war, und daß ich diese Mehrheit in den Dienst solcher Zwecke gestellt habe. Ich erkenne auch heute durchaus an, daß das Zentrum mit⸗ gewirkt hat bei solchen Aufgaben und daß es geholfen hat, sie in einer Weise zu lösen, die im Interesse des Landes war, bis zu dem Tage, wo das Zentrum sich nicht nur getrennt hat von den anderen bürgerlichen Parteien, mit denen zusammen es so große Aufgaben gelöst hatte, sondern wo es die Regierung gezwungen hat, den Reichs⸗ tag aufzulösen. Denn mein Zusammengehen mit jeder Partei hat eine bestimmte Grenze. Ich habe auf sie hingewiesen, als ich einmal — ich glaube, es war im Abgeordnetenhause — sagte, daß ich in nationalen Fragen keinen Spaß verstünde. Ich gehe mit jeder Partei, die die großen Bedingungen achtet, ohne welche das deutsche Volk in der Welt nicht atmen und leben und sich behaupten kann. Wird da⸗ gegen gesündigt, so hört bei mir die Gemütlichkeit und bei der Re⸗ gierung das Zusammengehen auf. Der Einfluß, die Macht einer Partei werden zu einer Geißel für die anderen, sie werden zg einer Plage für das Land, wenn sie mißbraucht werden. Und solcher Miß⸗ brauch liegt nicht einmal im Interesse der Partei, die ihn ausübt; denn da heißt es auch: Druck erzeugt Gegendruck und früher oder später stellt sich der Rückschlag ein. Das Zentrum hat seine ausschlag⸗ gebende Stellung nicht mit demjenigen Maße von Besonnenheit und Selbstbeherrschung benutzt, die für eine Partei die Vorbedingung dauernden Einflusses ist. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.)
Meine Herren, wie ist es zu dieser Krisis gekommen? Auch darüber hat sich der Herr Abgeordnete Spahn ver⸗ breitet. Ich will Ihnen meine Auffassung der Dinge vortragen, die von derjenigen des Herrn Führers der Zentrumspartei allerdings in wesentlichen Momenten abweicht. Als ich — es war ja wohl noch im November — diesem hohen Hause den neuen Herrn Kolonialdirektor vorstellte, habe ich die in der Kolonialverwaltung be⸗ gangenen Fehler und Irrtümer offen eingeräumt. Ich habe nichts vertuscht. Ich habe gesagt, daß die zur Sprache gebrachten und wirklich vorgefallenen Mißstände streng untersucht und unnach⸗ sichtlich geahndet werden sollten. Ich habe der bestimmten Absicht Ausdruck gegeben, Wandel und Besserung zu schaffen. Ich habe aber auch keinen Zweifel darüber gelassen, daß ich auf die Mitwirkung dieses hohen Hauses rechnete, damit auf eine vorübergehend vielleicht notwendige, aber sehr unerquickliche und auf die Dauer dem Kredit des Landes schädliche Periode eines ununterbrochenen Waschens schmutziger Wäsche endlich eine Zeit ruhiger und positiver Arbeit in unserer Kolonialverwaltung folgen könne. (Sehr gut!) Ich hatte damals den Eindruck, daß dieser mein Appell einer verständnis⸗ vollen Aufnahme begegnete. Da kam der Zusammenstoß zwischen dem Kolonialdirektor und dem Herrn Abg. Roeren. Daß es zu diesem Zusammenstoß kam, mußte mich deshalb in hohem Grade überraschen, weil auf meine Veranlassung und in meinem Beisein der Herr Kolonialdirektor zwei hervorragenden Führern der Zentrumspartei den ganzen status causae, die begründeten Beschwerden und die be⸗ rechtigten Erwartungen der Kolonialverwaltung vorgetragen hatte. (Hört, hört! links.) Ich war überzeugt, daß nach dieser loyalen Aussprache die Zentrumspartei die Fortführung einer sachlichen und vernünftigen Kolonialpolitik nicht weiter stören würde. Diese meine Erwartung hat sich nicht erfüllt. Der Herr Abg. Roeren ging gegen den Herrn Kolonialdirektor in einer in der Sache nicht begründeten, in der Form maßlosen Weise vor. (Lebhafte Zustimmung links und rechts.) Am Tage nach diesem Zusammenstoß bin ich hier erschienen und habe in ernsten und klaren Worten keinen Zweifel darüber ge⸗ lassen, daß ich hinter dem Kolonialdirektor stünde, der nach meiner Weisung hier gehandelt hatte. Ich habe es bis zuletzt für aus⸗ geschlossen gehalten, daß mich die Zentrumspartei für diese meine selbstverständliche und pflichtmäßige Haltung durch die Ablehnung einer Forderung würde strafen wollen, bei der es sich nicht nur um einen wichtigen Akt unserer bisherigen Kolonialpolitik, sondern darüber hinaus um eine große Prinzipienfrage handelte. (Sehr richtig! links.)
Der Herr Abg. Spahn hat soeben das von mir gesprochene Wort von der wünschenswerten Paarung von konservativem und liberalem Geiste beanstandet. Nun, meine Herren, ich bin auch heute der Ansicht, daß die fruchtbarsten Epochen in unserer Entwicklung
zurückzuführen sind auf die richtige Mischung von konservativem und liberalem Geiste. (Bravo! Lachen bei den Sozialdemokraten.) Aber, meine Herren, eine Paarung, die ich allerdings bis zum letzten Augenblick für unmöglich gehalten habe, das war die Paarung Roeren⸗Singer, die mir am 13. Dezember entgegentrat. (Sehr gut!) Es ist nicht möglich, eindringlicher zu warnen, als ich das in der Sitzung vom 13. Dezember getan habe. Wer darauf hin nicht den Ernst der Situation einsah und die Unmöglichkeit für die verbündeten Regierungen, unter das vor ihnen aufgepflanzte kaudinische Joch zu gehen, dem war nicht zu helfen. (Sehr richtig! rechts und links.) Wenn die Herren von der Zentrumspartei die Verständigung gewollt hätten, wenn sie unter Wahrung des beiderseitigen prinzipiellen und Ehrenstandpunktes die Auflösung des Reichstags hätten
vermeiden wollen, so brauchten sie nur für den Antrag Ablaß zu stimmen (sehr richtig! links), der das Budget⸗ recht des Reichstags vollständig wahrte und der dem
Wunsch nach Sparsamkeit jede Rechnung trug. Das haben sie nicht getan, weil sie gemeinsam mit der Sozialdemokratie die Re⸗ gierung ducken wollten. Das hat sich die Regierung nicht gefallen lassen und das wird sich, so Gott will, die Regierung niemals gefallen lassen. (Stürmisches Bravo rechts und links. Lachen bei den Sozialdemokraten.)
Der Herr Abg. Spahn hat auch gemeint, durch das Vorgehen der Regierung wäre die Ehre der Zentrumspartei verletzt worden. Wodurch soll ich denn die Ehre der Zentrums⸗ partei verletzt haben? Etwa dadurch, daß ich ohne ihre Erlaubnis den Reichstag aufgelöst habe? (Große Heiterkeit.) Meine Herren, das wäre ja nicht mehr ausschlaggebende Stellung, das wäre auch nicht der ruhende Pol in der Erscheinungen Flucht (Sehr richtig!), den der Herr Abg. Spahn soeben zitiert hat, das wäre nicht einmal mehr Trumpf, sondern das wäre Parteityrannei — und die läßt sich niemand gefallen. (Sehr gut!) Nicht die Ehre der Zentrumspartei ist verletzt worden, sondern der Beschluß, den die Zentrumspartei gemeinsam mit der Sozialdemokratie uns aufzwingen wollte, war ein Vorstoß gegen die Autorität der Regierung und gegen große Regierungsgrundsätze, deren Aufrechterhaltung nach meiner Ueberzeugung im Interesse des Landes, seines Friedens und seiner rruhigen Fortentwickelung liegt. (Sehr gut!)
Meine Herren, ich muß mich jetzt zu zwei Behauptungen wenden⸗
die eine große Rolle im Wahlkampf gespielt haben. In Artikeln der sozialdemokratischen wie der Zentrumspresse und auch in Wahlaufrufen ist die Sache so dargestellt worden, als wenn es sich darum handelte, verfassungs⸗ mäßige Einrichtungen und Freiheiten gegen das persönliche Regiment zu ver⸗
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teidigen. Meine Herren, das war eine Irreführung der Wähler, das war ein falsches Signal, ausgesteckt, um die Wähler irre zu führen,
wie das in seinem bekannten Artikel ein Sohn des Ersten Vorsitzenden der Zentrumsfraktion ausgesprochen hat. Es ist ja die Unsitte ein⸗ gerissen, das persönliche Regiment als eine Art von Popanz hin⸗ zustellen, um die politischen Kinder zu schrecken, deren Zahl allerdings
sehr groß ist. (Große Heiterkeit.) Wo ist denn in der letzten Zeit das
persönliche Regiment in die Erscheinung getreten? Weder in der braunschweigischen Frage, noch bei irgend einem anderen Anlaß, noch insbesondere bei der Auflösung des Reichstags. Die Auflösung des Reichstags war die durchaus konstitutionelle Ausühung eines in der Verfassung festgelegten Rechtes und in keiner Weise ein Vorstoß gegen die Stellung des Reichstags. (Sehr richtig!) Von einer Bedrohung der Reichsverfassung durch das persönliche Regiment ist überhaupt nie die Rede gewesen; eine solche liegt ganz außerhalb des Bereiches der Wahrscheinlichkeit und selbst der Möglichkeit. Wohl aber sind unsere verfassungsmäßigen Einrichtungen, die von den verbündeten Regierungen gewissenhaft beobachtet und treu gewahrt
werden, bedroht durch die Partei, die da auf den Bänken der äußersten
Linken sitzt und die ihre letzten Ziele ja gar nicht anders erreichen
hatte sich die Zentrumspartei gestellt. griffe oder Uebergriffe der Krone bei der Auflösung des Reichstags oder während der Wahlbewegung sind ohne Ausnahme müßige und frivole Erfindungen. Die Krone hat lediglich ihre Zustimmung ge⸗ geben zu einem Beschluß der verbündeten Regierungen; das war ihr gutes Recht. Es handelte sich auch gar nicht darum, wer im letzten Ende zu entscheiden hat: der Kaiser oder der Reichstag. Das ist eine törichte Antithese. Der Reichstag bat das Recht, Vorlagen der ver⸗
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demokratie unmöglich gemacht hätte.
sozialdemokratischen Partei. (Große Heiterkeit.) Wie das zustande gekommen ist, wer sich zuerst zum anderen hingezogen gefühlt hat, das weiß ich nicht; ich weiß nur, daß ich mich unvermutet einer Koalition zwischen Zentrum und Sozialdemokratie gegenüber befand, zu der ich Stellung nehmen mußte. Um so ungtrechter ist der Vorwurf, daß ich durch meine Haltung gegenüber der Zentrums⸗ partei eine Einigung aller bürgerlichen Parteien gegenüber der Sozial⸗ Wenn es zu einer solchen
Einigung, auf die ich lange hingearbeitet habe, die noch heute das Ideal vieler guten Patrioten ist, — wenn es zu einer solchen einheit⸗
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lichen Front noch nicht gekommen ist, so lag die Schuld in erster
Linie an der Zentrumspartei. Nicht nur weil sie es zum Bruch mit
der Regierung getrieben hatte, sondern weil sie auch demonstrativ an der Seite der Sozialdemokratie Platz nahm. Wenn es eine Partei gibt, die nach ihrer Basis, nach ihrem ganzen Programm, nach ihren Grundsätzen, nach ihren Zielen nicht mit der Sozialdemokratie zusammengehen sollte, so ist es die Zentrums⸗ partei. (Sehr gut! links.) Das Zusammengehen der Zentrums⸗ partei mit der Sozialdemokratie war nicht nur ein politischer
Fehler, ein grober politischer Fehler, es war auch ein moralisches Unrecht. (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.) Es war ein moralisches Unrecht, zusammenzugehen mit einer Partei, die
alles in den Staub zieht, was Christen heilig ist. Soll ich Ihnen.
alle Blasphemien der Führer der Sozialdemokratie vorlesen? Die kann als durch einen Verfassungsbruch; und an die Seite dieser Partei
Alle Behauptungen über Ein⸗
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bündeten Regierungen abzulehnen; die verbündeten Regierungen haben das Recht, wenn sie dies im Interesse des Landes für notwendig halten, mit Zustimmung des Kaisers den Reichstag aufzulösen. Ich erkläre es ein für allemal für eine dreiste Unwahrheit, wenn man
der Regierung, wenn man mir verfassungswidrige Handlungen oder Absichten oder Gesinnungen imputiert. Ich habe das Wahlgeheimnis
durch ein besonderes Gesetz geschützt (Zuruf links), ich habe Diäten
eingeführt, ich habe wiederholt erklärt und erklären lassen, daß ich unverrückt auf dem Boden der Verfassung stünde. Ich habe das
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Budgetrecht des Reichstags nicht verletzt, sondern gewahrt, nicht
bedrobt, sondern gehütet. Ich verbitte mir solche wahrheitswidrigen
Insinuationen. Es handelte sich bei diesem Wahlkampfe nicht um Absolutismus, Despotismus, Militarismus, Feudalismus, und wie die Ismen alle lauten (Heiterkeit), sondern es handelte sich darum, daß das Zentrum, auf die Sozialdemokratie gestützt, die verbündeten Regierungen in die Enge treiben wollte. Artikel 5 oder 4 der Reichsverfassung — ich erinnere mich im Augenblick nicht genau, Artikel 5, glaube ich — lautet: Die Reichsgesetzgebung wird ausgeübt durch den Bundesrat und den Reichstag. Darin liegt schon, daß keine Seite allein zu entscheiden hat. Die verbündeten Regierungen erkennen die Gleichberechtigung des Reichs⸗ tags vollkommen an, nicht aber die Allein berechtigung. Es wäre Alleinherrschaft, wenn eine Partei der Regierung Entschlüsse auf⸗ zwingen wollte, für welche diese nicht die Verantwortung über⸗ nehmen kann. Meine Herren, nun hat der Herr Abg. Spahn auch davon ge⸗
sprochen, daß durch den Wahlkampf die religiösen Leidenschaften auf⸗
gewühlt worden wären.
gespielt haben, die Behauptung gehört, die katholische Religion sei in Gefahr, es würde ein neuer Kulturkampf vorbereitet. Wenn es eine Regierung gibt, welche den Vorwurf religions⸗ feindlicher und namentlich antikatholischer Politik und Gesinnung nicht zu scheuen braucht, so ist es die Regierung, an deren Spitze ich stehe. (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.) So etwas zu verbreiten, wie das im Wahlkampfe geschehen ist, war nicht nur direkt
wahrheitswidrig, es war auch eine unpatriotische Handlung. (Sehr
richtig! bei den Nationalliberalen.) Der Herr Abg. Spahn hat soeben gemeint, es wäre durch diesen Wahlkampf die Kluft zwischen den beiden Konfessionen erweitert
dem tiefsten Bedauern erfüllen. Es würde das aber in erster Linie darauf zurückzuführen sein, daß ohne jede Not, ohne jeden zwingenden Anlaß die Parole von der Gefahr eines neuen Kulturkampfes
in die Massen hineingeworfen worden ist. (Sehr richtig! links und rechts.) Ich stehe noch heute auf dem Stand⸗ punkt voller Gerechtigkeit gegenüber beiden Konfessionen,
voller Parität, wahrer Toleranz. Diesen Standpunkt werde ich nie⸗ mals verlassen. Aber wenn von der Zentrumspartei die Zentrums⸗ fraktion identifiziert wird mit der katholischen Religion, das ist freilich ein Standpunkt, den ich nicht adoptiere; das ist eine Haltung, die ich nicht mitmachen kann. (Bravo! rechts und bei den National⸗ liberalen.) Der Kampf kehrt sich auch nicht gegen das Zentrum als konfessionelle Partei, sondern gegen den Mißbrauch, den das Zentrum, gelehnt auf die Soszialdemokratie, mit seiner ausschlaggebenden Stellung getrieben hat. Die Abstimmung vom 13. Dezember hatte leider bewiesen, daß auch eine für die katholische Kirche und für unsere katholischen Mitbürger gerechte und wohlwollende Regierung nicht vor Feindschaft und Angriffen der Zentrumspartei sicher ist; aber das sollte doch wenigstens die Haltung der Regierung bewirkt haben, daß uns nicht in vollständigem Widerspruch mit dem wirklichen Sachverhalt Gesinnungen und Absichten beigelegt werden, die niemals bestanden haben. 1
Meine Herren, ich komme jetzt auf einen Punkt, über den begreiflicherweise — das muß ich zugeben — der Herr Abg. Dr. Spahn rasch weggegangen ist, über den uns aber der Herr Abg. Bassermann mancherlei Interessantes gesagt hat. Ich meine das Verhältnis, das in diesem Wahlkampf obgewaltet hat zwischen der Zentrumspartei und der sozialdemokratischen Partei. Meine Herren, ein Mitglied der Zentrumspartei hat mir im Abgeordnetenhause den Vorwurf gemacht, daß ich die Zentrumspartei in denselben Topf ge⸗ worfen hätte mit der sozialdemokratischen Partei. Das ist mir gar nicht eingefallen. Aber zu meinem lebhaften Erstaunen und zu meinem tiefen Bedauern fand ich plötzlich das Zentrum in dem Topf der
Darauf erwidere ich, daß leider zu den gröbsten Wahrheitsentstellungen, die im Wahlkampf eine Rolle
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sind hier zusammengestellt in einem Buche, das von einem Katholiken verfaßt ist. Es war ein Unrecht, ein schweres moralisches Unrecht,
zusammenzugehen mit einer Partei, die hier in diesem hohen Hause
für die Pariser Kommune eingetreten ist — demokraten), für die Pariser Kommune, die den Erzbischof Darboy füsiliert hat daran erinnere ich Sie, Herr Bebel, gegenüber der Heiterkeit, die sich Ihrer plötzlich be⸗
(Lachen bei den Sohial⸗
mächtigt; die Sache war nicht heiter —, die den Erzbischof Darboh
erschießen ließ, die die unschuldigen Dominikaner von Auteuil ab⸗ geschlachtet hat! Für die Apologeten und Gesinnungsgenossen der Pariser Kommune haben Zentrumsabgeordnete die Stichwahlparole ausgegeben. Dieser Partei sind vom Zentrum ungefähr 12 Wahl⸗ kreise zugeschanzt worden. Dieser Partei haben Zentrumswähler den Steigbügel gehalten. Ohne die Unterstützung von Zentrumsseite würde die Sozialdemokratie, die Partei der Christentumsfeindlichkeit — so nannte sie noch kürzlich ein großes katholisches, ein Zentrums⸗ blatt — auf zwei bis drei Dutzend Wahlmandate zurückgeworfen sein. (Sehr richtig! rechts und links.) Die Zentrumspresse mag das jetzt dialektisch verkleben und verkleistern, wie sie will; das Unrecht
bleibt bestehen. Man sündigt nicht ungestraft gegen große ethische Gesichtspunkte. Wie soll übrigens eine Einigung unter den bürgerlichen Parteien möglich sein, wenn die
stärkste bürgerliche Partei, sobald ihr etwas nicht paßt, oder wenn sie gegen die Regierung und die anderen bürgerlichen Parteien auftrumpfen will, gelehnt auf die Sozialdemokratie, der Regierung und den anderen bürgerlichen Parteien Schach bietet? (Sehr richtig! rechts.) Wenn das sogar in nationalen, in Wehrfragen geschieht, dann ist freilich keine einheitliche Front gegenüber der Sozialdemokratie möglich. Wenn man mir das Verhalten der Liberalen in Cöln entgegen⸗ hält, so erwidere ich darauf, daß zunächst eine große Anzahl Cölner Liberaler, der Herr Oberbürgermeister Becker an der Spitze, für den Zentrumsabgeordneten eingetreten sind. Das hat, mein Gedächtnis nicht täuscht, auch der Herr Abg. Trimborn nach seiner Wahl anerkannt. (Zustimmung des Abg. Trimborn.) — Ich konstatiere mit Vergnügen, daß der Herr Abg. Trimborn mir
zustimmt. — Sofern aber Liherale in Cöln eine andere Haltung ein⸗
genommen haben, mißbillige ich ihr Verhalten. (Bravo! rechts.) Ich habe vor und bei der Wahl nicht den mindesten Zweifel darüber
gelassen, daß ich jede direkte oder indirekte Unterstützung, die hier und .
da Liberale der Sozialdemokratie gewährt haben, durchaus und im höchsten Grade mißbillige. (Bravo! rechts. Unruhe und Zurufe von den Sozialdemokraten.) Solange die Sczialdemokratie auf ihrem
gegenwärtigen, von dem Herrn Abg. Bebel in Dresden so prägnant formulierten Standpunkte der Todseindschaft gegen den nationalen Staat und die bürgerliche Gesell⸗
schaft verharrt, so lange sollten Wahlbündnisse nur zwischen den bürgerlichen Parteien möglich sein. Die bürgerlichen Parteien sollten auch zu stolz sein, sie sollten zu viel Würde und Selbstachtung haben,
um im Wahlkampf mit der Sozialdemokratie zusammenzugehen⸗ d worden. Wenn dies wirklich der Fall wäre, so würde mich das mit
alle bürgerlichen Parteien mit dem gleichen Haß verfolgt, die sie a 3 mit derselben verächtlichen Geringschätzung behandelt. (Lebhaftes Bravov! rechts und links.) Das Zentrum aber, das christliche Grund⸗ sätze vertritt, das soeben noch durch den Mund seines Führers uns gesagt hat, daß unsere ganze Kultur auf dem Christentum ruht, sollte in dieser Beziehung mit gutem Beispiel vorangehen; gerade ihm sollte jedes Zusammengehen mit der Sozialdemokratie unmöglich sein. Und es ist mir ein Bedürfnis, von dieser Stelle aus den⸗ jenigen Katholiken, vor allem aber den Bischöfen, meinen Dank auszusprechen, die im Wahlkampf furchtlos und treu ihrer Ueberzeugung Ausdruck gegeben haben. (Bravo! rechts.) Die Zu⸗ kunft wird zeigen, wie sehr sie nicht nur im Interesse des Vater landes, sondern auch ihrer Kirche gehandelt haben, als sie nicht klein⸗
licher Fraktionsarithmetik, gehässigen Rankünen und egoistischen
Herrschaftsgelüsten, sondern dem Leitstern ewiger Wahrheit gefolgt sind. (Lebhaftes Bravo!)
Der Herr Abg. Spahn hat sich auch beschäftigt mit der Haltung der Regierung und mit meiner Haltung gegenüber den Wahlen. Er hat von Wahlbeeinflussungen gesprochen. Ich nehme für die Regierung und ich nehme für mich das Recht in Anspruch, bei den Wahlen die Wähler aufzuklären über die Absichten der Regierung und über die Absichten der Gegner der Regierung⸗ (Lebhaftes mehrseitiges Sehr richtig!) Von diesem Rechte werde i bei künftigen Wahlen sogar noch in viel weiterem Umfange Gebrau machen. (Stürmisches Bravo! Händeklatschen.) Da werde ich Ihnen meine Herren von der äußersten Linken, noch ein ganz andere Lied vorblasen. (Bravo! und Sehr gut! rechts und links. Das wäre noch besser, wenn gegen die Regierung mit den un⸗ erhörtesten Beschimpfungen und Wahrheitsverdrehungen vorgegangen
wird, der Regierung aber verbindet man das Maul, die soll ni
einmal antworten dürfen. Nein, meine Herren, wenn wir angegri 8
werden, so antworten wir. (Bravo!) Wenn man auf uns schie 1 so schießen wir wieder. Das geschieht in anderen Ländern auch 1 Gerade in den konstitutionell⸗parlamentarisch regierten Ländern nehn
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wenn mich