1908 / 271 p. 10 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 16 Nov 1908 18:00:01 GMT) scan diff

eine Schrift über die Kruppschen Werkspensionskassen zugestellt worden. Ic ersehe aus diesem Heft, daß von dieser Firma in den zehn Jahren 1898 bis 1907 aufgewendet worden sind 12 283 852 ℳ. Seit Bestehen der Kasse haben die freiwilligen Zuwendungen der Firma nicht weniger als 3 950 000 betragen. (Lachen und Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Sie haben natürlich dafür nur ein Lachen (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Wer verdient's denn?) Da haben wir's!. Genau, was ich sagte (Lärm bei den Sozial⸗ demokraten); ich wartete ja nur auf diesen Zuruf, der mir meine Worte bestätigt. Die Intelligenz, die Kühnheit des Unternehmers und auch die des Kapitalisten, der sein Geld hineinsteckt, das alles gilt Ihnen nichts; diese großartigen Aufwendungen, das alles soll von den Ar⸗ heitern verdient sein ohne die freiwillige Tätigkeit der Firma Krupp! Der deutsche Arbeiter ist auf alle Fälle besser daran als der Arbeiter in anderen Ländern, zum Beispiel der englische Arbeiter. Wir ver⸗ danken das zunächst unserer vaterländischen Wirtschaftspolitik und dem Umstande, daß unsere industriellen und auch unsere landwirtschaftlichen Arbeitgeber für ihre Arbeiter in einer Weise eintreten, wie es in keinem anderen Lande der Welt angetroffen wird. Dies gilt insbesondere von der Arbeiterverficherung, aber auch unsere Ausgaben für die nationale Sicherheit, für Heer und Flotte (Ruf bei den Sozialdemokraten: Hurra!) kommen den Arbeitern zu gute. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Ihnen fehlt natürlich jedes Verständnis dafür. Sie begreifen nicht, daß, um fleißig und rentierlich wirtschaften zu können, man das Gefühl absoluter Sicherheit haben muß. Dieses Gefühl hat trotz aller unliebsamen Vorkommnisse in der inneren und äußeren Politik Gott sei Dank das intellektuelle, das ganze arbeitende Volk, soweit es nicht der roten Fahne folgt. Soll man aber das Gefühl der Sicherheit dauernd erhalten, so ist es notwendig, das Ausland in Respekt vor uns zu halten. Wir müssen unsere Position in Europa verteidigen, und um sie aufrecht zu erhalten, brauchen wir ein starkes Heer, und um über See Handel zu treiben, Brot zu verdienen, dem deutschen Kaufmann Sicherheit zu schaffen, dürfen wir auch vor Ausgaben für die Flotte nicht zurück⸗ 1Sen. Das sehen auch die Arbeiter ein, wenn man Gllegenheit hat, n Versammlungen usw. ernsthaft über solche Dinge zu sprechen. Daß die Lebensverhältnisse bei uns in Deutschland augenblicklich nicht unerfreulich sind, beweist auch die neueste Schlachtvieh⸗ statistik. Man hatte befürchtet, daß der Fleischkonsum im setzten Vferteljahr abnehmen werde. Das Gegenteil ist eingetreten, nur bei Pferden und Ziegen ist der Konsum zurückgegangen, und das ist wahrlich kein Nachteil. Bei den anderen Tiergattungen ist eine nicht unbeträchtliche Steigerung eingetreten. Die Statistik beweist, daß im dritten Quartal das deutsche Volk sich er⸗ heblich besser zu ernähren im stande war als im Jahre vorher. (dDer Redner führt dafür detaillierte statistische Zahlen an.) Von einer Notlage der Bevölkerung in weiten Fesan kann danach keine Rede sein. Ihr Genosse Calwer hat in der „Wirtschaftlichen Rundschau“ darauf hingewiesen, daß in England das Brot teurer ist als in dem „goll⸗ überlasteten“ Deutschland, und Ihr Genosse Schippel hat in den „Sozialistischen Monatsheften“ ebenfalls einen Standpunkt ver⸗ treten, der mit Ihren Freihandelstheorien nicht zu vereinbaren ist. Vor längerer Zeit war eine Deputation englischer Arbeiter in Deutschland. Sie hat ihren Genossen berichtet, daß die deutschen Arbeiter besser gelohnt würden, und daß sie cch in einem besseren Lebensstande befinden als die englischen rbeiter; man müßte die deutschen Arbeiter beneiden. Meine olitischen Freunde denken nicht daran, augenblicklich für eine eichsarbeitslosenversicherung einzutreten. Wir sehen nach wie vor in einer gesunden Wirtschafts⸗ und Sozialpolitik einen Ausgleich zwischen den Wogen der Hochkonjunktur und Depression. Wir sind für vermehrte Arbeitsgelegenheit im Reich und in den Einzel⸗ staaten, namentlich für neue Anschaffungen der Eisenbahnen. Das deutsche Eisenbahnwesen darf und kann und wird nicht stagnieren. Vor allem müssen Landwirtschaft und Industrie sich mit⸗ einander ins Benehmen setzen, um weitere Arbeits elegenheit zu schaffen. Wenn sich jetzt die Staatsbahnen mehr als bisher Güter⸗, ersonenwagen und Lokomotiven anschafften, so könnten der Industrie große Vorteile zugewendet werden. Die Staatsbahnen würden außerdem zur Zeit die Materialien billiger erhalten als zur Zeit der Hochkonjunktur. Namentlich könnte das Kleinbahnwesen gerade jetzt mehr gefördert werden. Den Genossenschaften aber sollte zu diesem Zweck der Staatskredit in erhöhtem Maße zu Hilfe kommen und sollten die Mittel der Zentralgenossenschaftskasse erheblich ver⸗ mehrt werden. In dieser Richtung sind meine politischen Freunde und alle Parteien des Hauses einig mit Ausnahme der Freisinnigen und Sozialdemokraten. Die einzigen, die den Arbeitern Steine statt Brot bieten, sind die Sozialdemokraten. Behrens (wirtsch. Vgg.): Nur die gewerkschaftlich organi⸗ tzerten Arbeiter Englands befinden sich in einer besseren Lage; der größere Teil der englischen Arbeiter befindet sich viel schlimmer daran, als die deutschen. Vertreter des Arbeiterverbandes der Messinsgwerke in Birmingham haben mir das ausdrücklich bestätigt. Man hat auf die sprunghafte Entwicklung unserer Jadustrie hingewiesen. Viel wichtiger aber ist die Frage der Bodenreform und die Verstaatlichung des Bergbhaug. Wenn der Staat einen nachdrücklichen Einfluß auf diese Kraftquelle der Industrie, auf Kohle und Eisen hätte, dann würde auch die sprunghafte Entwicklun der Industrie hintanzuhalten sein. Die Arbeitslosenversicherung liegt am besten in den Känden der Arbeiterorganisationen; wenn die Gewerkschaften und Gemeinden zusammenwirken, dann ließe sich wohl praktisch eiwas leisten. Man kann nicht alles von der Reichs⸗ und Staatsverwaltung allein ver⸗ langen. Es können aber die Gewerkschaften die zuständigen Be⸗ hörden darauf aufmerksam machen, wo ein Bau stillsteht, wo Arbeit eschafft werden kann. Die Behörden sollten sich aber auch nicht sgeten mit den Gewerkschaftskartellen sich ins Einvernehmen zu etzen. Dabselbe möchte ich auch der Landwirtschaft empfehlen. In aggrarischen Kreisen herrscht heute eine gewisse Antipathie gegen die Alceeeeung Man wird aber in diesen Kreisen nicht darum herumkommen können, daß auch die Arbeiter ein gewisses Standes⸗ bewußtsein haben. Das kann dem Verharren auf dem Lande nur dienlich sein. In einer so ernsten Zeit sollten die Land⸗ wirte und die Arbeiterorganisationen sich loyal verständigen. Im Bergbau ist die Arbeitsgelegenheit im allgemeinen noch gut, aber es haben auch schon im Siegerland und Nassau Stillegungen und Arheiterentfassungen stattgefunden. Die rheinischen Walzwerke und Hüttenwerke haben unter der Syndikatspolittk des Stahl⸗ und Eisen⸗ verbandes sehr zu leiden, so daß auch kort Arbeitssosigk it vorhanden „Die Regierung sollte bei der Verg bung von Staatzarbeiten diese Industrie berücksichtigen. Die überflüssigen Arbeiter in diesen Bezirken sollte man nach Lothringen bringen, und zu diesem Zwecke sollte die preußische Eisenbahnverwaltung Fahrpreis⸗ ermäßigung gewähren. Auch den überflüssigen Arbeitern im Ruhr⸗ revier und aus anderen Bezirken sollte man zur Rückkehr in die land⸗ wirtschaftlichen Betriebe Fahrprelsermäßigungen gewähren. Eigenllich müßte das nicht vom Staat, sondern von den Grubenbesitzern bezahlt werden, die die Leute dahin geholt haben. Mit Bahnbauten köͤnnte vorwärts gegangen werden; es sind genügend Bahnen projektiert, aber mit dem Bau geht es nicht vorwärts. Ebenso ist gerade die jetzige Zeit geeignet zu Wagenbestellungen durch die Eisenbahnverwaltung, damit bei einer neuen Hochkonjunktur nicht wieder über die Wagen⸗ d lun zu klagen ist. Hoffentlich tragen diese Verhandlungen zur ösung des Arbeiterproblems bei, damit neues Vertrauen und neue Hoffnung in der Bevölkerung erwächst, und der Staat Aufträge gibt, um die Arbeitslosigleit etwas zu mildern. Abg. Gothein (fr. Volksp.): Die schlesischen Eisenindustriellen haben mir gegenüber sich im September über Mangel an Aufträgen auf Schienen und Oberbaumaterial beschwert. Wenn sich das in⸗ zwischen geändert hat, sind die Aufträge sehr spät heraus⸗ eee Wenn uns von den Sozialdemokraten die sostalistische irtschaftsordnung in Australien vorgehalten wird, so ist mir das

deutsche Volk als Versuchskaninchen für sosche Experimente schade. Außerdem ist das Beispiel Australijens nicht —. räftig, da dieses Lind noch keine Exportindustrie hat.

Dr. Böhme meinte, die Produktionskosten der Landwirtschaft seien

außerordentlich gestiegen durch die Steigerung der Arbeitslöhne. Das ist nur bedingt richtig; denn gleichzeitig hat die Anwendung von Maschinenkraft in der Landwirtschaft die Produktivität des Bodens bedeutend erhöht. Die Klagen über die Landflucht sind so alt wie die Klagen über den Großgrundbesitz, über das Bauernlegen; lesen Sie doch daz Buch von Ernst Moritz Arndt über den Untergang des Bauernstandes; sehen Sie doch die Arbeiten von Knappe und Fuchs an! Mit brutaler Peügelstrafe suchte man damals die Bauern, die man zu heimatlosen leibeigenen Tagelöhnern gemacht hatte, zurückzuhalten, aber sie flohen trotzdem aus den ihnen unerträglich gewordenen Verhältnissen. Den Standpunkt, den der Adg. Severing vertreten hat, halte ich für viel vernünfliger als denjenigen der Abgg. Böhme und Hahn; sorgen wir dafür, daß der aus⸗ wärtige Arbeiter dieselbe Sicherheit hat, seine Rechte im Inlande geltend zu machen und sich zu koalteren, wie jeder andere. In Kattowitz wies man einen russisch⸗polnischen Arbeiter aus, weil er in eine sozialdemokratische Versammlung gegangen war, und zwar übte die Polizei direkt einen Druck auf die betreffende Gesellschaft aus, bei der der Mann in Arbeit stand. In Rußland bekam ich zu hören: wir in Rußland sind viel freier als ihr in Deutschland; ihr müßt der Polizei gehorchen, bei uns muß die Polizei uns gehorchen! Die Verstaatlichung des Kohlenbergbaues ist als Allheilmittel angepriesen worden. Ein Teil von uns lehnt den Gedanken keineswegs ab; aber für eine Verstaatlichung des preußischen Kohlenbergbaues durch den preußischen Staat wird sich keiner begeistern, denn die Staatsbergwerkeverwaltung von Preußen ist um kein Haar besser als das Kohlen yndikat. Solange wir in Preußen eine Volksvertretung haben, die keine ist, darf dem preußischen Staate ein solches Machtmittel nicht in die Hand gegeben werden. Wächst der Konsum, steigt die Bevölkerungs⸗ ziffer, dann belebt sich die Industrie wieder, die Nachfrage kann nicht mehr befriedigt werden, Erweiterungen erfolgen, die all⸗ mählich in die Produktion eintreten. Da läßt denn die Nachfrage wieder nach, und von dem Augenblick haben wir wieder eine Uebe⸗produktion. Da erweist sich ganz im Gegensatz zu dem Abg. Hahn die Börse, die haute finance gerade als Brems⸗ apparat, und wir wollen ihr und den Großbanken für ihre Haltung dankbar sein. Daß die Zollpolitik von 1879 die Löhne der Bergarbeiter gesteigert habe, behauptet der Abg. Dr. Hahn; sollte er dabei nicht übersehen, daß die Kohle überhaupt keinen Schutz ge⸗ nießt? Eine indirekte Einwirkung von der Eisenindustrie her ist doch nur in geringem Maße anzunehmen. Die allgemeine politische Lage ist für die Frage ganz gleichgültig, meint der Abg. Hahn. Erst in diesen Tagen ging ein A. E. G.⸗osfiziöses Communiqué durch die Zeitungen, worin Rathenau direkt davon spricht, daß die schlechte auswärtige Politik den Export sehr nachteilig beeinflußt

habe. Vielleicht ist also dem Abg. Hahn Rathenau Autorität genug, wenn es allin nicht ist. Die englische Handels⸗ statistik sollte Dr. Böhme sich genau ansehen, wenn er

die ungünstige Wirkung des Bülow⸗Tarifs auf unseren Export kennen lernen will. Dr. Hahn hält hier immer dieselbe Rede, er muß also auch immer dieselbe Antwort erhalten. Weder Dr. Hahn noch ein anderer wird das Kraut finden, das gegen die Arbeitslosiskeit gewachsen ist. Für jede beliebige Chaussee und Klein⸗ bahn nach dem Drittelrezept Gelder zu bewilligen, davor kann ich nach meinen Erfahrungen im schlesischen Provinziallandtag nur warnen. Wir werden ja alle gein mitwirken an der Lösung des Problems der Arbeitslosi keit, aber diese Lösung steht leider nicht in naher Aussicht. Hoffen wir, daß die Konjunktur sich bald zum besseren wendet. Abg. Sachse (Soz.): Auch heute wieder hat man uns hier die Kruppschen Pensionskassen vorgeführt. Diese angeblichen Wohlfahrts⸗ kassen sind lediglich Hemmschuhe für die freie Bewegung der Arbeiter; sie haben die Wirkung, wenn nicht den Zweck, die Arbeiter rechtlos zu machen. Man schaffe diese Wirkungen der Einrichtungen durch eine andere Organisation aus der Welt, und es wird sich über die Sache reden lassen. Heute hat kein Arbeiter von Krupp ein statutarisches Recht auf die Rückerstattung der geleisteten Beiträge, es sei denn, daß er über 20 Jahre bei der Firma war! Die Notlage der deutschen Arbeiter ist unzweifelhaft aufs schlimmste verschärft durch die Schutzzollpolitik, durch den Lebensmittelwucher, der geradezu getrieben wird. Hunderttausende von Zentnern deutschen Getreides werden jetzt aus⸗ gefüͤhrt, um die Exportprämie in Gestalt des Ausfuhrscheines einzuheimsen! In der Zeit vom 1. August bis 10. September 1907 wurden 4500 D.⸗Ztr. ausgeführt, in diesem Jahre aber in demselben Zeitraum 1 870 000 D. Ztr. In einer Broschüre des Deutschen Mühlenbesitzerverbandes wird darauf hingewiesen, daß infolge dieser Ausfuhr deutschen Ge⸗ treides Hunderte und Jausende deutscher Mühlenbesitzer arbeitslos Leworden sind. Das Beschämende ist, daß sich ein deutscher rbeitersekretäur wie der Abg. Behrens hier hinstellt und solche Zustände verteidigt. Ich facdere die Regierung auf, Wandel zu schaffen und die Ausfuhrscheine zu beseitigen. Zu dem Gruben⸗ unglück würde ich heute nicht sprechen, wenn es nicht von anderer Seite geschehen wäre. Es geht durch die Presse wieder die Meinung, daß die Arbeiter die Schuld an diesem schrecklichen Unglück haben, das wir heute alle gemeinsam beklagen. Der Geheime Oberbergrat Meißner soll davon gesprochen haben, daß die Arbeiter nicht berieselt haben. Ich protestiere namens der Bergleute dagegen, weil wir schon so viel o Aussagen von Bergleuten in Händen haben, die das gerade Gegenteil beweisen werden. Bei der „Borussia“ haben wir dieselbe Geschichte erlebt; auch da sollte die Gruben⸗ verwaltung vollständig unschuldig sein, das wurde in einem Augenblick ausgesprochen, wo noch kein Mensch etwas festgestellt hatte. Wie sieht es heute in der Zeche „Borussia“ aus? Die Rheiaisch⸗ Westfälische Zeitung“, das Zechenbesitzerorgan, hat damals ge⸗ schrieben, hier müsse der Staatsanwalt eingreifen, hier lägen schwere Verfehlungen vor. Es kam zum Prozeß, der Betriebsführer wurde glänzend freigesprochen. Aber jetzt stellt sich heraus: es sind Meineide geschworen worden; wir werden ja sehen, was daraus werden wird. Merkwürdigerweise sind jetzt zwei der Arbeiterzeugen, die etwas geplaudert haben, abgebrannt. Beide Arbeiter wurden verhaftet unter der Beschuldigung, ihr Haus angesteckt zu haben. Sie wurden aber wieder frei gelassen. Ich als Staatsanwalt hätte ganz andere Leute verhaftet, weil ich geglaubt hätte, daß die Zeugen beseitigt werden sollten. Auch die Arbeiter bestätigen, daß auf Zeche Radbod nicht be⸗ rieselt wurde. Die Arbeiter hätten gern berieselt, wenn sie nur Wasser gehabt hätten. Im „Lokal⸗Anzeiger“ und im „Berliner Tage⸗ blatt“ wird berichtet, daß wochenlang teils gar kein Wasser vorhanden, teils kein Druck auf dem Wasser war. Ein Steiger sagte, das Wasser sei eingefroren. Das war wohl eine Notlüge; in der Grube kann das Wasser nicht einfrieren, und wenn es bei 3 bis 4 Grad schon einfrieren kann, dann muß es saumäßig zu⸗ gegangen sein. Jedenfalls müssen ganz ande e Ursochen . weshalb kein Wasser war. Auch von bürgerlichen Bericht⸗ erstattern wird konstatiert, daß der Staub fingerdick in der Gube gelegen hat. Wo sind die Revierbeamten, die reg [mäßig und pflichtmäßig die Grube zu befahren und auf den Kohlenstaub auf⸗ merksam zu machen haben? Wir müssen dagegen protestieren, daß die Arbeiter als Schuldige hingestellt werden. Es ist der Ruf: Mörder! auf der Zeche gefallen, aber nicht gegen Arbeiter, sondern gegen ganz andere Leute. Ich habe auf den Tisch des Hauses eine Nummer der Bergarbeiterzeitung gelegt: darin steht: „Schon am 29 (Prasident Graf zu Stolberg: Ich habe Ihnen einen weiten Spielraum gelassen, über das Grubenunglück zu sprechen, weil ich die Erregung seht wohl verstehe, in der Sie sich befinden. Aber ich möchte Sie doch bitten, zur Interpellation zurückzukehren. Diese Frage wird ja demnächst gründlich hier besprochen werden.) Ich wäre nicht auf die Frage eingegangen, wenn sie nicht von dem Abg. Brejski und dem Staatsekretär angeschnitten worden wäre. Dee Vizepräsident Paasche hat zwar den Abg. Hahn auch zur Sache gerufen, aber dieser ist von der Sache viel weiter abgeschweift wie ich. (Präsident: Ich bitte, nicht die Amtsführung meines Stell⸗ vertreters zu kritisieren) Das soll keine Kritik sein. Die Sache hängt mit der Arbeitslosigkeit insofern zusammen, als auch durch das Grubenunglück Hunderte von Arbeitern brotlos

Reichsanzeiger“ vom 14. Juni d.

geworden sind. Nicht bloß von Arbeitern selbst, auch in einer Broschüre aus Steigerkreisen wird darauf hingewiesen, daß die berg polizeilichen Vorschriften umgangen werden.

Staatssekretär des Innern Dr. Hollweg:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat seine Abschweifung auf das Grubenunglück, der schon der Herr Präsident entgegengetreten ist damit entschuldigt, daß ich die Sache angeschnitten hätte. Genau das Gegenteil ist der Fall. Ich habe sowohl dem Herrn Abg. Brajekt wie dem Herrn Abg. Severing gegenüber gesogt, daß ich nicht in der Lage wäre, vor Abschluß der Untersuchung auf die Sache einzugehen. (Sehr richtig!)

Darauf wird die weitere Besprechung vertagt.

Nach persönlichen Bemerkungen der Abgg. Severing (Soz.), Brejski (Pole) und Behrens (wirtsch. Vgg.) schlägt der Präsident Graf zu Stolberg für die nächste Sitzung 98 Seste eas die erste Beratung der Finanzreform⸗ und Steue gesetze vor.

Abg. Singer (Soz.) wünscht, daß alle diese Gesetze nicht is einer gemeinsamen Generaldiskussion beraten werden, sondern 8 über jedes einzelne Gesetz eine besondere Generaldiskussion statffinde da sbust eine ernsthafte Behandlung der einzelnen Gesetze nicht mög ich sei.

Die Abgg. Pauli (d. kons.), Bindewald (d. Reformp.) und Graf Oriola (nl.) widersprechen diesem Wunsch, da es sich deb handle, nur ganz allgemein über alle diese miteinander zusamme hängenden Vorlagen zu sprechen.

Gegen die Stimmen der Sozialdemokraten beschließt das Haus nach dem Vorschlag des Präsidenten, eine gemeinsam Generaldiskussion vorzunehmen. 1o

Schluß gegen 4 Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag, den 19. November, 1 Uhr. (Finanzreform und Steuergesetze.)

von Bethmann

Land⸗ und Forstwirtschaft. 1

Die „Schweizerische Landwirtschaftliche Zeitschrift Nr. 46 vom 3. November 1908 bringt folgenden Hehs itchen aus der O. schwetz. In den Talebenen wie auf den sonnigen Anhoͤhen sieh man trotz der vorgeschrittenen Jahreszeit da und dort noch Herde von weidendem Vieh, das unter harmonischem Glockengeläute d letzten Gräser und Kräuter aufsucht. In den Niederungen kann b heute noch vielerorts so ergiebige Grünfutterwiesen beobachten, da it sich lohnt, das viele Gras einzumähen. Die Obsternte ist se 8 einigen Tagen durchweg beendigt; auch die ganz späten Tafelobsisorte⸗ an den Spalierbäumen, in den Gärten und Anlagen sind eingesammien Wir haben eine so reichliche Obsternte hinter uns, wie seit 1. Jahren nicht mehr. Alle Obstforten, selbst die ganz späten, sind an der herrlichen Sommer⸗ und Herbstwitterung vollkommen un schs ausgereift, und mit Rücksicht auf die vorzügliche Güte des Lageroh 5 sind die Preise außergewöhnlich billig zu nennen. Die Kellersin mit gefuͤllten Mostfässern vollgepropft, und für das Einlenh der Trester hatte mancher Landwirt keinen Platz mehr und mn ig sie dem Vieh verfüttern. Wo man bei der Mostbereitung orgfält zu Werke gegangen ist, konnte ein Getränk bereitet werden, de jeder Hinsicht enispricht und voraussichtlich auch den auf dem ꝛm überhand genommenen Bierkonsum beeinflussen muß. Nebst einem gesunden und guten Getränk konnte diesen Perbst auch wieder einn viel Dörrobst hergestellt werden. Die großen Stücklikästen, die anf den Bauernhöfen noch zu finden sind, können aufgefüllt und die Keller und Kammern mit Grünobst versehen werten. 9. Kartoffelernte mußte pielerorts eine Verzögerung erleiden, wer man in den Monaten September und Oktober mit dem Ohbs⸗ einsammeln überall vollauf beschäftigt war. Die Erträge des Kartoffel feldes sind durchschnittlich recht gut und die Qualität ist befriedigend. Groß war der Segen diesen Herbst auch in den gutgepflegten Gemüsefeldern und Gärten.é Die Stangen⸗ und Buschbohnen Uieferten bis in den Spätherbst hinein außerordentliche Erträgen ebenso günstig war der Ertrag der verschiedenen Kohlarten zumal dar wo die Raupen des Kohlweißlings keine oder nur unbedeutende Ver⸗ heerungen angerichtet hatten. Der Blumenkohl hat infolge der Regen⸗ periode im September noch spärliche Blumen angesetzt, derse bildete aber infolge der günstigen Spätherbstwitterung unerwartet Weise in letzter Zeit viele und schöne Früchte. Derselben Zeitschrift wird aus dem Knonauamt unter dem 7. November berichtet: Vom schönsten Weiter begünstigt hat man die Herbstarbeiten zum größten Teil zu Ende gebracht. Feniß hat sich jeder mit freudigem Herzen der segensreichen Obsternte gewidmet, wenn auch die niedrigen Preise den Geldwertsertrag ungünstig beein⸗ flußten, so war es die äußerst große Quantität, die diesen Fehlegh ausglich. Wie schon seit einigen Jahren, so haben auc Crwesg

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dies Jahr die bekannten Hedigeräpfel ihren ins Ausland fortgesetzt; sie sind alerdeür um

e reis verkauft worden, wie man es wohl schon l icht geseben Pren Weil das Mostobst so niedrig im Jaen gleral die vorhandenen Fässer vollständig angefüllt. Mit dem Ertrag Feldgewächse: Kartoffeln, Rüben ꝛc., ist man ebenfalls sehr ee 1 ließ 18 bodukte in günstigster, . unter Dach bringen. Das wenige Ackerland, das sich bei uns vorfindet, ist bereits gepflügt und angesät. sich 88

zu⸗ eise 0

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Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absp 8 maßregeln.

Griechenland.

Die griechische Regierung hat für Herkünfte aus colera, verseuchten Häfen Rußlands 8 8 Scas. der früher t lassenen folgende sanitäre Maßnahmen verfügt: täne

Die für Herkünfte aus Rußland angeordnete fünftägige Quarasiges nebst Desinfektion sowie die für diese Herkünfte angeordneten sommcst. sanitären Maßnahmen blelben nur für Herkünfte von Kertsch in

Die Herkünfte von Batum Novorrosisk, Taganrog. N 88 Theodosia, Odessa, S 1 berfön iegen folgende saniären Maßnalmen⸗ ebastopol und Cherson unterliegen

1) Aerztliche Untersuchung der Reisenden der

2) Desinfektion der meünae der Relsenden 88 der

ritter Klasse und der Schiffsbesatzungen, 8

1” Desinfektion der Wasserbehälter und Erneuerung des Waf

4) Desinfektion der Aborte des Schiffes und der Kabinen Reisenden dritter Klasse und der Schiffebesatzungen. Die Quarantäne und die Desinfektion haben 8 St. Georges zu erfolgen, wohin alle aus den vorbezeichne kommenden Schiffe zunächst verwiesen werden.

China. unt

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Der Kaiserliche Konsul in Mukden hat die untermn der d. J. angeordnete gesundheitspoliieiliche Kontrolle ginakah Amoy kommenden und den Hafen von Niutschwanghen, unlaufenden deutschen Seeschiffe wieder aufgeho sowie v Einfuhr von Lumvpen, altem Papier, Särgen mit Leichtn n. (Vas trockener und feuchter Erde ist auch fernerhin verboten. J., Nr. 164.)