt⸗ berichterstatter, Stadtrat Dr. Münsterberg, eingehend begründet wurden. Der Redner ging einleitend kurz auf die Entwicklung des deutschen Armenwesens ein, das unter dem Einfluß der modernen wirtschaftlichen Entwicklung aus dem alten deutschen Heimatsrecht herausgewachsen ist und in der Schaffung des Unterstützungs⸗ wohnsitzes durch das Gesetz vom 1. Juni 1870 einen neuen Ausdruck gefunden hat. Seine erste Aenderung erfuhr das Gesetz dur die Novelle von 1894, durch welche die Altersgrenze für den Erwer und Verlust des Unterstützungswohnsitzes vom 24. auf das 18. Lebens⸗ jahr herabgesetzt und die Verpflichtung des Arbeits⸗ und Dienstortes verstärkt wurde. Obwohl es die Absicht des Gesetzgebers war, die länd⸗ lichen Armenlasten zu erleichtern, erhoben die ländlichen Bezirke doch sehr bald bittere Klagen über die vermehrte Armenlast, die ihnen durch den Verlust der Arbeitskraft der Abwandernden und durch die Fortdauer der Verpflichtung zu ihrer Unterstützung erwachsen ist. Diesen Klagen will der Gesetzgeber mit dem neuen Gesetz dadurch Rechnung tragen, daß er 1) die Altersgrenze für den Erwerb und Verlust des Unterstützunge wohnsitzes weiter vom 18. auf das 16. Lebensjahr herabsetzt, 2) die Frist zum Erwerb von 2 auf 1 Jahr vermindert und 3) die Verpflichtung des Dienst⸗ und Arbeitsorses namentlich im Verhältnis zu den Vorort⸗ und Nachbargemeinden sehr erheblich verstärkt. 8

In den der Hauptversammlung vorgeschlagenen Leitsätzen war

zun zunächst bemerkt, daß der deutsche Verein mit der Begründung des Entwurfs darin übereinstimme, daß er die durch die Binnen⸗ wanderungen für einzelne Gebiete des Reichs geschaffene ungünstige

iger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

wirtschaftliche Lage und insbesondere das Bedürfnis anerkenne, der Notlage der überbürdeten Armenverbände in nachhaltiger Weise abzu⸗ helfen. Dagegen wurde als ein Mangel der neuen Gesetzesvorlage hervorgehoben, daß sie sich lediglich auf die Ziffern der im nördlichen Deutschland sich vollziehenden Binnenwanderung stütze und nicht ins Auge fasse, welche Wirkungen im einzelnen durch die Wanderungen hervorgerufen würden, wie die Armenlast gegenwärtig verteilt sei und wie ihre Verteilung sich voraussichtlich nach Annahme des Gesetz⸗ entwurfs gestalten würde. „Der Verein erachtet“, wie es in der zweiten Hauptresolution wörtlich heißt, „die Beschaffung neueren Materials und seine Bearbeitung im Zusammenhange mit dem älteren Material, das in den Schriften des deutschen Vereins niedergelegt ist, für die unerläßliche Voraussetzung einer Aenderung der bestehenden Armengesetzgebung. Der Verein muß daher zur Zeit ebensowohl gegen die vollständige Revision wie gegen die Aenderung einzelner Be⸗ stimmungen des geltenden Armenrechts Widerspruch erheben.“

Die weiteren Leitsätze beleuchten die Bedenken gegen die einzelnen Bestimmungen des Entwurfs, gegen die Herabsetzung der Altersgrenze vom 18. auf das 16. Lebensjahr und der Frist zum Erwerb des Unterstützungswohnsitzes von 2 auf 1 Jahr und gegen die erhebliche Verstärkung der Verpflichtung des Dienst⸗ und Arbeitsortes im Ver⸗ hältnis zu den Vororts⸗ und 1“ Für den Fall, daß trotz der entgegenstehenden Bedenken die Aenderung einzelner Bestimmungen des Gesetzes über den Unterstützungswohnsitz beliebt werden sollte, erhebt der Verein die Forderung, daß zugleich eine Reihe der von ihm in früheren Jahresversammlungen ausgesprochenen und ausführlich be⸗ gründeten Anträge berücksichtigt würden. Dahin gehörten die Be⸗ stimmungen einer Altersgrenze, von der an ein neuer Unter⸗ stützungswohnsitz nicht mehr erworben werden kann, das Tarif⸗ wesen, das die Gemeinden sehr ungleich belaste, sowie die Für⸗ sorge für die Wanderarmen, denen gegenüber die Gesetzgebung bisher ganz versagt habe, ferner die reichsgesetzliche Regelung des

Erstattungsanspruchs gegen unterstützte Personen und der Frage,

wie dem immer mehr um sich greifenden Uebel der Verlassung der Familie durch den Ernährer gesteuert werden könne, sodann der Beihilfen an ärmere, durch Armenlasten überbürdete Gemeinden und der Schaffung von Gesamtarmenver⸗ bänden zur gemeinschaftlichen Tragung der Armenlast, vielleicht auch besser noch von Zweckverbänden.

Von erheblicher Bedeutung ist endlich die in den Leitsätzen aus⸗ gesprochene Forderung der Ausdehnung des Gesetzes über den Unterstützungswohnsitz auf Bayern und Elsaß⸗Lothringen, die noch außerhalb seines Geltungsbereichs stehen. Bezüglich dieser letzten Forderung des deutschen Vereins drückte Justizrat Ruland aus Colmar seine Befriedigung über die in naher Aussicht stehende Ausdehnung des Reichsgesetzes über den Unterstützungswohnsitz auf Elsaß⸗Lothringen aus, während Rechtsrat Fleischmann aus München sich dahin aussprach, daß Bayern zwar gegenwärtig an der zur Be⸗ ratun stehenden Novelle kein Interesse habe, das Interesse an der zukünftigen Gestaltung der reichsdeutschen Armengesetzgebung aber sicher vorhanden sei, und daß er aus diesem Gefichtsrinkte sich den vorgelegten Leitsätzen anschließe.

An den eingehenden Verhandlungen über die vorgelegten Leitsätze beteiligten sich außer den bereits genannten Personen noch in eindring⸗ licher Weise Pastor von Bodelschwingh (Bielefeld), Bürgermeister Cuno (Hagen), Direktor Lohse (Hamburg), Stadtrat Hoffmann (Rixdorf), Landeshauptmann Hintze (Danzig Landessyndikus Gerhard (Berlin), Stadtrat Flesch (Frankfurt a. M.), Dr. Klumker (Frank⸗ furt a. M. Syndikus Götting (Hildesheim), Geheimer Regierungsrat von Massow u. g.

Die 26. Jahresversammlung des deutschen Vereins faßte nach einem Schlußwort des Stadtrats Münsterberg folgenden Haupt⸗ beschluß: „Auf Grund der vom Zentralausschuß ihr vorgelegten Leit⸗ sätze, denen sie in allen wesentlichen ahreh zustimmt, spricht die Versammlung die Hoffnung aus, daß der Reichstag dem Entwurf zur Abänderung des Gesetzes über den Unterstützungswohnsitz in der vorliegenden Fassung die Zustimmung versagen werde.“ 8

Zur Arbeiterbewegung.

Die in den Wagenfabriken Berlins und der Umgegend be⸗ schäftigten Maler, Sattler, Lackierer, SreIIraehe; usw waren am Donnerstag außerordentlich zahlreich vers wie die „Voss. Ztg.“ berichtet, den in den versammlungen aufgestellten Lohnforderungen Stellung zu nehmen.

Frage kommen elf Fabriken, in denen gegen 1500 Arbeiter be⸗ schäftigt sein sollen. Folgende Forderungen sind aufgestellt und von den Versammelten angenommen werden: „Die Arbeitszeit beträgt neun Stunden täglich, jedoch Montag und Sonnabend acht Stunden. Alle Arbeiter, ob in Lohn oder Akkord tätig, erhalten eine Lohnerhöhung von 10 v. H., jedoch sind für die einzelnen Zweige Mindestlöhne festgesetzt, welche jeder Neueintretende bezw. im Betrieb Beschäftigte unbedingt verdienen muß; diese sind: Für Stellmacher (Kastenmacher 63 ₰, Helfer 55 ₰), für Rademacher 58 ₰, Lackierer 60 ₰, Metallarbeiter (Dreher 70 ₰, Schlosser 60 ₰), Sattler (perfekte Luxussattler 75 ₰, die übrigen Sattler 55 J), Schmiede (Schirrmeister 70 ₰, Feilbänker 63 ₰, Helfer und SSe 60 ₰), für Maschinenarbeiter 50 ₰. Ueberstunden und Sonntagsarbeit sind nur für Reparaturen an Betriebseinrichtungen zulässig. Ueberstunden 25 v. H. Zuschlag. Sonntagsarbeit 50 v. H. Bei Akkordarbeit ist der Lohn vorher zu vereinbaren; bestehen besondere Akkordtarife, so gelten diese. Werk⸗ zeug wird nur in Lohn angefertigt.“ Eine Kommission wurde be⸗ auftragt, diese Forderungen nebst den für einzelne Zweige bereits be⸗ stehenden Akkordtarifen den Arbeitgebern zur Annahme zu unterbreiten.

Aus Breslau wird demselben Blatte telegraphiert: In Gottes⸗ berg beschloß eine Versammlung der Bergleute der schlesischen Kohlen⸗ und Kokswerke A.⸗G., wegen Nichtbewilligung der ge⸗ forderten Lohnerhöhungen in den Ausstand einzutreten. Die Gesell⸗ schaft beschäftigt 3500 Mann. 1

Bei der Kaligewerkschaft Volpriehausen ist, wie der „Rh.⸗Westf. Ztg.“ aus Göttingen gemeldet wird, ein Ausstand aus⸗ gebrochen. Etwa 650 Arbeiter haben wegen Lohnstreitigkeiten die Arbeit niedergelegt.

In Hamburg ist, wie die „Köln. Ztg.“ erfährt, die Lohn⸗ bewegung der Kohlenarbeiter in den Bunkerbetrieben beendet.

Literatur.

In den letzten Jahren sind von verschiedenen Seiten hoch⸗ erfreuliche und erfolgreiche Bemühungen durch eine gute aber zugleich billige Wiedergabe wertvoller Bilder der alten und neuen Meister einen wirklich künstlerischen Wandschmuck zu schaffen und auch weniger Bemittelte in den Stand zu setzen, sich eine wertvolle Bildersammlung anzulegen. Durch den Aufschwung, den die Reproduk⸗ tionstechnik genommen hat, wurde dies Bestreben in hervorragender Weise unterstützt. Der Kunstwert⸗Verlag (Georg Callwey in München) verdient es, in erster Reihe genannt zu werden, wenn von jenen erfolgreichen Bestrebungen die Rede ist; seine „Meisterbilder fürs deutsche Haus“ sind, sowohl was die Auswahl der reproduzierten Büder, als was die Wiedergabe selbst betrifft, eine überaus wertvolle

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